Urteil des BSG vom 16.08.2006

BSG (bvg, höhe, gesetz, gabe, krankenversicherung, vorschrift, kläger, verweisung, echte rückwirkung, weiterverweisung)

BUNDESSOZIALGERICHT Entscheidung vom 5.6.2007, B 4 RS 1/07 R
Vorlagebeschluss an das BVerfG - Verfassungsmäßigkeit unterschiedlicher Freibeträge
der Grundrente im Beitrittsgebiet und in den alten Bundesländern beim
Dienstbeschädigungsausgleich
Tatbestand
1 Der Kläger begehrt von der Beklagten, für Bezugszeiten ab 1.1.2000 höhere monatliche
Werte seines Rechts auf Dienstbeschädigungsausgleich (DBA) festzusetzen, nämlich die
Werte aus § 31 Abs 1 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) ohne Kürzung durch einen
"Umrechnungsfaktor im Beitrittsgebiet", und entsprechend höhere monatliche Geldbeträge
zu zahlen.
2 Er gehörte in der DDR seit 1953 den bewaffneten Organen und, zuletzt als Berufsoffizier
(Kapitän zur See), der Nationalen Volksarmee (NVA) und dem Sonderversorgungssystem
der NVA (SVO-NVA) seit dessen Einführung an. Im Januar 1972 hatte er einen Unfall, der
als Dienstbeschädigung anerkannt wurde. Zum 15.5.1990 wurde er wegen fortdauernder
Dienstunfähigkeit aus dem Dienst entlassen und erhielt ab dem 16.5.1990 eine
Invalidenrente nach der SVO-NVA in Höhe von 2.175 Mark sowie wegen der Folgen der
Dienstbeschädigung ebenfalls nach der SVO-NVA eine Dienstbeschädigungsteilrente
(DBTR) nach einem Körper- bzw Gesundheitsschaden (KS) von 20 vH in Höhe von 218
Mark. Die Beklagte stellte die Zahlung der DBTR mit dem Inkrafttreten des Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) ab 1.8.1991 ein.
3 Im Dezember 1996 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung eines DBA nach
dem am 1.1.1997 in Kraft getretenen Gesetz über einen Ausgleich für
Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (DbAG). Die Beklagte stellte fest, dem Kläger stehe
ab 1.1.1997 ein Recht auf DBA zu. Sie setzte den Wert dieses Rechts auf 117 DM fest
(Bescheid vom 29.12.1997). Dabei legte sie einen KS von 20 vH zu Grunde, setzte ihn einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vH iS des BVG gleich, stellte den sich hierfür
aus § 2 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Halbsatz 2 DbAG iVm § 31 Abs 1 BVG ergebenden
Geldbetrag fest und vervielfältigte diesen jeweils mit einem "Umrechnungsfaktor im
Beitrittsgebiet", wie er zum 1.7.1996 gültig gewesen sei (0,8228).
4 Die Beklagte erhöhte nachfolgend jeweils zum 1.7. eines Jahres die Wertfestsetzung
entsprechend der Dynamisierung der Grundrente und der Änderung des
"Umrechnungsfaktors im Beitrittsgebiet". Dieser lag jeweils unter 0,9 (Bescheide vom
30.12.1997, 23.11.1998, 24.11.1999, 11.8.2000, 16.10.2001, 11.9.2002 und 8.8.2003).
5 Den Antrag des Klägers vom 21.2.2004, die Höchstwertfestsetzung seines Rechts auf DBA
im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.9.2003 - B 4 RA 54/02 R
(SozR 4-8855 § 2 Nr 1) für Bezugszeiten ab 1.1.2000 aufzuheben und einen höheren Wert
dieses Rechts festzustellen, lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, das Urteil des BSG
habe nur einen Einzelfall betroffen (Bescheid vom 25.2.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25.6.2004).
6 Das Sozialgericht (SG) hat, gestützt auf das vorgenannte Urteil des BSG, den Klagen
stattgegeben. Es hat durch Gerichtsbescheid vom 22.2.2005 die ablehnende Entscheidung
der Beklagten aufgehoben und diese "verurteilt, unter Abänderung der Bescheide vom
24.11.1999, 11.8.2000, 16.10.2001, 11.9.2002 und 8.8.2003 dem Kläger ab 1.1.2000 einen
DBA in Höhe der Grundrente nach § 31 BVG in Verbindung mit der jeweils geltenden KOV-
Anpassungsverordnung (sog Grundrente 'West') zu zahlen".
7 Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom
16.8.2006 den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Es hat
ausgeführt, die Beklagte habe den Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB X) zu Recht abgelehnt, denn die "Anpassungsbescheide" über den
DBA des Klägers seien rechtmäßig. Der DBA sei zutreffend unter Anwendung des
"Abschlagfaktors" für das Beitrittsgebiet geleistet worden. § 84a BVG sei vom
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Urteil vom 14.3.2000 - 1 BvR 284/06 ua
(BVerfGE 102, 41 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3) lediglich hinsichtlich originärer Grundrenten für
Kriegsopfer ab 1.1.1999 für nichtig erklärt worden. Diese Vorschrift sei jedoch auf alle
Versorgungsberechtigten anzuwenden, die am 18.5.1990 ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet
gehabt hätten, auf Grund der Verweisungsvorschrift des § 2 Abs 1 DbAG auch auf den DBA.
Das Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts und des
Gesetzes über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (im Folgenden:
SER/DbAG-ÄndG) vom 19.6.2006 (BGBl I 1305) stelle insoweit lediglich die ohnehin
geltende Rechtslage klar. Die Gewährung des DBA nur in Höhe einer abgesenkten
Grundrente gemäß § 84a BVG sei nach wie vor verfassungsgemäß.
8 Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß, das LSG
habe § 2 Abs 1 DbAG verletzt, denn er habe einen Anspruch auf DBA in Höhe der
Grundrente nach § 31 BVG. Die von der Beklagten vorgenommene Absenkung sei seit dem
1.1.1999 rechtswidrig. Dies ergebe sich daraus, dass § 84a BVG seit diesem Zeitpunkt
nichtig sei. Das SER/DbAG-ÄndG vom 19.6.2006 sei nicht anzuwenden, weil es eine
verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung enthalte. Die Gewährung des DBA nur in
Höhe einer abgesenkten Grundrente verstoße zudem gegen den Gleichheitssatz.
9 Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16.8.2006 aufzuheben
und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stralsund
vom 22.2.2005 zurückzuweisen.
10 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
11 Sie ist der Auffassung, ihre Entscheidungen seien rechtmäßig. Der Kläger habe keinen
Anspruch auf DBA in Höhe der Grundrente gehabt. Im SER/DbAG-ÄndG vom 19.6.2006 sei
ihre Verwaltungspraxis bestätigt worden. Dieses Gesetz verstoße nicht gegen das
Rückwirkungsverbot, denn die Empfänger eines DBA hätten mit einer Neuregelung rechnen
müssen. Es habe eine unklare und verworrene Rechtslage bestanden. Es liege auch kein
Verstoß gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) vor. Im Hinblick auf die abweichende
Rechtsprechung des 9. Senats werde eine Vorlage an den Großen Senat angeregt.
Entscheidungsgründe
Teil 1: Verfahrensvorfragen
13 1. Dem sinngemäß in der mündlichen Verhandlung geltend gemachten Begehren der
Beklagten, die mündliche Verhandlung zu vertagen, war nicht stattzugeben, denn der Senat
ist hierzu nicht befugt. Es liegt kein erheblicher Grund (§ 202 Sozialgerichtsgesetz
iVm § 227 Abs 1 Satz 1 Zivilprozessordnung ) für eine Vertagung vor. Auch das
Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet sie nicht.
14 Wenn der Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung eine unerwartete Wendung nimmt,
etwa dadurch, dass bisher nicht erörterte Gesichtspunkte auftauchen oder das Gericht den
Beteiligten mit einer geänderten Rechtsauffassung gegenübertritt, muss das Gericht, um
Überraschungsentscheidungen zu verhindern, sicherstellen, dass sich die Beteiligten
sachgemäß zum Prozessstoff äußern können (hierzu stellvertr BSG, Beschluss vom
23.10.2003 - B 4 RA 37/03 B, SozR 4-1500 § 62 Nr 1 RdNr 6; BSG, Beschluss vom
16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B, SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 57 f) . Denn die Beteiligten
haben Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf ein faires Verfahren (Art 19 Abs
4 und Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG; dazu: BVerfGE 78, 123, 126; 88, 118, 123 ff) . Gibt
ein Beteiligter zu erkennen, dass er außer Stande ist, sich in der mündlichen Verhandlung
ohne weiteren Rat ua zu erstmals eingeführten rechtlichen Gesichtspunkten, die
möglicherweise für die Sachentscheidung erheblich sind, zu äußern, so ist ihm auf Antrag
eine angemessene Frist zur Stellungnahme einzuräumen und die mündliche Verhandlung
zu vertagen (hierzu BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 1 RdNr 6; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 5 S 8) .
15 Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der Prozessbevollmächtigte der
Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung lediglich vorgetragen, die Hinweise im
Rechtsgespräch kämen für ihn überraschend, da die 2006 in das DbAG erstmals
eingefügte Verweisung auf den zugleich neu gefassten § 84a BVG möglicherweise nicht
hinreichend bestimmt sei, soweit auf die Kürzungsbefugnis des Einigungsvertrags
(EinigVtr) in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 (nachfolgend: Abschnitt III
Nr 1) Buchst a (Regelung 4) Abs 1 Satz 1 und Abs 2 weiterverwiesen werde. Er hätte dazu
noch gerne einen schriftlichen Hinweis, zu dem sich die Beklagte dann schriftlich äußern
könne.
16 Bei den vom Vorsitzenden des Senats im Rechtsgespräch gegebenen Hinweisen zur
Rechtslage handelt es sich jedoch weder um einen neuen rechtlichen Gesichtspunkt noch
um eine geänderte Rechtsauffassung des Gerichts. Der erkennende Senat hat bereits im
seinem Urteil vom 20.10.2005 (B 4 RA 27/05 R, BSGE 95, 159 = SozR 4-2600 § 93 Nr 7,
jeweils RdNr 62 ff) zum "Freibetrag" nach § 93 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch
(iVm §§ 31, 84a BVG) in einem "obiter dictum" darauf hingewiesen, dass gegen die
Gültigkeit der Verweisung auf die "Kürzungsbefugnis" in EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst a
Regelung 4 Bedenken bestünden. Er hat ua die Frage aufgeworfen, ob eine
Verweisungskette, die mit dieser Norm ende, jedenfalls ab dem 1.1.1999 noch den
Anforderungen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots genüge. Der Sitzungsvertreter
der Beklagten hätte als über die Sach- und Rechtslage ausreichend unterrichteter
Prozessbevollmächtigter (§ 110 Abs 3 SGG) diese veröffentlichten Ausführungen zum
Themenkreis um § 84a BVG kennen müssen, zumal die Beklagte selbst in der
Revisionserwiderung den Anfragebeschluss des 13. Senats (vom 12.12.2006 - B 13 RJ
25/05 R) an den 4. Senat angesprochen hat, in dem der 13. Senat unter Hinweis auf dieses
Urteil mitgeteilt hat, er halte diese Kürzungsvorschrift für klar, allerdings, ohne dies auch nur
mit einem Wort zu begründen (dazu der Antwortbeschluss des 4. Senats vom 26.6.2007 - B
4 R 1/07 S). Die Beklagte hatte also die von ihrem Sitzungsvertreter als überraschend
empfundene Thematik sogar selbst in den Rechtsstreit eingeführt.
17 2. Es war dem 4. Senat auch nicht erlaubt, gemäß der Anregung der Beklagten das
Verfahren auszusetzen und zunächst beim 9. Senat des BSG nach § 41 Abs 3 SGG
anzufragen, ob er an seiner Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendung des § 84a
BVG (aF; iVm Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 Buchst a EinigVtr) im
Bereich des Sozialen Entschädigungsrechts festhält. Denn der 9. Senat hat sich nie zu § 2
DbAG (aF) geäußert, der bis Juni 2006 keine Verweisung auf § 84a BVG in einer seiner
Fassungen und auch nicht die Anordnung enthielt, diese Vorschrift "entsprechend"
anzuwenden. Der 4. Senat wiederum hat sich nie zu den Vorschriften der verschiedenen
Systeme des Sozialen Entschädigungsrechts geäußert, die eine entsprechende
Anwendung der Leistungsvorschriften des BVG vorsehen. Der 4. Senat beabsichtigt bei der
Anwendung des § 2 DbAG auch weiterhin nicht, von der zu andersartigen
Rechtsvorschriften ergangenen Rechtsprechung des 9. Senats (BSGE 73, 41, 42 = SozR 3-
3100 § 84a Nr 1 S 2; BSGE 80, 176 = SozR 3-3100 § 84a Nr 2 S 8; BSGE 91, 114 = SozR
4-3100 § 84a Nr 1, jeweils RdNr 8 ff; BSG SozR 4-3100 § 84a Nr 2 RdNr 4; BSG SozR 4-
3800 § 10a Nr 1 RdNr 20; BSG SozR 4-3100 § 84a Nr 7 RdNr 7) abzuweichen . Für jenes
Rechtsgebiet ist der 4. Senat nicht, für den Bereich des DbAG ist er allein zuständig.
18 Der 4. Senat hat sich zu § 84a BVG aF lediglich im Zusammenhang mit dem
Rentenversicherungsrecht und nur insoweit tragend geäußert, als dort (erstmals 2004) § 93
Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI idF des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen
Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz
) vom 21.7.2004 (BGBl I 1791) nur für die Höhe des "Freibetrags" auf den sich aus
§ 31 "iVm § 84a Satz 1 und 2 BVG" ergebenden Betrag verwiesen hat (BSGE 95, 159 =
SozR 4-2600 § 93 Nr 7, jeweils RdNr 46 ff) . Der 4. Senat hat zum DbAG (vor der
Rechtsänderung im Juni 2006) darauf abgestellt, dass § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG (aF) keine
Verweisung auf § 84a BVG (aF) und keine Anordnung seiner entsprechenden Anwendung
enthielt. Da die Beklagte sich gleichwohl auf § 84a BVG aF berufen hatte, hat der 4. Senat
dazu klargestellt, dass sogar diese mangels Verweisung nicht anwendbare Vorschrift selbst
keine Ermächtigung enthielt, den Wert des DBA für Zeiten ab 1.1.1999 nur in der rechtlich
nicht geltenden fiktiven Höhe eines gekürzten BVG-Grundrentenbetrags festzustellen.
Außerdem hatte § 84a BVG aF gemäß dem EinigVtr, der ihn als Sonderregelung für
"Umzügler" und "Zuzügler" in das alte Bundesgebiet eingeführt hatte, nur einen sehr
begrenzten persönlichen Anwendungsbereich (BSG SozR 4-8855 § 2 Nr 1 RdNr 21 f; BSG
SozR 4-8855 § 2 Nr 2 RdNr 7 ff) .
19 Zur Auslegung und Anwendung der hier entscheidungserheblichen und jeweils unter
weitgehender Berücksichtigung der Hinweise in der oben genannten Rechtsprechung des
erkennenden Senats neu gefassten Vorschriften des § 84a Satz 1 BVG idF des Art 01 und
Art 1 des SER/DbAG-ÄndG vom 19.6.2006 und des § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG idF des Art 6
Nr 3 Buchst a desselben Gesetzes, der erstmals auf eine Fassung des § 84a BVG verweist,
haben sich bislang weder der 9. Senat noch der erkennende Senat geäußert.
Teil 2: Zur Notwendigkeit der Vorlage
21 A. Das Verfahren ist gemäß Art 100 Abs 1 Grundgesetz (GG) auszusetzen. Der 4. Senat ist
überzeugt, dass die im Jahr 2006 erfolgte Neufassung des § 2 Abs 1 DbAG für die
streitigen Bezugszeiten ab 1.1.2000 insoweit gegen die rechtsstaatlichen Gebote der
Normenklarheit und Justiziabilität verstößt, als sie mittels einer Verweisung auf § 84a BVG
nF und einer darin enthaltenen Weiterverweisung auf die in der Vorlagefrage zitierte
Vorschrift des EinigVtr (1990) über die Kürzung der Kriegsopfergrundrente nach einem
"Umrechnungsfaktor Ost" verweist.
22 Dem Gesetz selbst lässt sich für die strittigen Zeiten durch juristisch-methodische
Auslegung nicht entnehmen, wie hoch der "Umrechnungsfaktor" und ab wann und wie
lange er jeweils maßgeblich ist. Die Bürger als Normadressaten finden in der
Kürzungsvorschrift mehrere in mehrfacher Hinsicht "unbenannte" Weiterverweisungen vor,
die es ihnen nicht erlauben zu erkennen, aus welchen Gesetzen sie erfahren können, unter
welchen Voraussetzungen welche Rechtsfolgen für sie gelten und den
"Umrechnungsfaktor" bestimmen sollen. Die in der Vorschrift vorgesehene Mitteilung des
jeweiligen maßgeblichen Faktors durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung
im Bundesanzeiger (BAnz) kann das Fehlen gesetzlich bestimmter Werte nicht
ausgleichen. Denn sie ist als bloße "Wissensmitteilung" ausgestaltet. Mangels
ausreichender gesetzlicher Vorgaben kann der 4. Senat des BSG nicht entscheiden, was
der Bundesminister hätte wissen und bekannt geben müssen. Es ist also schon nicht
erkennbar, ob der Bundesminister und daher auch nicht, ob die Beklagte gesetzmäßig
gehandelt hat. Anhand der Gesetze ist durch Auslegung nicht erkennbar, ob der Kläger den
geltend gemachten Anspruch oder jedenfalls einen höheren als den ihm bislang
zuerkannten hat.
23 Diese Normenunklarheit der Verweisungskette erfasst die Vergangenheit, die hier nur für
Bezugszeiten seit dem 1.1.2000 zu überprüfen ist, und die Zukunft. Deshalb ist für die
Vorlage noch nicht entscheidungserheblich, dass die neue Verweisungskette im Grundsatz
eine ungerechtfertigte echte Rückwirkung vorsieht. Denn dies würde das BSG nur dann
abschließend prüfen dürfen, wenn sich aus der Verweisungskette des Gesetzes selbst eine
hinreichend bestimmte, für den Normadressaten erkennbare und für das Gericht justiziable
Kürzungsermächtigung ergäbe, die eine umfassende und abschließende gerichtliche
Kontrolle der Gesetzmäßigkeit des vom Bundesministerium im BAnz verkündeten
"Umrechnungsfaktors" ermöglichte; das ist aber nicht der Fall. Gleiches gilt für die vom
Kläger betonte Frage einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung.
24 B. Die prozessrechtlichen Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das
Revisionsgericht liegen vor.
25 1. Revision, Berufung und die kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und unechten
Leistungsklagen (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) sind zulässig.
26 Gegenstand des Rechtsstreits in allen Instanzen ist das Begehren des Klägers, die
ablehnende Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 25.2.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25.6.2004 aufzuheben, diese zu verpflichten, für die
Bezugszeiten ab 1.1.2000 die bindend gewordenen Wertfeststellungen in den Bescheiden
vom 24.11.1999, 11.8.2000, 16.10.2001, 11.9.2002 und 8.8.2003 zurückzunehmen und die
Werte seines Rechts auf DBA ohne Kürzung durch einen "Umrechnungsfaktor im
Beitrittsgebiet" neu festzustellen, und sie zu verurteilen, entsprechend höhere monatliche
Geldbeträge zu zahlen.
27 Die genannten Bescheide enthalten mehrere Verwaltungsakte, von denen der Kläger die
Wertfeststellungen für Bezugszeiten ab 1.1.2000 "angefochten" hat. Anders als in der
gesetzlichen Rentenversicherung (vgl hierzu BSG SozR 4-2600 § 260 Nr 1 RdNr 5)
entscheidet der Versorgungsträger bei "Anpassungen" des DBA nicht über den Grad
(Faktor) der Anpassung, sondern stellt jeweils zum 1.7. eines Jahres den Höchstwert des
Stammrechts auf DBA unter Aufhebung der bisherigen Wertfestsetzung gemäß § 48 Abs 1
SGB X neu fest. Da diese Neufeststellungen die bisherige Höchstwertfestsetzung
zukunftsgerichtet jeweils in vollem Umfang ersetzen, werden sie in einem Rechtsstreit um
die Pflicht zur Zahlung eines höheren DBA - wie hier - insoweit gemäß § 96 Abs 1 SGG
kraft Gesetzes Gegenstand der (fingierten) Anfechtungsklagen (vgl hierzu BSG SozR 4-
8855 § 2 Nr 1 RdNr 12) . Die Beklagte ist auch gemäß § 3 Abs 1 DbAG iVm § 8 Abs 4 Nr 2
AAÜG, Art 13 Abs 2 EinigVtr zur Entscheidung verbandszuständig und gemäß § 3 Satz 1
DbAG iVm §§ 11 Abs 5 Halbsatz 2, 10 Abs 5 Satz 1 AAÜG grundsätzlich zur
Handlungsform des Verwaltungsakts ermächtigt, ist also befugt, den Wert des Rechts des
Klägers auf DBA durch gebundenen Verwaltungsakt nach Maßgabe des materiellen
Rechts festzustellen.
28 2. Die kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und unechten Leistungsklagen waren
unter Zugrundelegung des im Zeitpunkt der Bekanntgabe der vorgenannten
Verwaltungsakte und bis zum 22.6.2006 geltenden Rechts auch begründet, dh der Kläger
konnte sein Begehren materiell-rechtlich auf § 44 SGB X stützen. Denn die Beklagte hatte
damals die Werte des DBA für Bezugszeiten ab 1.1.2000 rechtswidrig zu niedrig
festgestellt. Diese Werte bemaßen sich gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG aF, wie es dort hieß,
nach der
"Höhe der jeweils im Beitrittsgebiet geltenden Grundrente nach dem
Bundesversorgungsgesetz".
29 Bereits ab dem 1.1.1999 war die Höhe der für das Beitrittsgebiet geltenden Grundrente
nach dem BVG gleich hoch wie die im "alten Bundesgebiet" geltende Grundrente nach
dem BVG, weil es nur noch einen einzigen "geltenden" Betrag der Grundrente nach dem
BVG im ganzen Bundesgebiet gab.
30 Auf Grund der Nichtigkeitsfeststellung im Urteil des BVerfG vom 14.3.2000 (1 BvR 284,
1659/96, BVerfGE 102, 41 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3) , veröffentlicht im Bundesgesetzblatt
vom 13.4.2000 (BGBl I 445) , gab es ab dem 1.1.1999 - jedenfalls bis zum 22.6.2006 -
schon keinen gültigen Gesetzestext, auf den die Beklagte ihre Praxis stützen konnte, den
sich aus § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG aF iVm § 31 Abs 1 Satz 1 BVG ergebenden Geldwert des
Stammrechts auf DBA durch Vervielfältigung mit einem "Umrechnungsfaktor im
Beitrittsgebiet" zu kürzen (BSG SozR 4-8855 § 2 Nr 1; BSG SozR 4-8855 § 2 Nr 2) . Es gab
seitdem nur eine einzige "Höhe der jeweils im Beitrittsgebiet geltenden Grundrente nach
dem BVG", auf die § 2 Abs 1 Satz 2 DbAG ausschließlich abstellte.
31 An dieser Rechtsprechung zur bisherigen Rechtslage seit dem 1.1.1999 wird nach erneuter
Prüfung festgehalten. Natürlich betraf die Entscheidung des BVerfG "nur" die Kürzung der
"Kriegsopfer"-Grundrente nach der oben genannten Maßgabe des EinigVtr, die dieser nur
für die Überleitung des BVG auf das Beitrittsgebiet, nicht aber für die anders und durch
andere Vorschriften erfolgte Überleitung anderer Gesetze (auch des Sozialen
Entschädigungsrechts) angeordnet hatte. Das DbAG stellte von Beginn an (1.1.1997) für
die monatliche Höhe des DBA allein auf die jeweils im Beitrittsgebiet geltende "Grundrente
nach dem BVG" ab. Das BVG (§ 31 BVG) kannte und kennt aber nur eine "Grundrente"
ausschließlich für Kriegsopfer. Auf die jeweilige rechtsgültige ("geltende") Höhe dieser
Kriegsopfergrundrente im Beitrittsgebiet hat das DbAG direkt abgestellt. Diese Verweisung
im DbAG war ausdrücklich dynamisch ("jeweilige") ausgestaltet, erfasste also auch die seit
dem 1.1.1999 im Beitrittsgebiet geltenden Werte für Kriegsopfer nach § 31 Abs 1 Satz 1
BVG; es gab seither im Beitrittsgebiet keine andere "geltende" Höhe der
Kriegsopfergrundrente. Der Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages (1996) zum
DbAG knüpfte damals bewusst an die jeweilige geltende Höhe der Grundrente nach dem
BVG an. Dies geschah noch in der vom BVerfG (siehe oben) für Bezugszeiten bis 1999 für
gerechtfertigt gehaltenen Erwartung, die niedrigere Grundrente im Beitrittsgebiet werde in
absehbarer Zeit auf "West-Niveau" ansteigen. Damit war schon bei Erlass des DbAG
vorgesehen, dass auch der nur im Betrag an die jeweilige geltende Höhe der BVG-
Grundrente im Beitrittsgebiet gebundene DBA mit dieser auf das "West-Niveau" der BVG-
Grundrente ansteigen würde. Es lag also im Plan des Gesetzes, den DBA mit dem Anstieg
der Kriegsopfergrundrente Ost auf die Werte der "Grundrente-West" ansteigen zu lassen.
32 Die Entkoppelung beider Werte, die das Parlament miteinander verbunden hatte, nach der
Nichtigkeitsfeststellung des BVerfG, die diese Angleichung vielleicht früher als 1996
erwartet bewirkte, war dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten und durfte von der
Verwaltung nicht eigenmächtig durch Einführung einer im Beitrittsgebiet gerade nicht
geltenden fiktiven Höhe der Kriegsopfergrundrente nach dem BVG vorgenommen werden.
Darüber, ob das Parlament damals, wenn es - wie geboten - um eine Änderung des § 2 Abs
1 DbAG gebeten worden wäre, eine Gesetzesänderung im Sinne der Kürzungspraxis der
Beklagten vorgenommen hätte, kann schon wegen der Unwiederholbarkeit der politischen
Situation nur spekuliert werden. § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG aF hat nur auf die Höhe der jeweils
im Beitrittsgebiet "geltenden" Grundrente nach dem BVG verwiesen. Seit dem 1.1.1999
"galt" im Beitrittsgebiet ausschließlich jeweils eine einzige Höhe der BVG-Grundrente,
nämlich dieselbe wie in Westdeutschland. Für Bezugszeiten vom 1.1.1999 bis zum Juni
2006 waren die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten also gesetz- und
rechtswidrig und der Klageanspruch des Klägers begründet.
33 C. Eine abschließende Sachentscheidung ist dem BSG nicht möglich, weil die
streitentscheidenden Normen nicht hinreichend bestimmt und nicht justiziabel sind.
34 1. Im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem
BSG sind die in dem am 22.6.2006 verkündeten SER/DbAG-ÄndG vom 19.6.2006
enthaltenen Neufassungen des § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG und des § 84a Satz 1 BVG auf den
vorliegenden Fall anzuwenden.
35 Dies ist allerdings im letzten und für die Höhe des DBA entscheidenden Verweisungsschritt
von § 84a BVG nF auf die Maßgabe des EinigVtr und in dieser weiter auf § 68 Abs 3 SGB
VI nicht möglich, weil die Höhe des "Umrechnungsfaktors", eines Quotienten, im Gesetz
selbst nicht hinreichend bestimmt worden ist. Das Gesetz legt die in Zähler und Nenner des
Bruchs einzusetzenden Zahlenwerte selbst nicht fest. Es enthält auch keine ausreichende
(Weiter-)Verweisungskette, die es dem Gericht oder dem sein Recht im Gesetz suchenden
Bürger ermöglichte, aus ihm zu erkennen, welche Zahlenwerte der Bundesminister jeweils
bekanntzugeben hat. Deshalb ist der erkennende Senat zu der Überzeugung iS des Art
100 Abs 1 GG gelangt, dass diese 2006 neu gefassten Vorschriften für Zeiten ab 1.1.1999
mangels hinreichender Bestimmtheit und Justiziabilität verfassungswidrig und auch nicht
verfassungskonform auslegbar sind.
36 Der Senat hat dennoch seiner Entscheidung das zum Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung gültige und damit auch das am 22.6.2006 verkündete SER/DbAG-ÄndG vom
19.6.2006 zu Grunde zu legen, das auf Grund seiner Rückwirkungsanordnung auch für den
Zeitpunkt des Erlasses der hier betroffenen bindend gewordenen Wertfeststellungen
Gültigkeit beansprucht (hierzu stellvertr BSG SozR 3-2600 § 307b Nr 9 S 95; BSG SozR 3-
8570 § 4 Nr 3 S 9; BSG SozR 3-8570 § 4 Nr 4 S 26 f) .
37 2. Der Wert des dem Kläger zum 1.1.1997 bindend zuerkannten Rechts auf DBA bestimmt
sich demnach für die hier allein streitigen Bezugszeiten ab 1.1.2000 einfachgesetzlich nach
§ 2 Abs 1 Satz 1 DbAG idF des Art 6 Nr 3 Buchst a SER/DbAG-ÄndG vom 19.6.2006.
Danach wird der DBA bei einem KS, der nach den Regelungen der
Sonderversorgungssysteme zu einem Anspruch auf eine Dienstbeschädigungsrente
geführt hat oder führen würde,
"in Höhe der Grundrente nach § 31 in Verbindung mit § 84a Satz 1 des
Bundesversorgungsgesetzes geleistet".
38 Diese Voraussetzungen sind - wie auch zwischen den Beteiligten zu Recht nicht umstritten
ist - nach den das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG erfüllt.
39 a) Die im engeren Staatsdienst der DDR Beschäftigten gehörten
Sonderversorgungssystemen an (vgl Anlage 2 zum AAÜG) . Diese sahen eine
eigenständige Versorgung ihrer Mitglieder außerhalb der Sozialversicherung der DDR vor
(hierzu BVerfGE 100, 59, 62 f; 100, 138, 140 f; 104, 126, 129 f; BSGE 74, 184 = SozR 3-
8570 § 11 Nr 1) , die auf Versorgungsordnungen beruhten, ua die amtlich nicht
veröffentlichte Ordnung Nr 005/9/003, eingeführt mit Wirkung vom 1.7.1957 und neu gefasst
am 1.9.1982, für die Angehörigen der NVA sowie die ebenfalls amtlich nicht veröffentlichte
Ordnung Nr 11/72 vom 1.7.1954, zuletzt idF vom 1.12.1985, ua für die Angehörigen der
Deutschen Volkspolizei. Erlitten diese Beschäftigten in innerem Zusammenhang mit ihrer
Tätigkeit einen Dienstunfall (Arbeitsunfall), der als Dienstbeschädigung anerkannt und als
dessen Folge ein KS festgestellt wurde, erhielten sie Dienstbeschädigungsvollrente und
DBTR, bis sie eine Alters- oder Invalidenrente beanspruchen konnten. Eine DBTR wurde
im Regelfall nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem aktiven Dienst bei einem KS von
mindestens 20 vH zuerkannt.
40 b) Der EinigVtr (Anlage 2 Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst b Satz 1 iVm
Buchst e) und das AAÜG (§ 9 Abs 1 Satz 1 Nr 2) haben die Ansprüche und Anwartschaften
auf Dienstbeschädigungsrente weder in die gesetzliche Unfallversicherung noch in die
gesetzliche Rentenversicherung überführt (näher dazu BSGE 74, 184 = SozR 3-8570 § 11
Nr 1) . Vielmehr hat das als Art 3 des AAÜG-Änderungsgesetzes (AAÜG-ÄndG) vom
11.11.1996 verkündete DbAG mit dem DBA eine eigenständige Entschädigung unter
"Besitzstandswahrung" ausgestaltet und deren Wert, wie bereits ausgeführt, bis Juni 2006
auf die jeweilige Höhe der im Beitrittsgebiet geltenden Grundrente nach dem BVG
festgelegt.
41 c) Die alte Rechtsfolgenverweisung in § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG aF war direkt auf die Höhe
der jeweils im Beitrittsgebiet geltenden Grundrente nach dem BVG gerichtet, also auf die
Maßgabe des EinigVtr Abschnitt III Nr 1. Deren Anwendungsbereich war ausdrücklich in
EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst l, der Grundregel, bestimmt, nicht in der Sonderregel des §
84a BVG idF des EinigVtr Abschnitt II aaO (hierzu BSG SozR 4-8855 § 2 Nr 1 RdNr 16 f,
22) . Dagegen verweist § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG idF des Art 6 Nr 3 Buchst a SER/DbAG-
ÄndG vom 19.6.2006 auf "die Höhe der Grundrente nach § 31 in Verbindung mit § 84a Satz
1 BVG". Während das "alte" Recht des § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG bis zum 1.1.1999 für den
DBA sinngemäß direkt auch auf die Kürzungsformel für Kriegsopfergrundrenten im
Beitrittsgebiet in der genannten Maßgabe des EinigVtr verwies, verweist das neue Recht
erstmals in einem Zwischenschritt auf § 84a Satz 1 BVG nF, dies aber nur in dessen
Neufassung durch Art 1 SER/DbAG-ÄndG. Dadurch wird, anders als nach altem Recht,
nicht nur auf die Kürzungsformel der Maßgabe im EinigVtr, sondern auf die gesamte
"Versorgung“ nach dem BVG mit den für das Beitrittsgebiet geltenden Maßgaben
weiterverwiesen. Damit wird statt der seit 1999 im Beitrittsgebiet geltenden Höhe der
Kriegsopfergrundrente eine seit dem 1.1.1999 gerade nicht mehr "geltende" geminderte
fiktive Kriegsopfer-Grundrente rückwirkend erstmals maßgeblich (vgl BR-Drucks 39/06, 10)
.
42 3. Der monatliche Wert des DBA bestimmt sich nach der Neuregelung des SER/DbAG-
ÄndG vom 19.6.2006 für Bezugszeiten ab 1.1.1999 erstmals (Art 9 Abs 4) aus den in
EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 Buchst a Abs 1 Satz 1
(Regelung 4) und Abs 2 enthaltenen Maßgaben. In diesen wird Folgendes angeordnet:
"Die in § 31 Abs 1 in der jeweils geltenden Fassung genannten Deutsche Mark-
Beträge sind mit dem Vomhundertsatz zu multiplizieren, der sich aus dem jeweiligen
Verhältnis der verfügbaren Standardrente (§ 68 Abs 3 des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch) in dem in Art 3 des Vertrages genannten Gebiet zur verfügbaren
Standardrente in dem Gebiet, in dem das Bundesversorgungsgesetz schon vor dem
Beitritt gegolten hat, ergibt.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung gibt den maßgebenden
Vomhundertsatz und den Veränderungstermin jeweils im Bundesanzeiger bekannt."
43 Aus dem Wortlaut dieser Maßgabe in Abs 1 Satz 1 ergibt sich, dass der sich jeweils aus §
31 Abs 1 BVG ergebende Geldwert mit einem Faktor zu multiplizieren ist. Dieser Faktor ist
als Bruch ausgestaltet, nämlich als Verhältnis (Quotient) aus der verfügbaren Standardrente
im Beitrittsgebiet (Zähler) zur verfügbaren Standardrente im alten Bundesgebiet (Nenner).
Der maßgebliche Veränderungstermin ist hingegen nicht benannt oder bestimmbar
ausgestaltet.
44 Der im Zähler stehende Klammerzusatz: "§ 68 Abs 3 des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch" könnte nahelegen, dass in dieser Vorschrift der Rechtsbegriff der
"verfügbaren Standardrente im Beitrittsgebiet" definiert ist. Diese Vorschrift, die von 1992
bis zum 31.12.2000 mit drei verschiedenen Inhalten galt, enthielt jedoch in keiner ihrer
Fassungen eine gesetzliche Definition der "verfügbaren Standardrente im Beitrittsgebiet".
Dieser Rechtsbegriff war und ist auch in keiner anderen Vorschrift des SGB VI definiert. §
68 Abs 3 SGB VI definierte in seinem Satz 4 iVm Satz 3 im Zusammenhang der Anpassung
des aktuellen Rentenwerts in drei verschiedenen Fassungen mit drei unterschiedlichen
Bedeutungen den Begriff der "verfügbaren Standardrente" im alten Bundesgebiet, also
ohne die im 5. Kapitel des SGB VI geregelten Sonderbestimmungen für das Beitrittsgebiet.
Wollte man, wie es im Gesetz steht, diesen Begriff der verfügbaren Standardrente in den
Zähler des Bruches einsetzen, wären Zähler und Nenner identisch, das Ergebnis des
Bruches also 1,0. Das kann ersichtlich nicht gemeint sein.
45 Fasst man hingegen die im Zähler stehende Verweisung auf § 68 Abs 3 SGB VI nur als
Inkorporation des dort genannten abstrakten Begriffs der "verfügbaren Standardrente" -
ohne irgendeinen Gebietsbezug - auf, wird in der Maßgabe selbst nicht gesagt, wodurch
sich die verfügbare Standardrente im Beitrittsgebiet von derjenigen im alten Bundesgebiet
unterscheiden soll. Der rechtliche Unterschied zwischen Zähler und Nenner kann sich
dann ausschließlich aus dem in der jeweiligen Fassung des § 68 Abs 3 SGB VI
umschriebenen abstrakten Rechtsbegriff der verfügbaren Standardrente und dessen
Anwendung auf vielleicht für West und Ost unterschiedliche Rechtsvorschriften ergeben,
soweit auf diese gültig weiterverwiesen wird.
46 4. Insoweit kann durch juristische Auslegung für die hier strittigen Zeiten vom 1.1.1999 bis
zum 31.12.2000 noch erkannt werden, dass nach allen gültig gewesenen Fassungen des §
68 Abs 3 SGB VI, die eine Aussage zu der Thematik der Maßgabe des EinigVtr enthielten,
Ausgangspunkt
für
die
Feststellung
der
verfügbaren
Standardrente
die
"Bruttostandardrente" war; sie war definiert als:
"Regelaltersrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten mit 45
Entgeltpunkten (EP)".
47 Zwar unterscheidet das SGB VI - was bei der Formulierung der Maßgabe des EinigVtr 1990
noch nicht absehbar, beim Gesetzesbeschluss vom Juni 2006 aber bekannt war - zwischen
EP und EP (Ost), wie sich schon aus § 254b SGB VI ergibt; von dieser Unterscheidung
hängt auch die Anwendung des niedrigeren aktuellen Rentenwertes (Ost) aus § 255a SGB
VI ab. Obwohl der Gesetzgeber des Jahres 2006 diesen grundlegenden Unterschied im
Gesetzestext nicht angesprochen hat, erscheint es wegen der im "Bruch" angedeuteten
notwendigen Unterschiedlichkeit der beiden Standardrenten noch möglich, den Zähler
insoweit erweiternd als "Regelaltersrente aus 45 EP (Ost)" auszulegen. Nicht mehr durch
Auslegung hinreichend bestimmbar ist hingegen - worauf zurückzukommen ist - der
jeweilige Begriff der Verfügbarkeit, weil inhaltlich und zeitlich keine ausreichende
Verweisungskette vorliegt.
48 Dies betrifft allerdings seit dem 1.1.2001 auch die Verweisung der Maßgabe des EinigVtr
auf § 68 Abs 3 SGB VI selbst. Denn diese Vorschrift enthält seither überhaupt keine
Regelung der verfügbaren Standardrente mehr. Die in dem am 22.6.2006 verkündeten
SER/DbAG-ÄndG enthaltene Verweisungskette zur Bestimmung des Werts des Rechts auf
DBA, beginnend mit § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG über § 84a Satz 1 BVG und der Maßgabe des
EinigVtr bis zu § 68 Abs 3 SGB VI war bereits mit Ablauf des 31.12.2000 abgebrochen.
Kein Bürger kann für Zeiten ab 2001 aus dem 2006 beschlossenen Gesetz, aus der
Maßgabe und aus der von ihr in Bezug genommenen Vorschrift des § 68 Abs 3 SGB VI
erkennen, was in den Zähler und was in den Nenner einzustellen ist.
49 5. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 20.10.2005 - B 4 RA 27/05 R
(BSGE 95, 159 = SozR 4-2600 § 93 Nr 7) zum Rentenversicherungsrecht darauf
hingewiesen, dass Bedenken gegen die Bestimmtheit der Verweisung auf die
"Kürzungsbefugnis" in EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst a Regelung 4 bestanden, und
angemerkt, diese Maßgabe enthalte keine bestimmten inhaltlichen Vorgaben zum
Zeitpunkt und zur Höhe der Kürzung.
50 Es war jedoch weder damals noch ist jetzt zu prüfen, ob die frühere Verweisung nach altem
Recht für Zeiten vor dem 1.1.1999 den Anforderungen des rechtsstaatlichen
Bestimmtheitsgebots genügte, wobei gerade im Zusammenhang mit den außerordentlichen
Problemen aus der Wiedervereinigung - wie der erkennende Senat in seiner
Rechtsprechung zum Überführungs- und Überleitungsrecht stets betont hat - ein
erheblicher Übergangszeitraum zu beachten wäre. Das BVerfG hatte bei seiner
Nichtigkeitsfeststellung keinen Grund, auf die Frage der hinreichenden Bestimmtheit der
von ihm aus anderen Gründen als nichtig festgestellten Kürzungsnorm für Zeiten nach dem
1.1.1999 einzugehen und hat dies auch nicht getan. Der Übergangszeitraum war aber im
Juni 2006 in jedem Fall abgelaufen.
51 6. Die in SER/DbAG-ÄndG enthaltene Verweisungskette zur Bestimmung des Werts des
Rechts auf DBA für Bezugszeiten ab 1.1.1999 genügt bezüglich der "Verfügbarkeit" der
Standardrente Ost und derjenigen der Standardrente West nicht den Anforderungen der
rechtsstaatlichen Gebote der Normenklarheit und Justiziabilität, die hier außerdem durch
diejenigen des Parlamentsvorbehalts verstärkt sind.
52 Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Normen ergeben sich
hier zum einen aus dem Parlamentsvorbehalt (Demokratieprinzip) und zum anderen aus
dem Rechtsstaatsprinzip.
53 Der Parlamentsvorbehalt verlangt nach der Rechtsprechung des BVerfG, dass im
grundrechtsrelevanten Bereich, aber auch sonst, alle wesentlichen Fragen vom Parlament
selbst entschieden werden (vgl BVerfGE 57, 295, 320 f; 58, 257, 268 f, 274; 80, 137, 161;
83, 130, 152; 85, 386, 403; 95, 267, 307 f; 98, 218, 251 f; 101, 1, 34; 108, 282, 311 f) . Die
Höhe des parlamentsgesetzlichen Anspruchs auf DBA muss das Parlament selbst
festlegen oder aus dem Gesetz durch Auslegung bestimmbar regeln. Nur soweit - wofür
nichts erkennbar ist - ihm dies nicht möglich wäre, kann es zum Erlass einer
Rechtsverordnung ermächtigen; dies ist hier nicht geschehen. Der Parlamentsvorbehalt
schreibt nicht nur vor, dass überhaupt eine gesetzliche Grundlage bestehen muss, sondern
auch, dass das Gesetz den Parlamentswillen ausreichend bestimmt verlautbart.
54 Das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot verlangt nach der
Rechtsprechung des BVerfG vom Gesetzgeber, dass er den Grundsatz der Normenklarheit
beachtet. Gesetzliche Regelungen müssen so genau gefasst sein, wie dies nach der
Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich
ist. Der Betroffene muss seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret
erkennen können, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag. Auch bei der
Gewährung von Leistungen müssen die Normen in ihrem Inhalt entsprechend ihrer
Zwecksetzung für die Betroffenen klar und nachvollziehbar sowie in ihrer Ausgestaltung
widerspruchsfrei sein. Normen unterschiedlicher Regelungsbereiche müssen auch in ihrem
Zusammenwirken dem Grundsatz der Normenklarheit entsprechen.
55 Die Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Norm dienen auch dazu, die
Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen.
Dazu gehört, dass hinreichend klare (gesetzliche) Maßstäbe bereitgestellt werden. Dem
Gesetz kommt im Hinblick auf den Handlungsspielraum der Exekutive eine begrenzende
Funktion zu, die rechtmäßiges Handeln des Staates sichern und dadurch auch die Freiheit
der Bürger vor staatlichem Missbrauch schützen soll.
56 Schließlich dienen die Normenbestimmtheit und Normenklarheit dazu, die Gerichte in die
Lage zu versetzen, die Verwaltung anhand rechtlicher Maßstäbe zu kontrollieren (zum
Ganzen stellvertr BVerfGE 108, 1, 20; 108, 52, 75; 110, 33, 53 ff mwN; dazu auch: BFH,
Vorlagebeschluss vom 6.9.2006, DB 2006, 2439 = BB 2006, 2506).
57 Verweisungen in einem Gesetz auf andere bestehende staatliche Rechtsnormen sind
grundsätzlich möglich. Die Verweisungsnorm muss allerdings klar erkennen lassen,
welche ihrerseits hinreichend bestimmten Vorschriften gelten sollen. Der Bürger als
Normadressat muss also ohne Zuhilfenahme spezieller Kenntnisse die in Bezug
genommenen Regelungen und deren Inhalte mit hinreichender Sicherheit feststellen
können (hierzu BVerfGE 26, 338, 367 f; 47, 285, 311; 92, 191, 197) . Erreicht der
Gesetzgeber die Festlegung des Normeninhalts nur mit Hilfe über mehrere Ebenen
gestaffelter Verweisungsketten, leidet die praktische Erkennbarkeit der maßgebenden
Rechtsgrundlage. Ist es auf Grund der Verweisungstechnik allenfalls Experten möglich,
sämtliche materiellen Voraussetzungen mit vertretbarem Aufwand zu erkennen, spricht dies
gegen die Beachtung des Grundsatzes der Klarheit einer Norm, die sich auf die Rechte der
Bürger auswirkt (vgl BVerfGE 110, 33, 63 f) . Ein solcher Fall liegt hier vor.
58 7. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Normenklarheit wird nach
Überzeugung des erkennenden Senats die Verweisungskette in § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG
idF des Art 6 Nr 3 Buchst a SER/DbAG-ÄndG iVm § 84a Abs 1 BVG idF des Art 1
SER/DbAG-ÄndG iVm EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst a Abs 1 Satz 1 (Regelung 4) und
Abs 2 sowie iVm § 68 Abs 3 SGB VI nicht gerecht. Ein juristisch unkundiger Normadressat
vermag ohne Zuhilfenahme spezieller Kenntnisse die in § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG iVm § 84a
Satz 1 BVG jeweils idF des SER/DbAG-ÄndG in Bezug genommenen Regelungen und
deren Inhalte nicht mit hinreichender Sicherheit zu bestimmen. Auch dem erkennenden
Senat ist es unter dem Gesichtspunkt der Justiziabilität nicht möglich, mit Hilfe
herkömmlicher juristischer Auslegungsmethoden zu kontrollieren, ob die von der Beklagten
für Bezugszeiten ab 1.1.1999 festgesetzten Werte des Rechts des Klägers auf DBA vom
Gesetz vorgegebenen rechtlichen Maßstäben entsprechen, weil diese im Gesetz selbst
nicht festgesetzt sind.
59 8. Zur Rechtslage vom 1.1.1999 bis zum 31.12.2000
60 Der Senat kann anhand des durch den Klammerzusatz der Maßgabe in Bezug
genommenen § 68 Abs 3 SGB VI durch Auslegung schon den Begriff der verfügbaren
Standardrente (im alten Bundesgebiet) für Bezugszeiten vom 1.1.1999 bis 31.12.2000 und
auch die in den Nenner einzusetzenden Werte nicht abschließend bestimmen. Im Rahmen
der dynamischen Rechtsfolgenverweisung ist aus seiner Sicht zwar vorzugswürdig, von
den drei seit 1.1.1992 geltenden Fassungen des § 68 Abs 3 SGB VI für Bezugszeiten ab
1.1.1999 die Definition in der ab 1.1.1997 gültigen Fassung (Art 3 Nr 1 des 3. SGB V-
Änderungsgesetzes <3. SGB V-ÄndG> vom 10.5.1995 ) zu Grunde zu legen.
Aus dem Gesetz ist dies aber nicht hinreichend klar herzuleiten.
61 a) Nach der dritten Fassung des § 68 Abs 3 SGB VI ergibt sich die verfügbare
Standardrente,
"indem die Bruttostandardrente
Regelaltersrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten mit 45
Entgeltpunkten
-
EP>
um
den
durchschnittlichen
Beitragsanteil
zur
Krankenversicherung im Sinne des § 106 Abs 2 , den Beitragsanteil zur
Pflegeversicherung und die ohne Berücksichtigung weiterer Einkünfte durchschnittlich
auf sie entfallenden Steuern gemindert wird."
62 Ob dies dem 2006 erlassenen Gesetz aber entspricht, ist nicht sicher festzustellen, weil das
Gesetz nicht klar bestimmt, welche Fassung des § 68 Abs 3 SGB VI maßgeblich sein soll.
Die 2006 in Bezug genommene Maßgabe des EinigVtr stellte auf die 1989 beschlossene
und von 1992 bis zum 31.12.1994 gültig gewesene Fassung ab. Danach ergab sich die
verfügbare Standardrente,
"indem die Bruttostandardrente um den Beitragsanteil zur Krankenversicherung der
Rentner und die ohne Berücksichtigung weiterer Einkünfte durchschnittlich auf sie
entfallenden Steuern gemindert wird."
63 Es liegt auf der Hand, dass sich schon rechtlich ua wegen des Unterschiedes beim Pflege-
und Krankenversicherungsbeitrag ein anderer Nenner des Bruches als bei der dritten
Fassung der Vorschrift ergibt.
64 Beim Beschluss des DbAG 1996 galt hingegen die zweite Fassung des § 68 Abs 3 SGB VI,
die vom 1.1.1995 bis zum 31.12.1996, also bis zum Inkrafttreten des DbAG wirksam war.
Danach ergab sich die verfügbare Standardrente (West),
"indem die Bruttostandardrente um den Beitragsanteil zur Krankenversicherung der
Rentner, zur Pflegeversicherung und die ohne Berücksichtigung weiterer Einkünfte
durchschnittlich auf sie entfallenden Steuern gemindert wird."
65 Auch hier ist augenfällig, dass ein anderer rechtlicher Inhalt (mit anderem Nenner) als bei
der ersten und dritten Fassung normiert ist.
66 Dem Gesetzgeber, also dem Parlament, mussten 2006 diese verschiedenen Fassungen
bekannt sein. Dennoch hat er im Gesetzestext trotz der Neufassung der Verweisungskette
im Übrigen nur den Text der Maßgabe des EinigVtr unverändert gelassen und nicht erklärt,
§ 68 Abs 3 SGB VI solle, jedenfalls solange er die "verfügbare Standardrente West"
überhaupt geregelt hatte (bis Ende 2000), in seiner jeweiligen Fassung maßgeblich sein.
Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass insoweit eine bloß statische Verweisung auf
die erste Fassung des § 68 Abs 3 SGB VI erfolgt ist. Andererseits konnte 2006 gesehen
werden, dass die Kürzungspraxis der Verwaltung, die rückwirkend ins Recht gesetzt
werden sollte, sich im Ansatz an den bis Ende 2000 erfolgten inhaltlichen Änderungen des
§ 68 Abs 3 SGB VI orientiert hatte. Durch eine Auslegung der Vorschrift, welche die Grenze
zur Unterlegung oder Einlegung nicht überschreiten würde, ist die Frage nach der
anzuwendenden Gesetzesfassung nicht zu klären. Erst recht kann kein Bürger aus der
Weiterverweisung auf § 68 Abs 3 SGB VI das für ihn maßgebliche Recht erkennen, nicht
einmal, wenn er Spezialkunde zur Hilfe nimmt. Er kann nur der Verwaltung glauben, dass
sie es schon "richtig" macht.
67 Deshalb unterstellt der Senat mangels ausreichender Anhaltspunkte im Gesetz, dass die
dritte Fassung des § 68 Abs 3 SGB VI, die beim Inkrafttreten des DbAG am 1.1.1997
ebenfalls in Kraft trat und bis zum 31.12.2000 galt, dem Gesamtanliegen der nachträglichen
Rechtfertigung der erst ab dem 1.1.1997 möglichen und erfolgten Kürzungspraxis beim
damals erst eingeführten DBA eher entspricht als die im Gesetz ausgesprochene
Verweisung auf den Inhalt des EinigVtr.
68 b) Aber auch dann kann der Nenner des Bruchs, der Wert der verfügbaren Standardrente
West, dem Gesetz nicht entnommen werden.
69 Der Normadressat müsste 45 EP mit dem aktuellen Rentenwert (gemäß den
Rentenanpassungsverordnungen ab dem 1.1.1999 47,65 DM, ab dem 1.7.1999 48,29 DM
und ab dem 1.7.2000 48,58 DM) multiplizieren und von dem sich aus diesem Produkt
ergebenden monatlichen Geldwert der Bruttostandardrente (ab dem 1.1.1999 2.144,25 DM,
ab dem 1.7.1999 2.173,05 DM und ab dem 1.7.2000 2.186,10 DM)
-
den durchschnittlichen Beitragsanteil zur Krankenversicherung iS des § 106 Abs 2
SGB VI (dazu unter <1>),
-
den Beitragsanteil zur Pflegeversicherung (dazu unter <2>) und
-
die ohne Berücksichtigung weiterer Einkünfte durchschnittlich auf die
Bruttostandardrente entfallenden Steuern (dazu unter <3>)
abziehen.
70 (1) Die Weiterverweisung in § 68 Abs 3 SGB VI (1997) inkorporiert den § 106 Abs 2 Satz 1
SGB VI in die Verweisungskette. Diese Vorschrift regelte in direkter Anwendung den
Beitragszuschuss zur freiwilligen oder privaten Krankenversicherung für nicht in der
Krankenversicherung der Rentner pflichtversicherte Rentenbezieher. Die Weiterverweisung
erfolgte auf deren ab 1.1.1997 geltende Fassung durch Art 3 Nr 3 des 3. SGB V-ÄndG.
Danach wird der Zuschuss
"in Höhe des halben Betrages geleistet, der sich aus der Anwendung des
durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen auf den Zahlbetrag
der Rente ergibt. Maßgebend ist der durchschnittliche allgemeine Beitragssatz der
Krankenkassen, den das Bundesministerium für Gesundheit jeweils zum 1. Januar
eines Jahres einheitlich für das Bundesgebiet feststellt."
71 Dieser Zuschussbetrag gilt vom 1.7. eines Jahres bis zum 30.6. des nächsten Jahres. Er
entspricht im Rahmen des § 68 Abs 3 SGB VI dem durchschnittlichen Beitragsanteil des
"Standardrentners" zur Krankenversicherung, nämlich der Hälfte des Betrags, der sich aus
der Anwendung des durchschnittlichen allgemeinen und einheitlich für das Bundesgebiet
festgestellten Beitragssatzes der Krankenkassen auf den Zahlbetrag der Rente (hier:
Bruttostandardrente = 45 EP x aktuellem Rentenwert) ergibt.
72 Jedoch legt § 106 Abs 2 SGB VI nicht einmal andeutungsweise den Bezugszeitraum fest,
der die Grundlage für die Ermittlung des durchschnittlichen Beitrags sein soll. Diese
notwendige Berechnungsgrundlage ergibt sich auch nicht aus § 241 Fünftes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Berücksichtigung dieser Norm (und anderer Vorschriften
des SGB V ) setzte allerdings voraus, dass man die
Benutzung des Ausdrucks "allgemeiner Beitragssatz der Krankenkassen" in § 106 SGB VI
für eine hinreichend bestimmte Weiterverweisung auf diese Norm halten dürfte. Eine
derartige unbenannte Weiterverweisung schließt aber den Bürger ohne Spezialkenntnisse
davon aus, die vom Gesetz intendierte Normenkette aus dem Gesetz zu erkennen. Die für
den Beitragsanteil entscheidenden Berechnungsgrößen sind somit aus § 106 Abs 2 SGB
VI selbst nicht feststellbar.
73 Dieses Regelungsdefizit wurde auch nicht durch die ebenfalls als "Wissensmitteilung"
ausgestaltete jährliche Feststellung des allgemeinen Beitragssatzes durch das
Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ausgeglichen, weil auch sie keine normative
Bedeutung hat, insbesondere keine Rechtsverordnung ist.
74 Diese Weiterverweisung auf ministerielle Feststellungen leidet für die mit § 2 DbAG nF
beginnende Verweisungskette noch unter weiteren Mängeln.
75 Obwohl das Gesetz mit Wirkung vom 1.1.1997 jeweils zum 1.1. eines Jahres ausdrücklich
eine für das Bundesgebiet einheitliche Feststellung des durchschnittlichen allgemeinen
Beitragssatzes der Krankenkasse fordert, finden sich im BAnz in den jeweils vom BMG
veröffentlichten "Bekanntmachungen des durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatzes
der gesetzlichen Krankenversicherung und des für versicherungspflichtige Studenten und
Praktikanten maßgebenden Beitragssatzes" zu den Stichtagen 1.1.1998, 1.1.1999 und
1.1.2000 (BAnz 1998, 5932; 1999, 6142; 2000, 8014) keine für das Bundesgebiet
einheitlich festgestellten allgemeinen Beitragssätze, sondern - wie schon zuvor -
unterschiedlich festgestellte Beitragssätze der Krankenkassen-West und der
Krankenkassen-Ost. Als Rechtsgrundlage wird zudem nicht § 106 Abs 2 Satz 2 SGB VI,
sondern § 245 SGB V (Beitragssatz für Studenten und Praktikanten) iVm § 308 Abs 3 Satz
3 (Ost-Berlin als Teil des Landes Berlin) und § 313 Abs 1 SGB V (besonderer Beitragssatz
für das Beitrittsgebiet) genannt. Danach betrugen die durchschnittlichen allgemeinen
Beitragssätze zum 1.1.1998: Krankenkassen-West 13,6 vH, Krankenkassen-Ost 14,0 vH;
zum 1.1.1999: Krankenkassen-West 13,5 vH, Krankenkassen-Ost 13,9 vH; zum 1.1.2000:
Krankenkassen-West 13,5 vH , Krankenkassen-Ost 13,8 vH. Hierauf kann der in § 106 SGB
VI sein Recht suchende Bürger durch kein Bundesgesetzblatt und durch keine
Gesetzesauslegung stoßen.
76 Erstmals zum Stichtag 1.1.2001 hat das BMG unter Bezugnahme auf § 245 SGB V, auf den
§ 106 Abs 2 Satz 2 SGB VI allerdings nicht weiterverwiesen hatte , einen für das
Bundesgebiet einheitlichen durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz von 13,5 vH
bekannt gegeben (BAnz 2001, 3374) .
77 Trotz fehlender Verweisung und trotz des genannten materiell-rechtlichen
Regelungsdefizits wurden in der Literatur und von Instanzgerichten die in den
vorgenannten Feststellungen des BMG angegebenen "bundesunterschiedlichen"
durchschnittlichen regional-allgemeinen Beitragssätze für die Krankenkassen-West und die
Krankenkassen-Ost auch als maßgebend iS von § 106 Abs 2 Satz 2 SGB VI angesehen
(vgl etwa Kreikebohm, SGB VI, 2. Aufl, § 106 RdNr 11; VerbandsKomm, § 106 SGB VI
RdNr 10 und Anlage; LSG Berlin Urteil vom 13.6.2003 - L 5 RA 61/02, veröffentlicht in Juris
RdNr 20) . Dürfte man - entgegen § 68 Abs 3 SGB VI iVm § 106 Abs 2 SGB VI - diese
unterschiedlichen Beitragssätze auch im Rahmen der Verweisungskette des § 2 DbAG zu
Grunde legen, dann hätte der halbe Betrag, der sich aus der Anwendung der Beitragssätze
der Krankenkassen-West auf den "Zahlbetrag der (fiktiven) Bruttostandardrente (West)"
ergibt, ab 1.1.1999 145,81 DM (13,6 vH von 2.144,25 DM x 0,5), ab 1.7.1999 146,68 DM
(13,5 vH von 2.173,05 DM x 0,5) und ab 1.7.2000 147,56 DM (13,5 vH von 2.186,10 DM x
0,5) betragen. Diese Beträge sind jedoch nicht die bundeseinheitlichen Werte, die das
Gesetz fordert, die aber durch die gesetzliche Verweisungskette weder bestimmt noch
durch Auslegung bestimmbar festgelegt worden und wegen der "unbenannten
Verweisungen" für den Bürger aus dem Gesetz nicht erkennbar sind. Das Gesetz hätte
2006 unschwer auf die aus seiner Sicht maßgeblichen Vorschriften des SGB V verweisen
können.
78 (2) Auch hinsichtlich des von der Bruttostandardrente abzuziehenden "Beitragsanteils zur
Pflegeversicherung" enthält § 68 Abs 3 SGB VI eine unbenannte Weiterverweisung auf die
"Pflegeversicherung", sogar ohne auch nur das Elfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) oder
die private Pflegeversicherung zu erwähnen. Daher kann der Bürger aus der
Verweisungskette selbst nicht erkennen, aus welchem Gesetz und welchen Vorschriften
sich die Höhe dieses Betrags ergibt. Der Ausdruck "Beitragsanteil zur Pflegeversicherung"
ist auch kein Rechtsbegriff, dessen wesentlicher rechtlicher Inhalt bezüglich der Höhe des
Anteils allgemeinkundig ist.
79 Der Senat hält diese unbenannte Weiterverweisung auch deshalb für nicht ausreichend
bestimmt, weil DBA-Berechtigte aus dem gesetzlichen Ausdruck "Beitragsanteil zur
Pflegeversicherung" ohne Spezialkunde nicht sicher erkennen können, welcher Beitrag in
welcher Höhe gemeint sein soll. Denn DBA-Berechtigte können mit unterschiedlichen
"Beitragsanteilen zur Pflegeversicherung" belastet sein. Sie sind nicht stets Rentner der
gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) noch notwendig in der sozialen
Pflegeversicherung versichert.
80 Lässt man dennoch diese unbenannte Weiterverweisung gelten, kann man dem Ausdruck
"Beitragsanteil zur Pflegeversicherung" im Zusammenhang mit dem originären
Anwendungsbereich des § 68 Abs 3 SGB VI (dritte Fassung), auf den die Maßgabe des
EinigVtr nach der oben vorgenommenen Unterstellung verweist, die Bedeutung unterlegen,
dass es sich um den jeweiligen Beitragsanteil handeln soll, den ein Rentner der GRV als
pflichtversichertes Mitglied eines Trägers der sozialen Pflegeversicherung nach den §§ 54
bis 60 SGB XI zu tragen (und zu zahlen) hat.
81 Unter diesen Voraussetzungen ist es möglich, unter Anwendung von Spezialkunde die
gesetzlichen Vorgaben für die Festsetzung des Beitragsanteils eines "Standardrentners"
zur Pflegeversicherung zu bestimmen.
82 Dieser Anteil ergibt sich gemäß § 54 Abs 2 Satz 1 SGB XI aus einem Vomhundertsatz
(Beitragssatz) der beitragspflichtigen Einnahmen. Der Beitragssatz ist durch Gesetz seit
1.7.1996 bundeseinheitlich auf 1,7 vH festgesetzt (§ 55 Abs 1 Satz 1 SGB XI) . Hiervon
hatte der versicherungspflichtige Rentner bis zum 31.3.2004 die Hälfte, also 0,85 vH, zu
tragen und zu zahlen (§ 60 Abs 1 Satz 1 iVm § 59 Abs 1 Satz 1 SGB XI idF des
Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24.3.1997 und § 249a SGB V idF
des RRG 1992 vom 18.12.1989 ). Beitragspflichtige Einnahme war bei
versicherungspflichtigen Rentnern gemäß § 57 Abs 1 SGB XI iVm § 237 Nr 1 SGB V der
Zahlbetrag der Rente der GRV. "Standardrentner" hätten demnach im Zeitraum 1.1.1999
bis 31.12.2000 als Beitragsanteil zur Pflegeversicherung 0,85 vH der Bruttostandardrente
zu zahlen gehabt, also ab 1.1.1999 18,23 DM (0,85 vH von 2.144,25 DM), ab dem 1.7.1999
18,47 DM (0,85 vH von 2.173,05 DM) und ab dem 1.7.2000 18,58 DM (0,85 vH von
2.186,10 DM).
83 Das Gesetz hätte 2006 unschwer auf die aus seiner Sicht maßgeblichen Bestimmungen
des SGB XI weiterverweisen können.
84 (3) § 68 Abs 3 Satz 4 SGB VI sah - wie ausgeführt - vor, dass von der Bruttostandardrente
West auch "die ohne Berücksichtigung weiterer Einkünfte durchschnittlich auf sie
entfallenden Steuern" abzuziehen sind. Auch dies hält der Senat für eine völlig
unbestimmte und deshalb ungültige unbenannte Weiterverweisung. Es gibt keinen
Anhaltspunkt dafür, auf welche steuerrechtlichen Vorschriften weiterverwiesen werden soll.
Einen allgemeinkundigen Rechtsbegriff der durchschnittlich auf die Bruttostandardrente
entfallenden Steuern gibt es nicht, erst recht keine gesetzliche Definition. Es ist deshalb
unklar, welche steuerrechtlichen Vorschriften maßgeblich sein und wie der Bürger sie aus
der Verweisungskette erkennen können soll. Was mit "durchschnittlich auf sie entfallenden
Steuern" gemeint sein könnte, bleibt schon deshalb unklar, weil - steuerrechtliche
Spezialkunde der DBA-Berechtigten unterstellt - § 32a des Einkommensteuergesetzes
(EStG) einen von individuellen Vorgaben abhängigen konkreten Steuersatz festlegt und
keine Rechtsnorm ersichtlich ist, die den "Durchschnitt" anfallender Steuern regelt oder zu
dessen Festsetzung durch eine Rechtsverordnung ermächtigt.
85 Zu einer genauen gesetzlichen Bestimmung der Normen des Steuerrechts, welche der
Bundesminister für die Bekanntmachung des "Umrechnungsfaktors" anwenden muss, hätte
im Juni 2006 gerade auch deshalb Grund bestanden, weil sogar den Vorschriften des EStG
nicht ohne weiteres zu entnehmen ist, dass überhaupt Steuern auf die "Standardrente
West" entfallen.
86 Aus den in dieser unbenannten Weiterverweisung nicht benannten Vorschriften des EStG
lässt sich eher die Vermutung begründen, dass Steuern auf die Standardrente damals
(Bezugszeiten vom 1.1.1999 bis 31.12.2000) nicht anfielen. Zwar unterlagen damals nach §
2 Abs 1 Satz 1 Nr 7 EStG auch "sonstige Einkünfte im Sinne des § 22" der
Einkommensteuer, wozu auch Leibrenten und damit auch Renten aus der GRV (hierzu
etwa BFHE 165, 225, 237) insoweit gehörten, als in den einzelnen Bezügen Einkünfte aus
Erträgen des Rentenrechts enthalten waren (§ 22 Nr 1 Satz 3 Buchst a Satz 1 EStG) . Der
Ertragsanteil betrug bei Renten, die - wie die Regelaltersrente - mit Vollendung des 65.
Lebensjahres begannen, 27 vH (§ 22 Nr 1 Satz 3 Buchst a Satz 3 EStG) . Dies hätte "ohne
Berücksichtigung weiterer Einkünfte" folgende sonstige Einkünfte ergeben:
1999: (6 x 2.144,25 DM + 6 x 2.173,05 DM) x 27 vH = 6.994,03 DM
2000: (6 x 2.173,05 DM + 6 x 2.186,10 DM) x 27 vH = 7.061,82 DM
Dieser Betrag von ca 7.000 DM hätte jedoch deutlich unter dem damals geltenden
Grundfreibetrag von 13.067 DM (§ 32a Abs 1 Satz 2 Nr 1 EStG) gelegen, sodass insoweit
kein zu versteuerndes Einkommen angefallen wäre.
87 Gleichwohl hatte der Gesetzgeber, der dies kennen musste, im Jahre 2006 durch
Weiterverweisung in § 68 Abs 3 SGB VI für die Bezugszeiten bis zum 31.12.2000
angeordnet, die durchschnittlich auf die Standardrente anfallenden Steuern abzuziehen.
Kein Bürger findet im Gesetz einen Hinweis, was der Gesetzgeber dabei vor Augen gehabt
haben könnte. Jedoch hätte das Gesetz 2006 unschwer auf die aus seiner Sicht
maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften weiterverweisen können.
88 9. Zur Rechtslage ab 1.1.2001
89 Für Bezugszeiten seit dem 1.1.2001 gibt es in § 68 Abs 3 SGB VI, mit dem die
Verweisungskette des § 2 Abs 1 DbAG endet, keine gesetzliche Regelung der verfügbaren
Standardrente mehr. Dort ist seither anderes geregelt.
90 a) Der 14. Deutsche Bundestag hat durch Art 1 Nr 16 des
Altersvermögensergänzungsgesetzes (AVmEG) vom 21.3.2001 (BGBl I 403) mit Wirkung
vom 1.1.2001 (Art 12 Abs 3 AVmEG) den aktuellen Rentenwert in § 68 SGB VI neu definiert
und dabei diese Vorschrift insgesamt neu gefasst, ohne darin die verfügbare Standardrente
zu definieren. Die in EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst a Abs 1 Satz 1 (Regelung 4) in Bezug
genommene Definition der verfügbaren Standardrente in § 68 Abs 3 SGB VI bisheriger
Fassung ist demnach seit 1.1.2001 kein gültiges Recht mehr. Die in § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG
idF des Art 6 Nr 3 Buchst a SER/DbAG-ÄndG vom 19.6.2006 enthaltene Verweisungskette
war damit bereits zum Jahresende 2000 abgebrochen.
91 Zwar hat das AVmEG vom 21.3.2001 die verfügbare Standardrente in § 154 Abs 3 Satz 1
Nr 2 Halbsatz 2 SGB VI neu und anders definiert (Art 1 Nr 36 AVmEG) . Diese Vorschrift ist
jedoch anders als die Neufassung des § 68 SGB VI erst am 1.1.2002 in Kraft getreten (Art
12 Abs 1 AVmEG) , denn es sollte nur das Inkrafttreten der Regelungen zur Anpassung auf
das Jahr 2001 vorgezogen werden (vgl auch BR-Drucks 764/00 S 186; BT-Drucks 14/4595
S 81 zum Altersvermögensgesetz) .
92 Daher gab es im Jahr 2001 überhaupt keine rechtsgültige gesetzliche Definition der
"verfügbaren Standardrente", die der Bundesminister seiner Bekanntmachung hätte zu
Grunde legen müssen. Eine lückenfüllende belastende analoge Anwendung des "alten" §
68 Abs 3 SGB VI durch Verwaltung und Rechtsprechung wäre - abgesehen vom
Widerspruch zum Parlamentsvorbehalt - schon deshalb ausgeschlossen, weil diese
Vorschrift zu unbestimmt und nicht justiziabel war, also gerade nicht bestimmte, was der
Bundesminister bekanntzumachen hatte.
93 b) Aber auch für Bezugszeiten ab 1.1.2002 fehlt es an einer hinreichend bestimmten
Regelung über die verfügbare Standardrente.
94 Es ist, zumal im Anwendungsbereich des Parlamentsvorbehalts, nach den anerkannten
juristischen Auslegungsmethoden nicht möglich, entgegen der ausdrücklichen und im Juni
2006 bekräftigten gesetzlichen Weiterverweisung allein auf § 68 Abs 3 SGBVI in EinigVtr
Abschnitt III Nr 1 Buchst a Abs 1 Satz 1 (Regelung 4) so zu tun, als habe der Gesetzgeber
2006 auf die ab 1.1.2002 in § 154 Abs 3 Satz 1 Nr 2 Halbsatz 2 SGB VI idF des Art 1 Nr 36
AVmEG enthaltene neue Definition der verfügbaren Standardrente weiterverwiesen. Dem
steht auch schon entgegen, dass § 154 Abs 3 SGB VI mit Wirkung ab 1.1.2005 (BGBl I
2004, 1791, 3242) erneut geändert und eine andere Definition der "verfügbaren
Standardrente" eingeführt wurde, die den materiellen Rechtsänderungen angepasst war
("ohne Berücksichtigung der auf sie entfallenden Steuern"; "Beitrag zur
Pflegeversicherung"). Auf beide Regelungen hat die in § 2 Abs 1 DbAG beginnende
Verweisungskette nicht weiterverwiesen. Es lägen dann leicht vermeidbar gewesene
unbenannte Weiterverweisungen gegen den Gesetzestext vor.
95 Fehlen aber hinreichend konkrete Weiterverweisungen, kann kein Normadressat ohne
spezielle Kenntnisse auch nur erahnen, in welchen Gesetzesbestimmungen er
möglicherweise nachsehen muss. Selbst wenn er möglicherweise einschlägig
erscheinende Vorschriften findet, kann er nicht beurteilen, ob diese wirklich maßgeblich
sein sollen, obwohl im Gesetz selbst andere Vorschriften angegeben sind. Dies gilt seit
2001 nicht nur für die beiden Fassungen des in der Maßgabe des EinigVtr nicht genannten
§ 154 Abs 3 Satz 1 Nr 2 Halbsatz 2 SGB VI als Definition der verfügbaren Standardrente,
sondern auch für den dort gleichfalls nicht angeführten § 106 Abs 2 SGB VI (bzw ab
1.1.2004 § 106 Abs 3 SGB VI, auf den nur § 68 Abs 3 SGB VI dritte Fassung) bis Ende
2000 bezüglich des durchschnittlichen allgemeinen Beitragsanteils zur
Krankenversicherung weiterverwiesen hatte.
96 Weder ein DBA-Berechtigter noch der Senat vermag aus der Verweisungskette die
genauen gesetzlichen Vorgaben für das Handeln des Bundesministers und der Beklagten,
darüber hinaus auch nicht die jeweils maßgebenden Bezugszeiträume und die
Veränderungszeitpunkte für die drei Abzüge von der Bruttostandardrente zu erkennen. Es
ist also aus dem Gesetz auch nicht bestimmbar, welchen konkreten monatlichen Geldwert
das Recht auf DBA ab 1.1.2001 hat.
97 aa) Durch § 154 Abs 3 Satz 1 Nr 2 Halbsatz 2 SGB VI idF des Art 1 Nr 36 AVmEG wurde
die Definition der verfügbaren Standardrente mit Wirkung zum 1.1.2002 (Art 12 Abs 1
AVmEG) wie folgt neu gefasst:
"... verfügbare Standardrente ist die Regelaltersrente aus der Rentenversicherung der
Arbeiter und Angestellten mit 45 Entgeltpunkten, gemindert um den durchschnittlichen
Beitragsanteil zur Krankenversicherung, den Beitragsanteil zur sozialen
Pflegeversicherung und die ohne Berücksichtigung weiterer Einkünfte durchschnittlich
auf sie entfallenden Steuern."
98 Die von § 2 Abs 1 DbAG begonnene Verweisungskette verweist nicht weiter auf § 154 Abs
3 SGB VI, der auch in einem völlig anderen systematischen Zusammenhang
(Rentenversicherungsbericht und Sozialbeirat) steht als § 68 Abs 3 SGB VI (Rentenformel;
aktueller Rentenwert West). § 154 Abs 3 SGB VI verweist auch nicht auf § 106 SGB VI. Für
den Rentenversicherungsbericht kommt es jetzt auch nicht mehr auf den durchschnittlichen
Beitragsanteil als durchschnittlichen "allgemeinen" Beitragssatz an, sondern nur noch auf
den "durchschnittlichen Beitragsanteil zur Krankenversicherung". Es wird nicht gesagt,
welcher "durchschnittliche" Beitragssatz, also welcher Durchschnitt aus welchen
Beitragssätzen, maßgeblich sein soll (zB derjenige aus dem Beitragssatz der
Krankenversicherung der Rentner, aus den allgemeinen Beitragssätzen, des ermäßigten
Beitragssatzes oder der Durchschnitt aus allen Beitragssätzen?). Durch den Wegfall der
"Weiterverweisung" auf § 106 SGB VI ergibt sich auch insoweit eine Inhaltsänderung, die
im Übrigen aus der Entstehungsgeschichte nicht erklärbar zu sein scheint.
99 bb) Zwar hat auch nach dieser Vorschrift, wenn ihr Anwendbarkeit unterstellt wird, der
Normadressat 45 EP mit dem aktuellen Rentenwert West (gemäß den
Rentenanpassungsverordnungen ab dem 1.1.2002 25,31 EUR, ab dem 1.7.2002 25,86
EUR und ab dem 1.7.2003 26,13 EUR) zu multiplizieren und von dem sich aus diesem
Produkt ergebenden monatlichen Geldwert der Bruttostandardrente (ab 1.1.2002: 1.139,13
EUR; ab 1.7.2002: 1.163,70 EUR; ab 1.7.2003: 1.175,85 EUR) den - wie gesagt - nicht
hinreichend bestimmt festgelegten "durchschnittlichen Beitragsanteil zur
Krankenversicherung", den "Beitragsanteil zur sozialen Pflegeversicherung" (dazu oben)
und "die ohne Berücksichtigung weiterer Einkünfte durchschnittlich auf die
Bruttostandardrente entfallenden Steuern" (dazu oben) abzuziehen.
100 Aus der hier nur entgegen dem Gesetzestext unterstellten, also rein fiktiven (Weiter-
)Verweisung der Maßgabe des EinigVtr auf § 154 Abs 3 SGB VI ist für den Normadressaten
jedoch nicht erkennbar, aus welcher Norm sich der jeweils maßgebende durchschnittliche
Beitragsanteil zur Krankenversicherung ergibt.
101 Ab 1.1.2002 war dieser in mehreren Vorschriften angesprochen. § 245 SGB V, der den
Beitragssatz für Studenten und Praktikanten regelte, knüpfte in Abs 1 an den
durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz der Krankenkassen an, den das BMG jeweils
zum 1.1., ab 2004 zum 1.3. eines Jahres feststellte. Sieben Zehntel dieses Beitragssatzes
galten vom Beginn des der Feststellung folgenden Wintersemesters als Beitragssatz für
Studenten und Praktikanten. Daneben galt § 106 Abs 2 SGB VI (ab 1.1.2004 in § 106 Abs 3
SGB VI geregelt) inhaltlich unverändert fort, wonach sich der Geldwert des monatlichen
Zuschusses zur Krankenversicherung für nicht in der Krankenversicherung der Rentner
pflichtversicherte Rentenbezieher nach der Höhe des halben Betrags richtete, "der sich aus
der Anwendung des durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen auf
den Zahlbetrag der Rente" ergab (Satz 1). Die vom BMG im BAnz veröffentlichten
Bekanntmachungen, die die Feststellungen des jeweiligen durchschnittlichen allgemeinen
Beitragssatzes der gesetzlichen Krankenversicherung zu den Stichtagen 1.1.2001 (13,5
vH, BAnz 2001, 3374) , 1.1.2002 (14,0 vH, BAnz 2002, 9682) und 1.1.2003 (14,3 vH, BAnz
2003, 9486) enthielten, nennen jedoch als Rechtsgrundlage nicht § 106 Abs 2 Satz 2 SGB
VI, sondern lediglich § 245 SGB V.
102 cc) Weder das Gericht noch der Normadressat können demnach anhand der gesetzlichen
Regelungen in EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst a Abs 1 Satz 1 (Regelung 4) erkennen,
dass die Definition der verfügbaren Standardrente ab 1.1.2002 dem nicht benannten § 154
Abs 3 Satz 1 Nr 2 Halbsatz 2 SGB VI zu entnehmen sein soll. Erst recht ist in der
Verweisungskette nicht geregelt, dass ua als durchschnittlicher Beitragsanteil zur
Krankenversicherung nach dem ebenfalls nicht benannten § 106 Abs 2 SGB VI (bzw ab
1.1.2004 § 106 Abs 3 SGB VI) die Hälfte des Betrags zu Grunde zu legen sein soll, der sich
aus dem Produkt der Bruttostandardrente ("Zahlbetrag der Standardrente" = 45 EP x
aktueller Rentenwert) und dem vom BMG unter Bezugnahme auf § 245 SGB V im BAnz
jeweils zum 1.1. eines Jahres bekannt gegebenen "durchschnittlichen allgemeinen
Beitragssatzes der gesetzlichen Krankenversicherung" ergibt, der dann vom 1.7. des
jeweiligen Kalenderjahres bis zum 30.6. des folgenden Kalenderjahres anzusetzen wäre.
All dies kann nicht durch Auslegung der im Juni 2006 bekräftigten Maßgabe des EinigVtr
erkannt werden.
103 10. Die Maßgabe im EinigVtr, auf die § 2 DbAG nF iVm § 84a BVG nF verweist, enthält
keine Regelung des Zählers des in ihr genannten Bruches.
104 Die "verfügbare Standardrente Ost" wird weder in diesem Gesetzestext noch in einem
anderen definiert. Soweit in der Maßgabe auf § 68 Abs 3 SGB VI und damit auf die
"verfügbare Standardrente West" weiterverwiesen wird, treffen die dargestellten
Erwägungen auch auf sie zu. Erkennbar ist nur, dass die niedrigere Bruttostandardrente Ost
(aus 45 EP und dem niedrigeren aktuellen Rentenwert ) wie die
Bruttostandardrente West um ungewisse Beiträge zur Krankenversicherung und zur
Pflegeversicherung sowie bis zum 31.12.2004 (?) um ungewisse Steuerbeträge gemindert
werden soll. Es ist auch hier nicht aus dem Gesetz durch Auslegung erkennbar, welche
genauen Beträge jeweils abzuziehen oder wie die maßgeblichen Beträge festzustellen
sind. Hierzu wird auf die Ausführungen zum "Nenner" des Bruchs Bezug genommen. Im
Übrigen gilt dies auch für die veröffentlichten Beträge der verfügbaren Standardrente Ost.
105 11. Die am 22.6.2006 verkündete Neufassung des § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG durch Art 6 Nr 3
Buchst a SER/DbAG-ÄndG vom 19.6.2006 wäre mit dem Gesetzes- und dem
Parlamentsvorbehalt auch unvereinbar, falls sie so verstanden würde, dass mittels der
Verweisung in § 84a Satz 1 BVG idF des Art 1 SER/DbAG-ÄndG auf EinigVtr Abschnitt III
Nr 1 Buchst a Abs 2 ein Bundesminister als Teil der Exekutive ermächtigt würde, den
gesetzlichen Wert des Rechts auf DBA eigenständig zu bestimmen oder (insbesondere
gegenüber der bis dahin ab 1.1.1999 allein in § 31 Abs 1 Satz 1 BVG gesetzlich
ausgestalteten Rechtslage) niedriger festzusetzen und zwar durch bloße Mitteilungen, die
im BAnz zu veröffentlichen sind. Die Bekanntmachung ist aber als reine
"Wissenserklärung" ausgestaltet. Der Bundesminister darf nur den nach den materiell-
rechtlichen Vorgaben "maßgebenden" Vomhundertsatz und Veränderungstermin
bekanntmachen, aber nicht selbst bestimmen, was "maßgebend" sein soll. Dies dürfte er
nur in einer Rechtsverordnung, falls er dazu vom Parlament ermächtigt worden wäre ( Art
80 Abs 1 Satz 2 GG; hierzu stellvertr BVerfGE 101, 1, 31 ff).
106 12. Der EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst a Abs 1 Satz 1 (Regelung 4) lässt ferner nicht den
maßgeblichen Veränderungstermin erkennen.
107 Diese Norm enthält selbst keine inhaltlichen Vorgaben zum Zeitpunkt, ab dem eine
Veränderung in einem der für den Zähler oder den Nenner erheblichen Werte, die zu einem
anderen Quotienten ("Umrechnungsfaktor") führen würde, "maßgebend" würde und
bekanntzumachen wäre. Zwar ist der durch die Vervielfältigung mit dem
Umrechnungsfaktor zu kürzende Wert aus § 31 Abs 1 Satz 1 BVG selbst grundsätzlich
jährlich anzupassen, wie dies in § 56 Abs 2 BVG für die Grundrente und die
Schwerstbeschädigtenzulage (§ 31 Abs 5 BVG) vorgesehen ist. Das Recht auf den DBA
gibt aber einen monatlichen Zahlungsanspruch. Dessen Höhe ergibt sich nach der
Kürzungsformel der Maßgabe des EinigVtr aber dadurch, dass der sich jeweils aus § 31
Abs 1 Satz 1 BVG ergebende Betrag mittels des "maßgebenden Vomhundertsatzes"
gekürzt wird. Der Zeitpunkt der Maßgeblichkeit dieser Größe ergibt sich aber nicht aus § 31
BVG, der dazu nichts sagt. Er ist auch sonst im Gesetz materiell nicht festgelegt. Es gibt
hier nicht einmal eine indirekte "verfahrensrechtliche" Regelung, dass die
Bekanntmachung durch den Bundesminister, falls sie inhaltlich gesetzmäßig ist, zB vom
1.7. eines Jahres bis zum 30.6. des nächsten Jahres maßgeblich sein soll, wodurch
zwischenzeitlich wesentliche materiell-rechtliche Änderungen des "Umrechnungsfaktors"
erst zu diesem Termin "maßgebend" würden.
108 Die bisherigen Bekanntmachungen des Bundesministers können allerdings nicht auf ihre
Gesetzmäßigkeit überprüft werden, weil die gesetzliche Verweisungskette dafür - wie
gesagt - keine bzw keine hinreichend bestimmten Maßstäbe aufstellt.
109 13. Der Senat kann aus diesen Gründen der Unbestimmtheit des Gesetzes nicht
entscheiden, ob die angefochtene Verwaltungsentscheidung gesetzmäßig ist oder ob der
Kläger einen höheren Zahlungsanspruch hat, als ihm bisher zuerkannt wurde. Er kann nicht
nach dem Antrag des Klägers entscheiden, weil das Gesetz seit 2006 deutlich gemacht hat,
es solle rückwirkend ein niedrigerer Betrag zustehen. Er kann nicht nach dem Antrag der
Beklagten entscheiden, weil er nicht erkennen kann, welchen Umrechnungsfaktor der
Bundesminister hätte bekanntmachen müssen und ab wann dieser ggf maßgebend
gewesen wäre.
110 14. Die Unbestimmtheit des Gesetzes kann durch keine, auch keine "erweiternde"
Auslegung behoben werden, soweit ein verwaltungsrechtlicher Gesetzestext noch als
maßgebliche Quelle und Grenze eines Verwaltung und Rechtsprechung bindenden
Gesetzes zu verstehen ist. Für belastende "Analogien" fehlt es ua schon an "planwidrigen"
Gesetzeslücken, weil nicht festgestellt werden kann, dass das Parlament im Juni 2006 die
unbestimmt gebliebenen Themen überhaupt hat regeln wollen und wie es die
verschiedenen Themenbereiche, für die es viele unterschiedliche Lösungen gibt, genau
geregelt hätte. Der Senat sieht deshalb auch keine Möglichkeit zu einer
verfassungskonformen Auslegung.
111 D. Zur vom Kläger geltend gemachten ungerechtfertigten Rückbewirkung von Rechtsfolgen
112 Da der Senat überzeugt ist, dass die Kürzungsformel in der Maßgabe des EinigVtr, die
durch das Gesetz vom 19.6.2006 bekräftigt worden und entscheidungserheblich ist, wegen
Verstoßes gegen die Gebote der Normenklarheit und Justiziabilität verstößt und
verfassungswidrig ist, kommt es für die Vorlage gemäß Art 100 Abs 1 GG derzeit nicht
darauf an, dass er überzeugt ist, dass auch die grundsätzlich vorliegende Rückbewirkung
von Rechtsfolgen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist.
113 1. Nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats des BVerfG (vgl BVerfGE 72, 200, 241 f;
97, 67, 78 f; 109, 133, 181) entfaltet eine Rechtsnorm dann eine Rückbewirkung von
Rechtsfolgen, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs normativ auf einen
Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt der Verkündung liegt, zu dem die Norm
rechtlich existent geworden ist. Grundsätzlich erlaubt die Verfassung nur ein Gesetz,
dessen Rechtsfolgen frühestens mit Verkündung der Norm eintreten. Die Anordnung, eine
Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden
Zeitraum eintreten, ist grundsätzlich unzulässig. Denn niemand kann "in der Vergangenheit
leben" und sein Verhalten rückwirkend gültig gesetzten Rechtsnormen anpassen.
114 2. Es liegt hier kein bloßes "Interpretationsgesetz" vor, das lediglich den Wortlaut eines
früheren Gesetzes klargestellt hätte. Vielmehr ist der Text des § 2 Abs 1 DbAG - wie oben
beschrieben - erheblich umgestaltet und erstmalig eine Verweisung auf den gleichfalls
gegenüber dem EinigVtr stark veränderten § 84a BVG eingefügt worden.
115 3. Eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen liegt vor. Die Neufassungen des § 2 Abs 1 Satz 1
DbAG durch Art 6 Nr 3 Buchst a SER/DbAG-ÄndG und § 84a Satz 1 BVG durch Art 01 und
Art 1 SER/DbAG-ÄndG sind am 22.6.2006 verkündet worden (BGBl I 1305) . Der zeitliche
Anwendungsbereich, der bestimmt, in welchem Zeitpunkt die Rechtsfolgen einer
gesetzlichen Regelung eintreten sollen, beginnt nach Art 9 Abs 3 SER/DbAG-ÄndG für die
Rechtsfolgen aus § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG am 1.1.1997, für die aus § 84a Satz 1 BVG nach
Art 9 Abs 1a bzw Abs 4 SER/DbAG-ÄndG am 1.1.1991 bzw 1.1.1999. Wie bereits
ausgeführt, handelt es ich bei den Neufassungen um Änderungen des materiellen Rechts,
durch die jedenfalls ab 1.1.1999 vom Gesetz die Festsetzung eines niedrigeren Werts des
Rechts des DBA angeordnet wird als nach der bisherigen Rechtslage.
116 4. Die materiell-rechtliche echte Rückwirkung ist nicht gerechtfertigt.
117
117 a) In der Rechtsprechung des BVerfG sind Rechtfertigungsgründe falltypisch entwickelt
worden. Sie sind in der Regel Ausprägungen des Grundgedankens, dass allein zwingende
Gründe des gemeinen Wohls oder wichtige Gemeinwohlbelange, denen kein
schutzwürdiges Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand der bisherigen Gesetzeslage
entgegensteht,
ausnahmsweise
eine
Durchbrechung
des
rechtsstaatlichen
Rückwirkungsverbots zu Gunsten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers rechtfertigen
oder gar erfordern können (BVerfGE 72, 200, 258) . Dieser Grundgedanke greift ua (hierzu
BVerfGE 13, 261, 271 f; 18, 429, 439; 30, 367, 387 f; 72, 200, 258 ff; 88, 384, 404; 98, 17,
39) dann durch,
-
wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht
mit dem Fortbestand der Regelungen rechnen konnten, oder
-
wenn die Rechtslage so unklar und verworren ist, dass eine Klärung erwartet werden
musste.
118 b) Hingegen gibt der Versuch des Gesetzgebers, ein von der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zutreffend angewandtes Gesetz rückwirkend zu korrigieren, um diese für
die Vergangenheit ins Unrecht zu setzen, keinen Anlass, den Bereich einer
verfassungsrechtlich zulässigen Rückwirkung belastender Gesetze zu erweitern (so
ausdrücklich BVerfGE 18, 429, 439 ).
119 c) Die Beklagte trägt vor, die Betroffenen hätten hier mit einer Änderung rechnen müssen,
weil der Gesetzgeber bereits im Gesetz vom 6.12.2000 (BGBl I 1676) durch die
Zweitfassung des § 84a BVG zu verstehen gegeben habe, dass er auch nach der
Entscheidung des BVerfG vom 14.3.2000 (1 BvR 284, 1659/96, BVerfGE 102, 41 = SozR 3-
3100 § 84a Nr 3 = BGBl I 445) grundsätzlich an einer Absenkung der Grundrente nach dem
BVG im Beitrittsgebiet festhalte.
120 Der Deutsche Bundestag hat die für nichtig erklärte Regelung nicht neu beschlossen und
auch § 2 Abs 1 DbAG nicht neu formuliert. Die Zweitfassung des § 84a BVG (siehe oben)
rechtfertigt nicht, in dem am 22.6.2006 verkündeten Gesetz die Rückwirkung der
Drittfassung dieser Vorschrift auf den 1.1.1999 zu beziehen. Wie oben ausgeführt (dazu II
B. 2.), hat § 2 Abs 1 DbAG bis Juni 2006 nie auf § 84a BVG verwiesen. Zum 1.1.1997 war
der ausdrückliche Wille des 13. Deutschen Bundestages, den Wert des Rechts auf DBA
"auf die jeweilige Höhe der in den neuen Bundesländern geltenden Grundrente nach dem
BVG" festzusetzen (vgl BR-Drucks 209/96, 21; BT-Drucks 13/4587, 12, jeweils zu Art 3 § 2)
, also ursprünglich niedriger als die in § 31 Abs 1 Satz 1 BVG genannten Beträge, dies aber
in der - bis zum 31.12.1999 gerechtfertigten - Erwartung, der DBA werde mit der
"Kriegsopfer-Grundrente Ost" in absehbarer Zeit die Höhe der BVG-Grundrente West
erreichen. Das Parlament hat selbst die Höhe des DBA direkt an die Höhe der jeweils im
Beitrittsgebiet geltenden, nicht einer fiktiven Grundrente nach dem BVG angeknüpft.
121 Seit der mit Gesetzeskraft ergangenen Entscheidung des BVerfG vom 14.3.2000 (aaO)
konnten die Betroffenen darauf vertrauen, dass ab dem 1.1.1999 die dann im Beitrittsgebiet
allein geltende Grundrente nach dem BVG in Höhe der sich aus § 31 Abs 1 Satz 1 BVG
ergebenden Beträge gemäß dem Wortlaut des § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG aF auch für den
DBA maßgeblich blieb, zumal das Parlament bis Juni 2006 diese Anspruchsgrundlage
nicht änderte. In diesem Vertrauen sind sie durch die Entscheidungen des Senats vom
23.9.2003 (B 4 RA 54/02 R, SozR 4-8855 § 2 Nr 1) und vom 7.7.2005 (B 4 RA 58/04 R,
SozR 4-8855 § 2 Nr 2) bestärkt worden, mit denen geklärt war, dass sich der Wert des
Rechts auf DBA gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG idF des Art 3 AAÜG-ÄndG allein nach der
Höhe der jeweils im Beitrittsgebiet geltenden Grundrente nach dem BVG und deshalb
nunmehr nach den jeweiligen Werten des § 31 Abs 1 BVG, aber nicht nach anderen
Vorschriften bemisst, die in der Anspruchsgrundlage nicht genannt waren. Der Umstand,
dass die Verwaltung in ständiger Praxis gesetzwidrig nur niedrigere Ansprüche zuerkannte,
kann das schutzwürdige Vertrauen nicht beseitigen oder überwiegen. Denn dann wäre in
allen Fällen eines konsequenten Rechtsbruchs eines Verwaltungsträgers, also durch
Unrecht, das Rückwirkungsverbot ausgeschaltet. Daran ändert grundsätzlich auch nichts,
wenn das gesetzwidrige Handeln der Verwaltung für die "Staatskasse" besonders
"kostensparend" war. Die Bürger mussten nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht damit
rechnen, dass das Gesetz im Juni 2006 mit Wirkung zum 1.1.1991, 1.1.1997 bzw 1.1.1999
die gesetzwidrige Verwaltungspraxis rückwirkend legalisieren würde.
122 d) Soweit die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung weiter meint, nach dem Urteil des
Senats vom 23.9.2003 (B 4 RA 54/02 R, SozR 4-8855 § 2 Nr 1) sei die Rechtslage unklar
und verworren gewesen, weil die Verwaltungspraxis und die Instanzgerichte dieser
Entscheidung nicht gefolgt seien, verkennt sie, dass allein daraus, dass die
Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes, mit der die Anwendung und
Auslegung einer Norm (hier: § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG idF des Art 3 AAÜG-ÄndG) geklärt
wird, die aber von der Verwaltung und einigen Instanzgerichten nicht akzeptiert wird, keine
unklare und verworrene Rechtslage herbeiführt (hierzu auch Vorlagebeschlüsse des 13.
Senats vom 29.8.2006 - B 13 RJ 47/04 R, RdNr 80 ff, B 13 RJ 8/05 R, RdNr 81 ff und B 13
R 7/06 R, RdNr 83 ff in Abgrenzung zur Rechtsprechung des 8. Senats vom 21.6.2005,
BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4; SozR 4-1300 § 44 Nr 5 und des 5. Senats vom
5.10.2005, B 5 RJ 57/03 R) . Vielmehr liegt es in diesem Falle nahe anzunehmen, dass die
rückwirkend in Kraft getretene Neufassung des § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG und des § 84a BVG
die höchstrichterliche Rechtsprechung für die Vergangenheit ins Unrecht setzen sollte.
Dies rechtfertigt jedoch nicht eine Durchbrechung des Verbots der Rückbewirkung von
Rechtsfolgen (so schon BVerfGE 18, 429, 439) .
123 e) Erst recht hat die Entscheidung des BVerfG, ab dem 1.1.1999 sei die Maßgabe des
EinigVtr nichtig, nach der die jeweilige Höhe der sich aus § 31 Abs 1 BVG ergebenden
Beträge für Kriegsopfergrundrenten mittels eines Umrechnungsfaktors zu mindern sei, zu
keiner unklaren und verworrenen Rechtslage geführt. Sie hat vielmehr geklärt, dass seither
die Höhe der jeweiligen im Beitrittsgebiet geltenden Grundrente nach dem BVG mit der im
alten Bundesgebiet geltenden identisch war.
124 E. Zur vom Kläger geltend gemachten ungerechtfertigten Ungleichbehandlung
125 Auch diese Thematik ist aus den oben genannten Gründen derzeit noch nicht
entscheidungserheblich.
126 1. Der Kläger meint, das Gesetz verstoße insoweit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz
des Art 3 Abs 1 GG, als damit nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck
kommenden "Willen des Gesetzgebers" (vgl BR-Drucks 39/06, 10, 14
a>, 18 f ; BT-Drucks 16/444, 7, 9 , 10
Abs 3>) auch zukunftsgerichtet die Festsetzung eines niedrigeren Werts des Rechts auf
DBA als die in § 31 Abs 1 Satz 1 BVG genannten Beträge der Grundrente angeordnet
werden soll.
127 Der Kläger knüpft damit an die Funktion des DBA an, dem Ausgleich von
Nichterwerbsschäden, also von immateriellen Schäden im weiteren Sinn zu dienen. Er ist
zweckgleich mit der Grundrente nach dem BVG und mit dem "Schmerzensgeldanteil" der
Verletztenrente aus der Unfallversicherung, weil er eine Dienstunfallentschädigung für den
Körper- und Gesundheitsschaden ist. Während der DBA in § 11 Abs 3 Zweites Buch
Sozialgesetzbuch nicht ausdrücklich genannt ist, dürfte er von § 82 Abs 1 Zwölftes Buch
Sozialgesetzbuch in der Sozialhilfe als nicht anrechenbares Einkommen erfasst sein.
Jedenfalls nach § 2 Abs 3 DbAG (idF durch Art 3 § 2 AAÜG-ÄndG) bleibt der DBA als
Einkommen unberücksichtigt, wenn bei Sozialleistungen auf Grund von Rechtsvorschriften
die Gewährung oder die Höhe dieser Leistungen von anderen Einkommen abhängt.
128 2. Zwar würde damit die Personengruppe der DBA-Berechtigten hinsichtlich des
Ausgleichs immaterieller Schäden (im weiteren Sinn, nämlich des Nichterwerbsschadens)
gegenüber den Kriegsopfern im Beitrittsgebiet mit gleich hoher MdE (hierzu BVerfGE 102,
41, 59 ff = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 21 ff; BSGE 91, 114 = SozR 4-3100 § 84a Nr 1 jeweils
RdNr 16 ff; BSG SozR 4-3100 § 84a Nr 7 RdNr 14 ff), aber auch im Verhältnis zu den
unfallverletzten Rentnern "West" einschließlich der unfallverletzten Neu-Rentner des
Beitrittsgebiets, aber auch zu den unfallverletzten Alt-Rentnern des Beitrittsgebiets (hierzu
BSG SozR 4-2600 § 93 Nr 2 RdNr 23 ff; BSG SozR 4-2600 § 93 Nr 3 RdNr 16 ff; BSGE 95,
159 = SozR 4-2600 § 93 Nr 7 jeweils RdNr 40) ungleich behandelt. Denn diesen
Personengruppen steht ein Ausgleich bzw ein auf die GRV-Renten nicht anrechenbarer
Freibetrag in Höhe des jeweils in § 31 Abs 1 Satz 1 BVG genannten monatlichen
Geldbetrags der Grundrente zu.
129 3. Diese Ungleichbehandlungen könnten nur bezogen auf den Regelungsgegenstand des
Gesetzes und gemessen an dem materiellen Differenzierungskriterium, nämlich der
Aufgabe des DbAG, durch hinreichend gewichtige Differenzierungsgründe (hierzu BVerfGE
100, 138, 174; 102, 41, 54; 108, 52, 68) gerechtfertigt werden. Da es Aufgabe des DbAG ist,
einen Körper- oder Gesundheitsschaden, der nach § 2 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 DbAG einer
MdE iS des § 31 Abs 1 BVG gleichgesetzt wird, auszugleichen, sind entgegen der
Auffassung der Beklagten die Ungleichbehandlungen bei gleicher MdE nicht allein schon
wegen der Unterschiedlichkeit der wirtschaftlichen Lebensverhältnisse im Beitrittsgebiet
sachlich gerechtfertigt (dazu jetzt auch Senatsbeschluss vom 26.6.2007, B 4 R 1/07 S) .
Außerdem sind nicht nur Personengruppen im Beitrittsgebiet mit Personengruppen im
übrigen Bundesgebiet zu vergleichen, sondern auch verschiedene Personengruppen im
Beitrittsgebiet.
130 4. Das BVerfG hat die frühere Ungleichbehandlung der Kriegsopfer im Beitrittsgebiet in
seinem Urteil vom 14.3.2000 (1 BvR 284, 1659/96 R, BVerfGE 102, 42 = SozR 3-3100 §
84a Nr 3) nach Art 3 Abs 1 GG beanstandet, den Zeitpunkt der Angleichung vorverlegt und
schon ab dem 1.1.1999 die Grundrente iS von § 31 Abs 1 Satz 1 BVG für alle berechtigten
Kriegsopfer in Deutschland gleich bemessen. Das vom Einzelnen im Militärdienst für die
staatliche Gemeinschaft erbrachte gesundheitliche Sonderopfer sei im gleichen Krieg für
den gleichen Staat erbracht worden. Eine unterschiedliche Entschädigung könne deshalb
nur für eine Übergangszeit ihre sachliche Rechtfertigung in dem mit der deutschen
Einigung einhergehenden außerordentlichen staatlichen Finanzierungsbedarf finden. Sie
verliere ihre Rechtfertigung aber dann, wenn deutlich werde, dass das gesetzgeberische
Ziel einer zügigen und schrittweisen Angleichung des Entschädigungsniveaus in
absehbarer und für die Leistungsberechtigten erlebbarer Zeit nicht erreichbar sei (BVerfGE
102, 41, 61 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 23) .
131 Dieser Grund des "gleichen Opfers im gleichen Krieg für den gleichen Staat" dürfte es
jedoch für die Sonderversorgungsberechtigten der NVA bzw der Deutschen Volkspolizei
der ehemaligen DDR von Verfassungs wegen nicht zwingend gebieten, den immateriellen
Schaden der DBA-Berechtigten auch schon ab dem 1.1.1999 in Höhe der Grundrente iS
des § 31 Abs 1 Satz 1 BVG auszugleichen. Dem Gesetzgeber dürfte insoweit ein weiter
Gestaltungsspielraum zustehen, der es ihm im Juni 2006 wohl auch gestattet hätte, im
Rahmen einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Regelung hinsichtlich des Werts des
Rechts auf DBA an niedrigere Werte als die in § 31 Abs 1 Satz 1 BVG genannten Beträge
anzuknüpfen, zumal sich bereits in der Übergangszeit bis 1999 durch eine dynamische
Rechtsfolgenverweisung in § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG idF des Art 3 AAÜG-ÄndG der Wert
dieses Rechts insoweit verfassungsgemäß nach der Höhe der im Beitrittsgebiet zu
leistenden (niedrigeren) Grundrente bemessen hatte (hierzu BSG SozR 4-8855 § 2 Nr 1
RdNr 13 ff und BSG SozR 4-8855 § 2 Nr 2 RdNr 6 ff) . Ferner ist der Gesetzgeber nach der
Nichtigkeitsfeststellung durch das BVerfG nicht gefragt worden, ob er die
Anspruchsgrundlage des § 2 Abs 1 DbAG umgestalten und die Bindung der Höhe des DBA
an die der im Beitrittsgebiet geltenden Grundrente aufheben will. Dies hat die Verwaltung
eigenmächtig vorgenommen. Ferner dürfte im Hinblick auf das typische Lebensalter der
DBA-Berechtigten im Jahre 2006 auch erheblich sein, ob das gesetzgeberische Ziel einer
zügigen und schrittweisen Annäherung des Entschädigungsniveaus in absehbarer und für
diese erlebbarer Zeit noch zu erreichen sein wird. Das gilt vor allem für Personen, die
bereits eine (Regel-)Altersrente beziehen.
132 F. Die Vorlagefrage, die - wie gesagt - auch nicht durch verfassungskonforme Auslegung
beantwortet werden kann, ist entscheidungserheblich.
133 Ist die Vorlagefrage zu bejahen und sind die im vorliegenden Fall anzuwendenden
Vorschriften des SER/DbAG-ÄndG vom 19.6.2006 auch im Übrigen verfassungsgemäß,
muss das Revisionsgericht die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG
zurückweisen. Verstößt § 2 Abs 1 Satz 1 DbAG idF des Art 6 Nr 3 Buchst a SER/DbAG-
ÄndG iVm § 84a Satz 1 idF des Art 1 SER/DbAG-ÄndG iS der Vorlagefrage gegen das GG,
müsste eine gesetzliche Neuregelung die fehlende hinreichende Bestimmtheit beseitigen.
Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das BVerfG würde gewährleisten, dass
eine solche Neuregelung ergeht. Es ist nicht auszuschließen, dass die Neuregelung für
den Kläger günstiger sein könnte. Hält das BVerfG jedoch die Verweisungskette für
hinreichend bestimmt, wird es dies klären und den Senat in den Stand versetzen, die
Streitsache abschließend zu entscheiden. Jetzt ist er aber durch die von ihm nicht
behebbare Unbestimmtheit blockiert. Jeder denkbare Urteilsausspruch wäre aus dem
Gesetz nicht zu begründen, weil nicht erkennbar ist, wie hoch der "gesetzliche"
Umrechnungsfaktor ist.