Urteil des BSG vom 20.10.2004

BSG: gemeinschaftspraxis, treu und glauben, regress, ärztliche verordnung, versorgung, wirtschaftlichkeitsgebot, vertragsarzt, abrechnung, berechtigung, therapie

Bundessozialgericht
Urteil vom 20.10.2004
Sozialgericht Dortmund S 14 KA 164/99
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 11 KA 94/01
Bundessozialgericht B 6 KA 41/03 R
Die Revision des Klägers zu 1. gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. März 2003
wird zurückgewiesen. Der Kläger zu 1. hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten auch für das
Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Sprechstundenbedarfsregresses wegen der Verordnung sog "koaxialer
Interventionssets" sowie von Volon A.
Die Kläger zu 1. bis 3. betrieben in den streitbefangenen Quartalen III/1995 bis IV/1996 in C. eine radiologische
Gemeinschaftspraxis. Der Kläger zu 2. erbrachte Leistungen der sog periradikulären Schmerztherapie (PRT); er
applizierte dabei Medikamente, ua das Präparat Volon A, unter computertomographischer Kontrolle im
Wirbelsäulenbereich. Das Einbringen der Arzneimittel erfolgte mit Hilfe von Nadeln, die er als sog "koaxiale
Interventionssets" als Sprechstundenbedarf (SSB) zu Lasten der Krankenkassen (KKn) verordnete.
Der Kläger zu 2., der in der Gemeinschaftspraxis die PRT allein - in ausgelagerten Praxisräumen - erbrachte, war
Mitgesellschafter der Fa "M. ". Diese kaufte sog Spinalkanülen (Einmalkanülen) für ca 2,55 DM pro Stück an,
etikettierte sie unter der bei ihr - der Fa M. - erfundenen Phantasiebezeichnung "Koaxiales Interventionsset" um und
vertrieb sie für Preise zwischen 35 und 45 DM pro Stück. Der Kläger zu 2. verordnete die Sets in hohen Stückzahlen
als SSB. Die Fa M. lieferte diese der Praxis der Kläger und löste die Verordnungen bei der für die SSB-Verordnungen
zuständigen Ortskrankenkasse (Beigeladene zu 1.) ein. An dem Erlös der Fa M. war der Kläger zu 2. beteiligt. Er
wurde wegen Straftaten im Zusammenhang mit der Verordnung der Sets zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb
Jahren verurteilt und ist nicht mehr vertragsärztlich tätig. Auch der Kläger zu 1. ist - nach Hinnahme einer Geldstrafe
wegen dieser Vorfälle - aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschieden.
Die KKn und KKn-Verbände im Bereich der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) beantragten im
Frühjahr 1997, die Wirtschaftlichkeit der SSB-Verordnungen der Kläger zu überprüfen. Der Prüfungsausschuss stellte
fest, dass diese insoweit den Fachgruppendurchschnitt um 2.613 % überschritten hatten. Er setzte für die Quartale III
und IV/1995 Regresse wegen unzulässiger Verordnungen in Höhe von 12.809,03 DM, wegen unwirtschaftlicher
Verordnungen interventioneller Kanülen in Höhe von 220.441,20 DM und wegen der Verordnungen von Volon A in
Höhe von 88.330,63 DM fest. Für die Quartale I bis IV/1996 wurden die Regresse wegen unzulässiger Verordnungen
auf 50.788,83 DM, unwirtschaftlicher Verordnungen interventioneller Kanülen auf 1.505.273,81 DM und wegen
Verordnungen von Volon A auf 124.495,96 DM festgesetzt (Regressbetrag insgesamt: 2.002.139,46 DM; Beschlüsse
vom 3. Dezember 1997 und 28. Oktober 1998).
Der beklagte Beschwerdeausschuss wies die Widersprüche der Kläger zurück (Beschluss vom 27. Januar 1999). Er
begründete seine Entscheidung damit, die koaxialen Interventionssets hätten nicht als SSB zu Lasten der KKn
verordnet werden dürfen. Sie seien als Kanülen zu bewerten und nicht über den SSB verordnungsfähig, weil die
Kosten nach den Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) mit
dem Honorar für die ärztliche Leistung abgegolten seien. Volon A habe nicht über den SSB verordnet werden dürfen,
weil Zweifel an der Wirksamkeit und Verträglichkeit der als kostengünstiger Ersatz zur Verfügung stehenden Generika
nicht gerechtfertigt seien.
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, bei den von den Klägern
verwendeten koaxialen Interventionssets handele es sich um Einmalkanülen im Sinne der Allgemeinen
Bestimmungen A I, Nr 2, 3. Spiegelstrich EBM-Ä. Die Kosten für derartige Einmalkanülen seien in den
berechnungsfähigen Leistungen enthalten. Sie hätten daher nicht gesondert über den SSB verordnet werden dürfen.
Die Kläger hätten im Rahmen der PRT Injektionen und keine Infusionen durchgeführt, was auch ohne sachverständige
Beratung festgestellt werden könne. Sie hätten selbst angegeben, die Applikation des Medikamentes erfolge mit
gewissem - wegen der anatomischen Verhältnisse allerdings sanftem - Druck. Damit sei es begrifflich
ausgeschlossen, den Vorgang als Infusion zu beschreiben, weil eine Infusion als Hineinfließen von Lösungen in
Hohlräume des Körpers definiert sei. - Es bedürfe ebenfalls keines Sachverständigengutachtens zur Klärung der
Frage, ob die Kläger auf ein günstigeres Präparat als Volon A hätten ausweichen können. Sie hätten im Verfahren vor
dem Beklagten einzelfallbezogen darstellen müssen, bei welchen Patienten auf Grund welcher medizinischen Befunde
die Verwendung von Volon A medizinisch geboten gewesen sei. Insofern sei ihr Vorbringen unsubstantiiert geblieben.
Auf die generelle Frage der medizinischen Notwendigkeit der Verordnung von Volon A komme es deshalb nicht an
(Urteil vom 12. März 2003).
Mit seiner Revision rügt der Kläger zu 1. eine fehlerhafte Anwendung des EBM-Ä und der Bestimmungen über den
SSB-Regress, die unzureichende Berücksichtigung der Alleinverantwortlichkeit des Klägers zu 2. für den Schaden,
der (möglicherweise) den Beigeladenen zu 1. bis 7 entstanden sei, sowie Verfahrensfehler des LSG durch
Nichterhebung beantragter Beweise.
Die koaxialen Interventionssets seien Einmalinfusionsbestecke bzw Einmalinfusionsnadeln gemäß den Allgemeinen
Bestimmungen A I, Nr 4, 3. Spiegelstrich EBM-Ä und nicht Einmalkanülen iS der Nr 2, 3. Spiegelstrich aaO, sodass
sie gesondert über den SSB verordnet werden dürften, weil sie in den berechnungsfähigen Leistungen nicht enthalten
seien. Bei der PRT werde der Eintrittsweg der Nadel zur Zielregion neigungs- und millimetergenau bestimmt. Die
Nadel werde unter schrittweiser Bildkontrolle (Computertomographie) an die Zielposition in der Körpertiefe - oft 8 bis 10
cm, nicht selten zwischen 12 und 15 cm tief - herangeführt. Um jederzeit die Position der Nadelspitze erkennen zu
können und Verletzungen des Patienten zu vermeiden, müsse die Nadel eine gut erkennbare Skalierung aufweisen.
Einfache Injektionskanülen entsprächen diesen Anforderungen nicht. Die dem entgegenstehende Stellungnahme der
zu 9. beigeladenen Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV), auf die sich das Berufungsgericht maßgeblich
gestützt habe, mit der pauschalen Aussage, eine Injektionsbehandlung im Bereich der Wirbelsäule könne nie eine
Infusion darstellen, trage dem komplizierten Geschehensablauf bei der PRT nicht Rechnung. Die verwendete Nadel
unterscheide sich wesentlich von herkömmlichen Injektionsnadeln, entspreche vielmehr einer Biopsienadel gemäß Nr
4 aaO EBM-Ä, wie dies auch in anderen KÄV-Bereichen akzeptiert werde. Zumindest hätte das LSG entsprechend
dem Beweisantrag ein Sachverständigengutachten zur Abgrenzung von Injektion und Infusion einholen müssen. - Die
angefochtenen Bescheide seien aber auch deshalb rechtswidrig, weil der Kläger zu 2. die Gemeinschaftspraxis bei
der Verordnung der Interventionssets über den SSB nicht wirksam habe vertreten können. Der Verordnungsregress
sei der Sache nach ein Bereicherungsanspruch der Kostenträger, der kein Verschulden des Leistungserbringers
voraussetze. Weder der Kläger zu 1. noch die - ehemalige - Gemeinschaftspraxis seien durch die Verordnung von
SSB bereichert. Nur der Kläger zu 2. sei über seine wirtschaftlichen Verbindungen mit der Fa M. begünstigt worden.
Er habe als einziger Arzt der Gemeinschaftspraxis die PRT durchgeführt und alle wirtschaftlichen und medizinischen
Vorgänge in diesem Zusammenhang ohne Kenntnis und Billigung der anderen Mitglieder der Gemeinschaftspraxis
gesteuert. Die Gemeinschaftspraxis sei durch die Beschaffungsverträge für die Sets, auch wenn diese wirksam und
trotz der Betrugsabsicht des Klägers zu 2. nicht sittenwidrig gewesen sein sollten, nicht mitverpflichtet worden, denn
dieser habe ohne Vollmacht der anderen Mitglieder der Gemeinschaftspraxis gehandelt und ausschließlich sich selbst
verpflichtet (§ 179 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Er hätte nach § 10 des Gesellschaftsvertrages die
Gesellschaft nur im Rahmen von höchstens 5.000 DM monatlich und nur bei "laufenden, wiederkehrenden
Geschäften" vertreten dürfen. Die Bestellungen bei der Fa M. mit einer künstlich entwickelten Gewinnmarge von 1.500
% beim Verkauf der Sets seien davon nicht mehr gedeckt gewesen. Seine kriminellen Aktivitäten seien ihm - dem
Kläger zu 1. - auch nicht bekannt gewesen. - Sofern entgegen dieser Rechtsauffassung doch ein Anspruch gegen die
Gemeinschaftspraxis begründet sein sollte, hafte er - der Kläger zu 1. - für diesen jedenfalls nicht
gesamtschuldnerisch. Die aus § 128 Handelsgesetzbuch (HGB) gegebene Berechtigung des Gläubigers einer gegen
eine Gesamthand gerichteten Forderung, jeden Gesamthänder auf die volle Schuldsumme in Anspruch zu nehmen,
werde durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) begrenzt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die
Beigeladene zu 1. im Vorfeld der umstrittenen Verordnungen eigene Verpflichtungen verletzt habe; sie müsse sich
daher ein Mitverschulden anrechnen lassen. Entgegen den ihr nach der SSB-Vereinbarung obliegenden
Verpflichtungen habe sie die Verordnungsfähigkeit der koaxialen Interventionssets zu keinem Zeitpunkt geprüft.
Soweit der Regress auf die Verordnung von Volon A gestützt werde, beruhe das berufungsgerichtliche Urteil auf einem
Verfahrensfehler. Ausweislich der Niederschrift der mündlichen Verhandlung habe er - der Kläger zu 1. - ein
Sachverständigengutachten zu der Frage beantragt, ob Volon A an Stelle eines preiswerten Generikums hätte
eingesetzt werden dürfen. Dem sei das LSG nicht nachgegangen, weil dies im Hinblick auf das von ihm als
unsubstantiiert gewertete Vorbringen im Verwaltungsverfahren nicht veranlasst sei. Diese Bewertung sei unzutreffend.
Er - der Kläger zu 1. - habe im Berufungsrechtszug eingehend dargestellt, dass sich Volon A homogener auflöse als
entsprechende Generika, weshalb es von vielen Patienten als verträglicher empfunden werde.
Der Kläger zu 1. beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. März 2003 und des
Sozialgerichts Dortmund vom 8. März 2001 sowie den Beschluss des Beklagten vom 27. Januar 1999 aufzuheben,
hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, ihn - den Kläger zu 1. - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Berufungsurteil für zutreffend. Die Auffassung des Revisionsklägers zur Rechtsnatur des Regresses
wegen Verstößen gegen die SSB-Vereinbarung sei unzutreffend. Nach gefestigter Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) handele es sich insoweit um einen Schadensersatzanspruch eigener Art, bei dem es -
wie bei Arznei- und Heilmittel-Regressen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung - nicht auf ein Verschulden des
Arztes ankomme. Die Ausführungen des Revisionsklägers zur fehlenden Vertretungsmacht des Klägers zu 2.
berücksichtigten nicht, dass die Verordnungen von SSB nicht die Gemeinschaftspraxis, sondern die KKn verpflichtet
hätten. Einschränkungen der Vertretungsmacht im Innenverhältnis beeinflussten die Wirksamkeit der Verordnungen
nicht.
Die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Ausführungen des Berufungsgerichts für zutreffend und bestreitet, vorwerfbar gehandelt zu haben. Sie sei
nicht berechtigt, selbstständig die Verordnungsfähigkeit bzw Nichtverordnungsfähigkeit von SSB zu beurteilen. Über
diese Kompetenz verfügten ausschließlich die Prüfgremien. Die von den KKn mit der Abwicklung des SSB
beauftragte Ortskrankenkasse solle gerade davon befreit sein, im Einzelnen die Verordnungsfähigkeit zu prüfen; dies
sei vielmehr eine Sache aller KKn und der Ärzte.
Die Beigeladenen zu 6., 7. und 9. beantragen ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.
Sie schließen sich den Ausführungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1. an.
Die Beigeladene zu 8. stellt keinen Antrag. Die übrigen Kläger und Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren
nicht.
II
Die Revision des Klägers zu 1. ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass der angefochtene
Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses rechtmäßig ist.
Nach § 9 Abs 1 Satz 2 Buchst d der von den Beigeladenen zu 1. bis 8. geschlossenen Gemeinsamen
Prüfvereinbarung (in der ab 1. Juli 1993 geltenden Fassung) haben die Prüfungsausschüsse ua auf Antrag der KKn,
der Verbände der KKn oder der KÄV die Verordnung von SSB auf Wirtschaftlichkeit und Verordnungsfähigkeit nach
der SSB-Vereinbarung zu prüfen. Die insoweit in Bezug genommene Vereinbarung der Gesamtvertragspartner über die
ärztliche Verordnung von SSB bestimmt in § 2 Abs 1, dass als SSB nur die im Anhang aufgeführten Mittel gelten, die
ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten angewendet werden oder bei Notfällen zur Verfügung stehen müssen.
Unter Nr 5 des Anhangs der SSB-Vereinbarung sind die verordnungsfähigen Mittel zur Diagnostik und Therapie
aufgezählt, zu denen ua Einmalinfusionsbestecke, Einmalinfusionskatheter und Einmalinfusionsnadeln, nicht aber
Einmalkanülen gehören.
Die Gesamtvertragspartner haben im Wege gesamtvertraglicher Vereinbarungen in der Prüf- und in der SSB-
Vereinbarung die Prüfungszuständigkeit für die Wirtschaftlichkeit der SSB-Verordnungen und der Verordnungsfähigkeit
der jeweiligen Gegenstände und Substanzen auf die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung übertragen. Das steht mit
§ 106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Einklang. Der Senat hat mehrfach entschieden, dass § 106 SGB V
die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausschließlich den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von
Vertragsärzten und KKn zuweist. Diese Vorschrift schließt jedoch nicht aus, den Wirtschaftlichkeitsprüfungsgremien
durch gesamtvertragliche Vereinbarung gemäß §§ 82, 83 SGB V auch andere Zuständigkeiten, insbesondere zur
sachlich-rechnerischen Honorarberichtigung und zur Festsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen unzulässiger
Arzneiverordnungen, zu übertragen (BSG SozR 3-5533 Allg Nr 2 S 10, mwN). Die Verordnung von SSB verursacht bei
den KKn - außerhalb der an die KÄV zu entrichtenden Gesamtvergütung - Kosten(-erstattungen). Soweit diese für
Kostenanteile geleistet werden, die bereits in den Honorarsätzen des Vertragsarztes enthalten und deshalb durch die
Leistung der Gesamtvergütung durch die KK an die KÄV abgegolten sind, sind sie nicht notwendig und damit
unwirtschaftlich. Zu Recht stellen deshalb die Beteiligten die Berechtigung des beklagten Beschwerdeausschusses
nicht in Frage, hinsichtlich der SSB-Verordnungen zu prüfen, ob Gegenstände und Substanzen verordnet worden sind,
die als SSB nicht hätten verordnet werden dürfen, sowie ob die Verordnungen dem Wirtschaftlichkeitsgebot
entsprochen haben.
Zutreffend hat das LSG auf dieser Grundlage zunächst die Entscheidung des Beklagten gebilligt, dass die koaxialen
Interventionssets nicht zu Lasten der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung hätten verordnet werden dürfen.
Einer zulässigen Verordnung der Sets steht bereits entgegen, dass der Kläger zu 2. durch die Verordnungen strafbare
Handlungen unmittelbar zum Nachteil der zu 1. beigeladenen, für die Abrechnung von SSB zuständigen KK und
mittelbar zum Nachteil zahlreicher KKn begangen hat. Denn Verordnungen von medizinischen Bedarfsgegenständen,
deren Preis auf Veranlassung oder mit Wissen des verordnenden Arztes in der Absicht eigener Bereicherung überhöht
angesetzt wird, lösen eine endgültige Kostentragungspflicht der zuständigen Kostenträger nicht aus. Das Gleiche gilt
für solche Verordnungen, die vom verordnenden Arzt aus Gewinnerzielungsgründen in einem Umfang vorgenommen
werden, der keinen Bezug mehr zum notwendigen Behandlungsbedarf der Versicherten hat (vgl § 12 Abs 1, § 70 Abs
1 SGB V). Kosten, die den Kostenträgern durch die unzulässigen Verordnungen des Vertragsarztes entstanden sind,
hat dieser auf der Grundlage der zumindest entsprechend anwendbaren Bestimmungen der § 823 Abs 2 BGB iVm §
263 StGB bzw § 266 StGB und § 826 BGB zu ersetzen. So liegt der Fall hier.
Der Kläger zu 2. hat die von der Fa M. vertriebenen Sets verordnet, obwohl er als Gesellschafter dieser Firma wusste,
dass deren Verkaufspreise die Anschaffungskosten um mehr als 1.500 % überstiegen. Da er an dem insoweit
entstehenden Gewinn unmittelbar partizipieren wollte und konnte, hat er die Sets in einem Umfang verordnet, der
keinen Bezug mehr zum tatsächlichen Bedarf der Praxis hatte, und damit die Verordnungen vorwiegend zum Zweck
der Geldbeschaffung vorgenommen. Ob dieses Verhalten den Tatbestand des Betruges erfüllt, wie das LG Dortmund
in dem den Kläger zu 2. betreffenden Strafurteil angenommen hat, oder - was auf der Grundlage der jüngsten
Rechtsprechung des BGH näher liegt - denjenigen der Untreue iS des § 266 StGB (vgl BGH, Beschluss vom 25.
November 2003, BGHSt 49, 17 = NJW 2004, 454; BGH, Urteil vom 27. April 2004, NStZ 2004, 568 = MedR 2004, 613
- Untreue bei Verordnung von Medikamenten zu überhöhten Preisen), bedarf hier keiner Klärung. Jedenfalls lösten die
vom Kläger zu 2. getroffenen Verordnungen keine Kostentragungspflicht der zu 1. beigeladenen KK aus. Für den
Schaden wegen der auf die Verordnungen hin erfolgten Zahlungen an den Lieferanten - hier die Fa M. - haftet der
verordnende Arzt.
Dies folgt aus der Funktion der Verordnung von SSB. Diese hat - ähnlich wie die Abrechnungssammelerklärung des
Arztes hinsichtlich seiner im Quartal erbrachten Leistungen (dazu näher BSG SozR 3-5550 § 35 Nr 1) - im Rahmen
des Sachleistungssystems der Krankenversicherung eine Garantiefunktion. Mit der Verordnung erklärt der sie
ausstellende Arzt schlüssig, dass er die verordneten Produkte korrekt ausgewählt hat und diese für die Untersuchung
oder Behandlung seiner Patienten geeignet und - auch dem Umgang nach - notwendig sind. Diese besondere
Verantwortung des Vertragsarztes besteht gerade deshalb, weil die KK, die zur Begrenzung des
Verwaltungsaufwandes die SSB-Verordnungen für alle Kostenträger in einem bestimmten KÄV-Bezirk abwickelt, keine
Prüfungsmöglichkeiten hinsichtlich des Bedarfs an SSB in der einzelnen Praxis hat und angesichts der großen Zahl
von Verordnungen pro Tag und der notwendigen sofortigen Bedarfsdeckung in den einzelnen Praxen vorab keine
Kontrollen vornehmen kann. Das System des Bezuges von SSB funktioniert - nicht anders als dasjenige der
Abrechnung ärztlicher Leistungen - nur, wenn und soweit der einzelne Vertragsarzt die geltenden Vorschriften
beachtet und die systembedingten Kontrolldefizite nicht durch strafbare Manipulationen wie Falschabrechnungen oder
fiktive oder unnötige Verordnungen ausnutzt. Praktiziert ein Arzt letzteres, ist er zum Ersatz des verursachten
Schadens verpflichtet.
Der vom Beklagten festgesetzte Regress findet seine Grundlage weiter auch darin, dass die koaxialen
Interventionssets nach der im Bezirk der beigeladenen KÄV geltenden SSB-Vereinbarung nicht als SSB verordnet
werden durften. Die Vereinbarung, deren Auslegung durch das LSG der Überprüfung durch den Senat entzogen ist (§
162 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), enthält im Anhang die Produkte bzw Substanzen, die über den SSB verordnet
werden dürfen. Sie folgt damit dem Enumerationsprinzip. Was nicht aufgeführt ist, ist von der Verordnungsfähigkeit
als SSB ausgeschlossen. Der Kläger zu 1. stellt nicht in Abrede, dass die hier zu beurteilenden koaxialen
Interventionssets in Nr 5 des Anhangs zur SSB-Vereinbarung nicht ausdrücklich genannt sind. Er ist aber der
Auffassung, die Sets entsprächen von ihrer Konfiguration her den in der SSB-Vereinbarung aufgeführten Instrumenten
für Einmalinfusionen. Ob dem rechtliche Bedeutung zukäme, wenn es in der Sache zuträfe, bedarf hier keiner
abschließenden Entscheidung. Vieles weist allerdings darauf hin, dass die SSB-Vereinbarung derartige funktions- und
wirkungsbezogenen Analogien ausschließen will, um Unklarheiten und Streitigkeiten im Anschluss an Verordnungen
zu vermeiden. Für ein Normverständnis in diesem Sinne sprechen die Erwägungen, auf Grund derer es der Senat
ablehnt, Leistungsbeschreibungen in den vertragsärztlichen Leistungsverzeichnissen wie dem EBM-Ä ausdehnend zu
interpretieren oder analog anzuwenden (zuletzt Senatsurteil vom 8. September 2004 - B 6 KA 37/03 R -, zur
Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).
Selbst wenn die Nichtaufnahme eines bestimmten Produkts in die Liste der als SSB verordnungsfähigen Produkte
einer Verordnungsfähigkeit ausnahmsweise nicht entgegenstünde, können sie nach der SSB-Vereinbarung nicht
verordnet werden. Denn die koaxialen Interventionssets sind keine Einmalinfusionsbestecke iS der Nr 5 des Anhangs
zur SSB-Vereinbarung, sondern Einmalkanülen. Aus diesem Grund steht auch Bundesrecht der Verordnung der Sets
entgegen, da nach der Bestimmung A I (Allgemeine Bestimmungen), Teil A, Nr 2 EBM-Ä ua die Kosten für
Einmalkanülen bereits in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten sind.
Unzutreffend ist zunächst die Auffassung des Klägers zu 1., die Zuordnung der koaxialen Interventionssets zu den
Einmalkanülen iS der Nr 2 aaO oder zu den - in den berechnungsfähigen Leistungen nicht enthaltenen -
Infusionsbestecken iS der Nr 4 aaO sei eine dem Beweis durch Sachverständigengutachten zugängliche Frage.
Auslegung und Anwendung der vertragsärztlichen Leistungsverzeichnisses sind Bestandteil der den Gerichten
obliegenden Rechtsanwendung (vgl zu dieser Problematik auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 318). Auf dieser
Grundlage hat das Berufungsgericht zu Recht davon abgesehen, ein Sachverständigengutachten zu der Frage
einzuholen, ob bei der in der Praxis der Kläger angewandten PRT Injektionsnadeln oder Infusionsbestecke zum
Einsatz gekommen sind.
Das LSG hat seine Auffassung, dass es sich bei den koaxialen Interventionssets um Einmalkanülen handele und die
Kosten für ihre Beschaffung dementsprechend mit dem Honorar für die ärztliche Leistung abgegolten seien, zutreffend
auf die Darstellung der Kläger hinsichtlich ihres therapeutischen Ansatzes gestützt. Diese haben vorgetragen, die
unter computertomographischer Kontrolle zu verabreichende Substanz werde mittels Drucks an den gewünschten
Behandlungsort gebracht. Die dazu benötigte Vorrichtung wird in der medizinischen Wissenschaft als Kanüle oder als
Injektionsnadel bezeichnet. Eine Infusion wird dagegen als das Einfließenlassen größerer Flüssigkeitsmengen in ein
Hohlorgan definiert. Die Grenzen einer wortlautorientierten Auslegung werden überschritten, wenn das mittels Druck
erfolgte Einspritzen von Medikamenten an eine bestimmte, genau zu markierende Körperregion als "Infusion"
verstanden werden soll.
Der Standpunkt des LSG wird durch eine wissenschaftliche Beschreibung des von den Klägern praktizierten
Verfahrens der PRT an der Wirbelsäule bestätigt. Der Orthopäde Prof. Krämer erläutert, dass in besonderen Fällen
wirbelsäulennahe Injektionen auch unter Bildwandlerkontrolle durchgeführt würden. Eine besondere Sicherheit für die
Lage der Punktionskanüle biete das Computertomogramm. Deswegen erfreuten sich computergesteuerte
wirbelsäulennahe Injektionen zunehmender Beliebtheit (DÄ 1988, C-665). Damit wird medizinisch-fachlich genau das
von den Klägern praktizierte Behandlungsverfahren beschrieben und - was hier nicht von Bedeutung ist - im Übrigen
unter dem Gesichtspunkt der medizinischen Aussagekraft wie der Wirksamkeit in Frage gestellt. Im vorliegenden
Zusammenhang ist entscheidend, dass es sich bei dem Verfahren um eine Schmerzmittelinjektion im spinalen
Nervenbereich und bei den zum Einsatz kommenden Injektionsnadeln um "Kanülen" handelt. Auch das belegt, dass
die von den Klägern verwandten koaxialen Interventionssets ungeachtet ihrer Ausgestaltung im Einzelnen unter den
Begriff der Einmalkanülen fallen.
Der Einwand der Kläger, die für ihr Verfahren benötigten Instrumente reichten hinsichtlich der Anforderungen - etwa an
die Skalierung - über gewöhnliche Injektionsnadeln hinaus, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Kosten für
Diagnosegeräte bzw Medizinprodukte, die für Untersuchungen und/oder Behandlungen benötigt werden, können aus
Rechtsgründen deren Zuordnung zu den in den Leistungslegenden und den allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä
aufgeführten Tatbeständen nicht beeinflussen. Das hat der Senat bereits in einem Fall, in dem ein Gynäkologe ein
besonders hochwertiges und teures Sonographiegerät zum Einsatz gebracht und dafür von den Patientinnen eine
zusätzliche Vergütung gefordert hat, als in der Weise offensichtlich bezeichnet, dass dazu die Durchführung eines
Revisionsverfahrens nicht geboten ist (Beschluss vom 14. März 2001 - B 6 KA 76/00 B - in Juris dokumentiert). Im
hier zu beurteilenden Zusammenhang gilt nichts anderes. Besondere technische Anforderungen oder eine bestimmte
Form der von außen sichtbaren Skalierung machen aus einer Injektionsnadel bzw einer Einmalkanüle kein
Infusionsbesteck im Rechtssinne.
Im Übrigen erweist sich die Berufung des Klägers zu 1. auf den höheren Kostenaufwand für die koaxialen
Interventionssets im Hinblick auf die oben näher dargestellten strafrechtlichen Besonderheiten des Falles als fern
liegend. Er trägt selbst vor, der Kläger zu 2. habe die Sets mittels seines Einflusses auf die Fa M. für ca 2,55 DM
beschaffen und durch diese Firma zu einem um ca 1.500 % höheren Preis abgeben lassen. Danach sind vor allem die
rechtswidrigen Manipulationen des Klägers zu 2. und nicht in erster Linie die Hochwertigkeit des Produktes Ursache
für den Abgabepreis, der denjenigen für übliche Injektionsnadeln deutlich überstiegen hat.
Danach steht fest, dass die koaxialen Interventionssets unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten von der
Gemeinschaftspraxis der Kläger nicht zu Lasten der KKn über den SSB hätten verordnet werden dürfen. Der auf das
Fehlen der Verordnungsfähigkeit dieser Instrumente gestützte SSB-Regress ist gerechtfertigt. In der Rechtsprechung
des Senats ist geklärt, dass sich der Vertragsarzt, der die gesetzlichen und vertraglichen Regeln der
vertragsärztlichen Versorgung nicht einhält und Mittel verordnet, die er nicht verordnen darf, gegenüber den
Kostenträgern schadensersatzpflichtig macht (BSG SozR 3-5533 Allg Nr 2 S 11 unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500
§ 106 Nr 29 S 146). Der von den Prüfgremien in diesem Fall festzusetzende Regress ist seiner Rechtsnatur nach ein
Schadensersatz- und kein Bereicherungsanspruch. Die von der Revision aus der vermeintlich
bereicherungsrechtlichen Natur des hier streitigen Anspruchs abgeleiteten Konsequenzen vor allem eines Wegfalles
der Bereicherung bei dem Kläger zu 1. treffen deshalb nicht zu. Insbesondere greift seine Auffassung nicht durch, im
Hinblick auf die Besonderheiten des manipulativen Handelns des Klägers zu 2. dürfe der Regress gegen ihn jedenfalls
nicht in voller Höhe festgesetzt werden. Dem steht die gesetzliche Ausgestaltung der vertragsärztlichen
Gemeinschaftspraxis iS des § 33 Abs 2 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) entgegen.
Diese ist durch die gemeinsame Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch mehrere Ärzte der gleichen oder ähnlicher
Fachrichtung in gemeinsamen Räumen mit gemeinsamer Praxisausrichtung, gemeinsamer Karteiführung und
Abrechnung sowie mit gemeinsamem Personal auf gemeinsame Rechnung geprägt (zuletzt Senatsurteile vom 16. Juli
2003 - B 6 KA 49/02 R -, BSGE 91, 164, 170 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 18 und - B 6 KA 34/02 R -, SozR 4-5520
§ 33 Nr 2 RdNr 18; s auch Urteil des Senats vom 20. Oktober 2004 - B 6 KA 15/04 R - zur Veröffentlichung
vorgesehen). Sie ist berechtigt, ihre Leistungen unter einer einzigen Abrechnungsnummer gegenüber der zuständigen
KÄV abzurechnen und tritt dieser dementsprechend wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit
gegenüber. Rechtlich gesehen ist eine Gemeinschaftspraxis eine Praxis (vgl zum Ganzen auch Engelmann, in: von
Wulffen/Krasney, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, 429, 435). Sie verfügt über eine gemeinschaftliche
Patientendatei und rechnet die erbrachten Leistungen unter einem Namen ab. Die Behandlung eines Patienten in
einem Quartal durch verschiedene Mitglieder der Gemeinschaftspraxis stellt sich als ein Behandlungsfall dar. Die
Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise wird nicht bezogen auf den einzelnen Arzt, sondern
bezogen auf die Gemeinschaftspraxis als Einheit geprüft; etwaige Honorarkürzungen und/oder Regresse hat die
Gemeinschaftspraxis zu tragen. Nichts anderes gilt für Regresse wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger
Mittel durch die Gemeinschaftspraxis. Es ist aus Rechtsgründen ausgeschlossen, einer Gemeinschaftspraxis alle
Vorteile dieser Form der Patientenbehandlung zu Gute kommen zu lassen, im Falle eines unwirtschaftlichen oder
rechtswidrigen Behandlungs- bzw Verordnungsverhaltens den Status der Gemeinschaftspraxis aber außer Betracht zu
lassen.
Die wirtschaftlichen Folgen von Falschabrechnungen bzw rechtswidrigen Verordnungen treffen notwendig die
Gemeinschaftspraxis. In diesem Zusammenhang kommt es auf die von der Revision aufgeworfenen vertretungs- und
gesellschaftsrechtlichen Fragen nicht an. Ob der Kläger zu 2. bei der Verordnung der Sets seine Vertretungsbefugnis
für die Gemeinschaftspraxis, die als BGB-Gesellschaft organisiert gewesen ist, überschritten hat, ist ohne Bedeutung.
Seine SSB-Verordnungen haben die zu 1. beigeladene KK verpflichtet, die von der Fa M. an die Praxis der Kläger
gelieferten Sets zu bezahlen. Diese spezifisch vertragsarztrechtliche Wirkung einer SSB-Verordnung besteht
unabhängig von der Berechtigung des Arztes, im Innenverhältnis zu den anderen Mitgliedern der Gemeinschaftspraxis
derartige Verordnungen vorzunehmen. Solange ein Vertragsarzt seine Tätigkeit im Status einer Gemeinschaftspraxis
ausübt, sind seine Behandlungen, Abrechnungen und Verordnungen im Rechtssinne solche der Gemeinschaftspraxis.
Lösen diese Abrechnungen oder Verordnungen Rückzahlungs- und Regressansprüche der Institutionen der
vertragsärztlichen Versorgung aus, hat dafür die Gemeinschaftspraxis und damit jedes ihrer Mitglieder in
gesamtschuldnerischer Haftung einzustehen. Diese Einstandspflicht kann durch vertragliche Vereinbarung zwischen
den Gesellschaftern der Gemeinschaftspraxis nicht im Außenverhältnis zu den Institutionen der vertragsärztlichen
Versorgung ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Auf dieser Grundlage hat das LSG deshalb zutreffend keine
nähere Sachaufklärung zu den Rechtsverhältnissen in der Gemeinschaftspraxis der Kläger vorgenommen und
insbesondere nicht untersucht, ob tatsächlich der Kläger zu 2. allein für die hier umstrittenen SSB-Verordnungen
verantwortlich ist.
Dem Regressanspruch gegenüber dem Kläger zu 1. kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass sich
Ausgleichsansprüche, die er möglicherweise aus dem gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis der Partner der
Gemeinschaftspraxis hat, wegen Vermögensverfalls eines der Mitglieder nicht mehr realisieren lassen. Soweit er dazu
einwendet, ein solcher Ausgleichsanspruch sei im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse des Klägers zu 2., der zu
einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt worden sei, wirtschaftlich wertlos, muss er sich gerade diesen
Umstand entgegenhalten lassen. In wirtschaftlicher Hinsicht geht es darum, ob das Insolvenzrisiko des für den
eingetretenen Schaden zumindest in erster Linie verantwortlichen Klägers zu 2. die KKn oder die anderen Mitglieder
der Gemeinschaftspraxis trifft. Nach den Vorschriften über die Gesamtschuldnerschaft und die gesamtschuldnerische
Haftung ist die Verantwortung den zur gemeinsamen Berufsausübung verbundenen Ärzten der Gemeinschaftspraxis
zugewiesen, sodass diese das wirtschaftliche Risiko tragen müssen, sofern sie mit eventuellen
Ausgleichsansprüchen gegen das betrügerisch handelnde Mitglied der Gemeinschaftspraxis ausfallen.
Dem Kläger zu 1. kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als er ein Mitverschulden der zu 1. beigeladenen KK an
der Schadensentstehung annimmt und unter Berufung auf § 254 BGB eine Reduzierung des Regressbetrages um 50
% begehrt. Die Beigeladene zu 1. stellt zutreffend dar, dass sie nach der geltenden SSB-Vereinbarung verpflichtet
war, die Kosten des von Vertragsärzten verordneten SSB gegenüber den Händlern bzw Herstellern der verordneten
Instrumente und Produkte zu begleichen. Ob die Verpflichtung zur Einlösung von SSB-Verordnungen endet, wenn
Produkte verordnet werden, die für jedermann auf den ersten Blick erkennbar nicht als SSB verordnungsfähig sein
können, bedarf hier keiner Entscheidung. Eine solche Fallgestaltung liegt nicht vor. Solange über die
Verordnungsfähigkeit bestimmter für Diagnose und/oder Therapie benötigter Arzneimittel oder Medizinprodukte
gestritten wird, ist die in der SSB-Vereinbarung als zuständig bestimmte KK im Regelfall nicht befugt, die Kosten der
von Vertragsärzten ausgestellten Verordnungen nicht zu übernehmen.
Schließlich ist die Rüge der Revision, die Beigeladene zu 1. habe über einen längeren Zeitraum "widerspruchslos" die
Verordnung der koaxialen Interventionssets durch die Gemeinschaftspraxis ausgeführt und damit zur Entstehung des
Schadens beigetragen, nicht gerechtfertigt. Die Arbeitsgemeinschaft der KKn in Westfalen-Lippe hat den Prüfantrag
für die Quartale III und IV/1995 am 11. April 1997, also etwa ein Jahr nach Abrechnung der streitbefangenen Quartale,
gestellt. Unter Berücksichtigung der unvermeidlichen Dauer der Prüfung der SSB-Verordnungen aller Ärzte, die an der
vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der zu 8. beigeladenen KÄV beteiligt waren, ist eine unzumutbare
Verzögerung des Prüfverfahrens nicht gegeben.
Danach erweist sich der auf die Verordnung der koaxialen Interventionssets gestützte SSB-Regress für die
streitbefangenen Quartale als insgesamt rechtmäßig.
Nichts anderes gilt im Ergebnis auch hinsichtlich des Regresses wegen der Verordnung von Volon A. Insoweit ist
nicht die Verordnungsfähigkeit des Präparates als solches sowie seine Zugehörigkeit zum SSB umstritten, sondern
lediglich die Frage, ob nicht die Verordnung von Generika an Stelle von Volon A dem Wirtschaftlichkeitsgebot der
vertragsärztlichen Versorgung entsprochen hätte. Die Revision zieht nicht in Zweifel, dass kostengünstigere Generika
mit einer gegenüber Volon A vergleichbaren Indikationsbeschreibung am Markt verfügbar waren. Sie macht allein
geltend, das Berufungsgericht habe durch Sachverständigengutachten aufklären müssen, dass Volon A - wie von ihr
vorgetragen - hinsichtlich Wirkungsweise und Verträglichkeit beim Patienten gegenüber den als Alternative in Betracht
kommenden Generika vorzuziehen gewesen sei. In der hier zu beurteilenden Konstellation hat indessen für das LSG
kein Anlass bestanden, dieser Frage näher nachzugehen.
Sind für einen bestimmten therapeutischen Ansatz bzw eine bestimmte medikamentöse Therapie zugelassene
Arzneimittel mit entsprechender Indikation verfügbar, haben diese aber unterschiedliche Preise, gebietet das
Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1, § 70 Abs 1 Satz 2 SGB V) zumindest, dass der Vertragsarzt sich die
unterschiedlichen Kosten vergegenwärtigt und einzelfallbezogen abwägt, ob der Einsatz des preiswerteren
Arzneimittels vertretbar ist. Gegebenenfalls kann bei einem Streit zwischen Arzt und Prüfgremien durch
Sachverständigengutachten geklärt werden, ob bei einer bestimmten Krankheitssituation bzw bei Vorliegen
allergischer Reaktionen eines Patienten auf ein spezielles Präparat Anlass zur Verordnung des teureren Medikaments
bestanden hat. Darum geht es hier jedoch nicht. Denn die Kläger haben ohne entsprechende Abwägung im Einzelfall
Volon A generell bei der PRT eingesetzt und sich darauf berufen, dieses Präparat werde besser als die alternativ in
Betracht kommenden Generika vertragen.
Diese Fragestellung brauchte das LSG jedoch nicht mittels eines Sachverständigengutachtens aufzuklären. Sie liefe
nämlich auf die Klärung hinaus, ob ganz generell zwischen dem Präparat Volon A und anderen für die entsprechende
Indikation zugelassenen Arzneimitteln derselben Wirkstoffgruppe hinsichtlich der Wirkungsweise und der
Verträglichkeit messbare Unterschiede bestehen und ob diese so groß sind, dass generell nur das Präparat Volon A
zum Einsatz kommen dürfe. Damit zielt das von den Klägern angestrebte Sachverständigengutachten letztlich auf
eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung für die in Betracht kommenden Generika durch die für die
Arzneimittelzulassung zuständigen Behörden ab. Eine solche Zulassung dürfte nicht erteilt werden, wenn von den
Generika im Verhältnis zu anderen ähnlich wirkenden Arzneimitteln typischerweise - unabhängig von der
gesundheitlichen Situation und Vorgeschichte des einzelnen Patienten - massive und vermeidbare Nebenwirkungen
ausgingen. Da die Kläger weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren zumindest
Patientengruppen bzw Gruppen von Vorerkrankungen und Allergiegefährdungen einzelner Patienten dargestellt haben,
bei denen die medizinischen Gesichtspunkte für und wider die Notwendigkeit des Einsatzes von Volon A hätten
überprüft werden können, sondern sich pauschal auf die Vorteile dieses Originalpräparats berufen haben, ist eine
weitere Sachaufklärung nicht notwendig gewesen. Der routinemäßige Einsatz des teureren Arzneimittels gegenüber
preiswerteren in Betracht kommenden stellt sich als typischer Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot dar. Zu
Recht hat der Beklagte deshalb die Entscheidung des Prüfungsausschusses bestätigt, wegen der routinemäßigen
Verordnung von Volon A einen Regress festzusetzen.
Der Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid beispielhaft das Präparat Triam 40 angeführt, dessen Kosten
deutlich unter denen von Volon A liegen, nämlich nur etwas mehr als ein Viertel derjenigen von Volon A - bezogen auf
eine Ampulle zu einem Milliliter - betragen. Aus der vom Beklagten bestätigten Entscheidung des
Prüfungsausschusses ergibt sich, dass nicht die vollen Kosten der injiziierten Medikamente, sondern lediglich der als
unwirtschaftlich angesehene Mehrbetrag in Regress genommen worden ist. Der Prüfungsausschuss hat zudem
berücksichtigt, dass auch die Honorarforderung der Kläger wegen Unwirtschaftlichkeit gekürzt werden musste, sodass
ein Teil der Verordnungen von Volon A wegen der Unwirtschaftlichkeit der Gesamtbehandlung ohnehin in Regress zu
nehmen war.
Damit erweist sich der angefochtene Bescheid des Beklagten insgesamt als rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar
2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).