Urteil des BSG vom 14.03.2017

BSG (versorgung, schutz der versicherten, zulassung, ermächtigung, krankenkasse, behandlung, leistungserbringer, verzicht, vergütung, vorschrift)

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 27.6.2007, B 6 KA 38/06 R
Parallelentscheidung zu dem BSG-Urteil vom 27.6.2007 - B 6 KA 37/06 R.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Vergütung kieferorthopädischer Leistungen, die nach dem
Verzicht auf die Ermächtigung erbracht worden sind.
2 Die Klägerin war in Bremervörde (Kreis Rotenburg/Wümme) als Fachzahnärztin für
Kieferorthopädie zur Teilnahme an der kieferorthopädischen Versorgung von Primär- und
Ersatzkassenpatienten ermächtigt. Zum Ablauf des 30.6.2004 verzichtete sie - wie
zahlreiche andere Kieferorthopäden in Niedersachsen - auf ihre Ermächtigung. Das
Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit des zu 2. beigeladenen Landes
stellte mit Bescheid vom 3.6.2004 auf der Grundlage von § 72a Abs 1 SGB V fest, dass in
den Planungsbereichen Landkreis Hannover, Landkreis Cuxhaven und Landkreis
Hildesheim insgesamt jeweils mehr als 50 % aller dort niedergelassenen Kieferorthopäden
in einem mit anderen Zahnärzten abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf ihre
Zulassung verzichtet hatten. Infolgedessen sah das Ministerium die kieferorthopädische
Versorgung in diesen Planungsbereichen ab dem 1.7.2004 nicht mehr als sichergestellt an.
Die sofortige Vollziehung dieses Bescheides wurde angeordnet.
3 Der Zulassungsausschuss stellte aufgrund des Verzichts der Klägerin das Ende ihrer
Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen kieferorthopädischen
Versorgung zum 30.6.2004 fest.
4 Unter dem 30.8.2004 unterzeichneten die Klägerin und der Vater der bei der beklagten
Krankenkasse familienversicherten und bis dahin von der Klägerin nicht behandelten
Beigeladenen zu 3. eine kieferorthopädische Behandlungsplanung mit Kostenaufstellung.
Diese sah in ihrer geänderten Fassung auf der Grundlage des 1,0-fachen der
Gebührensätze der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) Gesamtkosten von 2.341,37 Euro
vor. Am 28.9.2004 begann die Klägerin gegenüber der Beigeladenen zu 3. mit der
Behandlung und stellte der Beklagten dafür unter dem 30.9.2004 einen Betrag von 313,05
Euro in Rechnung. Berechnet wurden die GOZ-Positionen 203, 605, 608, 610, 612 und 615,
wobei ein Steigerungsfaktor von 1,0 angesetzt wurde. Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab.
5 Die Klägerin hat Klage erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 313,05
Euro nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte auf der Grundlage des
§ 95b Abs 3 SGB V zur Vergütung solcher zahnärztlicher Leistungen verpflichtet sei, die sie -
die Klägerin - an Versicherten der Krankenkassen erbringe, die nicht schon vor dem
Wirksamwerden ihres Ermächtigungsverzichts in ihrer Behandlung gewesen seien (sog
Neufälle). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, aus § 95b
Abs 3 SGB V ergebe sich keine Berechtigung von Kieferorthopäden, die in einem mit
anderen Berufskollegen abgestimmten Verhalten auf ihre Zulassung verzichtet hätten, auch
nach Wirksamwerden des Verzichts Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen zu dem
1,0-fachen Satz der GOZ zu behandeln. Eine solche Behandlungsberechtigung bestehe
vielmehr in entsprechender Anwendung von § 76 Abs 1 SGB V nur dann, wenn eine
notfallähnliche Situation vorliege. Das sei nicht ersichtlich und werde von der Klägerin auch
nicht behauptet. Aus denselben Gründen hat das SG den Feststellungsantrag der Klägerin
abgewiesen (Urteil vom 8.6.2005).
6 Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil
zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Vertragszahnärzte, die in einem mit
anderen Zahnärzten aufeinander abgestimmten Verhalten auf ihre Zulassung bzw
Ermächtigung verzichtet haben, seien grundsätzlich so lange zur Behandlung von
Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) berechtigt und auch verpflichtet,
bis ihre freigewordenen Vertragszahnarztsitze wieder besetzt seien. Für diese
Behandlergruppe ergebe sich aus § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V, dass sie dem
vertragszahnärztlichen System in einer Art Nachhaftung verbunden blieben. Behandelten sie
Versicherte, hätten sie deshalb nur dann einen Vergütungsanspruch gegen die
Krankenkassen, wenn sie die Vorschriften des Leistungsrechts und der den
Behandlungsanspruch konkretisierenden Regelungen des Leistungserbringungsrechts des
SGB V eingehalten hätten. Das sei bei der Klägerin nicht der Fall, weil sie den nach § 29
Abs 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen Eigenanteil für kieferorthopädische Behandlung nicht
einbehalten habe, vielmehr der Beklagten gegenüber den gesamten von ihr geltend
gemachten Vergütungsanspruch für den hier umstrittenen Behandlungsabschnitt im Quartal
III/2004 in Rechnung gestellt habe. Ein Zahlunganspruch gegen die beklagte Krankenkasse
könne auf § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V nur für Behandlungen gestützt werden, die vollständig
im Einklang mit den Vorgaben für die Vergütung vertragszahnärztlicher Leistungen stünden.
7 Der auf die Feststellung gerichtete Antrag, die Beklagte sei im Rahmen des § 95b Abs 3
SGB V zur Vergütung in Höhe des 1,0-fachen GOZ-Satzes solcher zahnärztlicher
Leistungen verpflichtet, die sie - die Klägerin - an Patienten erbringe, die erst nach dem
30.6.2004 bei ihr mit einer kieferorthopädischen Behandlung begonnen hätten, sei hingegen
bereits unzulässig. Der Klägerin stehe für die begehrte Feststellung nicht das gemäß § 55
Abs 1 SGG erforderliche Feststellungsinteresse zur Seite. Es könne nicht generell beurteilt
werden, ob den Kieferorthopäden, die im Rahmen einer abgestimmten Aktion iS des § 95b
Abs 1 SGB V aus der kieferorthopädischen Versorgung ausgeschieden seien, für sog
Neufälle ein Vergütungsanspruch nach § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V zustehe. Dies hänge von
zahlreichen weiteren Voraussetzungen ab, über die nur in jedem Einzelfall entschieden
werden könne. Eine generelle Feststellung des von der Klägerin begehrten Inhalts sei
deshalb nicht möglich (Urteil vom 13.9.2006).
8 Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Dem
Berufungsgericht sei zwar insoweit zuzustimmen, als dieses der Auffassung sei, dass die
Voraussetzungen eines Zahlungsanspruchs nach § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V grundsätzlich
gegeben seien, obwohl die Behandlung der Beigeladenen zu 3. erst nach dem
Wirksamwerden ihres - der Klägerin - Verzichts auf die Ermächtigung begonnen habe und es
sich deshalb um einen sog "Neufall" handele. Zu Unrecht habe das LSG aber angenommen,
eine Kieferorthopädin, die im Rahmen eines kollektiven Verhaltens nach § 95b Abs 1 SGB V
wirksam auf ihre Ermächtigung verzichtet habe, unterliege noch den Vorschriften über die
vertragszahnärztliche Behandlung iS des SGB V. Das Berufungsgericht gehe dadurch, dass
es gesetzliche und bundesmantelvertragliche Pflichten eines Vertragszahnarztes nach
wirksam erklärtem Verzicht als Voraussetzung für einen Zahlungsanspruch nach § 95b Abs
3 Satz 1 SGB V normiere, nicht nur über seine Zuständigkeit hinaus, sondern verletze § 95b
Abs 1 SGB V, da es in der Sache ein Verbot des kollektiven Zulassungsverzichts statuiere.
Entgegen der Auffassung des LSG sei sie - die Klägerin - nach Wirksamwerden ihres
Verzichts auf die Ermächtigung und dem vollständigen Ausscheiden aus der
vertragszahnärztlich-kieferorthopädischen Versorgung weder verpflichtet noch berechtigt
gewesen, von der Beigeladenen zu 3. den Eigenanteil nach § 29 Abs 2 Satz 2 SGB V
einzuziehen. § 29 Abs 2 Satz 1 SGB V regele eine Leistung des Versicherten an den
Vertragszahnarzt. Sie - die Klägerin - habe diesen Status spätestens mit dem
Wirksamwerden ihres Ermächtigungsverzichts verloren. Der Vergütungsanspruch nach §
95b Abs 3 Satz 1 SGB V könne deshalb nicht von der Einziehung des Eigenanteils der
Versicherten durch sie - die Klägerin - abhängig sein.
9 Zu Unrecht habe das Berufungsgericht im Übrigen ihre Feststellungsklage abgewiesen. Sie
habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, ob sie nach dem Wirksamwerden ihres
Verzichts auch Versicherte der GKV neu in ihre kieferorthopädische Behandlung aufnehmen
und die Behandlungskosten den Krankenkassen in Rechnung stellen dürfe.
10 Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13.9.2006 und des
Sozialgerichts Hannover vom 8.6.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie -
die Klägerin - 303,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und festzustellen, dass die Beklagte im
Rahmen des § 95b Abs 3 SGB V zur Vergütung in Höhe des 1,0-fachen GOZ-Satzes solcher
zahnärztlicher Leistungen verpflichtet ist, die sie - die Klägerin - an Patienten erbringt, die
erst nach dem 30.6.2004 bei ihr mit einer kieferorthopädischen Behandlung begonnen
haben (sog Neufälle).
11 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
12 Sie ist der Auffassung, eine Krankenkasse sei nicht verpflichtet, kieferorthopädische
Behandlungen zu vergüten, die Zahnärzte, die in einem mit anderen Berufskollegen
abgestimmten Verhalten auf ihre Zulassung verzichtet hätten, erst nach dem Wirksamwerden
ihres Verzichts begonnen hätten. § 95b SGB V regele nicht, unter welchen Voraussetzungen
solche Zahnärzte von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen in Anspruch genommen
werden könnten.
13 Die zu 1. beigeladene Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) hält § 95b SGB V wegen
eines Verstoßes gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit für verfassungswidrig. Die in §
95b Abs 3 SGB V normierte Einschränkung des ungehinderten und vollständigen Verzichts
auf den Vertragsarztstatus sei als Eingriff in die Berufswahlfreiheit im Ergebnis nicht zu
rechtfertigen.
14 Das zu 2. beigeladene Land hält an seiner dem Bescheid vom 3.6.2004 zugrunde liegenden
Rechtsauffassung fest, dass die Klägerin durch den kollektiv abgesprochenen Verzicht ihre
vertragszahnärztlichen Pflichten verletzt habe, und ist der Auffassung, ein
Vergütungsanspruch stehe ihr nicht zu.
15 Die Beigeladene zu 3. ist im Revisionsverfahren nicht von einem nach § 166 Abs 2 SGG
vertretungsberechtigten Bevollmächtigten vertreten und hat sich auch persönlich nicht am
Revisionsverfahren beteiligt.
Entscheidungsgründe
16 Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Urteil des LSG steht hinsichtlich seiner
Begründung mit Bundesrecht nicht im Einklang. Es erweist sich aber im Ergebnis als richtig
(§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG). Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch
gegen die beklagte Krankenkasse nicht zu. Auch der Feststellungsantrag ist nicht begründet.
17 Als Rechtsgrundlage des Zahlungsanspruchs kommt allein § 95b Abs 3 SGB V in Betracht.
Die Vorschrift lautet: "Nimmt ein Versicherter einen Arzt oder Zahnarzt in Anspruch, der auf
seine Zulassung nach Abs 1 verzichtet hat, zahlt die Krankenkasse die Vergütung mit
befreiender Wirkung an den Arzt oder Zahnarzt. Der Vergütungsanspruch gegen die
Krankenkasse ist auf das 1,0fache des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte oder
der Gebührenordnung für Zahnärzte beschränkt. Ein Vergütungsanspruch des Arztes oder
Zahnarztes gegen den Versicherten besteht nicht. Abweichende Vereinbarungen sind
nichtig."
18 Die Voraussetzungen der Vorschrift sind nicht erfüllt. Die Klägerin gehört allerdings zu dem
in dieser Vorschrift angesprochenen Personenkreis. Zwar hat sie zum 30.6.2004 nicht in
einem mit anderen Zahnärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten iS des §
95b Abs 1 SGB V auf ihre Zulassung verzichtet, weil sie zu keinem Zeitpunkt als
Vertragszahnärztin zugelassen war. Der Verzicht auf die Ermächtigung steht bei Anwendung
des § 95b Abs 1 SGB V aber jedenfalls bei ermächtigten Kieferorthopäden dem
Zulassungsverzicht gleich.
19 An der kieferorthopädischen Versorgung der Versicherten haben in der Vergangenheit
neben den zugelassenen Vertragszahnärzten auch ermächtigte Zahnärzte teilgenommen.
Diese spezielle Ermächtigung für Kieferorthopäden auf der Grundlage von § 10a
Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) und § 2 Nr 2 Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte
(EKV-Z) in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung beruht historisch auf dem Umstand,
dass in den 1970iger und 1980iger Jahren nicht genügend Kieferorthopäden zur Verfügung
standen, die als Kassen- oder Vertragszahnärzte tätig werden wollten. Durch eine auf die
Kieferorthopädie beschränkte Ermächtigung konnten Zahnärzte erreichen, in vollem Umfang
kieferorthopädische Sachleistungen zu Lasten der KZÄV erbringen zu dürfen, ohne in deren
Strukturen eingebunden zu sein. Die Ermächtigungen wurden bedarfsunabhängig und ohne
zeitliche und gegenständliche Begrenzung erteilt, was mit § 31 Abs 7 Zulassungsverordnung
für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV) in Widerspruch steht. Konsequenterweise erwähnt der
ab dem 1.1.2005 geltende EKV-Z die alten kieferorthopädischen Vollermächtigungen nur
noch unter Bestandsschutzgesichtspunkten (§ 5 Abs 4 EKV-Z neu); § 10a BMV-Z ist für
Neuermächtigungen obsolet geworden, von den Vertragspartnern des BMV-Z aber auch in
der am 27.3.2007 vereinbarten und zum 1.7.2007 in Kraft getretenen Neufassung noch nicht
ausdrücklich auf Bestandsfälle reduziert worden.
20 Zutreffend hat das LSG auf dieser Grundlage entschieden, dass die überkommenen
kieferorthopädischen Vollermächtigungen nach § 10a BMV-Z bzw § 2 Nr 2 EKV-Z aF
jedenfalls bei Anwendung des § 95b Abs 1 und 3 SGB V einer Zulassung gleichstehen. Die
"voll" und dauerhaft ermächtigten Kieferorthopäden haben jedenfalls in der Vergangenheit
nicht anders als zugelassene Kieferorthopäden an der Sicherstellung der Versorgung
mitgewirkt (s zur Gleichstellung von Zeiten einer zur Vollzeittätigkeit in niedergelassener
Praxis berechtigenden Ermächtigung mit Zeiten der Zulassung in § 95 Abs 7 Satz 3 SGB V:
BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 32 S 155 f) . Das zeigt sich beispielhaft in ihrer Erwähnung in
Anlage 3 der Bedarfsplanungs-Richtlinien Zahnärzte: In Spalte 7 des Planungsblatts C sind
"Vertragszahnärzte" und "Ermächtigung" im Bereich der Kieferorthopädie gleichgestellt.
21 Die Klägerin hat auch in einem mit anderen Zahnärzten abgestimmten Verfahren oder
Verhalten iS des § 95b Abs 1 SGB V auf ihre Ermächtigung verzichtet. Die Klägerin, die
auch erste Vorsitzende des Berufsverbandes der Deutschen Kieferorthopäden ist, hat in den
Medien und auf zahlreichen Veranstaltungen für den Ausstieg der niedersächsischen
Kieferorthopäden aus dem System der GKV geworben. Dass der Zulassungsverzicht von ca
50 Kieferorthopäden in Niedersachsen zum 1.7. bzw 1.10.2004 (genaue Entwicklung der
Zahlen bei Andrés, BKK 2004, 313) auf einer - mindestens informellen - Absprache der
Betroffenen beruhte, liegt auf der Hand. Nähere Ausführungen dazu, ob § 95b Abs 1 SGB V
rechtsgeschäftliche Vereinbarungen erfordert, sind deshalb entbehrlich.
22 Die Klägerin ist jedoch, was ihren auf § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V gestützten
Zahlungsanspruch gegen die beklagte Krankenkasse ausschließt, nicht "von einem
Versicherten in Anspruch genommen" worden. Eine "Inanspruchnahme" iS des § 95b Abs 3
Satz 1 SGB V liegt nur dann vor, wenn der Versicherte berechtigt war, sich von dem aus der
vertragszahnärztlichen Versorgung ausgeschiedenen Zahnarzt zu Lasten einer gesetzlichen
Krankenkasse behandeln zu lassen. Denn nur eine berechtigte Inanspruchnahme eines
Leistungserbringers kann eine Leistungsverpflichtung der Krankenkasse auslösen. War eine
solche Berechtigung nicht gegeben, besteht weder ein unmittelbarer Zahlungsanspruch des
Zahnarztes gegen die Krankenkasse nach § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V noch ein
Vergütungsanspruch des Zahnarztes gegen den Versicherten. § 95b Abs 3 SGB V befasst
sich nach Wortlaut, systematischer Stellung der Vorschrift und Zweck der Regelung nur mit
den vergütungsrechtlichen Beziehungen in solchen Behandlungsfällen, in denen ein
Versicherter einen in einer abgestimmten Aktion aus der vertrags(zahn)ärztlichen
Versorgung ausgeschiedenen Leistungserbringer berechtigterweise in Anspruch genommen
hat, weil anders eine vertrags(zahn)ärztliche Versorgung nicht in angemessener Zeit und mit
zumutbarem Aufwand zu erreichen war. Die Vorschrift enthält hingegen keine Aussagen
darüber, wann ein Versicherter einen iS des § 95b Abs 1 SGB V ausgeschiedenen Zahnarzt
in Anspruch nehmen darf. Allein dieses Verständnis des § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V
entspricht Regelungsinhalt und Regelungsabsicht der Vorschrift.
23 Ärzte, die aufgrund eines Verzichts auf ihre Zulassung bzw auf die besondere
kieferorthopädische Ermächtigung aus der vertragszahnärztlichen Versorgung
ausgeschieden sind, dürfen grundsätzlich Versicherte der Krankenkassen nicht mehr zu
deren Lasten behandeln. Die Berechtigung eines Arztes zur Teilnahme an der ambulanten
vertragsärztlichen Versorgung setzt gemäß § 95 Abs 1 Satz 1 SGB V seine Zulassung oder
Ermächtigung voraus. Die Ermächtigung bewirkt gemäß § 95 Abs 4 Satz 1 SGB V, dass der
Ermächtigte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet
ist. Die Ermächtigung und damit die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen
Versorgung endet gemäß § 95 Abs 7 Satz 1 iVm Abs 4 Satz 3 SGB V ua mit dem
Wirksamwerden eines Verzichts. Die Vorschriften gelten nach § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V für
Zahnärzte entsprechend, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist, was hier nicht der Fall
ist. Damit können vertragszahnärztliche Leistungen einschließlich solcher der
Kieferorthopädie nur Zahnärzte erbringen, die zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen
Versorgung zugelassen oder ermächtigt sind, von der Sondersituation angestellter Ärzte
abgesehen. Dem entspricht es, dass die freie Arztwahl der Versicherten gemäß § 76 Abs 1
Satz 1 SGB V auf die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen oder anderweitig
einbezogenen Leistungserbringer beschränkt ist. Dies hat unmittelbare Konsequenzen für
die Inanspruchnahme durch die Versicherten. So muss, wie das Bundessozialgericht (BSG)
bereits entschieden hat, ein Versicherter nach einem Zulassungsverzicht seines
behandelnden Zahnarztes eine bereits begonnene kieferorthopädische Behandlung
grundsätzlich bei einem anderen zugelassenen Zahnarzt fortsetzen (BSGE 77, 227, 229 f =
SozR 3-2500 § 29 Nr 3 S 12 f) .
24 Die Begrenzung der Leistungserbringer auf solche, die zur Teilnahme an der
vertragsärztlichen Versorgung zugelassen oder ermächtigt sind, gilt uneingeschränkt für die
Durchführung von Behandlungen im Rahmen der Gewährung von Sach- und
Dienstleistungen (§ 2 Abs 2 Satz 1 SGB V) , grundsätzlich aber auch dann, wenn sich
Versicherte für die Kostenerstattung gemäß § 13 Abs 1 SGB V entscheiden.Nach dem bis
Ende 2003 geltenden Rechtszustand waren auch diejenigen Versicherten, die nach § 13
Abs 2 SGB V aF Kostenerstattung wählen konnten, darauf beschränkt, zugelassene Ärzte
oder Krankenhäuser in Anspruch zu nehmen (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 7) . Durch Art 1 Nr
4 Buchst a des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I, 2190) ist die
Option der Kostenerstattung allen Versicherten eröffnet worden. § 13 Abs 2 Satz 6 SGB V
bestimmt aber, dass "nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer nur nach
vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden dürfen". Damit
soll es den Versicherten "in Ausnahmefällen" möglich sein, nicht zugelassene
Leistungserbringer in Anspruch zu nehmen (Begr des Gesetzentwurfs zum GMG, BT-Drucks
15/1525 S 80 zu Art 1 Nr 4 Buchst a DBuchst aa) . Dies gilt allerdings nicht für solche Ärzte,
die unter den Voraussetzungen des § 95b Abs 1 SGB V auf die Zulassung verzichtet haben.
Denn nach § 13 Abs 2 Satz 8 SGB V (idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom
26.3.2007, BGBl I, 378; früher eingefügt als Satz 2 des § 13 Abs 2 SGB V durch Art 1 Nr 1
Buchstabe a des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung von Selbstverwaltung und
Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 23.6.1997, BGBl I, 1520)
ist die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V im Wege
der Kostenerstattung ausgeschlossen.
25 Festzuhalten bleibt damit, dass nicht zugelassene oder ermächtigte Leistungserbringer nicht
berechtigt sind, Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen im Wege der Naturalleistung zu
behandeln. Darüber hinaus dürfen Ärzte, die im Rahmen eines kollektiven Verzichts auf ihre
Zulassung bzw auf die spezielle kieferorthopädische Ermächtigung verzichtet haben, gemäß
§ 13 Abs 2 Satz 8 SGB V von Versicherten auch nicht im Rahmen der Kostenerstattung nach
§ 13 Abs 1 SGB V in Anspruch genommen werden - von Ausnahmefällen abgesehen, auf
die noch einzugehen sein wird.
26 Die Vorschrift des § 13 Abs 2 Satz 8 SGB V ist Bestandteil eines in den Grundzügen durch
das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung -
Gesundheitsstrukturgesetz - ( - vom 21.12.1992, BGBl I, 2266) zum 1.1.1993 in das
SGB V aufgenommenen Regelungskonzepts, mit dem der Gesetzgeber Vorkehrungen für
den Fall getroffen hat, dass Leistungserbringer in einem abgestimmten Verfahren auf ihre
Zulassung verzichten. Er hat damit auf die Situation reagiert, dass insbesondere
Vertragszahnärzte im Zuge der Verabschiedung des GSG im Jahre 1992 in Aussicht gestellt
hatten, im Rahmen abgesprochener Aktionen auf ihre Zulassung zu einem bestimmten
Zeitpunkt zu verzichten, um damit Versorgungsengpässe herbeizuführen, die das System
der vertragszahnärztlichen Versorgung gefährden sollten (Nachweise zu einem Ende 1992
angedrohten "Ärztestreik" über die sog "Korbaktion" bei Klückmann in: Hauck/Noftz,
Sozialgesetzbuch, SGB V, K § 72a RdNr 2-5, K § 95b RdNr 2) . Der Gesetzgeber hat zum
Schutz vor solchen Aktionen und zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung
verschiedene Einzelregelungen erlassen, die in einem engen systematischen
Zusammenhang stehen (vgl Begr des Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks 12/3608, S 76
zu <§ 13> und S 94 zu <§ 95b>; Zipperer, NZS 1993, 95, 99) . Zunächst wird in § 95b Abs 1
SGB V normiert, dass es mit den Pflichten eines Vertragsarztes nicht vereinbar ist, in einem
mit anderen Ärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf die Zulassung
als Vertragsarzt zu verzichten. In der Begründung zu dieser Vorschrift wird ausgeführt, die
Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen Systems sei in Frage gestellt und eine - zumindest
kurzzeitige - Unterversorgung vorprogrammiert, wenn Vertragsärzte in großer Zahl zum
gleichen Zeitpunkt das vertragsärztliche System verließen (Begr des Gesetzentwurfs zum
GSG, BT-Drucks 12/3608, S 95 ) . Die kurzzeitige Unterversorgung ist nach
Beurteilung des Gesetzgebers auch von den verzichtenden Vertragsärzten gewollt. Es sei
gerade Ziel der Gemeinschaftsaktion, gemeinsam eine Abkehr vom Abrechnungsmodus des
vertragsärztlichen Systems und eine privatärztliche Abrechnung mit den Versicherten zu
erreichen. Zudem sei der kollektive Verzicht rechtsmissbräuchlich, weil ihn der verzichtende
Vertragsarzt in der Erwartung erkläre, die vertragsärztliche Versorgung könne auf Dauer
nicht ohne ihn auskommen und er werde deshalb weiterhin von der GKV - dann allerdings
zu den von ihm gewünschten Bedingungen - in Anspruch genommen werden. Der innere
Vorbehalt der Endgültigkeit des Verzichts mache ihn zusätzlich pflichtwidrig (Begr des
Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks 12/3608, S 95 zu <§ 95b>) .
27 An diese Bewertung des kollektiven Zulassungsverzichts hat der Gesetzgeber verschiedene
Rechtsfolgen geknüpft. Zunächst ist in § 72a Abs 1 SGB V geregelt, dass über den
kollektiven Verzicht ein feststellender Bescheid der Aufsichtsbehörde zu ergehen hat, damit
für alle Beteiligten Klarheit darüber besteht, ob der Sicherstellungsauftrag in bestimmten
Planungsbereichen auf die Krankenkassen übergegangen ist. Dieser Übergang erfolgt,
wenn in einem Zulassungsbezirk oder einem regionalen Planungsbereich mehr als 50 % der
niedergelassenen Vertragsärzte im Rahmen einer Absprache nach § 95b Abs 1 SGB V auf
ihre Zulassung verzichten.
28 An den Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen aufgrund einer
entsprechenden Feststellung der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1 SGB V knüpft die erste
Sanktionsregelung des § 95b Abs 2 SGB V an. Dort ist normiert, dass Vertragsärzte, die in
einem mit anderen Vertragsärzten aufeinander abgestimmten Verfahren auf ihre Zulassung
verzichtet und damit bewirkt haben, dass der Sicherstellungsauftrag in ihrem
Planungsbereich auf die Krankenkassen übergegangen ist, eine erneute Zulassung
frühestens nach Ablauf von sechs Jahren nach Abgabe der Verzichtserklärung erhalten
können. Weiterhin ist zur Regelung der Übergangssituation nach Übernahme der
Sicherstellungsverantwortung durch die Krankenkassen in § 72a Abs 3 Satz 3 SGB V
bestimmt, dass die Krankenkassen mit Ärzten oder Zahnärzten, die nach § 95b Abs 1 SGB V
kollektiv auf ihre Zulassung verzichtet haben, Sicherstellungsverträge nach § 72a Abs 3 Satz
1 SGB V nicht abschließen dürfen.
29 Mögliche Rechtsbeziehungen zwischen den pflichtwidrig ausgeschiedenen
Leistungserbringern und den Versicherten sowie deren Krankenkassen werden durch die
hier umstrittene Vorschrift des § 95b Abs 3 SGB V geregelt. Diese soll nach dem Willen des
Gesetzgebers sicherstellen, dass Vertragsärzte den mit einem kollektiven Verzicht verfolgten
Zweck nicht auf Kosten der Versicherten und des Systems der GKV erreichen können. Der
"kollektiv" ausgeschiedene Vertragsarzt bleibt dem Vertragsarztsystem kraft Gesetzes
zumindest insoweit "verhaftet", als er die Behandlung eines Versicherten nur mit dem
Einfachsatz nach der jeweils einschlägigen privatärztlichen Gebührenordnung vergütet
erhält und ihm ausschließlich ein Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse eingeräumt
wird. Der Gesetzgeber ist der Ansicht, Pflichtverstöße gegen die Regeln dürften nicht auch
noch durch eine unbegrenzte Abrechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bzw
GOZ belohnt werden (Begr des Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks 12/3608, S 95 zu <§
95b>) .
30 Diese Vergütungsregelungen greifen auch dann ein, wenn in einem bestimmten
Planungsbereich der Sicherstellungsauftrag nicht nach § 72a Abs 1 SGB V auf die
Krankenkassen übergegangen ist, weil die Grenze von 50 % ausgeschiedener
Leistungserbringer nicht erreicht worden ist. Das Gesetz bindet die Anwendbarkeit des § 95b
Abs 3 SGB V allein an den abgesprochenen Verzicht und nicht an die weitere
Voraussetzung, dass gerade im Planungsbereich des betroffenen (Zahn-)Arztes mehr als 50
% der (Zahn-)Ärzte nach Absprache aus der Versorgung ausgeschieden sind. Auch die
Bewertung des kollektiven Verzichts als pflichtwidrig iS des § 95b Abs 1 SGB V hängt nicht
davon ab, dass ein solcher Verzicht zur Feststellung nach § 72a Abs 1 SGB V führt.
Dementsprechend schließt § 72a Abs 3 Satz 3 SGB V den Abschluss von Einzelverträgen
mit allen Leistungserbringern aus, die nach § 95b Abs 1 SGB V ausgeschieden sind, ohne
dass es auf die Situation im Planungsbereich des einzelnen (Zahn-)Arztes ankommt. Soweit
die gegenteilige Auffassung ( Hess in: Kasseler Kommentar, § 95b SGB V, Stand 2000,
RdNr 5) damit begründet wird, die von der Vergütungsbegrenzung betroffenen Ärzte seien
sonst nicht eindeutig feststellbar, trifft das nicht zu. Ob ein Arzt oder Zahnarzt zu einem
bestimmten Zeitpunkt auf seine Zulassung oder Vollermächtigung verzichtet hat, steht fest.
Behandelt ein Leistungserbringer nach diesem Zeitpunkt noch Versicherte und liquidiert er in
der von § 95b Abs 3 SGB V bezeichneten Form gegenüber deren Krankenkassen, macht er
selbst deutlich, dass er in seiner Person die Voraussetzungen des § 95b Abs 1 SGB V als
gegeben ansieht.
31 Aus den aufgezeigten Einzelregelungen ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber damit
gerechnet hat, dass in bestimmten Situationen die kollektiv verzichtenden Ärzte oder
Zahnärzte aus tatsächlichen Gründen nicht ausnahmslos gehindert werden können, ihr Ziel
zu erreichen, Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen auch nach ihrem Ausscheiden
aus dem System der vertragsärztlichen bzw vertragszahnärztlichen Versorgung zu
behandeln. Das beruht darauf, dass die Krankenkassen gerade für spezialisierte ärztliche
oder zahnärztliche Leistungen nicht stets in der Lage sein werden, kurzfristig
Leistungserbringer in hinreichender Anzahl durch Verträge nach § 72a Abs 3 SGB V zur
Behandlung der Versicherten zu gewinnen. Das könnte insbesondere in solchen Bereichen
der Fall sein, in denen Krankenhäuser und Krankenhausärzte die Behandlungen, die bisher
von den kollektiv verzichtenden Ärzten bzw Zahnärzten durchgeführt worden sind, nicht
übernehmen können. Das gilt auch für die hier betroffenen Leistungen der Kieferorthopädie.
Die entsprechenden Behandlungen werden nahezu ausschließlich im ambulanten Sektor
erbracht, sodass in stationären Einrichtungen (Zahnkliniken) nur unzureichende Kapazitäten
zur Verfügung stehen, um kurzfristig die große Zahl insbesondere der Kinder und
Jugendlichen, die eine kieferorthopädische Behandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt
benötigen, zu übernehmen. In Niedersachsen haben die Krankenkassen dementsprechend
Mitte 2004 versucht, kieferorthopädische Behandlungen in Krankenhäusern mit mund-kiefer-
gesichts-chirurgischen Abteilungen anzubieten, die dazu (auch) ausländische
Kieferorthopäden eingestellt haben (Andrés, BKK 2004, 313) . Zudem stellt sich bei der
kieferorthopädischen Behandlung das Problem längerer Behandlungszyklen, sodass der
Gesetzgeber damit rechnen musste, dass Versicherte versuchen würden, ungeachtet des
Verzichts des behandelnden Zahnarztes auf die Zulassung oder Ermächtigung die
Fortsetzung der Behandlung durch diesen Zahnarzt zu erreichen (vgl dazu bereits BSGE 77,
227 = SozR 3-2500 § 29 Nr 3) .
32 Der Gesetzgeber war aber bestrebt, die im Rahmen eines Kollektivverzichts
ausgeschiedenen Leistungserbringer nur in dem absolut unvermeidbaren zeitlichen und
quantitativen Umfang weiter an der Versorgung der Versicherten mitwirken zu lassen. Den
dargestellten gesetzlichen Vorschriften für die Bewältigung der Folgen eines sog
Kollektivverzichts ist auf dem Hintergrund der in der Gesetzesbegründung niedergelegten
Regelungsabsicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass es dem Gesetzgeber
fern gelegen hat, über § 95b Abs 3 SGB V einen Dauerstatus derjenigen Vertrags(zahn)ärzte
bzw ermächtigten Ärzte zu schaffen, die durch den kollektiven Verzicht ihre sich aus
Zulassung oder Ermächtigung ergebenden Pflichten verletzt haben. Deshalb kann der
Auffassung des Berufungsgerichts nicht gefolgt werden, dass Zahnärzte, die in einem mit
anderen Zahnärzten aufeinander abgestimmten Verhalten auf ihre Zulassung/Ermächtigung
verzichtet haben, grundsätzlich so lange zur Behandlung von Versicherten der GKV
berechtigt, aber auch verpflichtet seien, bis ihre freigewordenen Vertragszahnarztsitze
wieder besetzt sind.
33 Eine Behandlungsberechtigung kollektiv ausgeschiedener Leistungserbringer im Rahmen
der vertragszahnärztlichen Versorgung besteht - wie bereits im Einzelnen ausgeführt - von
vornherein nicht. Sie ergibt sich auch nicht aus § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift
regelt lediglich den Fall, dass Versicherte tatsächlich einen (Zahn-)Arzt, der nach § 95b Abs
1 SGB V im Rahmen einer abgestimmten Aktion auf seine Zulassung oder Vollermächtigung
für die Kieferorthopädie verzichtet hat, in Anspruch nehmen und sie hierzu berechtigt waren.
In dieser Situation soll in erster Linie der Versicherte davor geschützt werden, diesem (Zahn-
)Arzt gegenüber zur Honorierung privatzahnärztlicher Leistungen verpflichtet zu sein, ohne
gewiss zu sein, diese Kosten von der Krankenkasse erstattet zu bekommen. Zu der Frage, in
welchen Situationen Versicherte berechtigt sind, (Zahn-)Ärzte, die nach § 95b Abs 1 SGB V
auf ihre Zulassung oder Ermächtigung verzichtet haben, in Anspruch zu nehmen, verhält
sich die Vorschrift nicht. Die Versicherten dürfen diese Leistungserbringer deshalb nur unter
den Voraussetzungen in Anspruch nehmen, unter denen sie sich nach den allgemeinen
Regeln des Krankenversicherungsrechts von Nichtvertragsärzten behandeln lassen dürfen.
Insofern kommen - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - zunächst die Bestimmungen über
die Inanspruchnahme von Nichtvertragsärzten in Notfällen (§ 76 Abs 1 Satz 2 SGB V) zur
Anwendung.
34 Unabhängig vom Vorliegen einer Notfallsituation dürfen Versicherte der Krankenkassen
zudem nicht zugelassene oder ermächtigte Ärzte und Zahnärzte unter den Voraussetzungen
des § 13 Abs 3 SGB V in Anspruch nehmen. Diese sind ua gegeben, wenn eine
Krankenkasse eine von ihr geschuldete unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen
kann. Die Anforderungen für die Inanspruchnahme von Nichtvertragsärzten zu Lasten der
Krankenkasse hat das BSG dahin verallgemeinert, dass die Vorschrift einen
Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewährt, dass eine von der Krankenkasse
geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der
Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit
zur Verfügung gestellt werden konnte ( BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 1 RdNr 12). Eine
derartige, vereinfacht als "Systemversagen" beschriebene Lage kann eintreten, wenn Ärzte
oder Zahnärzte in einer Region in der von § 95b Abs 1 SGB V bezeichneten Form aus der
Versorgung ausscheiden und die Krankenkassen in den vom Kollektivverzicht betroffenen
Leistungsbereichen ihrer Sicherstellungsverpflichtung nicht umgehend nachkommen
können.
35 Abweichend von der in § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V geregelten Rechtsfolge, die in einem
Rechtsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse auf Erstattung der für die
Behandlung aufgewandten Kosten besteht, tritt in dem Fall, in dem der Versicherte
berechtigterweise einen (Zahn-)Arzt in Anspruch genommen hat, der iS des § 95b Abs 1
SGB V auf seine Zulassung verzichtet hat, gemäß § 95b Abs 3 SGB V ein
Vergütungsanspruch des (Zahn-)Arztes gegen die Krankenkasse an die Stelle des
Kostenerstattungsanspruchs des Versicherten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind
jedoch in beiden Konstellationen identisch. Entscheidend ist danach, dass für den
Versicherten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme eines iS des § 95b Abs 1
SGB V aus der Versorgung ausgeschiedenen (Zahn-)Arztes bestand, um in angemessener
Zeit und mit zumutbarem Aufwand versorgt zu werden. Nur wenn das der Fall war und die
Krankenkasse ihrerseits dem Versicherten keine Behandlungsalternativen hat aufzeigen
können, steht dem (Zahn-)Arzt der in § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V näher beschriebene
Anspruch zu.
36 Das Ineinandergreifen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die ausnahmsweise
zulässige Inanspruchnahme eines nicht (mehr) zugelassenen Leistungserbringers nach § 13
Abs 3 Satz 1 SGB V und der Rechtsfolgen des § 95b Abs 3 SGB V in vergütungsrechtlicher
Hinsicht gewährleistet den vom Gesetz gewollten Schutz der Versicherten und ermöglicht
den Krankenkassen die Bewältigung der schwierigen Lage nach einem Kollektivverzicht
einzelner Arzt- oder Zahnarztgruppen. Nach der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG ist
ein Versicherter, der nicht zugelassene Leistungserbringer in Anspruch nehmen will,
gehalten, sich bei seiner Krankenkasse nach den in Betracht kommenden
Behandlungsmöglichkeiten im Rahmen des vertragsärztlichen Systems zu erkundigen, um
so der Krankenkasse Gelegenheit zu geben, ihm Behandlungsalternativen aufzuzeigen
(BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 1 RdNr 11) . Dieser Weg ist auch dann geboten, wenn Ärzte oder
Zahnärzte einer bestimmten Behandlergruppe unter den Maßgaben des § 95b Abs 1 SGB V
auf ihre Zulassung bzw Vollermächtigung für die Kieferorthopädie verzichtet haben. Teilt die
Krankenkasse in einer entsprechenden Situation einem Versicherten mit, gegen die
Inanspruchnahme eines aus der vertragszahnärztlichen Versorgung pflichtwidrig
ausgeschiedenen (Zahn-)Arztes bestünden keine Bedenken, kann sich dieser Versicherte
ohne eigenes wirtschaftliches Risiko in die Behandlung dieses Arztes bzw Zahnarztes
begeben. Nach § 95b Abs 3 Satz 3 SGB V treffen ihn keine Zahlungsverpflichtungen;
abweichende Vereinbarungen sind nach § 95b Abs 3 Satz 4 SGB V nichtig und belasten
den Versicherten deshalb nicht.
37 Demgegenüber steht die Annahme des Berufungsgerichts, über die Vergütungsregelung des
§ 95b Abs 3 Satz 1 SGB V könne eine dauerhafte Behandlungsberechtigung der nach § 95b
Abs 1 SGB V ausgeschiedenen Zahnärzte zumindest für den Zeitraum bis zur
"Nachbesetzung ihrer freigewordenen Vertragszahnarztsitze" geschaffen werden, im
Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben über den Ausschluss der sog
Kollektivverzichtler aus der Behandlungsberechtigung zu Lasten der gesetzlichen
Krankenkassen. Zudem sprechen gegen diese Auffassung weitere Gesichtspunkte. So wäre
zunächst die zeitliche Begrenzung des vom LSG angenommenen "Sonderstatus" auf der
Grundlage des § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V ungewiss. Das LSG differenziert bei seiner
Anwendung des § 95b Abs 3 SGB V nicht nach der Versorgungslage im jeweiligen
Planungsbereich. Wenn ein Zahnarzt in einem nicht unterversorgten Bereich iS des § 95b
Abs 2 SGB V auf seine Zulassung/Ermächtigung verzichtet hat, wird sein
Vertragszahnarztsitz möglicherweise überhaupt nicht "nachbesetzt" im Sinne der
Rechtsprechung des LSG. Solange dies nicht zu einer Unterversorgung (§ 100 Abs 1 Satz 1
iVm Abs 4 SGB V) führt, ist das unproblematisch. In der Konsequenz der Auffassung des
LSG könnten die ausgeschiedenen Zahnärzte dann Versicherte auf unbegrenzte Zeit zu den
Vergütungssätzen des § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V behandeln, ohne an der
vertragszahnärztlichen Versorgung teilzunehmen. Das sieht die gesetzliche Regelung
gerade nicht vor.
38 Soweit Kieferorthopäden, die auf der Grundlage des § 10a BMV-Z bzw § 2 Nr 2 EKV-Z aF
zur Teilnahme an der zahnärztlichen Versorgung für die Kieferorthopädie ermächtigt waren,
auf diese Ermächtigung verzichtet haben, bleibt nach der Rechtsauffassung des
Berufungsgerichts offen, wann hier von einer "Nachbesetzung" eines Vertragszahnarztsitzes
auszugehen sein sollte. Ermächtigungen in dem früheren Umfang und ohne zeitliche
Begrenzung können nach geltendem Recht nicht mehr erteilt werden. Ob nur die Zulassung
eines Zahnarztes an Stelle des ausgeschiedenen (voll)ermächtigten Kieferorthopäden
dessen Behandlungsberechtigung im Sinne der Konzeption des Berufungsgerichts entfallen
lassen würde oder ob auch eine in Übereinstimmung mit § 31 Abs 7 Zahnärzte-ZV erteilte
begrenzte Ermächtigung für kieferorthopädische Leistungen diese Rechtsfolge herbeiführen
könnte, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen.
39 Unhaltbare Konsequenzen ergäben sich weiterhin auch dann, wenn sich tatsächlich
Zahnärzte für eine Zulassung in dem betroffenen Planungsbereich interessierten, wie sich
gerade am Beispiel der Kieferorthopädie aufzeigen lässt. Solange die etablierten, mit den
Versicherten und ihren Angehörigen in Kontakt stehenden zahnärztlichen Praxen trotz
Zulassungsverzichts fortbestehen, ihr Behandlungsangebot offen halten und von den
Krankenkassen honoriert werden müssen, werden sich zulassungswillige Zahnärzte
überlegen müssen, ob sie vertragszahnärztliche Praxen am gleichen Ort mit Aussicht auf
Erfolg betreiben können. Die aus der vertragszahnärztlichen Versorgung ausgeschiedenen
Zahnärzte, die tatsächlich in ihren Praxen weiterhin Behandlungen der Versicherten der
Krankenkassen anbieten, hätten keinerlei wirtschaftlichen Anreiz, diesen für sie besonders
günstigen Status, der im Ergebnis zu einer Privilegierung führt, zu beenden. Sie erhielten
nach der Vorstellung des LSG eine Vergütung auf der Basis des 1,0-fachen Satzes der GOZ
auf Dauer, unterlägen aber weder der Wirtschaftlichkeitsprüfung noch den Vorschriften über
die Punktwertdegression bei Überschreiten bestimmter Punktmengen, nicht den qualitativen
Vorgaben für die Erbringung vertragszahnärztlicher Leistungen und bei pflichtwidrigem
Verhalten auch nicht der Disziplinargewalt der KZÄV; denn nach § 95 Abs 3 Satz 3, Abs 4
Satz 2 SGB V sind die vertragszahnärztlichen Regeln für sie nicht mehr verbindlich. Des
Weiteren wäre die Höhe ihres Vergütungsanspruchs unabhängig davon, wie sich die
vertragszahnärztliche Gesamtvergütung entwickelt und welche Maßnahmen die KZÄV
ergreift oder ergreifen muss, um die gleichmäßige Verteilung der Gesamtvergütung auf alle
betroffenen Zahnärzte einschließlich der Fachzahnärzte für Kieferorthopädie zu sichern (vgl
dazu zuletzt BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23) . Selbst die Vergütung auf der Basis
des 1,0-fachen Satzes der GOZ kann schließlich - wie die Beklagte näher dargelegt hat -
günstiger sein als die Vergütung auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs
für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z), was insbesondere auf der anderen Form von
Pauschalhonorierungen für kieferorthopädische Behandlungen im Bema-Z in Relation zur
GOZ beruht.
40 Das Berufungsgericht stellt diese systemwidrigen Rechtsfolgen nicht in Abrede, sondern
weist lediglich darauf hin, dies alles sei dem Gesetzgeber bewusst gewesen und er habe es
in Kauf genommen. Dies trifft indessen schon im Ansatz nicht zu. Es gibt weder im
Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung irgendeinen Hinweis darauf, dass der
Gesetzgeber davon ausgegangen sei, auf der Grundlage der allein den Schutz der
Versicherten bezweckenden Vergütungsregelung des § 95b Abs 3 SGB V könne eine
Dauerbehandlungsverpflichtung und -berechtigung der infolge eines pflichtwidrigen
Verhaltens aus dem vertragszahnärztlichen Versorgungssystem ausgeschiedenen Ärzte
begründet werden. Die Verwerfungen, von denen das LSG annimmt, der Gesetzgeber habe
sie in Kauf genommen, ergeben sich überhaupt erst, wenn dem LSG im Ausgangspunkt
hinsichtlich der Annahme einer zeitlich weitgehend unbegrenzten Behandlungsberechtigung
gefolgt wird. Wird die Regelung des § 95b Abs 3 SGB V zutreffend lediglich als eine isolierte
Vergütungsregelung für den - möglicherweise unvermeidlichen - Fall berechtigter
Leistungsinanspruchnahme der aus dem vertragszahnärztlichen System ausgeschiedenen
Zahnärzte verstanden, stellen sich die vom LSG als zwangsläufig eingeschätzten
Verwerfungen von vornherein nicht ein.
41 Das soeben aufgezeigte Regelungskonzept des § 13 Abs 3 und des § 95b Abs 3 SGB V,
das den Schutz der Versicherten im Falle eines gruppenbezogen abgesprochenen
Zulassungsverzichts gewährleistet und eine Privilegierung der pflichtwidrig aus der
vertragsärztlichen Versorgung ausgeschiedenen Leistungserbringer vermeidet, ist mit dem
GG vereinbar. Der abweichenden Auffassung der zu 1. beigeladenen KZÄV (ebenso
Schinnenburg, MedR 2005, 26, 29) folgt der Senat nicht. Die Begrenzung der von der
Krankenkasse geschuldeten Vergütung auf das 1,0-fache des Gebührensatzes von GOÄ
und GOZ ist eine Regelung der Berufsausübung iS des Art 12 Abs 1 Satz 2 GG. Diese ist
verfassungskonform, weil sie einem wichtigen Gemeinwohlbelang dient, zur Erreichung der
gesetzgeberischen Ziele erforderlich und insgesamt verhältnismäßig ist.
42 Die Regelung soll in erster Linie dazu beitragen, Ärzte und Zahnärzte von einem
pflichtwidrigen, organisierten Verzicht auf ihre Zulassung iS des § 95b Abs 1 SGB V
abzuhalten. Ein derartiger kollektiver Zulassungsverzicht erschüttert die Stabilität der
vertragsärztlichen Versorgung, deren Sicherstellung in sachlicher wie in finanzieller Hinsicht
ein Gemeinwohlbelang von erheblichem Gewicht ist (dazu näher BSGE 94, 50 = SozR 4-
2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 132 ff) . Gerade weil ein kollektiv abgesprochener Verzicht die
Versorgung gefährden und uU zumindest für eine begrenzte Zeitspanne auf die Mitwirkung
der kollektiv ausscheidenden Leistungserbringer nicht verzichtet werden kann, erschien dem
Gesetzgeber eine Begrenzung der von den Krankenkassen zu zahlenden Vergütung für
nach dem Wirksamwerden des Verzichts erbrachte Leistungen unvermeidlich. Ohne eine
entsprechende Regelung hätten die betroffenen Ärzte nach den Bestimmungen von GOÄ
und GOZ gegenüber ihren Patienten privat liquidieren können (Klückmann in: Hauck/Noftz,
Sozialgesetzbuch, SGB V, K § 95b RdNr 24) , und diese hätten sich auf der Grundlage des §
13 Abs 3 Satz 1 SGB V um die Erstattung der Kosten bei der Krankenkasse bemühen
müssen. Eine dauerhafte Berechtigung zur Privatliquidation auf diesem Niveau hätte
massive Anreize für einen Ausstieg aus dem System der vertragsärztlichen Versorgung
gesetzt. Wenn der Gesetzgeber die Vergütung auf die in GOÄ und GOZ normierte
Mindestmarge des 1-fachen des Gebührensatzes begrenzt, welcher gemäß § 11 Abs 1 GOÄ
für ärztliche Leistungen zugunsten bestimmter öffentlicher Leistungsträger vorgesehen ist,
wird einerseits eine (noch) hinreichende Vergütung gewährt, andererseits werden jedoch
alle Anreize vermieden, sich auf Dauer für die gesetzlich nicht vorgesehene Rolle eines aus
der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschiedenen, aber weiter an dieser Versorgung
mitwirkenden Arztes zu entscheiden.
43 Soweit die Beigeladene zu 1. der Auffassung ist, § 95b Abs 3 SGB V erschwere den
Ausstieg eines Zahnarztes aus der vertragszahnärztlichen Versorgung unangemessen, ist
das nicht zutreffend. Die Vorschrift greift nur ein, wenn ein vom Gesetzgeber als pflichtwidrig
bewerteter kollektiver Verzicht auf die Zulassung oder Ermächtigung vorangegangen ist. Sie
betrifft typischerweise Ärzte und Zahnärzte, die sich zunächst als zugelassene
Leistungserbringer eine Praxis mit einem Patientenstamm aus Versicherten der gesetzlichen
Krankenkassen aufgebaut haben, und die in der Erwartung, dieser Patientenstamm werde
ihnen auch nach dem abgesprochenen Verzicht erhalten bleiben, diesen Schritt vollziehen.
Zwischen dieser Gruppe und den Ärzten, die sich von vornherein nur als Privatärzte
niederlassen oder individuell auf die Zulassung verzichten, bestehen Unterschiede von
solchem Gewicht, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist (Art 3 Abs 1 GG) .
44 Im Übrigen trifft die Auffassung der zu 1. beigeladenen KZÄV nicht zu, Ärzten und
Zahnärzten müsse es möglich sein, sich vollständig von den Vorgaben und - aus ihrer Sicht -
Restriktionen des Krankenversicherungssystems zu lösen. Das Gegenteil ergibt sich seit
Jahrzehnten aus der Rechtsprechung des BSG zur Vergütung von Notfallbehandlungen
durch Nichtvertrags(zahn)ärzte. Diese erfolgt über die K(Z)ÄV nach den Regeln und auf dem
Niveau der vertrags(zahn)ärztlichen Honorierungsbestimmungen (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr
2 RdNr 5). Davon kann sich kein (Zahn-)Arzt lösen. Wenn die begrenzte Einbeziehung aller
niedergelassenen (Zahn-)Ärzte in vertrags(zahn)ärztliche Regelungen unabhängig davon
zulässig ist, ob diese jemals vertrags(zahn)ärztlich tätig waren, kann es dem Gesetzgeber
nicht verwehrt sein, (Zahn-) Ärzte, die die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung pflichtwidrig
verlassen haben, vergütungsrechtlich im Rahmen einer Nachhaftung an
vertrags(zahn)ärztliche Vergütungsregelungen zu binden. Der Gesetzgeber hat den ihm im
Rahmen der Regelung der Berufsausübung nach Art 12 Abs 1 Satz 2 GG zustehenden
Gestaltungsspielraum nicht verletzt, soweit er im Zuge der Regelung der Folgen eines
kollektiven Zulassungsverzichts den Schutz der Patienten vor hohen
Zahlungsverpflichtungen und den Schutz der Krankenkassen vor Zahlungen für die
Versorgung ihrer Versicherten zusätzlich zur Gesamtvergütung höher bewertet als das
Interesse der in einer Gruppenabsprache aus der Versorgung ausgeschiedenen (Zahn-
)Ärzte daran, Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen wie Privatversicherte behandeln
und entsprechend liquidieren zu dürfen.
45 Nach den aufgezeigten Grundsätzen steht der Klägerin der geltend gemachte
Vergütungsanspruch nach § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V nicht zu. Es ist weder vom LSG
festgestellt noch von der Klägerin geltend gemacht oder sonst ersichtlich, dass für die
Erstbehandlung der Beigeladenen zu 3. im September 2004 im Umkreis der Praxis der
Klägerin zur Behandlung geeignete und bereite Zahnärzte bzw Kieferorthopäden nicht zur
Verfügung gestanden haben und die Versicherte deshalb nach Rücksprache mit ihrer
Krankenkasse die Klägerin in Anspruch nehmen musste. Dabei müssen die
Voraussetzungen des "Systemversagens" iS des § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V in jedem
einzelnen Behandlungsfall geprüft werden und vorliegen. Für die Annahme eines
"Systemversagens" ist demgemäß nicht ausreichend, dass in einem Planungsbereich eine
Unterversorgung bei kieferorthopädischen Leistungen besteht oder der
Sicherstellungsauftrag aufgrund der Feststellung gemäß § 72a Abs 1 SGB V von der KZÄV
auf die Krankenkassen übergegangen ist (vgl dazu Urteil vom heutigen Tag im Verfahren B
6 KA 37/06 R) . Die Klägerin hat sich auch nicht auf ein Systemversagen berufen, sondern
auf der Grundlage der Rechtsauffassung des LSG, die schon in einem Beschluss des
Berufungssenats vom 5.1.2005 ( L 3 KA 237/04 ER, GesR 2005, 124) in einem ebenfalls sie
- die Klägerin - betreffenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes formuliert worden
war, geltend gemacht, ihre Behandlungsberechtigung bestehe trotz ihres Verzichts
uneingeschränkt fort. Das ist - wie dargelegt - nicht der Fall.
46 Der Feststellungsantrag der Klägerin ist entgegen der Auffassung des LSG zulässig. Das
nach § 55 SGG erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Die Frage, ob die Klägerin
nach dem Verzicht auf ihre Ermächtigung Versicherte der Beklagten neu in ihre
kieferorthopädische Behandlung aufnehmen darf, ohne dass die Versicherten nachweisen
müssen, dass keine zumutbaren Behandlungsalternativen bestehen, ist der gerichtlichen
Feststellung zugänglich. Die Klage ist aber nicht begründet, weil die Klägerin dazu - wie
oben dargelegt - gerade nicht berechtigt ist.
47 Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte die Kosten
des Revisionsverfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind
nicht zu erstatten, da diese keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, s dazu BSGE
96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, jeweils RdNr 16).