Urteil des BSG vom 12.12.2007

BSG (bildende kunst, versicherungspflicht, lehrer, avg, künstler, kläger, lex specialis, tätigkeit, inkrafttreten, musiker)

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 12.12.2007, B 12 KR 8/07 R
Rentenversicherung - Versicherungspflicht eines selbständigen Musiklehrers steht
einer späteren Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung nicht entgegen
Leitsätze
Bei lehrenden Künstlern steht der Annahme einer Rentenversicherungspflicht als selbstständig
tätiger Lehrer nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB 6 nicht entgegen, dass für sie insoweit ab einem
späteren Zeitpunkt Versicherungspflicht nach dem KSVG besteht.
Tatbestand
1 Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in der Zeit vom 1.1.2000 bis zum 22.7.2003
als selbstständig tätiger Lehrer in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig
war.
2 Der 1967 geborene Kläger war in der Zeit ab Januar 2000 ua als Instrumentallehrer bei der
Musikschule B. eV selbstständig tätig. Im Anschluss an eine dort durchgeführte
Betriebsprüfung gab der beklagte Rentenversicherungsträger den Vorgang an die
beigeladene Künstlersozialkasse (KSK) ab. Mit Bescheid vom 24.6.2003 stellte die KSK fest,
dass der Kläger nicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG)
versicherungspflichtig sei, weil die Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach
Auswertung der ihr vorliegenden Unterlagen nicht erfüllt seien, und gab den Vorgang an die
Beklagte zurück. Der Kläger erhob hiergegen mit Eingang am 23.7.2003 Widerspruch. Mit
Bescheid vom 15.10.2003 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers in der
gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB VI ab 1.1.2000 fest und
forderte Regelbeiträge. Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Mit Bescheid vom
6.9.2004 stellte die KSK unter Aufhebung ihres Bescheides vom 24.6.2003 fest, dass der
Kläger zum Personenkreis der selbstständigen Künstler und Publizisten im Sinne des KSVG
gehöre und ab 23.7.2003 ua in der Rentenversicherung versicherungspflichtig sei, und
forderte ihrerseits Beiträge. Daraufhin nahm die Beklagte ihren Bescheid vom 15.10.2003 mit
Bescheid vom 30.9.2004 insoweit zurück, als darin Rentenversicherungsbeiträge über den
22.7.2003 hinaus gefordert worden waren und ab 1.1.2003 der volle Regelbeitrag zugrunde
gelegt worden war. Zur Begründung gab sie an, die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 1
SGB VI werde erst ab 23.7.2003 aufgrund der positiven Entscheidung der KSK durch die
vorrangige Versicherungspflicht nach dem KSVG verdrängt. Soweit dem Widerspruch des
Klägers dadurch nicht abgeholfen wurde, wies ihn die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 30.3.2005 unter Hinweis darauf zurück, dass er aufgrund seiner selbstständigen Tätigkeit
als Musiklehrer ab 1.1.2000 jedenfalls bis zum 22.7.2003 nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI der
Rentenversicherungspflicht unterliege.
3 Der Kläger hat Klage erhoben, soweit die Beklagte seine Rentenversicherungspflicht vor dem
23.7.2003 festgestellt hat. Mit Urteil vom 2.12.2005 hat das Sozialgericht Mainz (SG) der
Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 30.9.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 30.3.2005 aufgehoben. Mit Urteil vom 17.1.2007 hat das
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des
SG zurückgewiesen. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung bestehe in der
Zeit vom 1.1.2000 bis zum 22.7.2003 keine Rentenversicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 1
SGB VI, weil diese für Lehrer wie den Kläger, die zu dem vom KSVG erfassten Personenkreis
gehörten, durch die Regelung des § 2 Satz 1 Nr 5 SGB VI in Verbindung mit dem KSVG
verdrängt werde. Die Versicherungspflicht selbstständiger Künstler sei dort abschließend
geregelt und gehe als spezieller Versicherungspflichttatbestand demjenigen für
selbstständige Lehrer vor. Das gelte auch, soweit die Versicherungspflicht nach dem KSVG
faktisch erst später vollzogen werde, weil sie nach § 8 KSVG nicht schon mit der Aufnahme
der selbstständigen Tätigkeit, sondern erst mit dem Eingang der Meldung oder der
Bescheiderteilung durch die KSK beginne. Für diese Auslegung sprächen die Systematik des
§ 2 SGB VI und die Entstehungsgeschichte.
4 Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 2 Satz 1 Nr
1 SGB VI. Die Auffassung des LSG, wonach eine nur dem Grunde nach, aber real nicht
existierende Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 5 SGB VI die tatsächlich eingetretene
Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI vollständig verdränge und diese Vorschrift
auf Lehrer, die dem Künstlerbegriff unterfallen, überhaupt keine Anwendung finde, treffe nicht
zu. Eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI lasse
sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch der Gesetzessystematik entnehmen. Für den
Zeitraum vom 1.1.2000 bis zum 22.7.2003 habe hier eine Konkurrenzsituation zwischen
beiden Versicherungspflichttatbeständen nicht bestanden, sodass eine solche auch nicht
habe aufgelöst werden müssen. Der Kläger habe in diesem Zeitraum ausschließlich die
Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI erfüllt. Auch spreche
die Entstehungsgeschichte gegen die Auffassung des LSG. Würde dieser gefolgt, wäre die zu
treffende Altersvorsorge bei einer bestimmten Gruppe von Lehrern trotz unterstellter
Schutzbedürftigkeit allein in deren Hände gelegt.
5 Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17.1.2007 sowie das Urteil des
Sozialgerichts Mainz vom 2.12.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
7 Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Auf ihn als Künstler, der auch Schüler
unterrichte, sei der Lehrerbegriff des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI nicht anwendbar. Würde der
Auffassung der Beklagten gefolgt, würde die vorzeitige Versicherungspflicht einer ganzen
Berufsgruppe neu definiert. Künstler, die auch lehren, könnten das ihnen eigentlich
zugestandene Recht auf Wahlfreiheit nicht mehr verwirklichen, sondern würden zwangsweise
und zu schlechteren Bedingungen in die gesetzliche Rentenversicherung integriert. Meldeten
sie sich bei der KSK gar nicht oder zu spät, ziehe das auch sonst weder Sanktionen noch eine
rückwirkende Beitragserhebung nach sich.
8 Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
9 Die zulässige Revision der Beklagten erweist sich im Sinne der Aufhebung des
Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG als begründet. Die
tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts reichen derzeit für eine abschließende
Entscheidung über die Versicherungspflicht des Klägers als selbstständig tätiger Lehrer in
der gesetzlichen Rentenversicherung nicht aus.
10 1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist auch der Bescheid der Beklagten vom
15.10.2003, mit dem die Rentenversicherungspflicht des Klägers ab dem 1.1.2000
festgestellt wurde. Das Begehren des Klägers ist dahin auszulegen, dass auch dieser
Bescheid mit angefochten ist, soweit er nicht während des Widerspruchsverfahrens durch
den Bescheid vom 30.9.2004 abgeändert und die Versicherungspflicht auf die Zeit bis zum
22.7.2003 beschränkt wurde.
11 2. Nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI sind selbstständig tätige Lehrer und Erzieher in der
gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig, wenn sie im Zusammenhang mit
ihrer selbstständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.
Der Kläger war ausgehend von den hierzu im angegriffenen Urteil getroffenen
Feststellungen, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG) , im streitgegenständlichen
Zeitraum vom 1.1.2000 bis zum 22.7.2003 Instrumentallehrer an einer Musikschule und
insoweit als selbstständiger Lehrer in diesem Sinne tätig (dazu unten a). Ob er bei dieser
Sachlage der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Satz 1
Nr 1 SGB VI unterlag, kann jedoch derzeit nicht abschließend geklärt werden. Das
Berufungsgericht wird hierzu insbesondere noch positiv festzustellen haben, ob der Kläger
im streitgegenständlichen Zeitraum die Grenzen einer nur geringfügigen Tätigkeit (vgl § 5
Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI) überschritten hat. Darüber hinaus erfordert der gesetzliche
Tatbestand - auch wenn dies im konkreten Zusammenhang eher fernliegend erscheinen
mag - eine Aussage zu der negativen Voraussetzung, dass kein versicherungspflichtiger
Arbeitnehmer beschäftigt wurde.
12 Die Anwendung des Versicherungspflichttatbestandes des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI ist im
Zeitraum vom 1.1.2000 bis zum 22.7.2003 nicht deshalb ausgeschlossen, weil für den
Kläger in der Rentenversicherung ab 23.7.2003 Versicherungspflicht nach dem KSVG
bestand. Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung folgt dies nicht aus dem Wortlaut des
§ 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI (dazu a). Eine solche Folge ergibt sich auch nicht daraus, dass der in
§ 2 Satz 1 Nr 5 SGB VI in Bezug genommene Versicherungspflichttatbestand nach dem
KSVG (im Folgenden einfach: Versicherungspflichttatbestand des § 2 Satz 1 Nr 5 SGB VI)
als lex specialis den Versicherungspflichttatbestand des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI für dessen
Anwendungsbereich (und die hieran anknüpfenden ungünstigeren Beitragsregelungen)
verdrängt (dazu b). Dieses Ergebnis ist nicht, wie der Kläger meint, unangemessen (dazu c).
13 a) Wie der Senat vor allem in seinem Urteil vom 22.6.2005 (B 12 RA 6/04 R, SozR 4-2600 §
2 Nr 1 RdNr 6 ff) dargelegt und begründet hat, sind die Voraussetzungen einer Tätigkeit als
Lehrer im hier allein maßgeblichen sozialversicherungsrechtlichen Sinn des § 2 Satz 1 Nr 1
SGB VI bereits dann erfüllt, wenn im konkreten Fall eine spezielle Fähigkeit durch
praktischen Unterricht vermittelt wird. Die wegen der vermuteten sozialen Schutzbedürftigkeit
der Betroffenen angeordnete Versicherungspflicht ist, entgegen der vom Kläger vertretenen
Auffassung, weder davon abhängig, ob eine besondere pädagogische Ausbildung
durchlaufen wurde, noch ob es ein etwa durch Ausbildungsordnungen geregeltes Berufsbild
des (selbstständigen) Lehrers gibt, noch kommt es darauf an, ob die Erwerbstätigkeit
innerhalb eines eigenen Betriebes ausgeübt wird (Urteil vom 22.6.2005, aaO, RdNr 6 ff,
mwN aus der früheren Rechtsprechung). Dies steht in der Tradition der bisherigen
Rechtsentwicklung, die neben dem Umstand, dass sich die Versicherungspflicht praktisch
von Anfang an auch auf selbstständige Lehrer erstreckte, insbesondere erkennen lässt, dass
mit der sukzessiven Ausdehnung der Versicherungspflicht auch die anfänglich noch
gesehene Notwendigkeit entfallen ist, die ursprünglich auch als Privilegierung verstandene
Einbeziehung des Personenkreises der Lehrer durch besondere Qualitätsanforderungen an
die ausgeübte Tätigkeit zu rechtfertigen (Urteil vom 22.6.2005, aaO, RdNr 7) .
14 Der an einen solchen weiten Begriff des Lehrers im rentenversicherungsrechtlichen Sinn
anknüpfende Versicherungspflichttatbestand des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI ist nicht
dahingehend eingeschränkt, dass er solche selbstständig tätigen Lehrer nicht erfasst, die iS
des § 2 Satz 1 KSVG als selbstständige Künstler Musik (darstellende oder bildende Kunst)
lehren. Eine solche Eingrenzung ergibt sich nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift. Sie folgt
auch nicht im Wege systematischer Auslegung aus dem Gesetzeszusammenhang, in den §
2 Satz 1 Nr 1 SGB VI gestellt ist. Dass die Rentenversicherungspflicht selbstständiger Lehrer
in § 2 SGB VI im Kontext mit derjenigen lehrender Künstler (§ 2 Satz 1 Nr 5 SGB VI iVm dem
KSVG) geregelt ist, gibt für die Bestimmung des Lehrerbegriffs in § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI
nichts her. Eine Einschränkung des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI kann schließlich nicht auf die
Regelungsabsicht oder Normvorstellungen des historischen Gesetzgebers gestützt werden.
Mit seinem Inkrafttreten am 1.1.1992 hat § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI die Regelung des
Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) hinsichtlich der Rentenversicherungspflicht
selbstständiger Lehrer und Erzieher in § 2 Abs 1 Nr 3 AVG sachlich unverändert fortgeführt
(vgl hierzu und zur historischen Entwicklung allgemein Urteil vom 22.6.2005, aaO, RdNr 7 ff,
13). Von der Anwendung dieser (Vorgänger)Regelung waren selbstständige Lehrer seit dem
Inkrafttreten des KSVG am 1.1.1983 nicht stets dann ausgenommen, wenn sie dem
Künstlerbegriff des KSVG unterfielen.
15 Weil für Kulturschaffende allgemein ein erhöhtes soziales Schutzbedürfnis angenommen
wurde, wurde mit dem KSVG ua die Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung auf alle selbstständigen Künstler und Publizisten ausgedehnt, soweit
sie nicht schon anderweitig kraft Gesetzes sozial gesichert waren (vgl BT-Drucks 9/26 S 16).
Selbstständige Lehrer, Erzieher und Musiker, die in ihrem Betrieb keine Angestellten
beschäftigten, waren seit Jahrzehnten - zuletzt nach § 2 Abs 1 Nr 3 AVG - in der gesetzlichen
Rentenversicherung pflichtversichert (vgl Urteil vom 20.4.1994, 3/12 RK 14/92, SozR 3-5425
§ 2 Nr 1 S 4). Gleiches galt nach § 2 Abs 1 Nr 4 AVG für selbstständige Artisten. Mit dem
KSVG wurde § 2 Abs 1 Nr 3 AVG in der Weise geändert, dass die Worte "selbständige
Lehrer, Erzieher und Musiker" durch die Worte "selbständige Lehrer und Erzieher" ersetzt
wurden (§ 50 Nr 1 Buchst a KSVG). In § 2 Abs 1 Nr 4 AVG wurde die Formulierung
"selbständige Artisten" gegen die Fassung "selbständige Künstler und Publizisten nach
Maßgabe des Künstlersozialversicherungsgesetzes" ausgetauscht (§ 50 Nr 1 Buchst b
KSVG). Zur Begründung dieser Änderungen wurde darauf hingewiesen, dass die besondere
Nennung der Musiker und Artisten nach dem Vorbild der früheren Nummern 3 und 4 des § 2
Abs 1 AVG entbehrlich sei, weil die Versicherungspflicht aller selbstständigen Künstler und
Publizisten in der Rentenversicherung der Angestellten nunmehr unter Bezugnahme auf das
KSVG in § 2 Abs 1 Nr 4 AVG neuer Fassung geregelt sei (vgl BT-Drucks 9/26 S 24) . Dass
damit eine Eingrenzung des Kreises der ehedem nach § 2 Abs 1 Nr 3 AVG
pflichtversicherten selbstständigen Lehrer verbunden sein sollte, ist nicht ersichtlich. Das
KSVG und dessen Begründung geben keinen Anlass zu der Annahme, dass selbstständige
Lehrer, die iS des KSVG als selbstständige Künstler Musik (darstellende oder bildende
Kunst) lehrten, nicht (mehr) zu dem von § 2 Abs 1 Nr 3 AVG erfassten Personenkreis
gehören sollten. Mit dem KSVG ist gegenüber der bis dahin nur in geringem Umfang
bestehenden Versicherungspflicht von selbstständigen Künstlern im Wesentlichen eine
Erweiterung (vgl Urteil vom 20.4.1994, aaO, S 5) und nur in einem Fall eine Einschränkung
eingetreten, letzteres, soweit Musiker, die nicht Lehrer waren, nicht mehr nach dem AVG
versicherungspflichtig wurden. Dies bedeutet indes nicht, dass Musiklehrer, die unter den
weiten Lehrerbegriff des § 2 Abs 1 Nr 3 AVG fielen, von der Versicherungspflicht nach dieser
Vorschrift generell ausgenommen werden sollten. Ein Rückschritt hinter den sozialen
Schutzstandard dieser schon bisher kraft Gesetzes sozial Gesicherten sollte nicht erfolgen.
Eine solche Auslegung der Vorschriften des KSVG widerspräche dem mit diesem Gesetz
verfolgten Ziel, im Hinblick auf das erkannte erhöhte soziale Schutzbedürfnis
Kulturschaffender deren soziale Absicherung zu verbessern. Soweit also selbstständige
Lehrer, die als selbstständige Künstler Musik (darstellende oder bildende Kunst) lehrten, vor
Inkrafttreten des KSVG in der Renten- und Krankenversicherung pflichtversichert und damit
im Vergleich mit anderen Künstlern sozial besser geschützt waren, sollte dieser Schutz
fortgeschrieben werden und sollten diese Lehrer grundsätzlich weiterhin der
Rentenversicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 3 AVG unterliegen. Gegen diese Auffassung
lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, jedenfalls bei Schaffung der Übergangsvorschrift des §
53 KSVG aus Anlass der Einführung dieses Gesetzes am 1.1.1983 sei der historische
Gesetzgeber - ersichtlich - davon ausgegangen, mit dem Inkrafttreten des KSVG könnten
lehrende Künstler nur (noch) nach Maßgabe des KSVG rentenversicherungspflichtig
werden. Andernfalls hätte die Übergangsregelung keinen Sinn. § 53 KSVG ordnete an, dass
selbstständige Künstler und Publizisten iS des § 2 KSVG, die bis dahin nach den
Vorschriften des AVG versichert waren, abweichend von § 2 Abs 4 AVG ohne Feststellung
der KSK nach dem KSVG in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungspflichtig
waren. Zutreffend hat die Revision dargelegt, dass die aus § 53 KSVG und seiner
Begründung (vgl BT-Drucks 9/26 S 25) gezogene Schlussfolgerung, selbstständige Lehrer,
die als selbstständige Künstler Musik (darstellende oder bildende Kunst) lehrten, seien nach
der Rechtsänderung nicht (mehr) von der Regelung des § 2 Abs 1 Nr 3 AVG erfasst
gewesen, nicht zwingend ist. Soweit durch diese Übergangsvorschrift nach der
Gesetzesbegründung eine "Unterbrechung der Rentenversicherung" verhindert werden
sollte, betraf sie ursprünglich versicherungspflichtige Künstler, die aufgrund der mit der
Einführung des KSVG verbundenen Änderungen nur (noch) dem für selbstständige Künstler
nach § 2 Abs 1 Nr 4 AVG geltenden Versicherungspflichttatbestand unterfallen konnten
(etwa selbstständige Musiker und Artisten). Diese Künstler sollten unabhängig vom
Zeitpunkt der Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KSVG (vgl § 2 Abs 4 AVG)
ohne Unterbrechung in der Rentenversicherung weiter versichert sein. Für bereits vor dem
1.1.1983 versicherungspflichtige, als selbstständige Künstler tätige selbstständige Lehrer
entfaltete die Vorschrift des § 53 KSVG demgegenüber insoweit Bedeutung, als sie die
infolge des Zusammentreffens der Versicherungspflichttatbestände des § 2 Abs 1 Nr 3 AVG
und des § 2 Abs 1 Nr 4 AVG entstandene Konkurrenz durch Anordnung des Vorrangs der für
die Betroffenen günstigeren Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 4 AVG auflöste. In
diesem Sinne hat der 3. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 20.7.1994
(3/12 RK 18/92, SozR 3-5425 § 1 Nr 2 S 4) zutreffend ausgeführt, dass die für diese
Personengruppe bis dahin geltende Versicherungspflicht mit dem Inkrafttreten des KSVG
"entfallen" ist. Warum sich aus § 53 KSVG und seiner Begründung eine Aussage
dahingehend ergeben soll, auch solche lehrenden Künstler, die ihre selbstständige Tätigkeit
erst nach dem Inkrafttreten des KSVG aufgenommen hatten und für die § 2 Abs 4 AVG
deshalb nicht nach Maßgabe des § 53 KSVG suspendiert war, seien von der Regelung des
§ 2 Abs 1 Nr 3 AVG auszunehmen, ist nicht nachvollziehbar.
16 Eine Einschränkung des Lehrerbegriffs in § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI kann auch nicht damit
begründet werden, der Gesetzgeber habe später - etwa mit dem Gesetz zur Änderung des
Künstlersozialversicherungsgesetzes vom 20.12.1988 (BGBl I 2606), durch das das KSVG
im Wesentlichen seine heutige Gestalt erhalten hat, oder mit dem Gesetz zur Reform der
gesetzlichen Rentenversicherung vom 18.12.1989 (BGBl I 2261), durch das das SGB VI in
das Sozialgesetzbuch eingefügt wurde - eine dahingehende Entscheidung getroffen. Sowohl
nach seinem Wortlaut als auch bei systematischer oder historischer Auslegung hat das
Änderungsgesetz zum KSVG den Anwendungsbereich des § 2 Abs 1 Nr 3 AVG nicht
angetastet. Auch mit der Ersetzung des § 2 Abs 1 Nr 3 AVG durch dessen
Nachfolgevorschrift § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI ab 1.1.1992 ist eine Eingrenzung des Kreises
versicherungspflichtiger selbstständig tätiger Lehrer nicht einhergegangen. Soweit in diesem
Zusammenhang darauf hingewiesen wird, dass die Vorschriften des KSVG - anders als
diejenigen des Handwerkerversicherungsgesetzes und des Gesetzes über die
Sozialversicherung Behinderter - nicht in die Bestimmungen des SGB VI über den
versicherten Personenkreis integriert worden seien, lassen sich hieraus Argumente für eine
den Wortlaut des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI einschränkende Interpretation nicht gewinnen. Die
Einarbeitung der Vorschriften des KSVG in das SGB VI ist lediglich deshalb unterblieben,
weil deren Integration eine entsprechende Erweiterung des SGB IV vorausgesetzt hätte, die
im Rahmen der Rentenreform nicht vorgenommen werden konnte (vgl BT-Drucks 11/4124 S
148).
17 b) Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung steht der Anwendung des § 2 Satz 1 Nr 1
SGB VI in dieser weiten Auslegung im Zeitraum vom 1.1.2000 bis zum 22.7.2003 auch nicht
eine - irgendwie geartete - Vorrangregelung zugunsten des § 2 Satz 1 Nr 5 SGB VI
entgegen. Zutreffend hat die Revision ausgeführt, dass für die streitgegenständliche Zeit
eine Konkurrenz im Sinne eines Zusammentreffens beider Versicherungspflichttatbestände
nicht bestand, sodass nicht entschieden werden muss, welcher der an den jeweiligen
Versicherungspflichttatbestand geknüpften Rechtsfolgen (mit ihren unterschiedlichen
Auswirkungen im Beitragsrecht) der Vorrang einzuräumen ist. Der Senat kann daher offen
lassen, ob eine Konkurrenz beider Versicherungspflichttatbestände in Anwendung der lex
specialis-Regelung aufzulösen wäre, sodann ob, wie das LSG und Teile des Schrifttums (vgl
Grintsch in Kreikebohm, SGB VI, 2. Aufl 2003, § 2 RdNr 3, 18; wohl auch Gürtner in Kasseler
Komm, Stand September 2007, § 2 SGB VI RdNr 43, und Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI,
Stand Oktober 2007, K § 2 RdNr 119 f) meinen, der Versicherungspflichttatbestand des § 2
Satz 1 Nr 5 SGB VI als Spezialregelung eingestuft werden müsste, ob - angesichts des
Fehlens gesetzlicher Kriterien - für die Beurteilung als Spezialfall das Prinzip des
günstigsten sozialen Schutzes der Maßstab wäre und welche Konsequenzen eine -
angenommene - Spezialität des § 2 Satz 1 Nr 5 SGB VI hätte, etwa ob sie zur Verdrängung
des allgemeineren Versicherungspflichttatbestandes führen würde.
18 Der Senat braucht diese Fragen nicht zu beantworten, weil in der Zeit vom 1.1.2000 bis zum
22.7.2003 nur der Versicherungspflichttatbestand des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI erfüllt war. Die
Rentenversicherungspflicht des Klägers nach dem KSVG begann entsprechend der
bindenden Feststellung der KSK in deren Bescheid vom 6.9.2004 erst mit dem 23.7.2003.
Soweit die Vorinstanzen hierzu ausgeführt haben, eine Konkurrenz beider
Versicherungspflichttatbestände liege schon dann vor, wenn selbstständig tätige Lehrer nur
unter die Legaldefinition des § 2 Satz 1 KSVG fielen und die Versicherungspflicht nach § 2
Satz 1 Nr 5 SGB VI, ohne bereits "vollzogen" zu werden, jedenfalls "dem Grunde nach"
bestehe, greift dieser Einwand nicht durch. Solange der selbstständige Künstler und
Publizisten betreffende Versicherungspflichttatbestand nicht hinsichtlich all seiner
Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein
und derselbe Sachverhalt auch von diesem - und damit von mehreren
Versicherungspflichttatbeständen - "erfasst" wird. Insoweit fehlt es an der Voraussetzung
einer Rechtsnormenkonkurrenz.
19 c) Die vom Senat vertretene Auffassung ist nicht, wie der Kläger meint, im weiteren Sinne
"unsachgerecht" oder "stellt Sinn und Zweck des KSVG grundsätzlich in Frage".
20 Zutreffend hat die Revision dargelegt, dass der für den Kläger als lehrenden Künstler
geforderte soziale Schutz, solange der für Künstler eigens geschaffene
Versicherungspflichttatbestand (noch) nicht erfüllt sei, am besten durch die
Rentenversicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI gewährleistet werde. Zu
berücksichtigen ist außerdem, dass - im Übrigen nicht versicherungspflichtigen -
selbstständigen Künstlern und Publizisten bei Annahme eines in jeder Hinsicht
"abschließenden" Charakters des KSVG auch die Möglichkeit einer
Antragspflichtversicherung nach § 4 Abs 2 SGB VI genommen wäre.
21 Soweit der Kläger gegen das hier gefundene Ergebnis anführt, die prägende Besonderheit
der Künstlersozialversicherung, die in der Möglichkeit freier Entscheidung für die gesetzliche
Rentenversicherung bzw im "Recht auf Wahlfreiheit" sowie darin bestehe, dass eine späte
oder keine Meldung ohne Sanktionen bleibe, gehe verloren, greift dieser Einwand nicht
durch. Zunächst besteht ein Wahlrecht in dem vom Kläger verstandenen Sinne nicht; denn
nach § 11 KSVG war er zur Meldung verpflichtet. Im Übrigen wird das mit dem KSVG
geschaffene Privileg selbstständiger Künstler und Publizisten, etwa im Beitragsrecht, für
selbstständige Künstler, die Musik (darstellende oder bildende Kunst) lehren, nicht beseitigt.
Es bleibt diesen unbenommen, sich zeitgleich mit der Aufnahme ihrer selbstständigen
Tätigkeit bei der KSK zu melden und ihre Aufnahme in die KSK zu betreiben. Soweit in
diesem Zusammenhang von dem Kläger auch hervorgehoben wird, auf diese Weise werde
die "vorzeitige Versicherungspflicht einer ganzen Berufsgruppe" angeordnet, liegt darin
keine (sozialpolitische) Fehlentwicklung. Zwar hat der Gesetzgeber eine solche "vorzeitige
Versicherungspflicht" nicht im Kontext des KSVG geregelt. Sie ergibt sich jedoch aus § 2
Satz 1 Nr 1 SGB VI, der selbstständig tätige Lehrer ohne Rücksicht auf den Inhalt ihrer
Lehrtätigkeit der Rentenversicherungspflicht unterwirft. Damit verbleibt es, wie die Revision
mit Recht betont hat, auch nach der Einführung des KSVG bei der schon in der
Vergangenheit getroffenen grundsätzlichen Entscheidung, dass die Altersvorsorge
selbstständig tätiger Lehrer nicht in deren "Belieben" steht.
22 Der Auffassung des Senats kann vom Kläger schließlich nicht entgegengehalten werden,
dass infolge dessen schon die gelegentliche Erteilung einer Unterrichtsstunde zu einer
"massiven Statusänderung" in der gesetzlichen Rentenversicherung führe. Im Hinblick auf
die dem Gesetzgeber zugestandene, verfassungsrechtlich unbedenkliche Typisierungs- und
Generalisierungsbefugnis ist dem Sozialversicherungsrecht und gerade auch dem -
tätigkeitsbezogenen - Recht der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung
eine Anknüpfung an bestimmte Tätigkeitsmerkmale nicht fremd. Vielmehr begegnete
umgekehrt gerade die Differenzierung nach dem Schwerpunkt einer Tätigkeit, wie sie der
Kläger befürwortet, verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Herausnahme lehrender Künstler
aus dem Anwendungsbereich des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI könnte im Hinblick auf Art 3 Abs 1
GG kaum gerechtfertigt werden.
23 Die Kostenentscheidung bleibt dem Urteil des Berufungsgerichts vorbehalten.