Urteil des BSG vom 16.09.2004

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Bundessozialgericht
Urteil vom 16.09.2004
Sozialgericht Dortmund
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Bundessozialgericht B 3 KR 6/04 R
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Januar 2004 wird
zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfah- rens zu erstatten.
Gründe:
I
Die 1966 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin ist seit 1980 linksseitig im
Oberschenkel amputiert. Sie verfügt derzeit über eine Oberschenkelprothese mit hydraulisch-mechanischem
Kniegelenk (Modularkniegelenk 3R60 der Firma B. ). Als Kundenberaterin in einem Call-Center verrichtet sie
überwiegend eine sitzende Tätigkeit.
Unter Vorlage einer Verordnung des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. U. und eines Kostenvoranschlags eines
Sanitätshauses über 40.595,51 DM beantragte die Klägerin im Februar 1999 die Versorgung mit einer
Oberschenkelprothese mit einem elektronisch gesteuerten Kniegelenksystem (C-Leg) und dem Fußsystem 1C40 der
Firma B ... Dies entspreche einer optimalen Prothesenversorgung nach dem neuesten Stand der Technik. Das C-Leg-
Kniegelenk sei in der Lage, auf wechselnde Belastung, Richtungs- und Tempoänderungen aktiv zu reagieren, ferner
verfüge es über eine aktive Standsicherung. Die derzeitige Versorgung biete keinen hinreichenden Ausgleich für das
bestehende Defizit. Der Kraftaufwand bei der Benutzung einer herkömmlichen Prothese sei höher als bei dem C-Leg,
außerdem bestehe ständig die Sorge, die Prothese könne im Kniegelenk einknicken, was eine erhebliche psychische
Belastung bedeute. Zum Ausgleich der Behinderung sei daher eine Prothese notwendig, die über eine allzeitige
Standsicherung verfüge unabhängig von der willentlich gesteuerten Stumpfsteuerung.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Der Chirurg Dr. M.
hielt in seinem Gutachten vom 17. September 1999 die Versorgung der Klägerin mit dem C-Leg für nicht erforderlich.
Mit der vorhandenen Oberschenkelprothese sei die Klägerin trotz ihres beschwerlichen Gehens (sog Duchenne s
Hinken) in der Lage, ohne weiteres 1 km weit zu gehen, sich selbst zu versorgen und einer Erwerbstätigkeit
nachzugehen. Eine wesentliche Verbesserung der Leistungsfähigkeit würde sich durch das C-Leg-System
voraussichtlich nicht ergeben. Die Beklagte lehnte daraufhin den Leistungsantrag ab (Bescheid vom 22. September
1999, Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2000).
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Beweis erhoben durch Einholung zweier orthopädischer
Sachverständigengutachten (von Dr. B. vom 7. September 2001 und von Dr. S. vom 8. August 2002) und auf Grund
der darin festgestellten Vorzüge des C-Leg gegenüber dem herkömmlichen Kniegelenksystem die Beklagte unter
Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Klägerin mit dem Kniegelenksystem C-Leg zu versorgen. Die
von den Gutachtern erhobenen Bedenken gegen die Wirtschaftlichkeit der C-Leg-Versorgung seien unbegründet (Urteil
vom 12. November 2002).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 8. Januar 2004). Zur
Begründung hat das LSG ausgeführt, durch die Versorgung mit einer herkömmlichen Prothese sei der Anspruch der
Klägerin auf Hilfsmittelversorgung zum Ausgleich ihrer Behinderung nicht erfüllt worden. Sie habe deshalb Anspruch
auf Ausstattung mit der begehrten mikroprozessorgesteuerten Prothese, weil diese ihr erhebliche Gebrauchsvorteile
im Vergleich zu einer herkömmlichen mechanischen Prothese biete. Diese bestünden darin, dass das C-Leg ein
nahezu physiologisches Gangbild ermögliche, welches kaum von dem eines Nichtamputierten zu unterscheiden sei.
Durch die elektronische Steuerung werde die Sturz- und Stolpergefahr erheblich reduziert, was insbesondere beim
Treppabgehen sowie beim Überwinden unebenen Geländes eine Rolle spiele. Bei herkömmlichen mechanischen
Prothesen komme es häufiger zu Blockierungen, die zu Stürzen führten. Bei dem mikroprozessorgesteuerten
Kniegelenksystem werde der Kraftaufwand beim Gehen reduziert und die Belastung von Wirbelsäule, Becken und
dem gesunden Bein vermindert. Diese Gebrauchsvorteile bestünden entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nur
theoretisch, sondern konkret im Alltagsleben der Klägerin, die recht sportlich und aktiv sei. Trotz der Mehrkosten
gegenüber einem herkömmlichen Kniegelenksystem verstoße die Versorgung mit dem neuen Hilfsmittel auch nicht
gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit bei der Leistungserbringung, weil es sich um deutliche, allgemein im Alltag der
Klägerin sich auswirkende Gebrauchsvorteile handele.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 12 und 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Sie hält
die Berufungsentscheidung für unvereinbar mit dem Urteil des Senats vom 6. Juni 2002 - B 3 KR 68/01 R - (BSG
SozR 3-2500 § 33 Nr 44). Der Gebrauchsvorteil hänge danach maßgebend von den geistigen und körperlichen
Voraussetzungen des Prothesenträgers und seiner persönlichen Lebensgestaltung ab. Sei der Betroffene nicht in der
Lage, die Gebrauchsvorteile des C-Leg in einem solchen Rahmen zu nutzen, fehle es an der Erforderlichkeit dieses
speziellen Hilfsmittels. Sie verstehe die Formulierung der erkennenden Senats, wonach der Gebrauchsvorteil von der
"persönlichen Lebensgestaltung" (in jenem Verfahren: Mutter mit kleinen Kindern) abhänge, im Unterschied zum LSG
dahingehend, es sei erforderlich, dass der Betroffene durch seine individuellen Lebensverhältnisse auf die mit der
Versorgung mit einer C-Leg-Prothese verbundenen Gebrauchsvorteile angewiesen sei. Das LSG lasse demgegenüber
für den Versorgungsanspruch die generellen Gebrauchsvorteile der C-Leg-Prothese genügen, insbesondere die
Verringerung der Sturzgefahr und die Verbesserung des Bewegungsablaufs in unebenem Gelände und beim
Treppensteigen, die sich bei allen mobilen Versicherten im "Alltag" bei allen Aktivitäten auswirken, die ein Gehen oder
Laufen erfordern. Die Auffassung des LSG hätte letztlich zur Konsequenz, dass die Versorgung Beinamputierter mit
einer C-Leg-Prothese zur Regelversorgung würde mit der weiteren Konsequenz, dass die KK für sämtliche
technischen Entwicklungen und Verbesserungen von Hilfsmitteln, die unmittelbar auf den Behinderungsausgleich
ausgerichtet sind wie bei Körperersatzstücken, leistungspflichtig wären, ohne dass es auf die Erforderlichkeit dieser
Gebrauchsvorteile für den Versicherten nach seiner persönlichen Lebensgestaltung ankäme. Dies sei mit den
Grundsätzen einer ausreichenden und zweckmäßigen Versorgung iS des § 12 SGB V nicht in Einklang zu bringen.
Sie gehe vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Wirtschaftlichkeit
der Versorgung mit Hilfsmitteln, aber auch des in § 31 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ausdrücklich
normierten Grundsatzes, dass der Versicherte die Mehrkosten einer aufwändigeren als der medizinisch notwendigen
Leistung selbst zu tragen habe, davon aus, dass die Versorgung mit einem C-Leg-Kniegelenksystem nur dann als
geeignetes, notwendiges Hilfsmittel anzusehen sei, wenn der Versicherte auf die Gebrauchsvorteile gegenüber der
Standardversorgung auf Grund seiner persönlichen Lebensgestaltung in seinem Alltag angewiesen sei, was bei der
Klägerin nicht der Fall sei.
Die Beklagte beantragt, die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 8. Januar 2004 und des SG Dortmund vom 12.
November 2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat wie die Vorinstanz zu Recht entschieden, dass die
Klägerin Anspruch auf Versorgung mit einer mikroprozessorgesteuerten Oberschenkelprothese hat.
Versicherte haben nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V idF des Art 5 Nr 9 iVm Art 67 des Gesetzes vom 19. Juni 2001
(BGBl I S 1046) Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen
Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden
Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine
Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in
allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung auch, müssen die Leistungen
nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht
überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen,
dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkasse nicht bewilligen (§ 12 Abs 1 SGB V).
Die Beklagte zieht nicht in Zweifel, dass die Klägerin nach § 33 SGB V wegen ihrer Amputation im Oberschenkel
Anspruch auf Ausstattung mit einer Beinprothese hat, weil dies zum Ausgleich der Behinderung erforderlich ist. Sie
wurde seit 1980 fortlaufend mit herkömmlichen Beinprothesen versorgt. Damit ist aber dem Anspruch der Klägerin auf
den erforderlichen und nach dem Stand der Medizintechnik möglichen Behinderungsausgleich (vgl § 2 Abs 1 Satz 3
SGB V) nicht Rechnung getragen worden. Solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig erreicht ist im
Sinne eines Gleichziehens mit einem gesunden Menschen, kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen Hilfsmittel
nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend.
Das LSG hat in Übereinstimmung mit dem SG festgestellt, dass die C-Leg-Prothese des Herstellers B. wegen der
Steuerung durch Mikroprozessortechnik deutliche Gebrauchsvorteile gegenüber den bisher üblichen, allein
mechanisch gesteuerten Prothesen aufweise. Die Tatsacheninstanzen haben sich dabei auf zwei vom SG eingeholte
orthopädische Fachgutachten gestützt, welche die Vorteile des C-Legs vor allem in der Ermöglichung eines nahezu
natürlichen Gangbildes und einer erheblichen Reduzierung der Sturzgefahr sehen. Die Gutachter haben dabei
verschiedene wissenschaftliche Ausführungen und Stellungnahmen ausgewertet.
Damit sind die Gebrauchsvorteile des C-Leg-Systems für den Senat verbindlich festgestellt (§ 163
Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Beklagte hat insoweit auch keine Verfahrensfehler geltend gemacht. Im Übrigen hat
der Senat in einem Parallelverfahren auch bereits entschieden, dass sich das LSG zum Nachweis der vom Hersteller
der neuartigen mikroprozessorgesteuerten Prothese im Vergleich zu den herkömmlichen, mechanisch gesteuerten
Prothesen beigemessenen Vorzüge der erhöhten Standsicherheit, der Verbesserung des Gangbildes durch einen
nahezu physiologischen Bewegungsablauf sowie der Verbesserung des Gehens auf Treppen und unebenem Gelände
grundsätzlich auf das fachkundige Urteil orthopädischer Gutachter, ihr ärztliches Erfahrungswissen und die von ihnen
ausgewertete Fachliteratur stützen durfte. Weiter gehender klinischer Prüfungen bedurfte es nicht (Urteil vom 16.
September 2004 - B 3 KR 20/04R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Verordnungsfähigkeit des C-Leg-Systems der Firma B ... Die meisten
Hilfsmittel sind allerdings Medizinprodukte im Sinne des Medizinproduktegesetzes (MPG) und dürfen deshalb nur in
den Verkehr gebracht und in Betrieb genommen werden, wenn sie mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind.
Voraussetzung für diese Kennzeichnung ist, dass die grundlegenden Anforderungen nach § 7 MPG erfüllt sind und ein
für das jeweilige Hilfsmittel vorgeschriebenes Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt worden ist. Diese
Voraussetzungen sind bei dem hier streitigen Hilfsmittel erfüllt. Damit ist davon auszugehen, dass das Hilfsmittel
grundsätzlich geeignet ist, den medizinischen Zweck zu erfüllen, den es nach den Angaben des Herstellers besitzen
soll, und dass es die erforderliche Qualität besitzt, die notwendig ist, um die Sicherheit seines Benutzers zu
gewährleisten (vgl § 1 MPG). Diese Voraussetzung für die Hilfsmittelversorgung ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus
§ 33 SGB V; sie folgt aber aus den Anforderungen, die das Gesetz in § 139 Abs 2 SGB V für die Aufnahme eines
Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis stellt, wobei diese Aufnahme selbst für den Anspruch des Versicherten nicht
maßgebend ist. Mit der CE-Kennzeichnung ist das Hilfsmittel im Sinne der Produktsicherheit und Zwecktauglichkeit
auch im krankenversicherungsrechtlichen Sinne funktionstauglich, ohne dass dies von den KKn oder Gerichten noch
eigenständig zu prüfen wäre; der CE-Kennzeichnung kommt insoweit eine Tatbestandswirkung zu (so auch Zuck,
NZS 2003, 417, 418, der zutreffend darauf hinweist, dass trotz der unterschiedlichen Terminologie von MPG und SGB
V inhaltlich teilweise Deckungsgleichheit besteht; zur Tatbestandswirkung berufsrechtlicher Entscheidungen bei der
Zulassung von Leistungserbringern vgl BSG SozR 3-2500 § 126 Nr 1).
Zu Unrecht wendet die Revision ein, die Klägerin könne die Gebrauchsvorteile des C-Leg nicht in einem solchen Maße
nutzen, wie es der Senat in seinem Urteil vom 6. Juni 2002 - B 3 KR 68/01 R - (SozR 3-2500 § 33 Nr 44) für
anspruchsbegründend gehalten habe. Diesem Einwand liegt eine unrichtige Auslegung dieser Entscheidung durch die
Beklagte zu Grunde. Das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin von ihren körperlichen und geistigen
Voraussetzungen her in der Lage ist, die Gebrauchsvorteile der Prothese voll zu nutzen. Sie nutze diese tatsächlich
auch in ihrem Alltag in allen Lebenslagen, die das Gehen (einschließlich Treppensteigen) bzw das Laufen erfordern.
Bei der intensiven Nutzung der Prothese profitiere sie in besonderem Maße durch die deutlich verminderte
Sturzgefahr. Zudem ermögliche die Prothese einen physiologischen Bewegungsablauf, wodurch zusätzlich die
Belastung von Wirbelsäule und Hüftgelenk gesenkt werde. Allerdings ist die Annahme, durch das physiologische
Gangbild werde auf Dauer auch einer Schädigung der Gelenke und der Wirbelsäule besser vorgebeugt als mit einer
herkömmlichen Prothese, zunächst nur plausibel, nicht aber als belegt anzusehen; dafür bedürfte es wohl längerer
Erfahrungen in der Praxis, möglicherweise auch klinischer Studien. Diese Annahme wäre allein noch kein
ausreichender Grund, die Versorgung mit einem C-Leg an Stelle einer herkömmlichen Prothese zu rechtfertigen. Weil
es darauf aber nicht entscheidend ankommt, kann offen bleiben, ob dieselbe Schonung des Skelettsystems auch
durch den Einbau von Dämpfungselementen in herkömmliche Prothesen zu erreichen wäre. Denn die
verfahrensfehlerfrei festgestellten anderen Gebrauchsvorteile des C-Leg reichen bereits aus, um den Anspruch der
Klägerin zu begründen.
Auf Grund der festgestellten Tatsachen ist die Einschätzung des LSG, dass die mit der C-Leg-Versorgung für die
Klägerin verbundenen Vorteile gegenüber der bisherigen Versorgung erheblich seien, revisionsgerichtlich nicht zu
beanstanden. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 6. Juni 2002 - B 3 KR 68/01 R - (SozR 3-2500 §
33 Nr 44), in der - ebenso wie hier - die von der Tatsacheninstanz festgestellten allgemeinen Gebrauchsvorteile nicht
angegriffen und deshalb für den Senat bindend festgestellt waren, ausgeführt, dass die Gebrauchsvorteile dann
wesentlich sind, wenn sie sich allgemein im Alltagsleben auswirken und sich nicht auf einen bloß besseren Komfort
im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken. In dem damals entschiedenen Fall wurde der wesentliche
Gebrauchsvorteil darin gesehen, dass die betroffene Versicherte bei der Beaufsichtigung ihrer kleinen Kinder von der
Verringerung der Sturzgefahr besonders profitierte. Dass dies nicht nur ein Lebensbereich am Rande, sondern ein
solcher von zentraler Bedeutung ist, hat der Senat auch unter Hinweis auf die besondere Erwähnung der Belange
behinderter Mütter und Väter bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrages in § 9 Abs 1 SGB IX betont. Den
Ausführungen kann aber keineswegs entnommen werden, dass nur behinderte Mütter oder Väter zur Erfüllung ihres
Erziehungsauftrags Anspruch auf eine C-Leg-Versorgung haben, oder dass es zumindest ein Lebensbereich sein
müsse, der in ähnlicher Weise vom Gesetz besonders hervorgehoben werde. Dies hat das LSG zutreffend erkannt
und schon die Gebrauchsvorteile im normalen Alltag der Klägerin als erheblich gewertet.
Die Versorgung mit der C-Leg-Prothese verstößt trotz der erheblichen Mehrkosten gegenüber einer herkömmlichen
Prothese von rund 10.000,00 ¤ auch nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V). Eine Kosten-
Nutzen-Erwägung ist hier nicht anzustellen. Erhebliche Mehrkosten sind nur dann beachtlich, wenn die zusätzlichen
Gebrauchsvorteile eines neuen Hilfsmittels im Alltagsleben als eher gering und die dafür anfallenden Kosten im
Vergleich zu einem bisher als ausreichend angesehenen Versorgungsstandard als unverhältnismäßig hoch
einzuschätzen sind (stRspr, so auch zuletzt Urteil vom 6. Juni 2002 - B 3 KR 68/01 R - BSG SozR 2500 § 33 Nr 44).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil sich die mit dem Einsatz des C-Leg verbundenen Gebrauchsvorteile allgemein
im Alltagsleben der Klägerin und nicht nur in Randbereichen auswirken. Auch hier kann sich die Beklagte nicht auf
das vorgenannte Urteil des Senats stützen. Der dortige Hinweis auf die besonderen Bedürfnisse körperlich behinderter
Mütter bei der Erfüllung ihrer Erziehungsaufgaben war nur als verstärkendes, zusätzliches Argument für die Wahrung
des Wirtschaftlichkeitsgebots zu verstehen, nicht aber als ausschlaggebend, um den Versorgungsanspruch in jenem
Verfahren zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.