Urteil des BSG vom 30.11.2006

BSG: pflegezulage, hilflosigkeit, zahl, begriff, fremder, grenzwert, abgrenzung, erholung, kommunikation, kov

Bundessozialgericht
Urteil vom 30.11.2006
Sozialgericht Mannheim S 3 V 890/02
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 6 V 2307/04
Bundessozialgericht B 9a V 9/05 R
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. August 2005 wird
mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Ausspruch dieses Urteils zur Hauptsache wie folgt neu gefasst wird: Auf
die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Mai 2004 insoweit aufgehoben, als
es die Gewährung von Pflegezulage nach Stufe II für die Zeit vor dem 1. Februar 2001 betrifft. In diesem Umfang wird
die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte hat dem Kläger auch die
außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
1
Die Beteiligten streiten - noch - darüber, ob der schwerkriegsbeschädigte Kläger auch für die Zeit vom 1. Februar 2001
bis zum 31. März 2006 Anspruch auf erhöhte Pflegezulage (nach Stufe II) hat.
2
Bei dem 1919 geborenen Kläger sind nach dem insoweit maßgeblichen Bescheid vom 13. Juni 2000 als
Schädigungsfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vH anerkannt: Verlust des linken Beines
im Oberschenkel mit verbildender Entartung und Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk und Stumpfneuralgien;
verheilter Bruch des linken Ellenbogens; Bewegungseinschränkung und verbildende Entartung im linken
Schultergelenk sowie Schwäche des Arms; verbildende Entartung und Bewegungseinschränkung im rechten
Schultergelenk und Handgelenksveränderung; chronische deformierende Veränderungen am rechten Hüft-, Knie- und
Sprunggelenk sowie Fußwurzel mit Senk-Spreizfuß; Kunstgelenk in der rechten Hüfte (TEP); postthrombotische
Veneninsuffizienz nach Krampfaderoperation. Schädigungsunabhängig besteht bei dem Kläger eine hochgradige
Einschränkung der Sehkraft bei Makuladegeneration (Visus rechts 0,1 und links 0,2) sowie eine absolute Arrhythmie
bei Vorhofflimmern und chronischer Herzinsuffizienz, eine chronisch-venöse Insuffizienz und ein Ureterostoma nach
Prostatektomie und Harnblasenentfernung wegen Karzinoms. Zur Grundrente eines Erwerbsunfähigen erhielt er
Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe III und Pflegezulage nach Stufe I. Die Zubilligung von Pflegezulage nach
Stufe II lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 11. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.
Mai 1998 und Bescheid vom 13. Juni 2000).
3
Das Sozialgericht Mannheim (SG) hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger ab 1. September 1999 Pflegezulage nach
Stufe II zu gewähren (Urteil vom 13. Mai 2004). Das vom Beklagten angerufene Landessozialgericht Baden-
Württemberg (LSG) hat diese Entscheidung auf einen Leistungsbeginn am 1. Februar 2001 geändert und im Übrigen
die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: Die einzelnen - insgesamt sechs - Stufen der
Pflegezulage nach § 35 Abs 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) seien weder dort, noch in den Allgemeinen
Verwaltungsvorschriften (VV) zu dieser Norm oder in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im
sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) exakt voneinander abgegrenzt. Deshalb
sei auf das System der genau beschriebenen Pflegestufen nach § 15 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)
zurückzugreifen, wie es das Bundessozialgericht (BSG) bereits getan habe, um den Begriff der Hilflosigkeit als
Voraussetzung für die "einfache" Pflegezulage nach Stufe I näher zu bestimmen. Die Voraussetzungen für eine
Pflegezulage der Stufe II seien jedenfalls dann erfüllt, wenn der im Rahmen des § 35 BVG berücksichtigungsfähige
Zeitaufwand für die Grundpflege iS des § 15 SGB XI (bezogen auf die Bereiche Körperpflege, Ernährung und
Mobilität), also ohne Berücksichtigung der hauswirtschaftlichen Versorgung, sowie für die nach 35 BVG
einzubeziehenden Maßnahmen zur psychischen Erholung, geistigen Anregung und Kommunikation den Grenzwert
von vier Stunden erreiche. Das sei hier ab 1. Februar 2001 der Fall (Urteil vom 29. August 2005).
4
Der Beklagte macht mit seiner Revision geltend: Das LSG habe § 35 Abs 1 BVG verletzt. Nach dieser Vorschrift sei
Maßstab für die Abgrenzung der Pflegezulage-Stufen nicht - wie vom LSG angenommen - allein der zeitliche
Pflegeaufwand. Maßgebend seien die in der Vorschrift genannten Kriterien: Dauerndes Krankenlager oder dauernd
notwendige außergewöhnliche Pflege als Zugangsvoraussetzung zu den Stufen II bis VI und zur Abgrenzung unter
diesen die Lage des Einzelfalles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege. Die VV zu § 35 BVG
(insbesondere deren Nr 10) gäben sowohl dem erfahrenen versorgungsärztlichen Gutachter als auch der Verwaltung
Einstufungskriterien vor, die sich in jahrzehntelanger Praxis bewährt hätten. Eines Rückgriffs auf das
Pflegeversicherungsrecht bedürfe es deshalb aus praktischen Erwägungen nicht. Im vorliegenden Fall sei ein der
Stufe II der Pflegezulage entsprechendes Hilfebedürfnis noch nicht festzustellen.
5
Während des Revisionsverfahrens hat der Beklagte ab 1. April 2006 Pflegezulage nach Stufe II gewährt
(Neufeststellungsbescheid vom 14. August 2006).
6
Er beantragt, das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 29. August 2005 insoweit aufzuheben, als die Berufung
des Beklagten gegen das Urteil des SG Mannheim vom 13. Mai 2004 hinsichtlich der Gewährung von Pflegezulage
nach Stufe II für die Zeit vor dem 1. April 2006 zurückgewiesen worden ist, und die Klage in diesem Umfang
abzuweisen.
7
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
8
Er verteidigt die angegriffene Entscheidung und führt aus, die Pflegezulage sei auf Grund rechtlicher Wertung von
Tatsachen zum Gesundheitszustand und zum Pflegebedarf abzustufen, nicht - wie der Beklagte meine - nach
medizinischer Erfahrung des versorgungsärztlichen Dienstes.
II
9
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
10
Der Kläger hat Anspruch auf Pflegezulage nach Stufe II bereits ab 1. Februar 2001, weil seine Gesundheitsstörungen
von da an täglich mehr als 4 Stunden und damit dauernd "außergewöhnliche Pflege" erforderten.
11
Nach § 35 Abs 1 Satz 1 BVG (in der ab 1. Juli 2003 geltenden Fassung vom 24. Juni 2003, BGBl I 984) wird
Beschädigten, die hilflos sind, weil sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur
Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe bedürfen, eine Pflegezulage von
monatlich 262 EUR (Stufe I) gezahlt. Der dort geforderte Hilfebedarf liegt nach der Rechtsprechung des Senats in
jedem Falle dann vor, wenn sein Umfang mindestens zwei Stunden täglich erreicht (BSGE 90, 185 = SozR 3-3100 §
35 Nr 12; SozR 4-3250 § 69 Nr 1). Die Schwelle zur nächsten Stufe der Pflegezulage überschreitet ein hilfloser
Beschädigter nach § 35 Abs 1 Satz 4 BVG, wenn seine Gesundheitsstörungen so schwer sind, dass sie dauerndes
Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordern. Die Pflegezulage ist dann "je nach Lage des Falles
oder Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 448, 635, 816, 1.060 oder 1.304 EUR (Stufen II, III,
IV, V und VI) zu erhöhen". In den davor geltenden, für die Zeit ab 1. Februar 2001 einschlägigen Fassungen des § 35
BVG wurden entsprechend niedrigere Beträge für die einzelnen Stufen festgesetzt (vgl Gesetz vom 21. Juni 2000,
BGBl I 916; Gesetz vom 26. Juni 2001, BGBl I 1344; Gesetz vom 24. Juni 2002, BGBl I 2229).
12
Ebenso wenig wie für den Begriff der Hilflosigkeit setzt das Gesetz eine zeitliche Grenze, von der an ein Pflegebedarf
"außergewöhnlich" ist. Ein solcher Grenzwert lässt sich jedoch aus der Gesetzesgeschichte verbunden mit einem
Blick auf die soziale Pflegeversicherung bestimmen.
13
Die Pflegezulage für Kriegsbeschädigte ist durch das Reichsversorgungsgesetz (RVG) vom 12. Mai 1920 (RGBl 989)
eingeführt worden. Bereits § 31 RVG unterschied - wie noch heute das BVG - zwischen einfacher, bei Hilflosigkeit
gewährter Leistung und - zweistufiger - "erhöhter" Pflegezulage. Letztere setzte eine so schwere Gesundheitsstörung
des Geschädigten voraus, dass "dauerndes" Krankenlager und außergewöhnliche Pflege erforderlich waren. Nach
dem Änderungsgesetz vom 22. Juni 1923 (RGBl I 513) genügte dann eine dieser zunächst kumulativ geforderten
Voraussetzungen: dauerndes Krankenlager oder außergewöhnliche Pflege. Unter letzterer war nicht etwa eine
besondere Pflegequalität zu verstehen. Erforderlich war, dass der Beschädigte infolge der Gesundheitsstörung in
außergewöhnlichem Umfang fremder Hilfe bedurfte (RVGE 4, 92, Nr 33). Daran hat sich in der Folgezeit bis zur heute
geltenden Fassung des § 35 Abs 1 Satz 4 BVG nichts geändert. Vermehrt hat sich dagegen die Zahl der Stufen
"erhöhter" Pflegezulage auf zunächst drei (Gesetz vom 21. Dezember 1927, RGBl I 487), dann durch das BVG 1950
(BGBl I 791) auf vier und schließlich 1978 mit dem 10. Anpassungsgesetz - KOV (BGBl I 1217) auf fünf. Auch die
Zuordnung zu einer dieser höheren Stufen der Pflegezulage richtet sich - und zwar seit dem KOV-Strukturgesetz 1990
(BGBl I 582) ausdrücklich - nach dem "Umfang der notwendigen Pflege". Gegenüber der bis dahin geltenden Fassung
"unter Berücksichtigung der für die Pflege erforderlichen Aufwendungen" sollte mit dem geänderten Wortlaut
klargestellt werden, "dass Maßstab für die Zahlung der Pflegezulage nicht die tatsächlichen Aufwendungen sind,
sondern der Umfang der im Einzelfall notwendigen Pflege" (BR-Drucks 463/89, S 37).
14
Der mithin sowohl für den Zugang zur Pflegezulage (Hilflosigkeit) als auch für den Aufstieg in eine höhere Stufe
maßgebliche Pflegeumfang richtet sich nach der Zahl der Verrichtungen (bei der Kriegsbeschädigte Hilfe brauchen),
dem wirtschaftlichen Wert der Hilfe und dem zeitlichen Aufwand. Nach Auffassung des Beklagten bestimmt den
Pflegeumfang im Einzelfall der versorgungsärztliche Dienst, der sich dabei auf die VV zu § 35 BVG und seine in
jahrzehntelanger Praxis gewonnenen Erfahrungen stütze. Damit hält der Beklagte an einer bereits durch
Ausführungsbestimmungen zu § 31 RVG (vgl Handbuch der Reichsversorgung, Stand März 1943, Spalte 117 ff)
begründeten versorgungsrechtlichen Tradition fest, die wegen offensichtlicher Mängel nur als Notlösung hingenommen
werden konnte, solange es - mit dem Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach der 1994 eingeführten
sozialen Pflegeversicherung - kein besseres System zur Einschätzung des Pflegebedarfs gab.
15
Aus § 35 BVG lässt sich unmittelbar nicht entnehmen, nach welchen Kriterien der "Umfang der notwendigen Pflege"
zu bestimmen ist; ein Maßstab ist auch nicht aus den Sätzen 5 und 6 des Abs 1 abzuleiten. Blinde erhalten danach
mindestens eine Pflegezulage nach Stufe III, erwerbsunfähige Hirnbeschädigte nach Stufe I. Bei diesen Setzungen
handelt es sich nicht um beispielhafte Eckpunkte, aus denen sich ein allgemein gültiges Bewertungssystem für den
Hilfebedarf Kriegsbeschädigter mit dort unbenannten Gesundheitsstörungen entwickeln ließe. Wie der Senat bereits
ausgesprochen hat, ist § 35 Abs 1 Satz 5 BVG eine begünstigende Sondervorschrift für Blinde, deren Pflegezulage
das Gesetz unabhängig vom tatsächlich bestehenden individuellen Pflegebedarf festsetzt (BSGE 87, 63 = SozR 3-
3100 § 35 Nr 10). Dasselbe gilt für erwerbsunfähige Hirnbeschädigte (vgl BSGE 43, 107, 109 = SozR 2200 § 558 Nr 2;
BVerfG SozR 3-3100 § 35 Nr 1; Verhandlungen des (26.) Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen
des Deutschen Bundestages über das Bundesversorgungsgesetz, 1949, S 38 D bis 40 C und 139 C bis 140 B). Auch
die VV zu § 35 BVG enthalten kein geschlossenes Beurteilungsgefüge, nach dem sich der Umfang notwendiger
Pflege im Einzelfall sachgerecht abstufen ließe. In ihren Nr 5, 6, 8 (vgl zur Gesetzwidrigkeit dieser Bestimmung
BSGE 87, 63 = SozR 3-3100 § 35 Nr 10) und 12 beschreiben die VV lediglich bestimmte Körperschäden (vornehmlich
Gliedmaßenamputationen) und ordnen diesen eine Stufe der Pflegezulage zu. Wie daraus der Pflegebedarf bei nicht
benannten (insbesondere multiplen) Gesundheitsstörungen abzuleiten und eine Einordnung in das Stufensystem
nachvollziehbar zu begründen sein soll, bleibt offen. Das zeigt exemplarisch der vorliegende Fall. Bei dem Kläger
liegen vielfache, unterschiedlich ausgeprägte Gesundheitsstörungen an allen Extremitäten und weitere, auch innere
Leiden vor. Weder die Begründung der angegriffenen Bescheide noch die Ausführungen des Beklagten im
gerichtlichen Verfahren legen nachvollziehbar dar, weshalb der hilflose kriegsbeschädigte Kläger in der Zeit vor dem 1.
April 2006 fremder Hilfe noch nicht in einem die beantragte Stufe II rechtfertigenden Umfang bedurft haben soll.
16
Auch ein Blick in die für die gesetzliche Rentenversicherung entwickelten Anhaltspunkte des Hauptverbandes der
gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) zur Bemessung des Pflegegeldes bei Arbeitsunfällen (abgedruckt bei
Lauterbach, Unfallversicherung, Sozialgesetzbuch VII, Stand Mai 2005, § 44 nach RdNr 29) hilft kaum weiter (vgl zur
Parallele von Pflegegeld nach § 558 Reichsversicherungsordnung (jetzt: § 44 SGB VII) und Pflegezulage nach § 31
RVG (jetzt: § 35 BVG) bereits die Materialien zum RVG: Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung, Drucks
2663, S 41). Die Anhaltspunkte kategorisieren mögliche Gesundheitsschäden von I bis IV vor allem nach schwersten,
erheblichen, mittleren und leichten Beeinträchtigungen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens und nennen 28
Einzeleinstufungen für bestimmte Verletzungsfolgen. Damit geben sie keinen Maßstab an, der uneingeschränkt
geeignet wäre, Einstufungsentscheidungen auch bei nicht benannten Gesundheitsstörungen nachzuvollziehen und zu
überprüfen.
17
Mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben der gesetzlichen Pflegeversicherung (vgl § 15 ff SGB XI und das daraus
entwickelte, seit langer Zeit angewendete und bewährte System zur Quantifizierung des Pflegebedarfs hält es der
Senat - ebenso wie das LSG - für sachgerecht, den "Umfang der notwendigen Pflege" in erster Linie an dem täglichen
Zeitaufwand (vgl dazu § 15 Abs 3 SGB XI: "wöchentlich im Tagesdurchschnitt") für die notwendigen
Betreuungsleistungen zu messen. Er wendet damit seine Rechtsprechung zum Begriff der Hilflosigkeit (BSGE 90, 185
= SozR 3-3100 § 35 Nr 12; SozR 4-3250 § 69 Nr 1) auch auf die Abgrenzung zwischen den Stufen I und II der
Pflegezulage an und sieht die Schwelle zu letzterer bei einem täglichen Zeitaufwand von vier Stunden überschritten.
Für diese Grenze spricht zum einen der Vergleich mit § 15 SGB XI (vgl zur Begründung im Einzelnen: BSG SozR 4-
3250 § 69 Nr 1 RdNr 10) und zum anderen der in Stufe II nahezu verdoppelte Betrag der Pflegezulage nach Stufe I.
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Um den individuellen Verhältnissen des Beschädigten hinreichend Rechnung tragen zu können, erscheint es geboten,
nicht allein auf den zeitlichen Betreuungsaufwand abzustellen, vielmehr kommt auch den weiteren Umständen der
Hilfeleistung insbesondere ihrem wirtschaftlichen Wert Bedeutung zu. Dieser Wert wird wesentlich durch die Zahl und
die zeitliche Verteilung der Verrichtungen mitbestimmt, bei denen fremde Hilfe erforderlich ist. Denn eine Hilfsperson
kann regelmäßig nur für zusammenhängende Zeitabschnitte, nicht jedoch für einzelne Handreichungen herangezogen
bzw beschäftigt werden. Dieser Umstand rechtfertigt es, die Voraussetzungen für erhöhte Pflegezulage bereits bei
einem täglichen Zeitaufwand für fremde Hilfe zwischen drei und vier Stunden dann anzunehmen, wenn der
wirtschaftliche Wert der erforderlichen Pflege (wegen der Zahl der Verrichtungen bzw ungünstiger zeitlicher Verteilung
der Hilfeleistungen) besonders hoch ist (vgl BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 1 RdNr 12).
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An diesen Kriterien gemessen hat der Kläger bereits ab 1. Februar 2001 Anspruch auf Pflegezulage der Stufe II. Nach
den vom Beklagten nicht angegriffenen und damit gemäß § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für den Senat bindenden
Feststellungen des LSG braucht der Kläger allein für zahlreiche notwendige Verrichtungen der Körperpflege (149
Minuten), der Ernährung (39 Minuten) und der Mobilität (24 Minuten) täglich 212 Minuten fremde Hilfe. Die am
Grenzwert von vier Stunden noch fehlenden 28 Minuten sind hier für Hilfe zur Kommunikation, zu geistigen
Anregungen und psychischer Erholung - insbesondere durch die Begleitung bei täglichen Spazierfahrten mit dem
Rollstuhl - erforderlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.