Urteil des BSG vom 14.03.2017

BSG (stationäre behandlung, umkehr der beweislast, krankenkasse, sgg, behandlung, treu und glauben, unterlagen, notwendigkeit, verfügung, krankenhaus)

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 20.11.2008, B 3 KN 1/08 KR R
Parallelentscheidung zum Urteil des BSG vom 20.11.2008 - B 3 KN 4/08 KR R.
Tatbestand
1 Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte H. M. (im Folgenden: Versicherte) befand
sich aufgrund fachärztlicher Überweisung vom 8. bis 19.3.2001 (Montag) wegen
permanentem Vorhofflimmern zur stationären Behandlung im G. Klinikum, dessen Trägerin
die Klägerin ist. Im Kostenübernahmeantrag gab das Krankenhaus an, die stationäre
Behandlung werde voraussichtlich zehn Tage dauern. Die Beklagte gab daraufhin eine
unbefristete Kostenübernahmeerklärung für die ärztlicherseits als medizinisch notwendig
angesehene Verweildauer der Versicherten ab.
2 Für die stationäre Behandlung der Versicherten stellte die Klägerin der Beklagten insgesamt
3.718,16 DM (= 1.901,07 Euro) in Rechnung. Die Beklagte zahlte nur 2.648,48 DM (=
1.354,15 Euro) und teilte der Klägerin unter dem 2.4.2001 mit, es sei nicht plausibel, dass
diese eine stationäre Behandlung bis einschließlich Sonntag abgerechnet habe. Um die
Notwendigkeit der weiteren Krankenhausbehandlung über den 16.3.2001 hinaus überprüfen
zu können, bitte sie um Übersendung einer detaillierten medizinischen Begründung. Die
Klägerin übersandte daraufhin den Entlassungsbericht vom 14.5.2001, der zwar die
festgestellten Diagnosen und durchgeführten Untersuchungen enthielt, aber keine
datumsbezogenen Angaben zum Behandlungsverlauf. Mit weiterem Schreiben vom
24.9.2002 teilte die Beklagte mit, sie habe nunmehr den gesamten Rechnungsbetrag unter
Vorbehalt angewiesen, und bat nochmals um die erbetene medizinische Begründung. Die
Klägerin reagierte hierauf nicht. Die Beklagte betrachtete deshalb die Voraussetzungen des
geltend gemachten Vergütungsanspruchs ab 16.3.2001 als nicht nachgewiesen und stellte in
Aussicht, den entsprechenden Differenzbetrag von 546,92 Euro demnächst einzubehalten
(Schreiben vom 6.11.2002). Ende November 2002 kürzte die Beklagte eine spätere
Sammelrechnung der Klägerin um diesen Betrag.
3 Im März 2003 hat die Klägerin mit dem Ziel Klage erhoben, die Beklagte zur Zahlung von
546,92 Euro nebst Zinsen zu verurteilen. Daraufhin hat der Sozialmedizinische Dienst (SMD)
die vorliegenden medizinischen Unterlagen auf Veranlassung der Beklagten geprüft und in
zwei Stellungnahmen vom 17.4. und 16.5.2003 ausgeführt, dass die Notwendigkeit einer
stationären Behandlung der Versicherten "über das Wochenende" nicht vorgelegen habe. Die
Beklagte hat sich dieser Einschätzung angeschlossen. Die Klägerin hat unter Hinweis auf
frühere Entscheidungen des erkennenden Senats die Auffassung vertreten, wegen der
unbefristeten Kostenübernahmeerklärung sei die Beklagte auch bei Zweifeln über die
Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung nicht berechtigt, den Differenzbetrag
zurückzuhalten; nach § 9 der zwischen den Beteiligten abgeschlossenen
Pflegesatzvereinbarung sei der Rechnungsbetrag spätestens 15 Tage nach
Rechnungseingang zu begleichen. Innerhalb der Zahlungsfrist habe die Beklagte auch weder
substantiierte Einwendungen erhoben noch den SMD eingeschaltet, so dass sie mit ihren
Einwendungen gegen die Krankenhausabrechnung ausgeschlossen sei. Deshalb sei sie - die
Klägerin - auch nicht zur Herausgabe weiterer Krankenunterlagen verpflichtet.
4 Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, weil der Anspruch durch Erfüllung
erloschen sei und es der Klägerin offen stehe, wegen ggf zu Unrecht gekürzter späterer
Rechnungen eine neue Klage zu erheben (Urteil vom 26.4.2004). Das Landessozialgericht
(LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 16.1.2008): Der Beklagten
habe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen die Klägerin in Höhe von 546,92
Euro zugestanden, weil die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung der Versicherten
über den 16.3.2001 hinaus nicht nachgewiesen sei. Mit diesem Anspruch habe sie
rechtswirksam gegen gleichartige und erfüllbare Forderungen der Klägerin aus einer späteren
- inhaltlich und rechnerisch nicht umstrittenen - Sammelrechnung aufgerechnet. Zwar müsse
das Gericht den Sachverhalt gemäß § 103 SGG grundsätzlich von Amts wegen erforschen
und dazu auch alle in Betracht kommenden Beweise erheben; im vorliegenden Fall sei die
Pflicht zur Amtsermittlung indes eingeschränkt, weil die Klägerin die erbetenen medizinischen
Unterlagen des Versicherten nicht vorgelegt habe. Die Klägerin gehe zu Unrecht davon aus,
dass die Beklagte mit ihren Einwendungen gegen die Rechnung vom 26.3.2001
ausgeschlossen sei.
5 Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 275 Abs 1,
276 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 und 301 Abs 1 Nr 3 SGB V sowie Abweichungen des
Berufungsgerichts von früherer Rechtsprechung des erkennenden Senats. Durch die
unbefristete Kostenübernahmeerklärung der Beklagten sei eine Umkehr der Beweislast
eingetreten; hieran habe sich auch nach der Entscheidung des Großen Senats (GS) des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 25.9.2007 - GS 1/06 - nichts geändert. Da die
voraussichtliche Verweildauer der Versicherten in der Aufnahmeanzeige mit zehn Tagen
angegeben worden sei, habe keine Pflicht zur Vorlage einer medizinischen Begründung für
die Krankenhausbehandlung über den 16.3.2001 hinaus bestanden. Zudem würde ein
Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenunterlagen auch nur dem SMD und nicht der
Beklagten selbst zustehen. Im Übrigen habe die Beklagte das Prüfverfahren erheblich
verzögert und damit das Beschleunigungsgebot verletzt.
6 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16.1.2008 - L 4 KN 44/04 KR - und
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 26.4.2004 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen,
an sie 546,92 Euro nebst 4 % Zinsen ab dem 14.3.2003 zu zahlen.
7 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
8 Die zulässige Revision der Klägerin (s dazu 1.) ist im Sinne der Zurückverweisung des
Rechtsstreits an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) . Zu Unrecht allerdings wirft
die Klägerin der Beklagten vor, dass sie sich rechtsmissbräuchlich verhalten und/oder
zwingende Vorschriften des Abrechnungsverfahrens verletzt habe und deshalb einen
Erstattungsanspruch nicht mehr geltend machen könne (s dazu 2.). Entgegen der Auffassung
des LSG ist aber auch der Klägerin im Ergebnis nicht vorzuwerfen, dass sie ihrer
prozessualen Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen und deshalb die Pflicht zur Ermittlung
des Sachverhalts von Amts wegen eingeschränkt sei (s dazu 3.). Mangels ausreichender
tatsächlicher Feststellungen zu der Frage, ob in dem streitigen Zeitraum tatsächlich noch
eine Krankenhausbehandlung durchgeführt worden und diese notwendig iS von §§ 109 Abs
4 Satz 2, 39 SGB V gewesen ist, also die Aufrechnung der beklagten Krankenkasse
rechtens war oder nicht, konnte der Senat entgegen § 170 Abs 1, Abs 2 Satz 1 SGG nicht in
der Sache selbst entscheiden; die fehlenden Feststellungen wird das LSG unter
Berücksichtigung der vom Senat bereits entwickelten Grundsätze (vgl Urteile vom 10.4.2008
- B 3 KR 19/05 R - ua, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) nachzuholen
haben (s dazu 4.).
9 1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden
Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin macht den Anspruch auf Zahlung der
Vergütung für erbrachte Krankenhausleistungen gegen die Beklagte zu Recht mit der
(echten) Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG geltend. Die Klage eines
Krankenhausträgers wie der Klägerin auf Zahlung der Behandlungskosten eines
Versicherten gegen eine Krankenkasse ist ein sog Beteiligtenstreit im
Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht
kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl BSGE 90,
1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3; BSG, Urteil vom 10.4.2008 - B 3 KR 19/05 R -, RdNr 10 mwN,
zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) . Diese Grundsätze gelten auch dann,
wenn es - wie hier - um Ansprüche aus einer Sammelrechnung geht, gegen die die
Krankenkasse mit einem Erstattungsanspruch aus einem früheren Behandlungsfall
aufgerechnet hat. Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch zudem mit 546,92 Euro konkret
beziffert (zur Notwendigkeit der Bezifferung einer Vergütungsklage vgl BSGE 92, 300 =
SozR 4-2500 § 39 Nr 2, jeweils RdNr 6) .
10 2. Ob die Voraussetzungen des streitigen Anspruchs auf Vergütung der
Krankenhausbehandlung über den 16.3.2001 hinaus erfüllt waren oder die Beklagte zu
Recht eine spätere Sammelrechnung der Klägerin um diesen Betrag kürzen durfte, lässt sich
mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen. Zu Unrecht
wirft die Klägerin der Beklagten jedoch vor, diese habe sich rechtsmissbräuchlich verhalten
und/oder zwingende Vorschriften des Abrechnungsverfahrens verletzt und könne schon
deshalb einen Erstattungsanspruch nicht mehr geltend machen.
11 a) Nach den unangegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG)
Feststellungen des LSG stand der Klägerin im November 2002 ein - inhaltlich und
rechnerisch nicht umstrittener - Zahlungsanspruch gemäß Sammelrechnung vom 14.11.2002
zu. Rechtsgrundlage dieses Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm der
Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2002. Nähere vertragliche Regelungen
iS von § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB V über die allgemeinen Bedingungen der
Krankenhausbehandlung sowie die Überprüfung ihrer Notwendigkeit und Dauer gab es
nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG im betroffenen Zeitraum in Sachsen-
Anhalt nicht. Deshalb ist hier - soweit erforderlich - allein auf die insoweit maßgebliche
Pflegesatzvereinbarung zurückzugreifen (vgl BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2,
jeweils RdNr 8; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 1 RdNr 8) .
12 b) Gegen diesen Zahlungsanspruch hat die Beklagte mit dem umstrittenen
Erstattungsanspruch in Höhe von 546,92 Euro aufgerechnet. Hieran ist sie nicht schon durch
ihre schriftliche Kostenzusage vom 19.3.2001 gehindert. Grundsätzlich entsteht die
Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unabhängig von einer schriftlichen
Kostenzusage, die nur als deklaratorisches Schuldanerkenntnis anzusehen ist (vgl BSGE
86, 166, 170 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 5) , unmittelbar mit der Inanspruchnahme der
Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem - wie hier - zugelassenen
Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Die
Kostenzusage hat also für den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses kein
eigenständig-konstitutives Gewicht, gleichwohl kann sie im Abrechnungsverfahren eine
besondere Bedeutung erlangen. Denn mit einer vorbehaltslosen Kostenübernahmeerklärung
werden bestimmte und den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses begründende
Voraussetzungen bestätigt mit der Folge, dass die Krankenkasse mit bekannten oder
zumindest erkennbaren Einwendungen ausgeschlossen ist (vgl BSGE 89, 104, 106 = SozR
3-2500 § 112 Nr 2 S 12 f). Zudem kann in bestimmten Fällen eine Umkehr der Beweislast
eintreten (vgl BSGE 86, 166, 170 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 6). Entscheidend kommt es
dabei auf den Inhalt einer Kostenzusage an, die ihrerseits durch den jeweiligen
Kostenübernahmeantrag eines Krankenhauses mitbestimmt wird (vgl auch Urteil des Senats
vom 24.1.2008 - B 3 KR 6/07 R -, RdNr 28). Im vorliegenden Fall hat das Krankenhaus in
seinem Kostenübernahmeantrag als Verweildauer selbst nur "10 Tage" angegeben; für die
Beklagte bestand deshalb - entgegen der Auffassung der Klägerin - keine Notwendigkeit,
ihre Kostenzusage weiter zu befristen. Außerdem ist die Übernahme der Behandlungskosten
ausdrücklich nur "für die ärztlicherseits als medizinisch notwendige Verweildauer" zugesagt
worden. Zu Recht hat das LSG die Kostenübernahmeerklärung der Beklagten deshalb als
nicht darüber hinausgehende vorbehaltslose Kostenzusage gewürdigt.
13 c) Die Aufrechnung scheitert auch nicht daran, dass die Beklagte rechtsmissbräuchlich
gehandelt hat oder aus anderen Gründen mit ihren Einwendungen aus dem früheren
Behandlungsfall ausgeschlossen ist.
14 aa) Der Beklagten kann entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht mit Erfolg vorgeworfen
werden, dass sie im Prüfungsverfahren schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen
habe und sich folglich gegenüber dem Zahlungsanspruch nicht mehr auf die fehlende
Erforderlichkeit der damaligen Krankenhausbehandlung berufen dürfe. Wie der erkennende
Senat bereits entschieden hat, kann es zwar Fälle geben, in denen die Berufung auf
Einwendungen nach Würdigung aller Umstände gegen Treu und Glauben verstieße und
damit rechtsmissbräuchlich wäre (§ 242 BGB analog) . Die Annahme eines
Rechtsmissbrauchs durch die Krankenkasse ist aber auf gravierende Fälle vertragswidrigen
Verhaltens zu beschränken; der erkennende Senat hat eine solche Konstellation bislang nur
einmal angenommen (BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 - "Berliner Fälle"; vgl auch
BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 13) . Eine unzulässige Rechtsausübung war damals
anzunehmen, weil die Krankenkasse unter Verstoß gegen ein vertraglich vereinbartes
Prüfungsverfahren routinemäßig und pauschal die Begleichung von
Krankenhausrechnungen verweigert hatte, da angebliche Erfahrungswerte zur erforderlichen
Verweildauer überschritten worden seien. Um einen solch gravierenden Vorgang handelt es
sich hier indes nicht. Schon Anfang April 2001 - also nur 14 Tage nach der Entlassung der
Versicherten - hatte die Beklagte die Klägerin um eine detaillierte medizinische Begründung
nebst aussagekräftigen Unterlagen gebeten und diese Bitte nach vollständiger Begleichung
der Rechnung vom 26.3.2001 noch einmal wiederholt - von einem pauschalierten und
begründungslosen Vorgehen kann deshalb keine Rede sein.
15 bb) Der Beklagten kann des Weiteren nicht entgegen gehalten werden, dass sie ein
landesvertraglich vereinbartes Verfahren nicht eingehalten habe - vertragliche Regelungen
iS von § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB V über die allgemeinen Bedingungen der
Krankenhausbehandlung sowie die Überprüfung ihrer Notwendigkeit und Dauer gab es
nach den unangegriffenen und für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des
LSG im betroffenen Zeitraum in Sachsen-Anhalt nicht. Damit ist auch die Rüge hinfällig, die
Beklagte habe gegen ein landesvertraglich vereinbartes Beschleunigungsverbot verstoßen.
Allerdings hat der Senat in anderem Zusammenhang schon entschieden, dass
landesrechtlichen Verträgen iS von § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB V ein generelles
Gebot zur zügigen Abwicklung aller verwaltungsmäßigen Vorgänge
(Beschleunigungsgebot) immanent ist (BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 13 ); eine
entsprechende Regelung findet sich nunmehr speziell für Überprüfungen in Krankenhäusern
auch in § 275 Abs 1c SGB V, der mit Wirkung vom 1.4.2007 (Art 1 Nr 185 des Gesetzes zur
Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I
378) eingeführt worden ist und Einzelheiten und besondere Pflichten sowie eine
sechswöchige Ausschlussfrist für die Einleitung einer Einzelfallprüfung normiert, im hier
streitigen Zeitraum indes noch nicht galt. Da die beklagte Krankenkasse - wie unter Punkt 2 c
aa) dargelegt - zügig die Übersendung einer detaillierten medizinischen Begründung nebst
Unterlagen angemahnt hatte, kann ihr eine Verletzung des Beschleunigungsgebots insoweit
nicht vorgeworfen werden.
16 cc) Allerdings hat die Beklagte gröblich gegen die zwischen den Beteiligten getroffene
Zahlungsabrede (§ 9 Pflegesatzvereinbarung) verstoßen, weil sie die endgültige
Rechnungsbegleichung erst rund 18 Monate nach Rechnungsstellung vorgenommen hat.
Damit ist die ursprüngliche Forderung der Klägerin jedoch - wenn auch verspätet - in vollem
Umfang erfüllt worden und erloschen; auf etwaige Einwendungen der Beklagten dagegen
kann es nicht mehr ankommen. Streitbefangen ist vorliegend ein im Aufrechnungswege
geltend gemachter Erstattungsanspruch der Beklagten gegen eine - nach Art und Höhe
unstreitige - Sammelrechnung der Klägerin. In diesem Verfahren ist die Beklagte aber nicht
mit Einwendungen aus dem ursprünglichen Abrechnungsstreit präkludiert, soweit es um die
Begründung des Erstattungsanspruchs nach § 812 BGB analog geht. Denn der
Krankenkasse bleiben etwaige Einwendungen gegen Grund und Höhe der geltend
gemachten Behandlungskosten trotz der Zahlung erhalten; die Rückforderung und die
Möglichkeit späterer Aufrechnung gegen unbestrittene Forderungen des Krankenhauses aus
anderen Behandlungsfällen werden durch die Zahlung nicht ausgeschlossen (so schon BSG
SozR 4-2500 § 112 Nr 6 und SozR 4-2500 § 109 Nr 1) . Für diesen Erstattungsanspruch
trägt indes die Beklagte die materielle Beweislast - nach dem Grundsatz, dass jeder im
Rahmen des anzuwendenden Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von
ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl schon BSGE 6, 70, 72 f; Leitherer in
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 103 RdNr 19a mwN) .
17 dd) Zu Recht durfte die Beklagte von der Klägerin eine medizinische Begründung für die
Krankenhausbehandlung über den 16.3.2001 hinaus verlangen. Schon in der Kostenzusage
vom 19.3.2001 hatte sich die Beklagte "eine zwischenzeitliche Prüfung über die weitere
Notwendigkeit der stationären Behandlung" ausdrücklich vorbehalten. Ein derartiger
Überprüfungsvorbehalt ist allgemein üblich, da der Gesetzgeber den Krankenkassen die
Überprüfung der Leistungserbringung ausdrücklich auferlegt hat, wie sich aus § 275 Abs 1
Nr 1 SGB V und nunmehr auch - speziell für den Krankenhausbereich - aus § 275 Abs 1c
SGB V ergibt. Die frühere Rechtsprechung des erkennenden Senats steht dem nicht
entgegen: Zwar hat der Senat wiederholt entschieden, dass es den Krankenkassen nicht
erlaubt ist, die Bezahlung von Krankenhausrechnungen mit der Begründung zu verzögern,
dass zunächst die Richtigkeit der Abrechnung oder die wirtschaftliche Leistungserbringung
geprüft werden müsse (BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 1; BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr
3; BSGE 86, 166 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1) . Ferner wurde ein Recht der Krankenkassen
verneint, in die Behandlungsunterlagen Einsicht zu nehmen und insoweit ein
Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Anspruch auf Bezahlung der Krankenhausrechnung
auszuüben (BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3) . Daraus folgt aber nicht, dass die
Krankenkassen nach Bundesrecht verpflichtet wären, Krankenhausrechnungen auch dann
in voller Höhe zu begleichen, wenn sie innerhalb angemessener Frist substantiierte und der
Höhe nach bezifferte Einwendungen gegen die Abrechnung geltend machen (BSG SozR 4-
2500 § 112 Nr 3) . Deshalb muss es ihnen auch gestattet sein, detaillierte medizinische
Begründungen und aussagekräftige Unterlagen anzufordern, um überhaupt Einwendungen
erheben zu können; andernfalls könnten sie ihren Prüfaufträgen aus § 275 Abs 1 SGB V und
§ 17c Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) gar nicht nachkommen (vgl auch BT-Drucks
16/3100 S 171 zur Einfügung des neuen § 275 Abs 1c SGB V, wobei ausdrücklich auf die
Rechtsprechung des 3. Senats des BSG Bezug genommen wird) . Die oa gesetzlichen
Regelungen erlegen den Krankenkassen geradezu die Pflicht auf, bei der Erbringung von
Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang, sowie bei
Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, eine gutachtliche
Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einzuholen;
die Funktion des MDK nimmt dabei in der knappschaftlichen Krankenversicherung der SMD
wahr (vgl Tösmann, Kompass 1977, 360; Kammler/Klapthor/Blohm/Hallerberg, Kompass,
1990, 216) .
18 Die Tatsache, dass sich die beklagte Krankenkasse zur Einholung einer gutachtlichen
Stellungnahme nicht zunächst unmittelbar an den SMD gewandt, sondern das Krankenhaus
um sachdienliche Behandlungsunterlagen gebeten hat, anhand derer der SMD dann tätig
werden sollte, lässt nicht - anders als die Klägerin meint - den Schluss zu, die Anforderung
der Beklagten sei von § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V nicht gedeckt. Denn diese Regelung schreibt
den Krankenkassen keinen bestimmten Weg vor, in welcher Weise das gesetzliche
Begutachtungsverfahren einzuleiten ist. Die Beklagte hat schon in ihrem ersten Schreiben
nach Rechnungseingang gegenüber der Klägerin ihre Absicht kundgetan, die
aussagekräftigen medizinischen Unterlagen nach Eingang an den SMD zur Prüfung
weiterleiten zu wollen, ob die stationäre Behandlung bis einschließlich Sonntag medizinisch
notwendig gewesen ist. Dies ist nicht zu beanstanden, denn die Beklagte hat keine eigene
Überprüfung des medizinischen Sachverhalts vorgenommen, sondern - wenn auch erst zu
Beginn des erstinstanzlichen Verfahrens - den SMD eingeschaltet, der sodann eine
abschließende sozialmedizinische Beurteilung erstellt hat.
19 Auch die Pflicht der Klägerin zur Mitwirkung an der Überprüfung der Erforderlichkeit der
Krankenhausbehandlung der Versicherten in der streitigen Zeit steht außer Zweifel. Nach §
276 Abs 1 Satz 1 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, dem MDK/SMD die für die
Beratung und Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. In Abs 2 Satz 1 Halbsatz
2 der Regelung ist klargestellt, dass die Leistungserbringer bei Veranlassung einer
gutachtlichen Stellungnahme oder Prüfung durch den MDK nach § 275 Abs 1 bis 3 SGB V
verpflichtet sind, Sozialdaten auf Anforderung des MDK unmittelbar an diesen zu
übermitteln, soweit dies für die gutachtliche Stellungnahme und Prüfung erforderlich ist.
Daraus hat der erkennende Senat hergeleitet, dass die Krankenkasse vom Krankenhaus die
Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den MDK für die im Gesetz genannten Zwecke
beanspruchen kann (BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, jeweils RdNr 16 ff) . Diesem
Herausgabeanspruch hätte die Klägerin nachkommen müssen.
20 Die Beklagte hat auch die Prüfungsvoraussetzungen gemäß § 275 Abs 1 SGB V beachtet.
Ihr bot der Umstand der Entlassung der Versicherten am Montagvormittag hinreichenden
Anlass, um in eine Überprüfung der Behandlungsbedürftigkeit über den vorangegangenen
Freitag hinaus einzutreten, zumal im Kostenübernahmeantrag selbst nur eine
voraussichtliche Behandlungsdauer von zehn Tagen (bis zum Samstag) angegeben war. Da
die Personalstärke in einem Krankenhaus an Wochenenden erfahrungsgemäß reduziert und
der Behandlungsumfang gegenüber regulären Arbeitstagen herabgesetzt und weitgehend
auf Notversorgungen ausgerichtet ist, kann sich bei der Entlassung eines Versicherten an
einem Montag, insbesondere an einem Montagvormittag, in Einzelfällen zwangsläufig die
Frage aufdrängen, weshalb die stationäre Behandlung dann nicht bereits am davor
liegenden Freitag oder spätestens Samstag hätte beendet werden können.
21 ee) Der Hinweis der Klägerin schließlich, § 301 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V (idF des Gesetzes
vom 22.12.1999, BGBl I 2626) regele die Mitteilungspflichten eines Krankenhauses
gegenüber der Krankenkasse auch in dem hier betroffenen Bereich der Überprüfung nach §
275 SGB V enumerativ und abschließend, ist unzutreffend. § 301 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V
zielt lediglich darauf ab, ordnungsgemäße Krankenhausabrechnungen zu gewährleisten und
die für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Krankenkassen, ua die für in
Landesverträgen vorgesehene Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der
Krankenhausbehandlung (§ 112 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V) und die für
Wirtschaftlichkeitsprüfungen (§ 113 SGB V) erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen
(vgl Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen
Krankenversicherung , BT-Drucks 12/3608 S 124 zu Nr 141) .
Deshalb begrenzt die Norm den Datenverkehr auf das hierfür Unerlässliche, verbietet aber
nicht die Übermittlung weiterer Daten, wie sie für die Feststellung der Erforderlichkeit von
Krankenhausbehandlung benötigt werden. Welche Ermittlungsbefugnisse bei
Überprüfungen, in denen die Krankenkasse zwingend den MDK/SMD einschalten muss,
konkret bestehen, ergibt sich nicht aus § 301 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V, sondern speziell - je
nach betroffenem Prüfverfahren - aus § 17c KHG oder, wie hier, aus §§ 275, 276 SGB V.
22 3. Aus der Tatsache, dass die Klägerin dem Verlangen der Beklagten auf Herausgabe
aussagekräftiger medizinischer Unterlagen nicht nachgekommen ist, folgt aber nicht
zwangsläufig, dass damit der Erstattungsanspruch der Beklagten begründet ist. Hierzu hat
das LSG keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen, sondern ist unzutreffend
davon ausgegangen, dass die Klägerin ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht nicht
nachgekommen und deshalb die gerichtliche Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von
Amts wegen eingeschränkt ist.
23 a) Wie der erkennende Senat mit Urteilen vom 10.4.2008 (- B 3 KR 19/05 R - ua, KH 2008,
1229, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) in Anlehnung an die
Entscheidung des GS des BSG vom 25.9.2007 (- GS 1/06 -, BSGE 89, 111, zur
Veröffentlichung in SozR vorgesehen) entschieden hat, ist die Beurteilung der
Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit durch den verantwortlichen Krankenhausarzt im
Abrechnungsstreit zwischen Krankenhaus und Krankenkasse immer daraufhin zu
überprüfen, ob nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen
Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung und dem damals verfügbaren Wissens- und
Kenntnisstand des Krankenhausarztes - ex ante - eine Krankenhausbehandlung erforderlich
war, seine Beurteilung also den medizinischen Richtlinien, Leitlinien und Standards
entsprach und nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung
stand (BSG, Urteil vom 10.4.2008 - B 3 KR 19/05 R -, aaO, RdNr 41) . Entsprechend
konkrete und am Einzelfall orientierte Fragestellungen sind von den Tatsachengerichten in
ihren Beweisanordnungen vorzusehen und den medizinischen Sachverständigen
vorzulegen. Dabei können und müssen die Instanzgerichte auf alle ihnen nach der
Prozessordnung zur Verfügung stehenden Beweismittel zurückgreifen (BSG, aaO, RdNr 42)
. Dies gilt auch dann, wenn die Krankenkasse ihre Leistungspflicht nachträglich für einen
zurückliegenden Zeitraum bestreitet. Eine diesen Vorgaben entsprechende Beweiserhebung
ist nicht erfolgt, sie wird vom LSG nachzuholen sein.
24 b) Das LSG ist - ausgehend von den unter a) dargelegten Maßstäben - fälschlich zu dem
Ergebnis gelangt, die Erforderlichkeit von Krankenhausbehandlung der Versicherten ab
17.3.2001 sei im vorliegenden Falle nicht nachgewiesen. Diese Schlussfolgerung ist so
nicht begründet, denn das LSG durfte seine Amtsermittlungspflicht nicht wegen einer
fehlenden Mitwirkungshandlung der Klägerin als erfüllt ansehen.
25 aa) Nach § 103 Satz 1 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die
Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Zwar muss das Gericht auch bei Verletzung
verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten ermitteln, jedoch gilt dies nicht uneingeschränkt:
Unabhängig von der erst mit Wirkung vom 1.4.2008 eingeführten Regelung des § 106a SGG
(vgl dazu Hauck, jurisPR-SozR 17/2008 Anm 4) verringern sich die Anforderungen an die
Amtsermittlungspflicht, wenn ein Beteiligter seinen Mitwirkungspflichten nicht
nachgekommen ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 144 Nr 1 RdNr 10; BFHE 156, 38; aus der
Literatur zB: Leitherer, aaO, § 103 RdNr 16 mwN; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl 2007, § 86
RdNr 12 mwN) . Andererseits muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die
vernünftigerweise zur Verfügung stehen, umfassend Gebrauch machen (BSGE 30, 192, 205;
Leitherer, aaO, RdNr 8 mwN) . Dies verlangt vom Gericht ein aktives Handeln, wie sich
schon aus der Formulierung des Gesetzes in § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG ergibt: "Die
Beteiligten sind dabei heranzuziehen." Zudem hat das Gericht nach § 112 Abs 2 Satz 2 SGG
"das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten zu erörtern und dahin zu wirken, dass sie
sich über erhebliche Tatsachen vollständig erklären". Auch dies verlangt ein konkretes
Tätigwerden; es dient der effektiven Gewährleistung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) und
insbesondere der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen (Leitherer, aaO, § 112
RdNr 1 und 2 mwN) . Das gilt umso mehr, wenn das Gericht selbst - wie hier - im Laufe des
Verfahrens zu einem Streitpunkt Fragen stellt oder Hinweise gibt, in der Folgezeit aber keine
weiteren Ermittlungen anstellt, obwohl sich diese aufgedrängt hätten.
26 bb) Im vorliegenden Fall ist seit Beginn des Klageverfahrens zuvorderst die Frage umstritten,
ob in der fraglichen Zeit (Wochenende) noch Krankenhausbehandlung stattgefunden hat und
ob diese iS von §§ 109 Abs 4 Satz 2, 39 SGB V erforderlich gewesen ist, vor allem aber
auch, ob die beklagte Krankenkasse mit Einwendungen gegen die ursprüngliche
Krankenhausforderung ausgeschlossen ist bzw solche im Erstattungsverfahren heute nicht
mehr geltend machen darf und deshalb eine Übersendung medizinischer Unterlagen nicht
mehr zu erfolgen braucht. Das SG hat - zutreffend - die Auffassung vertreten, dass die
ursprüngliche Forderung aus der Krankenbehandlung vom 8. bis 19.3.2001 durch Erfüllung
erloschen ist, dann aber - zu Unrecht - gefolgert, dass die Aufrechnung der Beklagten gegen
die Sammelrechnung vom 14.11.2002 nicht Streitgegenstand sei und es der Klägerin
unbenommen bleibe, insofern eine neue Klage zu erheben; die Frage des
Einwendungsausschlusses bzw der Pflicht zur Aktenübersendung hat das SG noch nicht
einmal gestreift. Im Berufungsverfahren (Eingang der Berufung: 18.5.2004) sind zunächst
Akten angefordert und Schriftsätze gewechselt worden; am 15.9.2006 findet sich sodann
eine prozessleitende Verfügung des Berichterstatters beim LSG - die einzige inhaltlich
relevante Verfügung im gesamten Berufungsverfahren - mit einem Hinweis auf eine
Entscheidung des erkennenden Senats vom 12.5.2006 (- B 3 KR 18/04 R -) und folgendem
Zusatz:
27 "In der Sache wäre dann das Bestehen des Rückzahlungsanspruchs zu klären. Hierzu bitte
ich, dem Gericht die Patientenakten zu übersenden. Es soll ggf. weitere Sachaufklärung
erfolgen. Sofern keine Patientenakten mehr vorliegen, bitten wir um entsprechende
Mitteilung. Gleiches gilt für den Fall, dass Sie eine Übersendung an das Gericht nicht
vornehmen wollen. In diesem Fall bitte ich die Gründe anzugeben."
28 Mit Schriftsatz vom 23.5.2007 hat die Klägerin unter Hinweis auf zwei weitere
Entscheidungen des erkennenden Senats ausführlich dargelegt, weshalb sie das Verhalten
der Beklagten als gesetz- und vertragswidrig ansieht und sie weiterhin die Ansicht vertritt,
dass eine Beiziehung von Patientenakten deshalb nicht erforderlich sei. Sodann heißt es
abschließend:
29 "Sollte sich das Gericht vorliegend tatsächlich hiervon distanzieren, möge es bitte darlegen,
an welche Einwendungen der Beklagten es vorliegend anknüpft und was es in diesem
Zusammenhang (mit Blick auf die 'erhobenen Einwendungen' …) konkret prüfen möchte."
30 Nach einer entgegnenden Stellungnahme der Beklagten, in der ebenfalls der Ablauf des
Prüfverfahrens problematisiert worden ist, hat das LSG die Streitsache ohne Sachaufklärung
auf den 16.1.2008 terminiert und das die Berufung zurückweisende Urteil verkündet; die
Sitzungsniederschrift von demselben Tag gibt keinen Aufschluss darüber, welche
Streitpunkte in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen thematisiert worden sind.
31 cc) In Anbetracht dieses konkreten Verfahrensablaufs ist die Schlussfolgerung des LSG, die
Klägerin habe eine Übersendung der Patientenakten endgültig verweigert und deshalb sei
die Amtsermittlungspflicht eingeschränkt, nicht nachvollziehbar. Das LSG hat durch seine
prozessleitende Verfügung vom 15.9.2006 deutlich zu erkennen gegeben, dass es den
Kernpunkt des Streits erkannt hat und nunmehr Beweis unter Verwertung von medizinischen
Unterlagen der Klägerin erheben will; es hat zudem um Angabe von Gründen gebeten, falls
gleichwohl eine Übersendung der Patientenakte unterbleiben sollte. Hierzu hat die Klägerin
umfänglich Stellung genommen und um einen richterlichen Hinweis gebeten, falls das
Gericht ihrer Argumentation nicht folgen wolle. Grundsätzlich besteht zwar für die Gerichte
keine allgemeine Aufklärungspflicht über die Rechtslage oder über eine bestimmte
Rechtsauffassung, die der Entscheidung möglicherweise zugrunde gelegt werden könnte;
auch zu einzelnen Rechtsfragen braucht das Gericht seine Ansicht nicht im Einzelnen
kundzutun (Leitherer, aaO, § 62 RdNr 8a mwN) . Dieser Grundsatz erfährt indes
Einschränkungen, wenn das Gericht den Rechtsstreit selbst - zB durch eine prozessleitende
Verfügung - in eine bestimmte Richtung lenkt, dann aber in dieser Richtung nicht weiter
ermittelt, obwohl hierfür konkrete Veranlassung besteht. So liegt es hier: Das Gericht hatte
eine Beweisaufnahme ins Auge gefasst und die Klägerin um Angabe von Gründen gebeten,
falls beabsichtigt sei, die Patientenakten nicht zu übersenden. Dieser Verfügung war die
Klägerin nachgekommen, hatte ihre Rechtsposition nochmals dargelegt und gleichzeitig um
einen richterlichen Hinweis gebeten, falls das Berufungsgericht anderer Ansicht sein sollte.
Deshalb hätte das LSG seine Rechtsauffassung darlegen und die Klägerin dann ggf über die
Folgen der Nichtbeachtung der gerichtlichen Aufforderung zur Mitwirkung belehren oder
zumindest formlos darauf hinweisen müssen, dass es aus der Weigerung, aussagekräftige
medizinische Unterlagen zu übersenden, nachteilige Schlüsse ziehen will (Leitherer, aaO, §
103 RdNr 17a; BSG SozR Nr 55 zu § 103 SGG; SozR 1500 § 103 Nr 23 mwN und Nr 27 ) .
Die letztendliche Entscheidung des LSG, von einer Einschränkung der
Amtsermittlungspflicht wegen mangelnder Mitwirkung der Klägerin auszugehen, kam für
diese völlig unerwartet; derartige Überraschungsentscheidungen verletzen das prozessuale
Vertrauen und sind grundsätzlich verboten (vgl BVerfGE 84, 188, 190; 107, 395, 410) .
32 4. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen zu der Frage, ob in dem streitigen
Zeitraum tatsächlich noch eine Krankenhausbehandlung durchgeführt worden und diese
notwendig iS von §§ 109 Abs 4 Satz 2, 39 SGB V gewesen ist, also die Aufrechnung der
beklagten Krankenkasse rechtens war oder nicht, konnte der Senat entgegen § 170 Abs 1,
Abs 2 Satz 1 SGG nicht in der Sache selbst entscheiden; die fehlenden Feststellungen wird
das LSG unter Berücksichtigung der vom Senat bereits entwickelten Grundsätze (vgl Urteile
vom 10.4.2008 - B 3 KR 19/05 R - ua, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen)
nachzuholen haben.
33 a) Wie der Senat in jüngster Zeit wiederholt festgestellt hat, ist die Notwendigkeit einer
Krankenhausbehandlung in nachträglichen Abrechnungsstreitigkeiten in der Regel erst dann
zu prüfen, wenn feststeht, dass im Einzelfall auch tatsächlich eine den Kriterien
"Krankenhausbehandlung" entsprechende Versorgung stattgefunden hat (vgl Urteil vom
10.4.2008 - B 3 KR 19/05 R -, RdNr 19 ff ). Denn erst wenn unter Berücksichtigung der
maßgeblichen Krankenunterlagen festgestellt werden kann, welche medizinischen und
versorgungstechnischen Leistungen während des Krankenhausaufenthalts tatsächlich
erbracht worden sind, stellt sich die Frage der Erforderlichkeit der stationären Behandlung in
einem Krankenhaus (Trefz/Flachsbarth, Pflege- & Krankenhausrecht, 2008, S 103 ).
Entsprechende Feststellungen hat das LSG bislang nicht getroffen; sie sind nachzuholen.
34 b) Sodann wird das LSG - vorausgesetzt, die unter a) aufgeworfene Frage wird bejaht - zu
prüfen haben, ob die der Versicherten vollstationär gewährte Krankenhausbehandlung in der
hier noch streitigen Zeit nach medizinischen Erfordernissen erforderlich war, weil das
Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante
Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden konnte. Hätte nach
den Krankheitsbefunden vor allem eine ambulante Therapie ausgereicht, so hätte die
Krankenkasse die Kosten des Krankenhausaufenthalts auch dann nicht zu tragen, wenn die
Versicherte aus anderen, nicht mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen noch
vorübergehend im Krankenhaus verblieben wäre (vgl Urteil vom 10.4.2008 - B 3 KR 19/05 R
-, RdNr 22 ff) . Dieser Maßstab gilt auch hier für den späteren Erstattungsstreit zwischen
Krankenhaus und Krankenkasse.
35 c) Vor allem wird das LSG aber zu klären haben, ob die Klägerin unter Berücksichtigung
dieser Entscheidung des erkennenden Senats bereit ist, die ihr noch zur Verfügung
stehenden medizinischen und pflegerischen Unterlagen vorzulegen. Ist das nicht der Fall,
dürfte das LSG daraus auf eine mangelnde Mitwirkung und eine Beschränkung der
Amtsermittlungspflicht schließen. Andernfalls wäre zu prüfen, ob nach den objektiven
medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der
Behandlung und dem damals verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des
Krankenhausarztes - ex ante - eine Krankenhausbehandlung erforderlich war, seine
Beurteilung also den medizinischen Richtlinien, Leitlinien und Standards entsprach und
nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung stand. Im
konkreten Fall wäre also zu beurteilen, ob die besonderen Mittel eines Krankenhauses auch
noch am streitigen Wochenende erforderlich waren, um eine Krankheit der Versicherten zu
erkennen, sie zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu
lindern (vgl Urteil vom 10.4.2008 - B 3 KR 19/05 R -, RdNr 39 ff ). Eine diesen Vorgaben
entsprechende Beweiserhebung wird das LSG ggf nachzuholen haben. Dabei kann und
muss es auf alle ihm nach der Prozessordnung zur Verfügung stehenden Beweismittel und
nicht nur auf die von der Klägerin geführten Dokumentationen ( Krankenakten,
Leistungsdokumentation, Medikamentenverordnungsblatt, ärztliche Verlaufseintragungen,
Dokumentation über Therapien und Arbeitsversuche usw) zurückgreifen, zumal diese
Dokumente in der Regel nur den Verlauf des Krankenhausaufenthalts belegen sollen.
36 d) Erst wenn sich nach Ausschöpfung aller Beweismittel und Erkenntnisquellen
herausstellen sollte, dass es heute nicht mehr feststellbar ist, ob im fraglichen Zeitraum noch
Krankenhausbehandlung durchgeführt worden und diese - bejahendenfalls - iS von § 39
SGB V erforderlich gewesen ist, wird sich die Frage stellen, wer die Folgen der
Unerweislichkeit dieser Tatsachen zu tragen hat. Dies trifft die beklagte Krankenkasse; denn
sie behauptet, gegenüber der Klägerin einen Erstattungsanspruch zu besitzen und trägt
insoweit die materielle Beweislast - nach dem Grundsatz, dass jeder im Rahmen des
anzuwendenden Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend
gemachten Anspruch begründen (vgl oben 2 c cc ).
37 5. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren bleibt dem LSG vorbehalten. Die
Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie §
47 Abs 1 Gerichtskostengesetz.