Urteil des BSG vom 30.01.2002
BSG: geschwindigkeit, erwerbsfähigkeit, arbeitsstelle, erwerbsunfähigkeit, arbeitsmarkt, ausschluss, rentenanspruch, erde, gutachter, stillschweigend
Bundessozialgericht
Urteil vom 30.01.2002
Sozialgericht Augsburg S 12 RJ 254/97
Bayerisches Landessozialgericht L 6 RJ 186/99
Bundessozialgericht B 5 RJ 36/01 R
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. August 2000 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Die
Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die im Dezember 1941 geborene Klägerin war nach einer Lehre als Einzelhandelskauffrau bis Ende 1981 als
Verkäuferin, Industriearbeiterin, Datentypistin und Bürohilfe beschäftigt. Nach längerer Arbeitslosigkeit nahm sie im
Dezember 1983 eine Halbtagsbeschäftigung als Versorgungshilfe in einem Klinikum an, bezog vom 30. April 1991 bis
17. Juni 1992 wegen Arbeitsunfähigkeit Krankengeld und ist seit 25. Januar 1994 wieder arbeitslos. Mit einem Grad
der Behinderung von 70 und Merkzeichen "G" ist sie seit 1989 als Schwerbehinderte anerkannt.
Ein im Januar 1990 gestellter erster Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wurde abgelehnt, die
dagegen gerichtete Klage nach weiterer medizinischer Aufklärung im sozialgerichtlichen Verfahren im März 1994
zurückgenommen.
Den im Februar 1996 gestellten erneuten Rentenantrag der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. April
1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 1997 ab. Das SG hat im Urteil vom 27. Oktober 1998
- auf der Grundlage des im Klageverfahren eingeholten fachorthopädischen Gutachtens von Dr. P vom 5. Januar 1998
- ua ausgeführt, die Wegefähigkeit der Klägerin sei nicht eingeschränkt; sie sei noch in der Lage, Anmarschwege von
mehr als 500 m mit kürzeren Pausen in einer zumutbaren Zeit zurückzulegen. Das LSG (Urteil vom 22. August 2000)
hat sich gemäß § 153 Abs 2 SGG den Entscheidungsgründen des sozialgerichtlichen Urteils angeschlossen und
ergänzend ausgeführt, der im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige Dr. R habe in seinem internistischen
Gutachten vom 4. April 2000 die Beurteilung der vom SG gehörten Sachverständigen bestätigt. Die Klägerin sei noch
in der Lage, körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen in geschlossenen temperierten Räumen in Tag- und
Wechselschicht und zu ebener Erde zu verrichten. Eine Summierung von Leistungseinschränkungen liege nicht vor.
Ebenso erscheine die Klägerin noch in der Lage, jeweils einzelne Gehstrecken von über 500 m in einem Zeitraum von
ca 15 Minuten zurückzulegen, sodass auch eine wesentliche Einschränkung hinsichtlich der Anmarschwege zum
Arbeitsplatz nicht vorliege. Rein rechnerisch ergebe sich aus der Wegstrecke von 500 m in 15 Minuten eine
Geschwindigkeit von 2 km/h. Dies zeige, dass in Anbetracht der üblicherweise von einem Fußgänger erreichten
Geschwindigkeit zwischen 4 und 6 km/h der Klägerin im zeitlichen Rahmen von 15 Minuten bei 500 m jedenfalls noch
zwei Stehpausen von mehreren Minuten ohne Überschreitung des zeitlichen Rahmens möglich seien. Die von Dr. P in
seinem Gutachten - offensichtlich wegen des bei der Klägerin festgestellten Übergewichts - geforderten kurzen
Pausen innerhalb einer Wegstrecke von 500 m sprengten deshalb den dafür zumutbaren zeitlichen Rahmen nicht. Die
von der Klägerin beantragte Einholung eines weiteren orthopädischen Gutachtens zur Frage ihrer Wegefähigkeit sei in
Anbetracht der von Dr. R etroffenen Beurteilung nicht erforderlich.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von §§ 103 und 106 SGG. Sie führt aus,
das LSG hätte sich gedrängt fühlen müssen, durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens darüber Beweis zu
erheben, dass sie (die Klägerin) nicht in der Lage sei, unter zumutbaren Bedingungen einen Arbeitsplatz zu erreichen,
dh eine Wegstrecke von ca 500 m in einem Zeitraum von ca 20 Minuten zurückzulegen. Mit der Begründung, unter
Berücksichtigung der gewöhnlichen Gehgeschwindigkeit zwischen 4 und 6 km/h könne sie im zeitlichen Rahmen von
15 Minuten bei 500 m noch zwei Stehpausen von mehreren Minuten ohne Überschreitung des zeitlichen Rahmens
abhalten, habe das LSG den entsprechenden Beweisantrag nicht ablehnen dürfen. Es habe sich hinsichtlich der
Zeitkomponente nicht auf die im Verfahren eingeholten Gutachten gestützt und gerade auf Grund seines
rechnerischen Ansatzes überprüfen müssen, inwieweit es gerechtfertigt sei, die "üblicherweise" von einem Fußgänger
erreichte Geschwindigkeit zwischen 4 und 6 km/h auch bei ihr zu Grunde zu legen. Bei Durchführung der
Beweisaufnahme hätte sich ergeben, dass sie (die Klägerin) die übliche Geschwindigkeit von zumindest 4 km/h auf
einer Wegstrecke von 500 m nicht erreichen könne und auch mehr als zwei Sitz- bzw Stehpausen von mehreren
Minuten auf dieser Wegstrecke einlegen müsse, sodass sie einen Arbeitsplatz nicht unter zumutbaren Bedingungen
erreichen könne und ihr aus diesem Grund der Arbeitsmarkt verschlossen sei.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. August 2000 aufzuheben und die
Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte führt zum Revisionsvorbringen aus, bei den von der Klägerin zitierten Ausführungen im Berufungsurteil
handele es sich lediglich um überflüssige und unbeachtliche Ausführungen, die dessen Rechtmäßigkeit nicht
berührten. Im Übrigen könne die Klägerin auch deswegen keinen Rentenanspruch haben, weil sie - im Besitz eines
Führerscheins - den familieneigenen PKW zum Zurücklegen des täglichen Wegs zur Arbeitsstätte benützen könne.
Als Altersrentner könne ihr Ehemann dies nicht verweigern.
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig und iS der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet. Der von
der Klägerin gerügte Verfahrensmangel liegt vor; das Berufungsgericht hätte sich von seinem sachlich-rechtlichen
Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen in medizinischer Sicht gedrängt fühlen müssen.
Der Rentenanspruch der Klägerin richtet sich nach §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31. Dezember 2000 geltenden
Fassung. Die ab 1. Januar 2001 geltende Neuregelung durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl I, 1827) ist im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar (vgl § 300
Abs 1 iVm Abs 2 SGB VI).
Auf dieser Rechtsgrundlage ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Klägerin keine
rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegt, soweit sie - ausgehend von ihrer zuletzt ausgeübten
Tätigkeit als Versorgungshilfe - grundsätzlich auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden
kann und das Spektrum der für sie in Betracht kommenden Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht durch
eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
weiter eingeengt ist, sodass ihr nach der Rechtsprechung des BSG zum Ausschluss von Berufs- und
Erwerbsunfähigkeit eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden müsste (vgl Beschluss des Großen Senats
vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80,24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8; Senatsurteil vom 24. Februar 1999 - B 5
RJ 30/98 R - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 - mwN). Die vom LSG in Bezug genommenen diesbezüglichen Ausführungen
des SG, dass die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen körperlich noch in der Lage sei, vollschichtig
leichte Tätigkeiten in geschlossenen Räumen in Tagschicht zu ebener Erde und ohne besonderen Zeitdruck zu
verrichten, dass für sie mit diesem Leistungsvermögen auf Grund ihrer Ausbildung insbesondere noch Bürotätigkeiten
in Betracht kämen, und dass die Leistungseinschränkungen nicht der Art seien, dass eine konkrete
Verweisungstätigkeit benannt werden müsse, lassen keine Rechtsfehler erkennen, insbesondere auch nicht in der
Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe der schweren spezifischen Leistungsbehinderung und der Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl Senatsurteil vom 24. Februar 1999 - B 5 RJ 30/98 R - SozR 3-2600 §
44 Nr 12, S 43); die tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich ihres Werdegangs und ihres Leistungsvermögens für die
genannten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sind von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen und
daher für das BSG bindend (§ 163 SGG).
Das LSG ist ferner iS der Rechtsprechung des BSG davon ausgegangen, dass zur Erwerbsfähigkeit auch die
ausreichende Fähigkeit gehört, Arbeitsplätze aufzusuchen, und demzufolge Erwerbsunfähigkeit trotz eines noch für
leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ausreichenden Leistungsvermögens vorliegen kann, wenn
Versicherte zwar an sich noch eine Vollzeitbeschäftigung ausüben können, ihnen aber der Arbeitsmarkt dadurch
praktisch verschlossen ist, dass sie entsprechende Arbeitsplätze aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen
können (vgl BSG Urteile vom 17. Mai 1972 - 12 RJ 74/71 - SozR Nr 101 zu § 1246 RVO, vom 27. Mai 1977 - 5 RJ
28/76 - BSGE 44, 39, 40 = SozR 2200 § 1246 Nr 19, vom 21. September 1977 - 4 RJ 131/76 - SozR 2200 § 1246 Nr
22, vom 6. Juni 1986 - 5b RJ 52/85 - SozR 2200 § 1247 Nr 47, vom 26. Mai 1987 - 4a RJ 21/86 - SozR 2200 § 1247
Nr 50, vom 13. Juli 1988 - 5/4a RJ 57/87 - SozR 2200 § 1247 Nr 53, vom 21. Februar 1989 - 5 RJ 61/88 - SozR 2200
§ 1247 Nr 56, vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 und vom 19. August 1997 - 13 RJ
89/96 - veröffentlicht in JURIS; Beschluss des Großen Senats aaO BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8, S 28).
Die tatsächlichen Feststellungen des LSG lassen jedoch - wie die Klägerin zu Recht rügt - eine Beantwortung der
Frage ihrer Wegefähigkeit nicht zu.
Das LSG hat auf die Gehfähigkeit der Klägerin abgestellt und ist dabei - in Anwendung des dafür gebotenen
generalisierenden Maßstabs (vgl BSG Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr 10;
Senatsurteile vom 21. Februar 1989 - 5 RJ 61/88 - SozR 2200 § 1247 Nr 56, vom 14. September 1995 - 5 RJ 10/95 -
veröffentlicht in JURIS und vom 19. November 1997 - 5 RJ 16/97 - SozR 3-2600 § 44 Nr 10) - davon ausgegangen,
dass ausreichende Gehfähigkeit gegeben ist, wenn Fußwege von über 500 m vier Mal täglich mit zumutbarem
Zeitaufwand zurückgelegt werden können. Die Grenze dessen, was es an Zeitaufwand für einen solchen Fußweg noch
für zumutbar hält, hat das LSG nicht ausdrücklich genannt. Der von ihm vorgenommenen Berechnung lässt sich
jedoch entnehmen, dass es einen Zeitaufwand von 15 Minuten für 500 m einschließlich erforderlicher Pausen
jedenfalls noch für zumutbar hält. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl BSG Urteil vom 17. Dezember
1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr 10, S 31, wonach der Bereich des Zumutbaren verlassen wird, wenn 20
Minuten für eine Strecke von 500 m benötigt werden). Für seine Feststellung, die Klägerin könne diesen Zeitrahmen
einhalten, konnte sich das LSG jedoch nicht auf die vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachten stützen.
Nach den Umständen des vorliegenden Falles hätte es sich vielmehr zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen
müssen.
Der im Berufungsverfahren befragte internistische Sachverständige Dr. R hatte ausgeführt, aus kardiopulmonaler
Sicht bestünden derzeit keine gravierenden Funktionseinschränkungen; die Leistungsfähigkeit der Klägerin werde in
erster Linie beeinträchtigt durch die Stoffwechselstörungen mit dem vordergründigen Übergewicht, des Weiteren liege
der richtungsweisende Beschwerdekomplex auf fachorthopädischem Sektor. Die ihm vom LSG gestellten
Beweisfragen: "Bestehen Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte? Kann die Klägerin insbesondere
morgens mehr als 500 m zu einem Arbeitsplatz in angemessener Geschwindigkeit (15 Minuten für 500 m) zu Fuß
zurücklegen und dies am Abend in umgekehrter Reihenfolge?" hatte dieser Sachverständige dahin beantwortet, dass
wesentliche Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitsstelle aus seiner gutachterlichen Sicht nicht
gegeben seien. Mithin kam es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - für die Beurteilung der Wegefähigkeit
wesentlich auf die fachorthopädische Sicht an. Dahingehend hatte sich ebenfalls der im sozialgerichtlichen Verfahren
gehörte internistische Gutachter Dr. K geäußert, indem er ausführte, aus internistischer Sicht könne die Klägerin
unbegrenzte Wegstrecken in normalem Gehtempo zurücklegen, die begrenzende Komponente dürfte hierbei die
orthopädische Einschätzung sein.
Der einzige im vorliegenden Rechtstreit gehörte orthopädische Sachverständige Dr. P hatte sich aber zur Frage des
Zeitaufwands, mit dem die Klägerin die genannten Wegstrecken zurücklegen könne, nicht geäußert. Die
Einschätzung, dass die Klägerin noch in der Lage wäre, Anmarschwege von mehr als 500 m bei Einlegen kurzer
Pausen "in einer zumutbaren Zeit" zurückzulegen, die das SG dem Sachverständigen Dr. P zugeschrieben hat, findet
sich in dessen Gutachten vom 5. Januar 1998 - wie die Klägerin bereits in ihrem Berufungsschriftsatz zu Recht
geltend gemacht hat - nicht. In Beantwortung der vom SG an ihn gerichteten Beweisfrage 4 nach den bei der Klägerin
vorliegenden Leistungseinschränkungen ist dort ua angegeben, es bestehe "Unzumutbarkeit eines längeren
Anmarschweges zur Arbeit". Die weiteren an ihn gerichteten Beweisfragen: "Können übliche Anmarschwege zur
Arbeitsstelle (mehr als 500 m) zurückgelegt bzw private (zB PKW) oder öffentliche Verkehrsmittel benutzt werden?
Wie viele Meter einfacher Wegstrecke kann die Klägerin zu Fuß zurücklegen? Kann sie 4 x 500 m pro Tag
zurücklegen?" (Beweisfrage 9) hatte dieser Gutachter lediglich wie folgt beantwortet: "Übliche Anmarschwege zur
Arbeitsstelle (mehr als 500 m) können bei Einhaltung von kürzeren Pausen zurückgelegt werden. Die Benutzung von
privaten (zB PKW) oder öffentlichen Verkehrsmitteln ist uneingeschränkt möglich. Die Klägerin wird dafür in der Lage
gehalten, einfache Wegstrecken von 4 x 500 m pro Tag mit kurzen Steh- oder Sitzpausen zurücklegen zu können."
Von einem "zumutbaren Zeitaufwand" - wie ihn die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung stillschweigend unterstellt -
ist weder in den Beweisfragen des SG noch in den Antworten des Sachverständigen die Rede. Das LSG konnte den
Antworten aber auch weder die von der Klägerin erreichbare Gehgeschwindigkeit, noch die Anzahl der von ihr auf 500
m benötigten Pausen, noch deren Dauer entnehmen - insoweit war die Angabe des Sachverständigen mit "kurz" zu
unbestimmt. Dieser Angaben bedurfte es jedoch, um feststellen zu können, ob die Klägerin die nach allgemeinen
Maßstäben festgelegte Wegstrecke zu Fuß auch tatsächlich noch in der vom LSG für zumutbar angesehenen
Zeiteinheit zurücklegen kann. Das LSG hätte zumindest durch Nachfrage bei dem Sachverständigen klären müssen,
welche Zeit die Klägerin für die genannte Strecke bei Einhaltung der erforderlichen Pausen benötige. Insoweit reichen
daher auch die rechnerischen Überlegungen des LSG nicht aus; sie setzen voraus, dass die Klägerin außerhalb der
erforderlichen Pausen die übliche Geschwindigkeit von 4 - 6 km/h erreicht.
Zum Ausschluss von Erwerbsunfähigkeit kommt es allerdings auf die Gehfähigkeit der Klägerin nicht an, wenn sie
einen Arbeitsplatz - wie die Beklagte meint - mit einem Kraftfahrzeug erreichen kann, da alle zumutbaren und dem
Versicherten verfügbaren Mobilitätshilfen zu berücksichtigen sind (vgl Senatsurteil vom 21. Februar 1989 - 5 RJ 61/88
- SozR 2200 § 1247 Nr 56; BSG Urteile vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 und
vom 19. August 1997 - 13 RJ 89/96 - veröffentlicht in JURIS). Insoweit ist allerdings zu verlangen, dass ein
Kraftfahrzeug zur Verfügung der Versicherten auch tatsächlich vorhanden ist (vgl Senatsurteil vom 19. November
1997 - 5 RJ 16/97 - SozR 3-2600 § 44 Nr 10). Feststellungen des LSG, die eine Beantwortung dieser Frage durch den
Senat erlaubten, fehlen indes gänzlich.
Da das BSG die erforderlichen Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht nicht selbst durchführen kann, war der
Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten - an das LSG zurückzuverweisen.