Urteil des BSG vom 19.09.2013

BSG: Krankenversicherung, keine Zulassung von Heilmittelerbringern zur ambulanten Leistungserbringung bei überwiegendem Anteil einer Leistungserbringung für Krankenhäuser

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 19.9.2013, B 3 KR 8/12 R
Krankenversicherung - keine Zulassung von Heilmittelerbringern zur ambulanten
Leistungserbringung bei überwiegendem Anteil einer Leistungserbringung für Krankenhäuser -
keine vollständige Ausgliederung des Heilmittelbereichs eines Krankenhauses bei regelmäßiger
Erforderlichkeit von Heilmitteln zur Krankenhausbehandlung
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom
15. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt eine Zulassung zur Erbringung von Heilmitteln nach § 124 Abs 2
SGB V für die Bereiche der Logopädie, Physio- und Ergotherapie.
2 Das evangelische Diakoniewerk "S eV" (im Folgenden: Diakoniewerk) betreibt neben
anderen Einrichtungen das Diakoniekrankenhaus in S Im Juni 2004 beschloss das
Diakoniewerk die bis dahin als Teil des Diakoniekrankenhauses betriebenen Abteilungen
für Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie auf einen rechtlich selbstständigen
Träger, die klagende GmbH, auszugliedern. Das Diakoniewerk war zunächst alleiniger
Gesellschafter der Klägerin; diese blieb neben dem Diakoniekrankenhaus
Tochtergesellschaft des Diakoniewerks. Trägerin des Diakoniekrankenhauses ist die
beigeladene Diakonie-Klinikum S gGmbH in S (im Folgenden: Beigeladene). Mit notariell
beurkundetem Gesellschafterbeschluss vom 31.8.2006 wurde die Beigeladene alleinige
Gesellschafterin der Klägerin. Bereits im Juli 2006 hat die Beigeladene die
Arbeitgeberstellung für 16 Mitarbeiter aus dem Heilmittelbereich übernommen, welche
zuvor beim Diakoniewerk beschäftigt waren und im Rahmen eines
Personalgestellungsvertrages vom März 2006 bis heute an die Klägerin als Entleiherin zur
Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden.
3 Gegenstand des klägerischen Unternehmens ist die Erbringung von
physiotherapeutischen, balneologischen, ergotherapeutischen und logopädischen
Leistungen sowie von Schulungs- und Beratungsdienstleistungen im Bereich des
Gesundheitswesens. Die Gesellschaft erbringt sämtliche Leistungen für stationär
behandelte Patienten der Beigeladenen und zusätzlich für teilstationär und ambulant
versorgte Patienten und Kunden im Sinne eines Zentrums für Prävention, Therapie und
Rehabilitation (§ 2 Abs 1 des Gesellschaftsvertrages). Die Klägerin beschäftigt neben den
16 entliehenen Arbeitnehmern weitere 26 Mitarbeiter, die direkt bei ihr angestellt sind, und
zwar 19 im Bereich Physiotherapie, zehn im Bereich Ergotherapie, acht im Bereich
Logopädie und fünf in der Anmeldung. Die Beigeladene verfügt über keine außerhalb der
Gestellung tätigen Logopäden, Physio- oder Ergotherapeuten.
4 Derzeit erbringt die Klägerin etwa zwei Drittel ihrer Leistungen als Subunternehmerin der
Beigeladenen an Patienten, die dort stationär versorgt werden; damit erzielt sie etwa 85 %
ihrer Einnahmen. Die übrigen etwa 15 % der Einnahmen kommen aus der ambulanten
Behandlung von GKV-Patienten, wobei die Beigeladene diese Leistungen nach § 124
Abs 3 SGB V - obwohl sie selbst keine Therapeuten beschäftigt - mit den Krankenkassen
abrechnet. Im Fall einer Zulassung würde die Klägerin eigenen Angaben zufolge die
gesamten Patienten der Beigeladenen im Bereich der ambulanten Heilmittelversorgung
übernehmen und im eigenen Namen versorgen. Sie erbringt die Heilmittel in insgesamt 19
Räumen, die sie im Anwesen der Beigeladenen - "Badhaus" - zur Nutzung als
Therapiezentrum mit einer Gesamtfläche von 835 qm gemietet hat, wobei sie Aufzüge,
Flure, Treppenhaus, Cafeteria und Speisesaal als Gemeinschaftsflächen mitbenutzen
darf.
5 Mit Schreiben vom 27.3.2006 beantragte die Klägerin die Zulassung zur Erbringung von
physiotherapeutischen, ergotherapeutischen und logopädischen Leistungen nach § 124
Abs 2 SGB V und gab jeweils die fachlichen Leiter(innen) an. Der Deutsche
Bundesverband für Logopädie sowie der Deutsche Verband der Ergotherapeuten erhoben
in räumlicher und fachlicher Hinsicht keine Einwände gegen eine Zulassung. Der
Deutsche Verband für Physiotherapie teilte mit, angesichts der neun Räume für die
Physiotherapie dürften auch nur neun Physiotherapeuten beschäftigt werden. Hierzu gab
die Klägerin an, dass die angemeldeten zwölf Physiotherapeuten nicht alle ambulant,
sondern auch auf den Stationen der Beigeladenen tätig würden und daher die
Räumlichkeiten ausreichten.
6 Der Antrag der Klägerin ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass für die ambulante
Leistungserbringung nach § 124 Abs 3 SGB V mit den Krankenkassen eine
Vergütungsvereinbarung zu Preisen abgeschlossen worden ist, die aufgrund der
niedrigeren Gestellungskosten und Unternehmensrisiken etwa 15 - 20 % unter dem
Preisniveau liegen, das für niedergelassene Leistungserbringer nach § 124 Abs 2 SGB V
mit den Krankenkassen vereinbart worden ist.
7 Die Beklagte lehnte den Antrag auf Zulassung als Heilmittelerbringer gemäß § 124 Abs 2
SGB V mit Bescheid vom 18.12.2006 ab, wies den dagegen erhobenen Widerspruch mit
Bescheid vom 13.7.2007 zurück und führte zur Begründung aus: Gemäß Ziffer I. Nr 2 der
Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen (heute: Spitzenverband Bund der
Krankenkassen) nach § 124 Abs 4 SGB V und § 5 Abs 1 des Rahmenvertrages nach §
125 SGB V habe der fachliche Leiter ganztägig in seiner Praxis zur Verfügung zu stehen
und die qualifizierte Durchführung der Behandlung sicherzustellen. Die Tätigkeit des
fachlichen Leiters müsse im Bereich der ambulanten Heilmittelerbringung allerdings seine
übrige Erwerbstätigkeit übersteigen. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt, da die
ambulante Behandlung eindeutig im Hintergrund stehe. Die vorgehaltene Gesamtfläche
und die Anzahl der Behandlungsräume reichten bei der Vielzahl der angestellten
Therapeuten selbst unter Berücksichtigung von Leistungen, die auf der Station erbracht
würden, nicht aus, weil teilweise auch die stationär versorgten Patienten in den
Räumlichkeiten des Therapiezentrums zu behandeln seien. Das Therapiezentrum sei
keine abgeschlossene Einheit bzw nicht vollständig räumlich vom Krankenhaus getrennt,
wie in den Zulassungsempfehlungen vorgesehen. Eine Heilmittelpraxis, die von einem
Krankenhausträger betrieben werde, müsse für eine Zulassung nach § 124 Abs 2 SGB V -
neben der Berechtigung zur Abrechnung gemäß § 124 Abs 3 SGB V - eine eindeutige
Ausrichtung auf die ambulante Behandlung nachweisen. Nach einem
Besprechungsergebnis der Spitzenverbände vom 20.4.2006 führe eine Vermischung von
ambulant und stationär behandelten Patienten und die damit verbundene
Mischfinanzierung im Verhältnis zu eigenständigen Heilmittelpraxen zu ungerechtfertigten
Wettbewerbsvorteilen und verletze daher den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die in § 124
Abs 3 SGB V genannten Einrichtungen könnten sich nicht über eine Zulassung nach §
124 Abs 2 SGB V weitere Abrechnungsspielräume ermöglichen. Der Gesetzgeber habe
die Nachrangigkeit im Bereich der ambulanten Heilmittelerbringung für Einrichtungen
nach Absatz 3 durch den Verzicht auf eine Zulassungsentscheidung unterstrichen.
8 Auf die dagegen gerichtete Klage hat das SG den Bescheid der Beklagten in der Fassung
des Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte zur Erteilung der beantragten
Zulassung nach § 124 Abs 2 SGB V ab Antragstellung verurteilt (Urteil vom 25.11.2010).
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die erstinstanzliche Entscheidung geändert
und die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.2.2012): Die Klägerin habe zwar an der
Erteilung der beantragten Zulassung nach § 124 Abs 2 SGB V ein berechtigtes Interesse;
sie betreibe kein Krankenhaus und keine vergleichbare Einrichtung iS von § 124 Abs 3
SGB V und dürfe deshalb nicht ohne Zulassung Heilmittel an Versicherte in der
ambulanten Versorgung abgeben. Sie habe jedoch keinen Anspruch auf die begehrte
Zulassung. Diese könne zwar grundsätzlich auch einer GmbH erteilt werden, aus der
Systematik des § 124 Abs 2 und 3 SGB V ergebe sich indes, dass nur Betreiber einer
personell und räumlich zur Erbringung ambulanter Heilmittel ausgestatteten Praxis
zuzulassen seien. Die Klägerin erbringe Heilmittel in erster Linie im Auftrag der
Beigeladenen im zeitlich, organisatorisch und quantitativ kaum disponiblen Rahmen der
stationären Behandlung. Im Bereich der ambulanten Versorgung erbringe die Klägerin
deutlich weniger Leistungen, sodass ihr Unternehmen nicht dem Berufsbild eines in
eigener Praxis selbstständig tätigen Heilmittelerbringers entspreche. Schließlich könne
auch nicht festgestellt werden, ob die Zahl der Praxisräume ausreiche, weil die Zuordnung
von Mitarbeitern zur ausschließlich ambulanten Heilmittelerbringung nicht
arbeitsvertraglich verbindlich geregelt sei und insoweit keine entsprechenden Räume zur
ausschließlich ambulanten Behandlung zur Verfügung ständen. Das Verlangen nach
einer zweckmäßigen Praxisausstattung sei im Hinblick auf das sozialpolitische Ziel der
Gesundheit der Versicherten eine gerechtfertigte Regelung der Berufsausübung.
9 Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen
Rechts (§ 124 Abs 2 SGB V und Art 12 Abs 1 GG). Die Erteilung einer Zulassung nach §
124 Abs 2 SGB V könne nicht deswegen beschränkt werden, weil ein Krankenhausträger
die Position des alleinigen Gesellschafters im Unternehmen innehabe. Die Auffassung
des LSG, eine Zulassung zur ambulanten Versorgung sei zu versagen, wenn ein
Leistungserbringer überwiegend von einem Krankenhausträger zur Abgabe von
Heilmitteln an stationär versorgte Patienten beauftragt werde, ergebe sich weder aus Sinn
und Zweck noch aus der Systematik des § 124 SGB V. Das Therapiezentrum sei auch
nicht für eine ambulante Leistungserbringung überdimensioniert; gerade die sich aus der
ambulanten und stationären Versorgung ergebenden Synergieeffekte böten im Hinblick
auf die Auslastung der Praxisräume und den Einsatz der Therapeuten eine Gewähr für
eine wirtschaftliche und zweckmäßige Versorgung. Aufgrund der Öffnungszeiten von 7 -
19 Uhr ständen die Behandlungsräume den bei der Klägerin beschäftigten Therapeuten
überschneidungsfrei selbst dann zur Verfügung, wenn sämtliche Therapeuten
ausschließlich ambulant tätig würden. Im Ergebnis schließe das LSG Heilmittelerbringer,
die nicht nur in der ambulanten, sondern auch in der Versorgung stationär behandelter
Patienten Leistungen erbringen wollten, von der Zulassung und damit vom Beruf des
Heilmittelerbringers aus. Dies stelle einen rechtswidrigen Eingriff in die Berufswahlfreiheit
dar.
10 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15.2.2012 zu ändern und
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Heilbronn vom 25.11.2010
zurückzuweisen.
11 Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des LSG und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
12 Mit Beschluss vom 27.8.2013 hat der Senat die Diakonie-Klinikum S gGmbH mit ihrer
Zustimmung (§ 168 S 2 SGG) zum Verfahren beigeladen; diese hat von einer
Stellungnahme und Antragstellung abgesehen.
Entscheidungsgründe
13 Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte
Zulassung nach § 124 Abs 2 SGB V. Der Entscheidung des LSG ist im Ergebnis und in
wesentlichen Teilen der Begründung zu folgen.
14 1. a) Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Die Zulassung
ergeht in Form eines Verwaltungsaktes, der nach § 124 Abs 5 S 1 SGB V von den
Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen erlassen wird (BSG SozR 4-
2500 § 124 Nr 1 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 125 Nr 2 RdNr 8). Die Beklagte ist ein
Landesverband der Ortskrankenkassen (§ 207 Abs 1 S 1 SGB V). Die Entscheidung über
die Zulassung steht nicht im Ermessen der Behörde; bei Vorliegen der Voraussetzungen
besteht ein Rechtsanspruch auf Zulassung. Nach § 124 Abs 2 S 2 SGB V kann eine
Zulassung auch für mehrere Heilmittelbereiche (hier: Physiotherapie, Ergotherapie und
Logopädie) beansprucht werden, sofern die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind.
15 b) Die Klägerin besitzt ein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Zulassung, da sie
Heilmittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Bereich der
ambulanten Versorgung auf eigene Rechnung nur abgeben darf, wenn ihr eine Zulassung
nach § 124 Abs 2 SGB V erteilt wird (§ 124 Abs 1 SGB V). Denn sie gehört nicht zu den
nach § 124 Abs 3 SGB V privilegierten Einrichtungen, die Heilmittel kraft Gesetzes ohne
gesonderte Zulassung durch Personen abgeben dürfen, die die Voraussetzungen nach §
124 Abs 2 Nr 1 SGB V erfüllen, soweit die Voraussetzungen nach § 124 Abs 2 Nr 2 und 3
SGB V in entsprechender Weise vorliegen. Privilegiert werden durch § 124 Abs 3 SGB V
nur Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen und ihnen vergleichbare Einrichtungen.
16 Die Klägerin betreibt kein Krankenhaus und keine "vergleichbare Einrichtung" iS des §
124 Abs 3 SGB V. Sie steht weder unter ständiger ärztlicher Leitung noch werden
Patienten bei ihr untergebracht (vgl § 107 SGB V); als eigenständige juristische Person ist
sie nicht mit der Beigeladenen identisch, auch wenn diese alleinige Gesellschafterin der
klagenden GmbH ist. Was unter einer "vergleichbaren Einrichtung" iS des § 124 Abs 3
SGB V zu verstehen ist, wird gesetzlich nicht definiert. Entsprechend dem Sinn und Zweck
der Regelungen in § 124 Abs 1 und 2 SGB V einerseits und in § 124 Abs 3 SGB V
andererseits kann es sich bei "vergleichbaren Einrichtungen" nur um solche handeln, die
schon aufgrund einer anderweitigen umfassenden Zulassung in das GKV-Gefüge
eingebunden sind und deshalb "wie Krankenhäuser" Heilmittel iS des § 124 Abs 1 SGB V
erbringen dürfen. Denn das Zulassungserfordernis findet als Eingriff in die durch Art 12 GG
geschützte Berufsausübungsfreiheit der Heilmittelerbringer seine Rechtfertigung
grundsätzlich in der Notwendigkeit, die Qualität der abgegebenen Heilmittel ausreichend
und angemessen zu sichern. Bei nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern sowie
bei Vorsorge- und Reha-Einrichtungen, die nach §§ 111 ff SGB V durch
Versorgungsvertrag zugelassen sind, findet eine ausreichende Leistungs- und
Qualitätssicherung einheitlich für die gesamte stationäre Versorgung statt. Erbringt eine
solche Einrichtung Heilmittel im Rahmen der ambulanten Versorgung, ist eine gesonderte
Zulassung unter Qualitätssicherungsgesichtspunkten nicht erforderlich (vgl dazu
Armbruster in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 124 RdNr 27 ff). Anders liegt es aber
bei der Klägerin, die nicht über eine anderweitige - qualitätssichernde - GKV-Zulassung
verfügt; sie bedarf deshalb zur Heilmittelerbringung einer vorherigen Zulassung nach §
124 Abs 2 SGB V.
17 2. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die Zulassung nach § 124 Abs 2 SGB V.
18 Ein nur für die Zukunft (dazu a) in Betracht kommender Zulassungsanspruch nach § 124
Abs 2 SGB V scheidet aus, wenn der Antragsteller - gleichgültig, ob Individual- oder
juristische Person - überwiegend Leistungen im stationären Bereich erbringt und daher
seine Praxis insgesamt nicht als eine solche zur ambulanten Heilmittelerbringung
angesehen werden kann (dazu b). Einer Zulassungserteilung nach § 124 Abs 2 SGB V
steht außerdem entgegen, dass sie nicht beansprucht werden kann, soweit sie durch
Ausgliederung des gesamten Heilmittelbereichs von einem Krankenhaus und
Übertragung auf die Einrichtung zu ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen führen kann
(dazu c). Verfassungsrechtliche Gewährleistungen stehen dem nicht entgegen (dazu d).
19 a) Die Zulassung eines Leistungserbringers zur Abgabe von Heilmitteln nach § 124 Abs 2
SGB V kann als statusbegründender Verwaltungsakt grundsätzlich nicht rückwirkend,
sondern nur für die Zukunft erteilt werden (BSGE 78, 243 = SozR 3-2500 § 109 Nr 2; BSG
SozR 3-5525 § 32b Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 124 Nr 7 sowie BSGE 51, 126 = SozR 2200
§ 371 Nr 4 für die Statusbegründung als Vertragskrankenhaus). Die Zulassung hat auch
im Heilmittelbereich konstitutive Wirkung und kann sich nur auf die Zeit nach Zugang der
Zulassungs- oder Verkündung der sie ersetzenden Gerichtsentscheidung bei der Klägerin
beziehen. Die vom SG statuierte Rückwirkung der Zulassung auf den Zeitpunkt der
Einreichung des Zulassungsantrages wäre - wie bereits vom LSG zutreffend festgestellt -
schon aus diesem Grund aufzuheben.
20 b) Die Klägerin hat aber auch keinen Anspruch auf Zulassung für die Zukunft. Dies gilt für
alle drei Heilmittelbereiche, für die die Klägerin eine Zulassung begehrt. Einrichtungen,
die überwiegend stationäre Leistungen erbringen, können eine Zulassung nach § 124 Abs
2 SGB V zur Abgabe von ambulanten Heilmitteln nicht beanspruchen, weil sie keine
Praxis zur ambulanten Heilmittelerbringung betreiben. Wegen der im SGB V angelegten
grundsätzlichen Trennung zwischen ambulanter und stationärer Leistungserbringung
(dazu aa), die systematisch auch im Heilmittelbereich angeordnet ist (dazu bb), können
Leistungserbringer ihre Leistungen sektorenübergreifend allein auf der Grundlage einer
ausdrücklichen gesetzlichen Regelung anbieten und auch nur, soweit es in diesen
Regelungen vorgesehen ist (dazu cc). Für den Heilmittelbereich bedeutet dies, dass
Leistungserbringer entsprechend ihrem Schwerpunkt entweder als Leistungserbringer in
der stationären oder in der ambulanten Versorgung einzuordnen sind (dazu dd).
21 aa) Die strikte Trennung zwischen ambulanter und stationärer Leistungserbringung, die im
Vertragsarztrecht mit seinem ganz eigenen Organisations- und Vergütungssystem
besonders markant ist, durchzieht das gesamte SGB V in allen Leistungsbereichen (von
der grundsätzlichen Trennung der ambulanten von der stationären Versorgung, die nur
aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung durchbrochen werden kann, wird
zB auch in BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 51 ff zum Vertragsarztrecht
sowie in BSGE 102, 219 = SozR 4-2500 § 118 Nr 1 zur Tagesklinik ausgegangen; vgl
auch Clemens, MedR 2011, 770, ders in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts
Medizinrecht, 3. Aufl 2013, S 1192 RdNr 198 ff). Das basiert auf der traditionell sehr
unterschiedlichen Ausgestaltung beider Leistungsbereiche sowohl im Leistungs- als auch
im Leistungserbringerrecht und durchzieht die gesetzlichen Vorschriften bis in die rechtlich
nachgeordneten Ebenen der Verordnungen, Empfehlungen und vertraglichen
Vereinbarungen. Für die vom Gesetzgeber in den letzten Jahren verstärkt angestrebte
sektorenübergreifende Versorgung der Versicherten mit einer verbesserten Abstimmung
und Verzahnung der stationären mit den ambulanten Leistungen im Interesse der
Patienten sind aufwendige gesetzliche und vertragliche Konstruktionen erforderlich (vgl
etwa § 115b, §§ 116 ff und §§ 140a ff SGB V). Denn zur Umsetzung der mit der
sektorenübergreifenden Verzahnung der Leistungen erstrebten verbesserten
Leistungsqualität sind nicht nur auf der Ebene des Leistungsrechts besondere gesetzliche
Regelungen für die Ansprüche der Versicherten erforderlich, sondern darüber hinaus auch
zur Regelung der Rechtsbeziehungen zu den Leistungserbringern. Grundsätzlich orientiert
sich das Leistungserbringungsrecht aber nach wie vor an der Differenzierung zwischen
ambulanten und stationären Leistungen und ist jeweils auf die besonderen Bedürfnisse
und Eigenarten des betroffenen Leistungssektors mit seinen gesonderten Organisations-
und Vergütungsregelungen zugeschnitten.
22 bb) Diese Differenzierung wird auch im Heilmittelbereich deutlich. In den §§ 124, 125 SGB
V werden die Beziehungen der Krankenkassen zu Leistungserbringern von Heilmitteln im
Bereich der ambulanten Versorgung geregelt, insbesondere Fragen der Zulassung (vgl
auch Schneider in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 124 RdNr 22). Bei der Abgabe von
Heilmitteln im Zusammenhang mit einer stationären Behandlung muss die behandelnde
Einrichtung indes bereits über eine Zulassung zur stationären Behandlung verfügen und
die Einzelheiten der Versorgung bzw der Vergütung finden sich in den für die jeweilige
stationäre Behandlung geltenden Bestimmungen und Vereinbarungen (vgl § 17 Abs 1a
KHG). Danach fällt für Heilmittel, die zB Krankenhäuser im Rahmen der stationären
Versorgung erbringen, in aller Regel keine gesonderte Vergütung an, weil sie mit der
einheitlichen Vergütung für die gesamte Leistung in Form einer Fallpauschale abgegolten
sind.
23 Zur Regelung der ambulanten Versorgung von GKV-Versicherten hat der Gesetzgeber in
§ 124 Abs 2 und Abs 3 SGB V nochmals differenzierende Regelungen getroffen, und zwar
für niedergelassene Heilmittelerbringer, die nach § 124 Abs 2 SGB V ambulante
Leistungen erbringen, und solchen Einrichtungen, die aufgrund einer anderweitigen
Zulassung bereits Heilmittel im Rahmen der stationären Versorgung erbringen und denen
als Annex dazu das Recht zur ambulanten Leistungserbringung "quasi nebenbei"
eingeräumt wird (§ 124 Abs 3 SGB V). Diese Gesetzessystematik verdeutlicht, dass die
dem SGB V zugrunde liegende sektorenspezifische Trennung zwischen stationärer und
ambulanter Leistungserbringung auch den Bereich der Heilmittelerbringer durchzieht.
24 § 124 Abs 3 SGB V richtet sich an stationäre Einrichtungen, denn sowohl Krankenhäuser
als auch Rehabilitationseinrichtungen sind nach § 107 SGB V Einrichtungen der
stationären Versorgung. § 124 Abs 2 und Abs 4 bis 7 sowie § 125 SGB V richten sich
demgegenüber an niedergelassene Leistungserbringer (vgl BSGE 77, 130, 137 ff = SozR
3-2500 § 124 Nr 2 S 20 ff zur Zulassung einer GmbH; BSG SozR 3-2500 § 124 Nr 4 S 34 ff
zur Zulassung einer GbR). Dass der Gesetzgeber sich dabei am Bild des "typischen"
Heilmittelerbringers orientiert hat, der überwiegend in der ambulanten Versorgung tätig ist,
wird zudem an der Einbindung der für die Wahrnehmung der Interessen der
Heilmittelerbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene deutlich, die
sich als Interessenvertreter ihrer Mitglieder verstehen, welche ganz überwiegend
ambulante Leistungen erbringen. Vor diesem Hintergrund sind die weitergehenden
Regelungen der Empfehlungen des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen nach §
124 Abs 4 SGB V und der Rahmenempfehlungen und Verträge nach § 125 SGB V auf
Leistungserbringer zugeschnitten, die in erster Linie ambulante Leistungen erbringen. So
kann etwa nach Ziffer I. 2 der Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes gemäß § 124
Abs 4 SGB V zur einheitlichen Anwendung der Zulassungsbedingungen nach § 124 Abs
2 SGB V für Leistungserbringer von Heilmitteln, die als Dienstleistung an Versicherte
abgegeben werden (Zulassungsempfehlungen in der Fassung vom 18.10.2010) eine
Zulassung "nur erteilt werden, wenn die jeweilige Tätigkeit des Zugelassenen/fachlichen
Leiters von wirtschaftlicher Bedeutung ist sowie zeitlich die übrige Erwerbstätigkeit
übersteigt. Der Zugelassene/fachliche Leiter hat als Behandler ganztägig in seiner Praxis
zur Verfügung zu stehen oder die qualifizierte Durchführung der Behandlung der
Anspruchsberechtigten in seiner Praxis sicherzustellen." Da mit der jeweiligen Tätigkeit
nur die gemeint sein kann, für die die Zulassung begehrt wird, muss gerade die ambulante
Leistungserbringung von wirtschaftlicher Bedeutung sein und zeitlich die übrige
Erwerbstätigkeit übersteigen. Für diese Leistungen hat der Behandler ganztägig in seiner
Praxis zur Verfügung zu stehen und die qualifizierte Durchführung sicherzustellen. Auch
die Verträge über die Einzelheiten der Versorgung mit Heilmitteln, über die Preise, deren
Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung nach § 125 Abs
2 SGB V sind ausschließlich an Heilmittelerbringern in der ambulanten Versorgung
orientiert.
25 Während diese Regelungen, Empfehlungen und Vereinbarungen unmittelbar oder durch
eine Anerkennungserklärung für alle nach § 124 Abs 2 SGB V zur ambulanten Versorgung
zugelassenen Leistungserbringer gelten, werden für Einrichtungen iS von § 124 Abs 3
SGB V gesonderte Vereinbarungen getroffen.
26 Die Erteilung einer Zulassung setzt nach § 124 Abs 2 Nr 3 SGB V voraus, dass der
Leistungserbringer die für die Versorgung der Versicherten geltenden Vereinbarungen
anerkennt. Wegen dieser Anerkennungserklärung wirken die Vereinbarungen normativ;
eine Verbandsangehörigkeit oder entsprechende Satzungsregelung ist für die
kollektivrechtliche Wirkung nicht erforderlich (vgl BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5,
RdNr 28; Schneider in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 125 RdNr 10, 12, 21; Luthe in:
Hauck/Noftz, SGB V, Stand 08/2010, K § 125 RdNr 6, 8). Die normative Bindung an
bestehende Verträge wird lediglich im Falle einer (freiwilligen) Vereinbarung niedrigerer
Preise aufgehoben. Daher kann jeder nach § 124 Abs 2 SGB V zugelassene
Heilmittelerbringer durch eine einseitige Erklärung den mit den Berufsverbänden
geschlossenen und an der ambulanten Versorgung ausgerichteten Verträgen beitreten,
soweit er dem räumlichen und dem an den verschiedenen Heilmittelbereichen orientierten
sachlichen Geltungsbereich der Vereinbarung unterfällt. Aufgrund der Pflicht der
Krankenkassen zur Gleichbehandlung aller zugelassenen Heilmittelerbringer dürfte eine
Differenzierung zwischen verschiedenen Leistungserbringern kaum möglich sein.
27 Anders liegt es für Einrichtungen iS des § 124 Abs 3 SGB V, da für diese das
Tatbestandsmerkmal des § 124 Abs 2 Nr 3 SGB V nur entsprechend anwendbar ist (§ 124
Abs 3 Halbs 2 SGB V). Soweit zB für bestimmte Einrichtungen gesonderte
Vereinbarungen geschlossen werden können, haben andere nicht die Möglichkeit des
Beitritts - etwa durch eine einseitige Erklärung. Deshalb würden für die Beigeladene, wenn
sie denn nach § 124 Abs 3 SGB V abrechnungsbefugt wäre, nur die zwischen der
Beklagten und der zuständigen Krankenhausgesellschaft getroffenen Vereinbarungen
gelten, die wegen unterschiedlicher Wettbewerbs- und Kostenstrukturen für vergleichbare
Leistungen eine von den Vergütungsvereinbarungen für niedergelassene
Heilmittelerbringer deutlich nach unten abweichende Vergütung vorsehen.
28 Dieses unterschiedliche Regelungsgefüge bedingt die sektorenspezifische Einordnung
der Leistungserbringer. Andernfalls würde das nach sachgerechten Kriterien
differenzierende System ausgehebelt und Leistungserbringer des einen Sektors könnten
sich in ein Organisations- und Vergütungssystem eingliedern, das weder auf sie
zugeschnitten noch übertragbar ist. Denn die in der Praxis übliche unterschiedliche
Vergütungsregelung für Leistungserbringer, die überwiegend stationäre Leistungen
erbringen, und solche, die überwiegend ambulante Heilmittel abgeben, werden nicht nur
von den diese Leistungserbringer repräsentierenden Verbänden vereinbart, sondern sind
auch an deren jeweils unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen, Bedürfnissen und
Eigenarten orientiert.
29 cc) Aufgrund der dargelegten traditionell deutlichen Trennung der ambulanten von der
stationären Versorgung sind sektorenübergreifende Kooperationsformen nur zulässig,
wenn sich diese ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben und auch dann nur in dem
gesetzlich vorgesehenen Umfang (vgl Clemens, MedR 2011, 770, ders in: Wenzel,
Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 3. Aufl 2013, S 1192 RdNr 198 ff). Deshalb hat
der 6. Senat des BSG (BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 51 ff zum
Vertragsarztrecht; BSGE 102, 219 = SozR 4-2500 § 118 Nr 1 zur Tagesklinik) bereits
zutreffend entschieden, dass Kooperationen zwischen ambulanten Leistungserbringern
und Krankenhäusern nicht grundsätzlich erlaubt sind, bloß weil keine gesetzliche
Regelung die Kooperation verbietet, sondern solche Kooperationsformen grundsätzlich
einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürfen. Dies gilt entsprechend für den
Bereich der Heilmittelerbringung. Für Heilmittelerbringer ist zwar eine
sektorenüberschreitende Leistungserbringung nicht gänzlich ausgeschlossen; allerdings
lässt sich den gesetzlichen Regelungen hierzu entnehmen, dass sie nur in einem
untergeordneten Ausmaß zulässig sein soll. Der Arbeitsschwerpunkt von
Leistungserbringern, die wegen ihrer Zulassung nach § 124 Abs 2 SGB V dem
ambulanten Versorgungsbereich zuzurechnen sind, darf sich nicht auf die überwiegende
Erbringung von stationären Leistungen verlagern.
30 Grundsätzlich bildet für Einrichtungen der stationären Versorgung § 124 Abs 3 SGB V die
gesetzliche Basis, aufgrund derer sie zur Erbringung von ambulanten Heilmitteln für GKV-
Versicherte berechtigt sind. Sie bedürfen dazu einer ausdrücklichen gesetzlichen
Grundlage, weil sie nach ihrem gesetzlich vorgegebenen Hauptzweck der Versorgung mit
stationären Leistungen dienen. Für Krankenhäuser, Rehabilitations- und vergleichbare
Einrichtungen handelt es sich dabei jedoch nur um eine Annexleistung. Sie wird
ermöglicht, um die mit dem stationären Versorgungsbereich verbundenen Vorteile (zB für
Patienten, die eine ambulante Behandlung im Anschluss an einen stationären
Krankenhausaufenthalt ohne Wechsel des Therapeuten oder der Einrichtung fortsetzen
können, oder zur Nutzung der Infrastruktur des Krankenhauses, der vorhandenen
räumlichen und sächlichen Ausstattung sowie eines effizienten Personaleinsatzes) nicht
ungenutzt verpuffen zu lassen. Eine angemessene Berücksichtigung dieser
Wettbewerbsvorteile erfolgt durch entsprechend niedrigere Vergütungsvereinbarungen
und damit zum Nutzen der Solidargemeinschaft. Trotz dieser Berechtigung zur Erbringung
von Heilmitteln in der ambulanten Versorgung bleibt der Hauptzweck der in § 124 Abs 3
SGB V genannten Einrichtungen bei der Erbringung stationärer Leistungen.
31 Auf der anderen Seite dürfen aber auch Leistungserbringer, die unter den
Voraussetzungen des § 124 Abs 2 SGB V zur Abgabe von Heilmitteln im Bereich der
ambulanten Versorgung zugelassen sind, stationäre Hilfeleistungen anbieten, wenn sie
von einem Krankenhaus oder einer vergleichbaren Versorgungseinrichtung beauftragt
werden, im Rahmen der Krankenhaus- oder sonstigen Behandlung zu erbringenden
Heilmittel als Dritte iS von § 2 Abs 2 S 2 Nr 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG)
abzugeben. Diese Vorschrift erlaubt die Abgabe von Krankenhausleistungen durch Dritte
jedoch ausdrücklich nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs 2 S 1 KHEntgG. Danach
müssen die Leistungen im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die
medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sein.
Aus dem Merkmal "im Einzelfall" ist zu schlussfolgern, dass die Leistungen Dritter nicht
regelmäßig und nur in einem untergeordneten Umfang angefordert werden dürfen (vgl
Clemens, MedR 2011, 770, 780; ders in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts
Medizinrecht, 3. Aufl 2013, S 1192 ff, 1207 ff insbesondere RdNr 246); ein überwiegendes
oder gar - wie hier - vollständiges Outsourcen von wesentlichen ärztlichen oder auch
nichtärztlichen Hilfeleistungen ist nicht zulässig. Diese Form der stationären
Leistungserbringung wird daher regelmäßig nur als Annex zur Tätigkeit eines
Heilmittelerbringers in der ambulanten Versorgung in Betracht kommen.
32 dd) Insgesamt steht für den Senat fest, dass der Gesetzgeber nicht jede Form
sektorenübergreifender Versorgung im Bereich der Heilmittel zulassen wollte.
Leistungserbringer der stationären Ebene haben die Möglichkeit, ambulante Leistungen
als Annex zu ihrer schwerpunktmäßig stationären Aufgabenstellung zu erbringen, und
umgekehrt dürfen die im ambulanten Sektor tätigen Leistungserbringer nur im Einzelfall
stationäre Hilfestellung leisten, weil sie ihren Schwerpunkt in der ambulanten Versorgung
haben. Heilmittelerbringer sind deshalb entsprechend dem Schwerpunkt ihrer
Leistungserbringung dem ambulanten oder stationären Leistungssektor zuzuordnen.
Daraus folgt, dass nur solche Leistungserbringer, die nach ihrem Schwerpunkt ambulante
Leistungen erbringen und zur stationären Leistungserbringung allenfalls im Einzelfall
herangezogen werden, nach § 124 Abs 2 SGB V zuzulassen sind.
33 c) Die Erteilung einer Zulassung nach § 124 Abs 2 SGB V kann außerdem nicht mit dem
Ziel beansprucht werden, durch Ausgliederung des gesamten Heilmittelbereichs aus dem
Krankenhaus und Verlagerung auf eine externe Einrichtung ungerechtfertigte
Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Mit der vollständigen Ausgliederung des
Heilmittelbereichs von der Beigeladenen auf die Klägerin (dazu aa) und der damit
verbundenen jahrelangen rechtswidrigen Abrechnungspraxis (dazu bb) verfolgen die
Beteiligten unter Umgehung der gesetzlichen Vorschriften letztlich das Ziel, für die
Heilmittelerbringung im ambulanten Bereich eine höhere Vergütung zu erzielen (dazu cc).
Dem Streben der Beigeladenen nach unberechtigten Wettbewerbsvorteilen darf jedoch
nicht durch die Erteilung einer Zulassung nach § 124 Abs 2 SGB V an die Klägerin zur
Durchsetzung verholfen werden.
34 aa) Der Senat hat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vollständigen Verlagerung
des Heilmittelbereichs von der Beigeladenen auf die Klägerin. Nach den gesetzlichen
Vorgaben soll die Leistungserbringung des Krankenhauses grundsätzlich durch dessen
eigenes Personal erfolgen. In § 107 Abs 1 SGB V wird der Krankenhausbegriff durch die
Aufnahme strukturell-organisatorischer und fachlich-inhaltlicher Voraussetzungen
konkretisiert. Danach haben Krankenhäuser ua über ausreichende, ihrem
Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten zu
verfügen (vgl § 107 Abs 1 Nr 2 SGB V) und sind mit Hilfe von jederzeit verfügbarem
ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet,
vorwiegend ärztliche und pflegerische Hilfeleistungen zu erbringen (vgl § 107 Abs 1 Nr 3
SGB V). Der Gesetzgeber geht daher jedenfalls für den Regelfall davon aus, dass das
Krankenhaus über die Möglichkeit verfügt, Heilmittel zu erbringen, soweit diese zur
Erfüllung des Versorgungsauftrags erforderlich werden, und zwar grundsätzlich mit Hilfe
von jederzeit verfügbarem Personal des Krankenhauses. Zweifelhaft ist daher, ob zu dem
"jederzeit verfügbaren Personal" iS des § 107 Abs 1 Nr 3 SGB V auch Dritte (bzw das bei
Dritten beschäftigte Personal) gehören können, auf deren Leistungen das Krankenhaus
nach § 2 Abs 2 S 2 Nr 2 KHEntgG zurückgreifen kann (kritisch hierzu auch BSGE 108, 35
= SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 59 ff zum Vertragsarztrecht). Darüber hinaus darf das
Krankenhaus - wie bereits ausgeführt - Leistungen Dritter nach § 2 Abs 2 S 2 Nr 2, Abs 2 S
1 KHEntgG nur "im Einzelfall" veranlassen, also nicht regelmäßig und nur in einem
untergeordneten Umfang. Damit sind vor allem spezielle Leistungen gemeint, für die das
eigene Personal des Krankenhauses keine hinreichenden Spezialkenntnisse hat.
Möglicherweise können darunter auch Leistungen zur Abdeckung unkalkulierbarer
Leistungsspitzen verstanden werden, bei denen in einem engen zeitlichen Rahmen
ungewöhnlich zahl- und/oder umfangreiche Leistungen zu erbringen sind. Die
Ausgliederung eines regelmäßig vom Krankenhaus vorzuhaltenden Leistungsbereichs
insgesamt auf einen Dritten ist davon indes nicht umfasst (vgl hierzu Clemens in: Wenzel,
Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 3. Aufl 2013, S 1209 RdNr 245 ff). Dies gilt im
vorliegenden Fall umso mehr, als die Beigeladene in umfangreicher Weise chirurgisch-
orthopädisch ausgerichtet ist und in diesen Bereichen insbesondere die
physiotherapeutische Nachsorge von hervorragender Bedeutung ist. Nach dem
Krankenhausplan Baden-Württemberg (Stand Februar 2013) handelt es sich bei der
Beigeladenen um eine vollstationäre Einrichtung der Allgemeinversorgung. Ihr sind ua die
Fachgebiete der Chirurgie und der Kinder- und Jugendmedizin zugewiesen, wobei die
Chirurgie das Fachgebiet mit den meisten Plätzen/Betten darstellt. Dass die Erbringung
von Heilmitteln in erheblichem Umfang zum Versorgungsauftrag der Beigeladenen gehört,
wird auch daran deutlich, dass sie vor der Ausgliederung des Heilmittelbereichs dort
mindestens 16 Mitarbeiter beschäftigte. Dennoch hat sie diesen Bereich vollständig
ausgegliedert und hält selbst kein Personal zur Heilmittelerbringung mehr vor. Ob die
Beigeladene damit noch die in § 107 Abs 1 SGB V umschriebenen Mindestmerkmale für
ein Krankenhaus erfüllt, erscheint durchaus zweifelhaft.
35 Die Leistungserbringung durch eigenes Personal des Krankenhauses entspricht zudem
dem Ziel der Qualitätssicherung; denn bei eigenem Personal, das in die Organisations-
und Weisungsstruktur des Krankenhauses eingebunden ist, kann am ehesten davon
ausgegangen werden, dass dieses nach dem Maßstab höchstmöglicher Qualifikation
ausgewählt, angeleitet und überwacht wird (BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3,
RdNr 59). Auch der Gesichtspunkt der Transparenz der Leistungserbringung aus der
Perspektive des Patienten, der typischerweise die Erwartung hat, vom Personal des
Krankenhauses behandelt zu werden, spricht für diese Sicht (BSGE 108, 35 = SozR 4-
2500 § 115b Nr 3, RdNr 59). Werden nach dem Versorgungsauftrag eines Krankenhauses
regelmäßig - dh nicht nur in besonderen Einzelfällen - Heilmittel im Rahmen der
Krankenhausbehandlung erforderlich, entspricht die vollständige Ausgliederung dieses
Leistungsbereichs diesen gesetzlichen Vorgaben nicht.
36 bb) Trotz der Ausgliederung des Heilmittelbereichs rechnet die Beigeladene weiterhin die
ambulante Heilmittelerbringung gemäß § 124 Abs 3 SGB V mit den Krankenkassen ab,
weil die Klägerin selbst nicht zugelassen ist und keine Abrechnungsbefugnis besitzt.
Diese Abrechnungspraxis ist rechtswidrig und es ist für den Senat nicht nachvollziehbar,
aufgrund welcher gesetzlichen Vorschrift die Beklagte diese Entgelte erbringt. Die
Beigeladene ist schon deshalb nicht zur Abrechnung nach § 124 Abs 3 SGB V berechtigt,
weil sie die Voraussetzungen nach § 124 Abs 3 iVm Abs 2 Nr 1 und 2 SGB V seit der
Ausgliederung ihres Heilmittelbereichs nicht mehr erfüllt. Denn sie verfügt weder über das
zur Leistungserbringung erforderliche Personal noch über eine entsprechende räumliche
und sächliche Ausstattung. Die Abrechnungspraxis wäre aber selbst dann rechtswidrig,
wenn die Beigeladene diese Voraussetzungen noch erfüllen würde, denn ein
Krankenhaus darf nur Leistungen abrechnen, die es selbst erbringt oder nach § 2 Abs 2 S
2 Nr 2 KHEntgG durch Dritte erbringen darf. Eine Befugnis zur Übertragung ambulanter
Leistungen auf Dritte besteht nicht, weil § 2 Abs 2 S 2 Nr 2 KHEntgG nur für voll- und
teilstationäre Krankenhausleistungen nach § 1 Abs 1 KHEntgG gilt und auf ambulante
Leistungen nicht anwendbar oder übertragbar ist (vgl Clemens in: Wenzel, Handbuch des
Fachanwalts Medizinrecht, 3. Aufl 2013, S 1194 RdNr 202 f sowie S 1207 RdNr 237 f).
Das ergibt sich im Übrigen auch aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 1 Abs 1
KHEntgG, der den Anwendungsbereich des Gesetzes definiert. In diese rechtswidrige
Abrechnungspraxis ist die Klägerin mit eingebunden, denn nur so kann sie selbst von der
Aufgabenübertragung profitieren. Denn für sie gibt es derzeit mangels Zulassung keine
Möglichkeit, ambulante Heilmittel zu Lasten der GKV zu erbringen.
37 cc) Im Zusammenspiel der Klägerin mit der Beigeladenen wird für den Senat deutlich,
dass gemeinschaftlich auf der Basis einer derzeit rechtswidrigen Abrechnungspraxis
versucht werden soll, für eine ambulante Leistungserbringung "im Krankenhauskontext"
die für niedergelassene Leistungserbringer vereinbarten höheren Vergütungssätze
abrechnen und gleichzeitig die Wettbewerbsvorteile des Krankenhauses weiterhin nutzen
zu können. Dem kann nicht durch die Erteilung einer Zulassung nach § 124 Abs 2 SGB V
zur Durchsetzung verholfen werden.
38 d) Ein Anspruch der Klägerin auf Zulassung lässt sich nicht aus verfassungsrechtlichen
Gewährleistungen herleiten. Ein Verstoß gegen Art 12 Abs 1 GG oder Art 14 GG liegt nicht
vor. Eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition kann sich nur in dem Maße ergeben,
wie Betätigungs- und Kooperationsmöglichkeiten gesetzlich vorgesehen sind und damit
eine legalisierte Betätigung vorliegt. Denn Grundrechte sind zunächst Abwehrrechte, aus
denen sich nur in eng begrenzten Ausnahmefällen die Begründung einer
einfachgesetzlich nicht geregelten oder die Erweiterung einer Rechtsposition ergeben
kann. Neue, gesetzlich nicht vorgesehene Kooperations- oder Betätigungsmöglichkeiten
zur Leistungserbringung zu Lasten der GKV können grundsätzlich nicht aus der
Verfassung abgeleitet werden. Deshalb sind die Grundrechte keine Rechtsgrundlage für
das Begehren, die Durchlässigkeit zwischen ambulanter und stationärer Versorgung und
die Möglichkeiten von Kooperationen zwischen verschiedenen Leistungserbringern zu
erweitern (vgl Clemens in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 3. Aufl
2013, S 1193 RdNr 200, mwN). Zwar kann in dem eingeschränkten Zugang zu einer
beruflichen Tätigkeit in der GKV ein Eingriff in die aus Art 12 Abs 1 GG grundrechtlich
geschützte Berufsfreiheit liegen (vgl BVerfGE 11, 30 = SozR Nr 15 zu § 368a RVO;
ebenso BVerfGE 12, 144 = SozR Nr 13 zu Allg GG = SozR Nr 7 zu Art 12 GG), doch würde
dies voraussetzen, dass sich der Grundrechtsträger selbst regelkonform verhält und die
gesetzlich vorgeschriebenen Wege zur Erlangung seiner Zulassung einhält. Diese
letzteren Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
39 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.