Urteil des BSG vom 19.01.2005

BSG: freiwillige versicherung, freies ermessen, ausbildung, versicherungspflicht, aktiven, arbeitsförderung, erfüllung, niedersachsen, gleichstellung, beratung

Bundessozialgericht
Urteil vom 19.01.2005
Sozialgericht Osnabrück S 6 AL 212/01
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 8 AL 259/03
Bundessozialgericht B 11a/11 AL 17/04 R
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Februar 2004
wird zurückgewiesen. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 1. Dezember 2000.
Die 1967 geborene Klägerin bezog vom 1. Januar 1998 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 31. Dezember 1998
Arbeitslosengeld (Alg) und im Anschluss bis zum 31. März 1999 Alhi. Ab dem 1. April 1999 nahm sie an einer auf
zwei Jahre angelegten Ausbildung zur Aerobic- und Fitness-Managerin bei der M. GmbH in Hamburg teil. Diese stellte
in Aussicht, die Klägerin nach erfolgreichem Abschluss des Bildungsganges einzustellen. Daraufhin förderte die
Beklagte die Ausbildung im Rahmen der freien Förderung nach § 10 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III). Sie
gewährte der Klägerin neben den Maßnahmekosten (Lehrgangsgebühren, Unterkunft und Verpflegung, Reisekosten,
Familienheimfahrten) einen Betrag in Höhe von 1.456,50 DM monatlich als "Leistungen zum Lebensunterhalt"; dieser
Betrag entsprach der Höhe nach der zuvor gezahlten Alhi. Nach dem Bewilligungsbescheid vom 5. Juli 1999 sollten
ferner Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (Zusatz im Bescheid: freiwillige Versicherung ohne Anspruch auf
Krankengeld bei einer gesetzlichen Krankenkasse) auf Nachweis erstattet werden.
Vom 25. August bis 30. November 2000 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt; am 1. Oktober 2000 brach sie die
Ausbildung ab, weil das Ausbildungsziel nicht mehr erreicht werden konnte.
Die Klägerin meldete sich am 30. November 2000 arbeitslos. Ihren Antrag auf Alhi ab 1. Dezember 2000 lehnte die
Beklagte mit der Begründung ab, die Klägerin habe innerhalb der einjährigen Vorfrist kein Alg bezogen. Eine
Verlängerung der Vorfrist komme nicht in Betracht, weil es an einem Vorbezug von Unterhaltsgeld (Uhg) fehle
(Bescheid vom 10. Januar 2001; Widerspruchsbescheid vom 9. April 2001).
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. März 2003). Das Landessozialgericht (LSG) hat die
Berufung mit Urteil vom 26. Februar 2004 zurückgewiesen. Die Klägerin habe innerhalb der Vorfrist kein Alg bezogen.
Ein Anspruch ergebe sich auch nicht durch eine Verlängerung der Vorfrist nach § 192 Satz 2 Nr 4 SGB III, denn diese
Vorschrift sei nur anwendbar, wenn Alhi zum ersten Mal beantragt werde. Das vorher entstandene Stammrecht auf
Alhi sei erloschen, weil seit dem letzten Tag des Bezuges von Alhi ein Jahr vergangen sei. Zwar verlängere sich die
Jahresfrist nach § 196 Satz 2 Nr 4 SGB III um Zeiten, in denen der Arbeitslose nach dem letzten Tag des Bezuges
von Alhi Uhg nach dem SGB III bezogen oder nur wegen des Vorrangs anderer Leistungen nicht bezogen habe. Die
Klägerin habe jedoch in der Vorfrist kein Uhg erhalten und auch materiell-rechtlich keinen Anspruch auf Uhg gehabt,
weil die Maßnahme nicht für die berufliche Weiterbildungsförderung anerkannt gewesen sei. Die freie Förderung sei
gegenüber dem Uhg nachrangig. Eine analoge Anwendung des § 196 Satz 2 Nr 4 SGB III auf den Leistungsbezug im
Rahmen der freien Förderung komme nicht in Betracht. Eine Regelungslücke sei nicht ersichtlich. Zweck der
Verlängerung der Vorfristen sei es vor allem, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass der Bezug von Uhg nicht mehr
zur Erfüllung einer Anwartschaftszeit diene. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sei eine Gleichstellung nicht geboten,
weil Leistungen gemäß § 10 SGB III mit dem Uhg nicht vergleichbar seien. Insoweit komme eine breite Palette von
Maßnahmen in Betracht, die sonst gerade nicht förderungsfähig wären. Die Teilnehmer an Maßnahmen der freien
Förderung seien nicht in gleichem Maße schutzbedürftig wie Teilnehmer an anerkannten Weiterbildungsmaßnahmen.
Die Leistung nach § 10 SGB III führe nicht zu einer Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung und
sei auch unter diesem Gesichtspunkt strukturverschieden. An der fehlenden Vergleichbarkeit ändere sich nichts
dadurch, dass die Beklagte in ihrer Ermessensentscheidung eine Leistung zugesprochen habe, die der Höhe nach
dem Uhg entsprochen habe. Ein Anspruch auf Verlängerung der Vorfrist ergebe sich nicht aus dem sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch. Die Arbeitslosigkeit könne nicht fingiert werden.
Zur Begründung der vom LSG zugelassenen Revision trägt die Klägerin vor, die Vorfrist des § 192 Satz 2 Nr 4 SGB
III habe sich verlängert, weil die Klägerin eine dem Uhg gleichzusetzende Leistung bezogen habe. Die in § 3 SGB III
aufgeführten Leistungen seien nach Bedeutung und Rang geordnet. In § 3 Abs 1 Nr 6 SGB III seien
Weiterbildungskosten und Uhg während der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung gleichgestellt. Daraus
ergebe sich, dass die ihr gewährten Leistungen gleichgestellt seien und gleichgestellt sein sollten. Die
Vergleichbarkeit ergebe sich ferner in Anbetracht der Tatsache, dass der Verlängerungstatbestand auch durch Teil-
Uhg erfüllt werde. Zudem habe die Beklagte die während der Ausbildung gewährten Leistungen entsprechend der
Berechnung des Uhg bemessen. Der Anspruch stehe ihr letztlich auch auf Grund der Folgen der unzutreffenden oder
nicht vorgenommenen Beratung zu. Sie hätte bei richtiger Beratung eine Ausbildung gewählt, für welche Uhg hätte
gewährt werden können. Ihre Auffassung werde dadurch gestützt, dass zukünftig in Kraft tretende gesetzliche
Regelungen verschiedene Möglichkeiten vorsähen, Ansprüche auf Entgeltersatzleistung zu schaffen oder zu erhalten.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Februar 2004, das Urteil
des Sozialgerichts Osnabrück vom 27. März 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2001 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Dezember 2000
fortlaufend Arbeitslosenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist darauf hin, dass das Bundessozialgericht (BSG) zu
der Gleichstellungsregelung in § 107 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in ständiger Rechtsprechung eine erweiternde
oder gar analoge Anwendung abgelehnt habe.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für die
Gewährung von Alhi ab 1. Dezember 2000 nicht vorliegen.
1. Das LSG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Alhi ab 1. Dezember 2000 lediglich
unter dem Gesichtspunkt einer Wiederbewilligung eines bereits entstandenen Anspruchs nach Unterbrechung des
Leistungsbezuges in Betracht kommt. Die Voraussetzungen für einen neuen Anspruch auf Alhi nach den §§ 190, 192
SGB III liegen ersichtlich nicht vor (zum Verhältnis von §§ 192 und 196 SGB III vgl Krauß in Wissing, SGB III, 2. Aufl
2004, § 192 Rz 4).
2. Die Klägerin kann auch nicht auf Grund des vorhergehenden Bezugs von Alhi bis zum 31. März 1999 die
Wiederbewilligung dieser Leistung ab 1. Dezember 2000 verlangen, denn der Anspruch ist erloschen. Nach § 196 Satz
1 Nr 2 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung erlischt der Anspruch auf Alhi, wenn seit dem
letzten Tag des Bezuges von Alhi ein Jahr vergangen ist. Diese Regelung betrifft das ursprüngliche Stammrecht, das
dem Arbeitslosen nach Erfüllung aller Voraussetzungen (§ 190 SGB III) erwachsen ist. Das bedeutet, dass mit dem
Erlöschen die Anspruchsberechtigung untergeht, die dem Berechtigten zunächst erhalten geblieben war. Das
Erlöschen hat daher zur Folge, dass trotz nunmehrigen Wiedervorliegens der übrigen Voraussetzungen nicht mehr auf
die früher verwirklichte Anwartschaft zurückgegriffen werden kann (BSG SozR 4100 § 135 Nr 3). Da die Klägerin
zuletzt am 31. März 1999 Alhi bezogen hatte, war das Jahr bei der erneuten Antragstellung der Klägerin am 1.
Dezember 2000 längst verstrichen.
Zu Recht hat das LSG die Berücksichtigungsfähigkeit der Zeiten der nach § 10 SGB III geförderten Ausbildung zur
Aerobic- und Fitness-Managerin im Rahmen des Verlängerungstatbestandes nach § 196 Satz 2 Nr 4 SGB III verneint.
Nach dieser Vorschrift verlängert sich die einjährige Erlöschensfrist nach Satz 1 Nr 2 um Zeiten, in denen der
Arbeitslose nach dem letzten Tag des Bezugs von Alhi Uhg nach diesem Gesetz bezogen oder nur wegen des
Vorrangs anderer Leistungen nicht bezogen hat. Die Klägerin hat jedoch nach dem 31. März 1999 kein Uhg bezogen.
Bei der von der Beklagten im Rahmen des § 10 SGB III gewährten "freien Förderung" handelt es sich auch nicht um
gegenüber dem Uhg vorrangige Leistungen im Sinne der zweiten Alternative des § 196 Satz 2 Nr 4 SGB III. Ein
derartiger Vorrang scheidet allein deshalb aus, weil die Voraussetzungen für eine Weiterbildungsförderung schon
mangels Anerkennung der Maßnahme (§ 77 Abs 1 Nr 4 SGB III) nicht vorlagen. Eine vor Beginn der Maßnahme zu
treffende Feststellung der Förderungsfähigkeit gemäß § 86 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden
Fassung, die nach der Rspr des Senats durch Verwaltungsakt zu erfolgen hat (BSG SozR 4-4300 § 86 Nr 1), hatte
das Arbeitsamt nicht getroffen und sie war im Übrigen auch weder von der Klägerin noch vom Maßnahmeträger
begehrt worden. Ferner zeigen die Voraussetzungen des § 10 SGB III, wonach die Mittel "die Möglichkeiten der
gesetzlich geregelten aktiven Arbeitsförderungsleistungen durch freie Leistungen der aktiven Arbeitsförderung"
erweitern und die gesetzlichen Leistungen nicht aufstocken dürfen, dass beide Leistungen nicht in einem Vorrang-
Nachrang-Verhältnis, sondern in einem Verhältnis der Alternativität zueinander stehen.
Der Senat folgt dem LSG auch darin, dass sich aus dem aus der Entstehungsgeschichte herzuleitenden Zweck des
Der Senat folgt dem LSG auch darin, dass sich aus dem aus der Entstehungsgeschichte herzuleitenden Zweck des
Verlängerungstatbestandes keine Hinweise auf das Erfordernis einer erweiternden Auslegung oder einer
entsprechenden Anwendung der Regelung auf den zu entscheidenden Sachverhalt ergeben. Eine Regelungslücke liegt
nicht vor (zur vergleichbaren Problematik des Erlöschens des Alhi-Anspruchs durch Bezug des sog Meister-BAföG
vgl LSG Berlin vom 14. Februar 2003 - L 4 AL 23/02 - veröffentlicht in juris). § 196 Satz 2 Nr 4 SGB III geht auf den
Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (AFRG - BT-Drucks 13/4941; im Entwurf § 195 Satz 2 Nr 3)
zurück. Der Gesetzgeber wollte ausweislich der Gesetzesbegründung mit dieser insoweit von der Vorgängervorschrift
(§ 135 AFG) abweichenden Regelung einen Ausgleich dafür schaffen, dass durch den Bezug von Uhg ein
"Versicherungspflichtverhältnis" nicht mehr begründet wurde (BT-Drucks 13/4941 S 189). Es handelte sich mithin um
eine Folgeänderung zur Abschaffung der noch unter der Geltung des AFG bestehenden Vergünstigung, wonach ua
Zeiten des Bezuges von Uhg den Zeiten eines die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnisses
gleichgestellt waren (§ 107 Satz 1 Nr 5d AFG). Mit dem Inkrafttreten des SGB III entfiel die Gleichstellung von Uhg-
Bezug und Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung, um durch den Ausschluss des Erwerbs von
neuen Ansprüchen Maßnahmekarrieren zu verhindern, bei denen die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen vor allem mit
dem Ziel des Erwerbs neuer Ansprüche angetreten worden war (BT-Drucks 13/4941 S 147). Lediglich der Wegfall
dieser durch die Teilnahme an einer Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme begründeten Vergünstigung sollte
also durch die Verlängerung der Erlöschensfrist kompensiert werden. Deshalb gebietet der Zweck des
Verlängerungstatbestandes keine Erstreckung auf alle Leistungen, die wie das Uhg auf eine Sicherung des
Lebensunterhalts abzielen. Die Parallelregelung in § 196 Satz 2 Nr 5 SGB III, die eine Verlängerung der
Erlöschensfrist (nur) bei Bezug von Übergangsgeld von einem Rehabilitationsträger wegen einer Leistung zur Teilhabe
am Arbeitsleben vorsieht, bestätigt den begrenzten Anwendungsbereich der Verlängerungstatbestände.
Die enge Auslegung des § 196 Satz 2 Nr 4 SGB III wird durch die Rechtsentwicklung bestätigt. Das BSG hatte zu
dem in § 107 Satz 1 Nr 5d AFG geregelten Gleichstellungstatbestand entschieden, dass Zeiten des Bezugs von Uhg
nach den "Richtlinien für aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds mitfinanzierte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen
im Bereich des Bundes" nicht als gleichgestellte Zeiten der Erfüllung der Anwartschaft für einen Anspruch auf Alg
dienten (BSG SozR 3-4100 § 107 Nr 11). Eine erweiternde Auslegung dieser Vorschrift hat das BSG im Hinblick auf
den eindeutigen, eingegrenzt formulierten Wortlaut der Vorschrift und die mit einer entsprechenden Rechtsanwendung
verbundene Ausweitung der Leistungsansprüche abgelehnt (vgl auch BSG SozR 3-4100 § 107 Nr 10 S 42 mwN).
Eine Gleichstellung von Zeiten des Uhg-Bezuges und von Zeiten des Bezugs von Leistungen der freien Förderung
wird im Rahmen der Anwendung des § 196 Satz 2 Nr 4 SGB III auch nicht deshalb gefordert, weil derartige
Maßnahmen mit den förmlichen Weiterbildungsmaßnahmen mit Uhg-Bezug in einem derartigen Umfang
übereinstimmen würden, dass eine Differenzierung sachwidrig wäre. Vielmehr sollte mit der erstmals durch das AFRG
eingeführten freien Förderung ein auf die konkrete Arbeitsmarktlage zugeschnittenes Instrument der aktiven
Arbeitsförderung geschaffen werden. Der Gesetzgeber wollte den Arbeitsämtern insoweit ein weitgehend freies
Ermessen einräumen, das lediglich dadurch begrenzt wird, dass sich die Maßnahmen innerhalb des gesamten
Rahmens der aktiven Arbeitsförderung und der gesetzlichen Zielsetzung bewegen müssen (BT-Drucks 13/4941 S
154). Charakteristisch für die Maßnahmen der freien Förderung ist folglich der weit gehende Spielraum der
Arbeitsämter bei der Ausgestaltung der Leistungsgewährung ohne einen vom Gesetzgeber vorgegebenen
organisatorischen Rahmen (vgl Ebsen in Gagel, SGB III, § 10 Rz 8 ff).
Diese Beurteilung findet ihre Fortsetzung darin, dass für die Maßnahmen der freien Förderung
Versicherungspflichttatbestände, wie sie in § 5 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - und in § 3 Satz 1 Nr 3
Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - jeweils in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung für bestimmte
Entgeltersatzleistungen vorgesehen sind, ausdrücklich nicht geschaffen worden sind. Dementsprechend hat die
Beklagte der Klägerin im Bewilligungsbescheid die Möglichkeit eingeräumt, sich Aufwendungen für etwaige Beiträge
zu einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung erstatten zu lassen. Die gegenteilige Rechtsansicht des LSG
Baden-Württemberg im Urteil vom 19. März 2003 (L 5 AL 2236/00 - veröffentlicht in juris), Versicherungspflicht in der
Kranken- und Rentenversicherung bestehe auch für Zeiten des Bezuges von dem Uhg ähnlichen Unterhaltsleistungen
während einer Maßnahme der freien Förderung, unterliegt erheblichen Bedenken. Denn das LSG hatte seine Meinung
entscheidend darauf gestützt, es sei systemwidrig, dass Arbeitslose zwar an Maßnahmen teilnehmen müssten, wenn
sie nicht den zeitweiligen oder vollständigen Verlust des Leistungsanspruchs durch Sperrzeiten bzw fehlende
Verfügbarkeit in Kauf nehmen wollten, sie damit zugleich aber aus der gesetzlichen Krankenversicherung
ausscheiden müssten und die Belegung der entsprechenden Zeiten mit Pflichtbeiträgen in der Rentenversicherung
unmöglich werde. Diese Rechtsansicht, die Klägerin habe bei Nichtteilnahme an der Maßnahme leistungsrechtliche
Nachteile befürchten müssen, hält der Senat indes im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 144 Abs 1 Nr 3
SGB III bzw nunmehr ab (1. Januar 2005) § 144 Abs 1 Nr 4 SGB III für zweifelhaft. Denn hiernach tritt eine Sperrzeit
nur bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme ein, also gerade nicht bei einer "freien Förderung".
Keine andere Beurteilung folgt aus dem Umstand, dass die von der Beklagten während der Teilnahme an der
Maßnahme gewährte "Unterhaltsleistung" ihrer Höhe nach ebenso der zuvor bezogenen Alhi entsprach, wie dies auch
nach § 158 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung für ein etwaiges Uhg gegolten hätte. Denn
für die Anwendung des Erlöschenstatbestandes kann es - ebenso wie zB für das Bestehen von Versicherungspflicht -
nicht darauf ankommen, ob Zahlungen in gleicher oder ähnlicher Höhe wie andere Leistungen gewährt werden.
Entscheidend ist allein, dass die von der Klägerin besuchte Maßnahme nicht den engen Vorgaben nach den §§ 77 ff
SGB III unterfiel, sondern den Regelungen über die freie Förderung nach § 10 SGB III und damit die Voraussetzungen
für den Bezug von Uhg nach § 153 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung im Fall der Klägerin
nicht erfüllt waren.
Dass das Stammrecht auf Alhi wegen der von der Klägerin absolvierten Maßnahme der freien Förderung durch
Zeitablauf erloschen ist, begegnet schließlich auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Wenn der Gesetzgeber
die Grundlagen für eine zusätzliche Förderung von beruflichen Bildungsmaßnahmen schafft, die nach den Kriterien der
§§ 77 ff SGB III nicht förderungsfähig sind, so kann hieraus nicht die weitergehende Verpflichtung hergeleitet werden,
den Teilnehmern an Maßnahmen der freien Förderung unabhängig von deren Dauer zusätzlich auch das Stammrecht
auf Alhi zu erhalten. Insbesondere ist ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 Grundgesetz
(GG)) wegen der strukturellen Unterschiede zwischen freier Förderung und Weiterbildungsförderung mit Uhg-Bezug
nicht gegeben.
3. Schließlich lässt sich der fehlende Vorbezug von Alhi innerhalb der Erlöschensfrist des § 196 Satz 1 Nr 2 SGB III
auch nicht auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ersetzen. Der sozialrechtliche
Herstellungsanspruch setzt auf der Tatbestandsseite voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm auf Grund
Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere
zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch), verletzt und dadurch dem Betroffenen einen
Nachteil zufügt (BSG SozR 3-4100 § 249e Nr 4; BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 2; BSG SozR 4-2600 § 58 Nr 3). Auf der
Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen ist im konkreten Einzelfall bereits die Verpflichtung der Beklagten
zu verneinen, die Klägerin über die leistungsrechtlichen Folgen einer Teilnahme an dem im Rahmen der freien
Förderung geförderten Bildungsgang gesondert zu beraten. Denn zwar nicht das Antragsformular, aber der
Bewilligungsbescheid und alle anderen Informationen zu der von der Klägerin selbst gesuchten Maßnahme enthielten
ausdrücklich die Überschrift "Freiwillige Förderung nach § 10 SGB III" und es war von "Leistungen zum
Lebensunterhalt" die Rede. Ferner war der Klägerin nach den Feststellungen des LSG bekannt, dass
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung während der Maßnahmedauer nicht
bestand und deshalb - anders als bei der zuvor bezogenen Alhi - lediglich die Beiträge für eine freiwillige
Krankenversicherung ohne Krankengeldanspruch übernommen würden. Im Hinblick auf diese der Klägerin bekannten
Besonderheiten bei der sozialen Sicherung während der Teilnahme an der Maßnahme hat das LSG zu Recht keine
weiteren Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin zusätzliche Hinweise des Arbeitsamtes erhalten hat. Es kann
deshalb auch dahinstehen, ob die (erforderliche) Kausalität zwischen dem hier zu verneinenden Beratungsfehler und
der Teilnahme der Klägerin an der Maßnahme festgestellt werden könnte, dh die Klägerin nachweislich von der
Maßnahme der freien Förderung Abstand genommen hätte, wenn sie auf die Gefahr eines Erlöschens des Anspruchs
auf Alhi nach § 196 Satz 1 Nr 2 SGB III hingewiesen worden wäre. Mangels einer Pflichtverletzung der Beklagten ist
auch nicht weiter darauf einzugehen, ob - wie vom LSG ausgeführt - selbst bei (unterstelltem) Fehlverhalten der
Beklagten die Korrektur im Wege des Herstellungsanspruchs nicht in Frage kommt, weil ein Nachteilsausgleich auf
ein gesetzwidriges Handeln des Leistungsträgers hinauslaufen würde (vgl BSG SozR 3-4100 § 249e Nr 4 und SozR 4-
4300 § 137 Nr 1, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen - jeweils mwN).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.