Urteil des BSG vom 06.09.2001

BSG: wirtschaftliche leistungsfähigkeit, unfallversicherung, rente, satzung, beitragsbemessung, beitragspflicht, krankenversicherung, arbeitsentgelt, beitragsfestsetzung, sozialleistung

Bundessozialgericht
Urteil vom 06.09.2001
Landessozialgericht Baden-Württemberg
Bundessozialgericht B 12 KR 14/00 R
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. April 2000 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge.
Der 1922 geborene Kläger war als Versicherungsagent selbständig erwerbstätig und ist seit 1973 freiwilliges Mitglied
der Beklagten. Als laufende Einnahmen bezieht er eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, eine
Betriebsrente und eine Rente aus einem privaten Unfallversicherungsvertrag (Unfallrente). Diese wird als Jahresrente
von 4.276,65 DM (= monatlich 356,39 DM) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 vH wegen eines
Unfalls im Jahre 1990 gezahlt.
Die Beklagte hatte zunächst keine Kenntnis von der Unfallrente und stufte den Kläger mit Bescheid vom 30. Juni
1994 unter Berücksichtigung von Provisionszahlungen aus seiner früheren selbständigen Tätigkeit für die Zeit von Juli
1994 bis 30. Juni 1995 in die Beitragsklasse 791 ein (sonstige nichtversicherungspflichtige Mitglieder mit
beitragspflichtigen Einnahmen von 2.375 DM bis 2.625 DM). Später erließ die Beklagte auch für weitere Zeiten
Bescheide und korrigierte die Beitragseinstufung mehrfach, auch nachdem sie im November 1995 von der Unfallrente
erfahren hatte. Mit Bescheid vom 9. Februar 1996 regelte die Beklagte die Beitragseinstufung für die Zeit von Januar
1994 bis August 1996 unter Einbeziehung der Unfallrente. Der Kläger beanstandete dieses und legte Widerspruch ein.
Während des Widerspruchsverfahrens stufte die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 18. September 1996 für die
Zeit vom 1. September 1996 bis zum 30. Juni 1997 nach beitragspflichtigen Einnahmen von monatlich 2.446,90 DM
ein (1.561,60 DM Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, 528,91 DM Betriebsrente und 356,39 DM Unfallrente).
Die Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 28. November 1996).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. März 1998). Der Kläger hat Berufung eingelegt.
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte ihre Beitragsbescheide insoweit aufgehoben, als die Unfallrente
für die Zeit bis zum 29. Februar 1996 berücksichtigt worden ist. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit wegen der
Beiträge für die Zeit bis Februar 1996 für erledigt erklärt. Hinsichtlich der Beitragsfestsetzung für die Zeit ab März
1996 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 7. April 2000). Soweit
die Beklagte die Unfallrente als beitragspflichtige Einnahme berücksichtigt habe, sei dieses rechtmäßig.
Beitragspflichtig seien nach ihrer Satzung alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt
verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Darunter falle auch die
Unfallrente.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Sie rügt eine Verletzung des § 240 Abs 1 Satz 2 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Die private Unfallrente enthalte eine
Zweckbindung iS einer Abdeckung des unfallbedingten Mehrbedarfs und dürfe bei der Beitragsbemessung nicht als
Einnahme berücksichtigt werden.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des LSG vom 7. April 2000 und des Urteils des SG vom 10. März 1998 die Bescheide
der Beklagten vom 9. Februar 1996 und 18. September 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.
November 1996 insoweit aufzuheben, als darin für die Zeit vom 1. März 1996 bis 30. Juni 1997 wegen
Berücksichtigung der Unfallrente zu hohe Beiträge festgesetzt worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Angefochten ist der Bescheid vom 9. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November
1996, soweit die Beklagte bei der Beitragsfestsetzung die Unfallrente berücksichtigt hat. In diesem Umfang ist auch
der Bescheid vom 18. September 1996 angegriffen, der nach § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand
des Vorverfahrens geworden war.
Der Kläger hat für die Anfechtungsklage, die nur einen Teil der Beitragsbemessung beanstandet, ein
Rechtsschutzinteresse. Die Beklagte hatte bis 1996 von dem Recht des § 240 Abs 5 SGB V Gebrauch gemacht,
Beitragsklassen vorzusehen und diese mit Abständen von 250 DM gebildet. Der Kläger wäre bei
Nichtberücksichtigung der Unfallrente von 356,39 DM monatlich in eine günstigere Beitragsklasse einzustufen. Dies
gilt auch, wenn die Unfallrente nur mit dem der Grundrente nach § 31 Abs 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG)
entsprechenden Betrag beitragsfrei bliebe. Auch dann wäre die Unfallrente hier beitragsfrei. Denn die monatliche
Grundrente nach § 31 Abs 1 BVG für eine MdE von 50 vH überstieg mit monatlich 388 DM bis Juni 1996 und mit
anschließend monatlich 390 DM die Unfallrente des Klägers von monatlich 356,39 DM.
Das LSG hat die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die angefochtenen
Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte brauchte für die Beitragsfestsetzung im Bescheid vom 9. Februar 1996 und
die Zeit ab März 1996, auf die der Streit beschränkt ist, frühere Bescheide nicht nach §§ 45, 48 des Zehnten Buches
Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) zu ändern, soweit sie nunmehr erstmals die Unfallrente als
beitragspflichtige Einnahme berücksichtigte. Eine bindende Beitragsfestsetzung bestand aus früherer Zeit im Februar
1996 nicht mehr, weil frühere Beitragsfestsetzungen befristet und ausgelaufen waren.
Die Beklagte hat zu Recht bei der Beitragsbemessung neben dem Zahlbetrag der Rente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung und dem Zahlbetrag der Betriebsrente auch den Zahlbetrag der Unfallrente berücksichtigt. Die
Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder ist nach § 240 Abs 1 Satz 1 SGB V durch die Satzung zu regeln. Dabei ist
sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt
(Abs 1 Satz 2), mindestens jedoch die Einnahmen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen
Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (Abs 2 Satz 1). Die Satzung der Beklagten bestimmt,
daß für die Beitragsbemessung bei nichtversicherungspflichtigen Personen die monatlichen Gesamtbezüge
maßgebend sind. Nach § 20 Abs 5 (seit 1. Januar 1997: § 19 Abs 5) der Satzung gelten als Gesamtbezüge die
Bruttobezüge; ihnen zuzurechnen sind das Arbeitsentgelt und alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum
Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Leistungen, die
wie hier die Unfallrente einmal jährlich gezahlt werden, sind monatlich mit einem Zwölftel anzurechnen.
Einnahmen, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden können, sind, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist,
die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die Betriebsrente. Diese Renten zählen auch bei
Versicherungspflichtigen zu den beitragspflichtigen Einnahmen (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 2, 3, § 228 Abs 1, § 229 Abs 1
Satz 1 Nr 5, § 237 Satz 1 Nr 1, 2, Satz 2 SGB V). Sie sind deshalb schon nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V bei
freiwillig Versicherten in der Satzung als beitragspflichtige Einnahmen zu berücksichtigen.
Die Unfallrente ist ebenfalls eine Einnahme, die der Kläger zum Lebensunterhalt verbrauchen kann und deshalb zu
den beitragspflichtigen Gesamtbezügen iS der Satzung gehört. Es handelt sich nach den Feststellungen des LSG
zum Versicherungsvertrag um eine Rente aus einer Risikoversicherung. Solche Renten waren nach der
Rechtsprechung des Senats schon unter Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) bis Ende 1988 als
Einnahmen zum Lebensunterhalt iS des § 180 Abs 4 RVO beitragspflichtig (vgl BSG SozR 2200 § 180 Nr 32 S 131
zur Beitragspflicht einer privaten Berufsunfähigkeitsrente als "Einnahme zum Lebensunterhalt"). Unter der Geltung
des § 240 SGB V (ab 1989) sind nunmehr Versicherungsrenten als "Einnahmen, die zum Lebensunterhalt verbraucht
werden oder verbraucht werden können", bei freiwilligen Mitgliedern allgemein beitragspflichtig, denn der Zahlbetrag
dieser Renten bestimmt die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds iS des § 240 Abs 1 Satz 2 SGB
V (Urteil vom 6. September 2001 - B 12 KR 5/01 R, zur Veröffentlichung in SozR 3 vorgesehen). Die Definition der
beitragspflichtigen Einnahmen in § 20 Abs 5 der Satzung ist hinreichend, um Unfallrenten wie die des Klägers zu
erfassen. Sie wiederholt die Begründung der Vorschrift im Entwurf des Gesundheits-Reformgesetzes (BT-Drucks
11/2237 S 225, damals zu Art 1 § 249). Mit dieser allgemeinen Formulierung werden Renten aus privaten
Versicherungsverträgen als Einnahmen erfaßt. Eine Aufzählung einzelner privater Rentenarten in der Satzung ist nicht
notwendig (vgl Urteil vom 6. September 2001 - B 12 KR 5/01 R). Unerheblich ist der Hinweis der Revision darauf, daß
hier nach dem Versicherungsvertrag bei einem Unfall, der sich vor dem 65. Lebensjahr des Klägers ereignet hätte,
keine Rente, sondern ein Kapitalbetrag zu zahlen gewesen wäre. Die Beitragspflicht der Rente entfällt nicht deshalb,
weil bei einer anderen Gestaltung die Beitragslast auf eine solche Einnahme geringer sein oder entfallen könnte (vgl
auch die Regelung in § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V und die Rspr dazu in BSG SozR 3-2500 § 229 Nr 10 mwN).
Die private Unfallrente braucht nicht in der Höhe beitragsfrei zu bleiben, in der die Verletztenrente der gesetzlichen
Unfallversicherung als Einnahme zum Lebensunterhalt iS des § 180 Abs 4 RVO beitragsfrei war und heute nicht als
Einnahme zum Lebensunterhalt iS der Zuzahlungsregelung des § 61 Abs 2 Nr 1 SGB V gilt. Nach § 180 Abs 4 RVO
waren für die Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt und sonstige Einnahmen zum Lebensunterhalt maßgebend. Die
Rechtsprechung hat zu dieser Vorschrift entschieden, zweckbestimmte Sozialleistungen gehörten nicht zu den
"Einnahmen zum Lebensunterhalt" und damit nicht zum beitragspflichtigen Grundlohn. Das galt für die Grundrente
nach dem BVG, die nicht dem allgemeinen Lebensunterhalt diene, bei zahlreichen Sozialleistungen von der
Anrechnung ausgeschlossen sei und den Beschädigten wirtschaftlich im Verhältnis zu Gesunden nicht besser stelle
(BSGE 50, 243 = SozR 2200 § 180 Nr 5). Als eine Sozialleistung, die jedenfalls zum Teil zweckbestimmt ist, hat die
Rechtsprechung nach früherem Recht auch die Verletztenrenten der gesetzlichen Unfallversicherung angesehen. Sie
blieben bei freiwillig Versicherten in der Höhe beitragsfrei, die der Grundrente nach dem BVG für die vergleichbare
MdE entsprach (BSGE 60, 128 = SozR 2200 § 180 Nr 31 und SozR 3-2200 § 511 Nr 1). Begründet wurde dies damit,
daß die Verletztenrente zum Teil die Funktion der Grundrente nach dem BVG habe. Diese Rechtsprechung, die
Ersatzkassenmitglieder betraf, beruhte auf der Auslegung der "Einnahmen zum Lebensunterhalt" iS des § 180 Abs 4
RVO und der entsprechenden Satzungsregelung einer Ersatzkasse (BSGE 60, 128, 132 = SozR 2200 § 180 Nr 31 S
127).
Unter Geltung des SGB V hat das Bundessozialgericht an dieser Rechtsprechung für die "Einnahmen zum
Lebensunterhalt" in § 61 Abs 2 Nr 1 SGB V festgehalten und entschieden, daß die Verletztenrente der gesetzlichen
Unfallversicherung zu diesen Einnahmen gehöre, jedoch ergänzend darauf hingewiesen, daß der Teil, der der
Grundrente nach dem BVG entspreche, weiterhin nicht dazu zähle (BSGE 71, 299, 303, 304 = SozR 3-2500 § 61 Nr 2
S 11 � insoweit allerdings nicht entscheidungserheblich). Es kann offen bleiben, ob diese Rechtsprechung,
soweit sie die Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung als zweckbestimmte Sozialleistung beurteilt und
zum Teil nicht als Einnahme zum Lebensunterhalt berücksichtigt, auch auf Renten aus privaten
Unfallversicherungsverträgen erstreckt werden kann. Für eine andere Beurteilung könnte möglicherweise angeführt
werden, daß nur die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten der Krankenbehandlung von Unfallfolgen trägt, um die
gesetzliche Krankenkassen entlastet werden, während dies bei privaten Unfallrenten nicht der Fall ist.
Für die geforderte Beitragsfreiheit der Unfallrente beruft sich die Revision ohne Erfolg auf eine Gleichbehandlung
dieser Unfallrente mit der Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung. Im Sinne der Satzung der Beklagten
und des § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V ist auch die Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung bei freiwilligen
Mitgliedern eine Einnahme, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden kann, und mit dem Zahlbetrag ohne
Anrechnung eines Freibetrags beitragspflichtig. Auch die Verletztenrente bestimmt bei den freiwilligen Mitgliedern
deren gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit iS des § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V. Davon geht auch der
Gesetzgeber aus. Er hat deshalb durch Art 3 Nr 3 des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl I S
1014) in § 18b Abs 5 Satz 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die
Sozialversicherung (SGB IV) bei der Aufzählung der Leistungen, die nur nach Abzug von darauf entfallenden
Sozialversicherungsbeiträgen als Einkommen gelten, die Verletztenrenten der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 18a
Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB IV) zusätzlich aufgenommen und sie damit in der freiwilligen Krankenversicherung als
beitragspflichtig angesehen (vgl zu dieser Änderung des § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV die Beschlussempfehlung und
den Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu Art 3 Nr 1b des Entwurfs des
Pflegeversicherungsgesetzes (BT-Drucks 12/5920 S 99 und BT-Drucks 12/5952 S 51)).
Es erscheint nicht gerechtfertigt, die Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung abweichend hiervon zum Teil
als zweckgerichtete und deshalb beitragsfreie Leistung zu behandeln. Auch ist es nicht geboten, einen pauschal in
Höhe des entsprechenden Grundrentenbetrags verletzungsbedingten Mehrbedarf zu unterstellen und
einnahmemindernd zu berücksichtigen. Die Forderung des § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V, die Beiträge nach der
gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu bemessen, soll die Beschränkung der Beitragspflicht auf bestimmte
Einkunftsarten ebenso aufheben, wie die einnahmenmindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen bei Einkünften.
Der Senat hat die Beitragsfreiheit deshalb selbst bei zweckgerichteten Sozialleistungen nur noch für die Hilfe in
besonderen Lebenslagen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) anerkannt (vgl dazu BSGE 71, 237 = SozR 3-
2500 § 240 Nr 12 S 48), für die Mehrbedarfszuschläge nach § 22 Abs 1 Satz 2 und § 23 BSHG jedoch verneint
(BSGE 87, 228, 235 = SozR 3-2500 § 240 Nr 34 S 162 f). Auch das Wohngeld sieht der Senat nunmehr als eine
Einnahme an, die jedenfalls kraft Satzung der Beitragsbemessung unterworfen werden kann (BSGE 87, 228, 237 f =
SozR 3-2500 § 240 Nr 34 S 165). Die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit iS des § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V
wird von den Einnahmen und nicht von der Bedarfssituation des Mitglieds aufgrund seiner gesundheitlichen
Einschränkungen bestimmt. Für die Beitragsbemessung macht es keinen Unterschied, ob bei zwei Mitgliedern mit
denselben gesundheitlichen Einschränkungen und gleich hohen Renteneinnahmen das eine Mitglied ausschließlich
eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung und Versorgungsbezüge, das andere Mitglied dagegen eine Rente
der gesetzlichen Rentenversicherung und eine Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung oder wie hier der
Kläger eine Rente aus einem privaten Unfallversicherungsvertrag bezieht. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit all
dieser Mitglieder ist gleich.
Bei freiwilligen Mitgliedern der Krankenversicherung ist eine Beitragsfreiheit der Verletztenrente in Höhe der
Grundrente nach dem BVG nicht deshalb geboten, weil dieser Betrag im Sozialrecht allgemein als Einnahme
unberücksichtigt bliebe. Ein solcher Grundsatz besteht nicht. So ist zB eine entsprechende Einschränkung in § 76
BSHG nicht vorgesehen. Nach dessen Abs 1 gelten nur die Grundrente nach dem BVG und bestimmte Leistungen
nach dem Bundesentschädigungsgesetz nicht als Einkommen. Mit diesen Leistungen wird die Verletztenrente der
gesetzlichen Unfallversicherung nicht gleichgestellt (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 9. September
1992 - 9 UE 2489/89 = ZfS 1993, 23 f). Unerheblich ist auch, daß nach § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB IV die
Verletztenrenten der gesetzlichen Unfallversicherung nur mit dem Betrag anzurechnen sind, der den Betrag übersteigt,
der bei gleicher MdE als Grundrente nach dem BVG gezahlt würde. § 18a SGB IV zählt Einnahmen auf, die als
Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen gelten. Eine Leistung wie die Unfallrente des Klägers wäre nach dieser
Vorschrift ohnehin nicht als Einnahme anzurechnen.
Werden hiernach bei freiwilligen Mitgliedern Renten aus einer privaten Unfallversicherung wie Renten der gesetzlichen
Unfallversicherung als beitragspflichtige Einnahmen behandelt, so erscheint allerdings die Behandlung der
Unfallrenten bei der Beitragsbemessung in der Krankenversicherung nicht widerspruchsfrei. Diese Renten sind zur
Zeit nur bei den freiwillig Versicherten nach Maßgabe der Satzungen der Krankenkassen beitragspflichtig, Diese
Beitragspflicht kommt allerdings bei freiwillig versicherten Arbeitnehmern mit einem Arbeitsentgelt über der
Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht zum Tragen, weil sie schon aus dem Arbeitsentgelt Höchstbeiträge entrichten. Bei
Pflichtversicherten sind Unfallrenten allgemein nicht beitragspflichtig. Ob die Beitragsfreiheit von Renten aus der
gesetzlichen Unfallversicherung insgesamt bei Pflichtversicherten heute noch gerechtfertigt ist, erscheint fraglich.
Dies gilt insbesondere bei Rentnern, bei denen wegen des Bezugs einer Verletztenrente die
Beitragsbemessungsgrundlage gemindert wird, weil die beitragspflichtige Rente der gesetzlichen Rentenversicherung
zum Teil ruht und in Höhe des Ruhensbetrages nicht mehr beitragspflichtig ist. Hier tritt die Ungleichbehandlung von
Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten besonders zutage, weil die beitragspflichtigen Einnahmen bei den
freiwillig versicherten früheren Arbeitnehmern die Beitragsbemessungsgrenze nicht mehr übersteigen.
Verletztenrenten werden bei diesen freiwillig Versicherten erstmals bei Rentenbezug beitragspflichtig. Der
Gesetzgeber hat bei der vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 15. März 2000 (BVerfGE 102, 68 = SozR
3-2500 § 5 Nr 42 S 188 ff) geforderten Neuregelung Gelegenheit, auch die Ungleichbehandlung von freiwilligen und
versicherungspflichtigen Mitgliedern bei der Berücksichtigung von Verletztenrenten aus der gesetzlichen
Unfallversicherung zu überprüfen. Dieses könnte auch Auswirkungen auf Renten aus der privaten Unfallversicherung
haben. Bis dahin kann jedoch die Beitragspflicht von privaten Unfallversicherungsrenten nicht mit dem Hinweis auf die
Beitragsfreiheit der Verletztenrente bei den Pflichtversicherten beanstandet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.