Urteil des BSG vom 23.09.2004

BSG: öffentliches recht, erwerbsunfähigkeit, unternehmen, bäuerin, niedersachsen, landwirtschaft, beitragspflicht, begünstigung, reform, rechtsnachfolger

Bundessozialgericht
Urteil vom 23.09.2004
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Bundessozialgericht B 10 LW 4/03 R
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. Februar 2003
wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen
Kosten zu erstatten.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt als Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Ehefrau eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
unter Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten.
Der am 9. März 1938 geborene Kläger heiratete am 20. Mai 1965 die am 11. Oktober 1937 geborene Erna V. (im
Folgenden: Versicherte). Er zahlte an die Beklagte von Juli 1969 bis Juni 1974 sowie von Dezember 1994 bis
Dezember 1995 Beiträge als Landwirt iS von § 14 Abs 1 Buchst a Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL)
bzw iS von § 1 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 2 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) sowie in der Zeit von Juli
1974 bis November 1994 Pflichtbeiträge als Weiterversicherter gemäß § 27 GAL und in der Zeit von Januar 1996 bis
März 1998 gemäß § 84 Abs 2 ALG. Nachdem das landwirtschaftliche Unternehmen abgegeben worden war, gewährte
die Beklagte der Versicherten mit Bescheid vom 23. November 1998 ab dem 1. Dezember 1998 Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung von 12 eigenen (Januar bis Dezember 1995) und 61 angerechneten
Beitragsmonaten (Juli 1969 bis Juni 1974 und Dezember 1994). Der auf die Berücksichtigung der Pflichtbeiträge des
Klägers als Weiterversicherter gerichtete Widerspruch der Versicherten wurde vom Kläger fortgeführt, nachdem diese
am 15. Oktober 2000 verstorben war; er blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2001).
Das Sozialgericht Stade (SG) hat die Klage mit Urteil vom 8. Januar 2002 abgewiesen. Auch die Berufung des
Klägers blieb ohne Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (LSG) vom 27. Februar 2003). In
den Entscheidungsgründen des LSG wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne nicht verlangen, dass die
von ihm gemäß § 27 GAL entrichteten Beiträge gemäß § 92 Abs 1 ALG bei der Berechnung der der Versicherten
gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit rentensteigernd berücksichtigt würden. Der Gesetzgeber habe durch die
Änderung des § 92 Abs 1 Satz 1 ALG in Art 6 Nr 8 Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG) vom 21. März 2001
(BGBl I S 403 ff) nunmehr ausdrücklich geregelt, dass nur die nach § 14 GAL entrichteten Beiträge im Rahmen des §
92 Abs 1 ALG dem Ehegatten "zugesplittet" würden. Dies schließe eine Berücksichtigung von gemäß § 27 GAL im
Wege der Weiterversicherung gezahlten Beiträgen eindeutig aus. Da der Gesetzgeber die Neufassung des § 92 Abs 1
Satz 1 ALG rückwirkend zum 23. Dezember 1995 in Kraft gesetzt habe (Art 12 Abs 2 AVmEG), sei der
vorangegangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 17. August 2000 (BSGE 87, 66 =
SozR 3-5868 § 92 Nr 1) die gesetzliche Grundlage entzogen worden. Die Änderung verstoße auch nicht gegen
Verfassungsrecht (Hinweis auf das Senatsurteil vom 16. Oktober 2002 - B 10 LW 10/02 R -).
Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung von Bundesrecht. Die Änderung von § 92 Abs 1 Satz 1 ALG
rückwirkend zum 23. Dezember 1995 durch das AVmEG sei verfassungswidrig, was nicht mit der Argumentation
beseitigt werden könne, es sei lediglich eine Unklarheit im Gesetzeswortlaut behoben worden. Art 14 Grundgesetz
(GG) werde dadurch verletzt, dass ein wesentlicher Teil der Altersversorgung entzogen werde, der auf einer
Weiterversicherung beruhe, die durch das Lückenlosigkeitsprinzip erzwungen worden sei. Der vorliegende Sachverhalt
unterscheide sich von anderen anhängigen Verfahren des BSG dadurch, dass originäre Beiträge als Landwirt nicht zu
einer Leistung führten. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG liege darin, dass die zur
Weiterversicherung gezwungenen ehemaligen Landwirte gegenüber aktiven Landwirten ohne sachlichen Grund
benachteiligt würden. Das Diskriminierungsverbot des Art 3 Abs 2 GG werde ebenfalls verletzt; ohne die "Zusplittung"
an die (weiblichen) Ehegatten käme die Berücksichtigung der Weiterversicherungsbeiträge zu 90 % nur den Männern
zugute, obwohl diese Beiträge letztlich dem Familieneinkommen entzogen worden seien.
Der Kläger beantragt, die Urteile des LSG vom 27. Februar 2003 sowie des SG vom 8. Januar 2002 aufzuheben und
die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 23. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29. Juni 2001 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 31. Oktober 2000 aus der Versicherung
seiner verstorbenen Ehefrau unter Berücksichtigung der für die Zeit von Juli 1974 bis November 1994 gemäß § 27
GAL entrichteten Beiträge eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt unter näherer Darlegung,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann der Kläger keine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der
Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau beanspruchen (vgl § 13 ALG). Nach dem hier einschlägigen § 92 Abs 1
Satz 1 ALG in der mit Wirkung vom 23. Dezember 1995 in Kraft getretenen Fassung des AVmEG (Art 12 Abs 2
AVmEG) gelten für die Ehezeit in der Zeit vom 1. Oktober 1957 bis 31. Dezember 1994 für den Ehegatten Beiträge
als gezahlt, für die der andere Ehegatte Beiträge als Landwirt nach § 14 GAL gezahlt hat. Danach sind insbesondere
die streitigen Zeiten vom 1. Juli 1974 bis 30. November 1994 nicht anzurechnen, weil der Kläger in diesem Zeitraum
keine Beiträge als aktiver Landwirt nach § 14 GAL, sondern Weiterversicherungsbeiträge nach § 27 GAL gezahlt hat.
Der Senat hat keine Veranlassung, die hier einschlägige Regelung des § 92 Abs 1 ALG gemäß Art 100 GG dem
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen. Er ist nämlich nicht davon überzeugt, dass diese Norm
verfassungswidrig ist. Insofern hält er nach erneuter Prüfung an seiner Rechtsprechung in den Urteilen vom 16.
Oktober 2002 - B 10 LW 10/02 R - und vom 11. Dezember 2003 - B 10 LW 11/02 R - und - B 10 LW 17/02 R - fest.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist Art 14 GG im vorliegenden Fall nicht verletzt. Nach ständiger Rechtsprechung
des BVerfG verschafft die Rentenanwartschaft dem Versicherten zwar eine Rechtsposition, die vor allem wegen der
einkommensbezogenen Beitragsleistungen derjenigen eines Eigentümers gleicht und deshalb auch dem Schutz der
Eigentumsgarantie nach Art 14 GG unterliegt. Die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie des Eigentums ergibt
sich allerdings erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken, die Aufgabe des Gesetzgebers ist (Art 14 Abs 1
Satz 2 GG). Der Betroffene muss nur solche Einschränkungen seiner eigentumsrechtlich geschützten Position
hinnehmen, die durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind. Dies setzt voraus, dass die Eingriffe zur Erreichung des angestrebten Ziels
geeignet und erforderlich sein müssen; sie dürfen den Betroffenen nicht übermäßig belasten, dh sie müssen zumutbar
sein (vgl BVerfGE 75, 78, 97 f = SozR 2200 § 1246 Nr 142; BSG SozR 3-2600 § 300 Nr 14).
Wird in bestehende Anwartschaften auf Sozialversicherungsrente eingegriffen, so ist zu berücksichtigen, dass in
ihnen von vornherein die Möglichkeit einer Änderung in gewissen Grenzen angelegt ist, weil das
Versicherungsverhältnis nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip, sondern auf dem Gedanken der Solidarität und
des sozialen Ausgleichs beruht. Rechtfertigende Gründe für Eingriffe liegen bei Regelungen vor, die dazu dienen, die
Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems im Interesse aller Versicherten zu erhalten, zu verbessern oder
veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen (BVerfGE 58, 81, 110 = SozR 2200 § 1255a Nr 7 - zur
Begrenzung der Bewertung von Ausbildungs-Ausfallzeiten). Dabei tritt der verfassungsrechtlich wesentliche personale
Bezug des Versicherten zu dieser Berechtigung und mit ihm ein tragender Grund des Eigentumsschutzes umso
stärker hervor, je höher der zu Grunde liegende Anteil eigener Leistung ist. Daraus ergibt sich ein abgestufter Schutz,
der dem Gesetzgeber umso weitere Befugnisse zur Inhalts- und Schrankenbestimmung gibt, je stärker das
Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug steht. Gegen schrankenlose Eingriffe ist allerdings selbst eine
beitragsunabhängig gewährte Position geschützt, soweit es an einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dem
Eingriff verfolgten Zweck fehlt (BVerfGE 58, 81, 112, 114 = SozR 2200 § 1255a Nr 7). Diesen Anforderungen an einen
verfassungskonformen Eigentumsschutz hat der Gesetzgeber des ALG hinreichend Rechnung getragen.
Zunächst standen der Versicherten, deren Rechte der Kläger hier als Rechtsnachfolger geltend macht, in der
Altershilfe für Landwirte, also nach dem GAL, zu keinem Zeitpunkt Anwartschaften zu, die als eigentumsgeschützte
Rechtspositionen angesehen werden könnten. Zwar sah § 29 Abs 4 GAL idF des Art 1 Nr 2 Drittes Agrarsoziales
Ergänzungsgesetz (3. ASEG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl I S 2475) vor, dass die landwirtschaftliche Alterskasse
(LAK) das Altersgeld oder vorzeitige Altersgeld in Höhe eines Drittels des Betrages, der vor Anwendung dieser
Vorschrift von der LAK an den Leistungsberechtigten gezahlt worden wäre, unter bestimmten Voraussetzungen an
den Ehegatten des Leistungsberechtigten ausgezahlt; damit war jedoch (noch) keine eigenständige Versorgung des
Ehegatten geschaffen worden (vgl BSG SozR 3-3642 § 9 Nr 2 S 8). Erst mit der Bewilligung der Rente erwarb der
Ehegatte ein subjektiv öffentliches Recht auf Auszahlung dieses so genannten Ehegattenzuschlages (vgl BSG SozR
3-5850 § 29 Nr 1). Dabei verblieb das Rentenstammrecht beim rentenberechtigten Ehegatten (vgl BSG aaO S 5). Da
dem Kläger bis zum Außer-Kraft-Treten dieser Regelung mit der Einführung des Gesetzes zur Reform der
agrarsozialen Sicherung (ASRG 1995) vom 29. Juli 1994 (BGBl I S 1890) zum 1. Januar 1995 (vgl Art 47 Nr 1, Art 48
Abs 1 ASRG 1995) keine Rente nach dem GAL bewilligt worden ist, hatte die Versicherte keinen entsprechenden
Auszahlungsanspruch erworben.
Durch das ASRG 1995 ist dann eine eigenständige soziale Sicherung der Landwirtsehegatten eingeführt worden (vgl §
1 Abs 3 ALG). Diese Maßnahme ist der Versicherten insoweit unmittelbar zugute gekommen, als ihr Ehemann, der
Kläger, in der Zeit ab 1. Januar 1995 aktiver Landwirt iS von § 1 Abs 2 ALG war. Hinsichtlich der vom Kläger bis zum
31. Dezember 1994 entrichteten Beiträge ergibt sich folgendes Bild:
Nach § 92 Abs 1 Satz 1 ALG idF des ASRG vom 29. Juli 1994 (BGBl I S 1890) wurden den Ehegatten von Landwirten
Beiträge für solche Zeiten vom 1. Oktober 1957 bis zum 31. Dezember 1994 zugerechnet, für die "der Landwirt
Beiträge zur Altershilfe für Landwirte gezahlt" hatte. Danach wäre der Versicherten die insgesamt 306 Kalendermonate
umfassende Zeit der Beitragsentrichtung durch ihren Ehemann (nach der Eheschließung im Mai 1965) vom Juli 1969
bis Dezember 1994 zuzurechnen gewesen. Nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 23.
November 1998 zunächst angewendeten Neufassung des § 92 Abs 1 Satz 1 ALG durch das Gesetz zur Änderung
des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (ASRG-ÄndG) vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S 1814) waren
nur noch Beiträge für solche Zeiten anzurechnen, "für die der andere Ehegatte Beiträge als Landwirt zur Altershilfe
gezahlt hat". Der Senat hat zwar am 17. August 2000 entschieden (BSGE 87, 66, 72 = SozR 3-5868 § 92 Nr 1), dass
das Gesetz mit beiden Formulierungen auch nach § 27 GAL weiterentrichtete Pflichtbeiträge erfasst. Der Gesetzgeber
hat den "Wettstreit" über die Auslegung der genannten Wendungen zwischen dem Bundesministerium für Arbeit und
Sozialordnung sowie den Landwirtschaftlichen Alterskassen auf der einen Seite und dem BSG auf der anderen Seite
aber durch eine eindeutige Neufassung des § 92 Abs 1 ALG im Nachhinein entschieden: Durch Art 6 Nr 8 AVmEG
sind in § 92 Abs 1 Satz 1 ALG die Wörter "zur Altershilfe" durch die Wörter "nach § 14 des Gesetzes über eine
Altershilfe für Landwirte" ersetzt worden. Diese Änderung ist nach Art 12 Abs 2 AVmEG mit Wirkung vom 23.
Dezember 1995 in Kraft getreten und damit von der Beklagten zu Recht im Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2001
zu Grunde gelegt worden. Durch sie hat der Gesetzgeber den zuvor zweifelhaften Norminhalt des § 92 Abs 1 Satz 1
ALG idF des ASRG-ÄndG authentisch festgelegt (vgl zur authentischen Interpretation BSGE 58, 243, 245 = SozR
2200 § 182 Nr 98 mwN; SozR 3-2600 § 93 Nr 3).
Hinzu kommt, dass die durch § 92 Abs 1 Satz 1 ALG begründeten Anwartschaften nicht auf Beiträgen der
Begünstigten beruhen. Sie sollen als Teil eines mit dem ASRG realisierten umfassenden Konzepts zur
eigenständigen sozialen Sicherung der Bäuerinnen die regelmäßige, rentenversicherungsrechtlich aber unerhebliche
Mitarbeit im landwirtschaftlichen Unternehmen ihrer Ehemänner im Rahmen der Alterssicherung der Landwirte
honorieren (vgl dazu BT-Drucks 12/5700, S 62, 63 f). Mit diesem Grundgedanken ließ sich schwerlich die Zurechnung
auch solcher Beitragszeiten des Ehemannes vereinbaren, in denen eine Tätigkeit als Bäuerin tatsächlich gar nicht
möglich war, weil kein (der Versicherungs- bzw Beitragspflicht unterliegendes) Unternehmen der Landwirtschaft
betrieben wurde. Zu eben diesem Ergebnis führte aber die undifferenzierte Zurechnung sämtlicher Beitragszeiten des
Ehemannes in den - vom Gesetzgeber zunächst offenbar nicht bedachten - Fällen, in denen dieser zwar Ende 1994
beitragspflichtig war und dann ab Januar 1995 für die Ehefrau auch ein Pflichtbeitrag als Gilt-Landwirtin gezahlt wurde,
der Betrieb eines die Mindestgröße erreichenden landwirtschaftlichen Unternehmens davor aber für mehr als zwei
Jahrzehnte - unter Weiterzahlung von Beiträgen durch den Ehemann - aufgegeben gewesen war. Der Gesetzgeber
durfte die insoweit missglückte Vorschrift des § 92 Abs 1 Satz 1 ALG idF des ASRG unter Entzug unbeabsichtigt und
systemwidrig für den kurzen Geltungszeitraum vom 1. Januar bis zum 22. Dezember 1995 zugesprochener
Anwartschaften korrigieren, soweit davon nicht bereits entstandene Rentenansprüche betroffen waren; die
Begünstigten können sich insoweit nicht auf schützenswerte Positionen berufen.
Dies gilt auch für die Versicherte; für sie wurden (ausweislich der Rentenberechnungsverfügung der Beklagten) von
Januar bis Dezember 1995 Pflichtbeiträge nach § 1 Abs 3 ALG entrichtet; die Wartezeit für eine
Erwerbsunfähigkeitsrente (von 60 Beitragsmonaten) war - wie gezeigt - schon zuvor erreicht, jedoch noch nicht zum
Rentenvollrecht erstarkt. Bei der Abwägung der Interessen der Betroffenen ist zu berücksichtigen, dass der
Gesetzgeber die als unangemessen angesehene Begünstigung in § 92 Abs 1 Satz 1 ALG bereits durch das ASRG-
ÄndG vom 15. Dezember 1995 korrigieren wollte und die Versicherungsträger diesen Willen auch konsequent
umgesetzt haben. Da die spätere Rechtsprechung des Senats vom 17. August 2000 (BSGE 87, 66 = SozR 3-5868 §
92 Nr 1) den Inhalt der genannten Vorschrift nur mit erheblichem Interpretationsaufwand letztlich dahin hat bestimmen
können, dass auch nach § 27 GAL weiterentrichtete Pflichtbeiträge nach wie vor anrechenbar seien, ist in der
prompten Reaktion des Gesetzgebers (durch das AVmEG vom 21. März 2001) nicht ein verfassungsrechtlich zum
Scheitern verurteilter Versuch zu sehen, ein von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zutreffend angewendetes -
völlig klares - Gesetz rückwirkend zu ändern, um die Rechtsprechung für die Vergangenheit ins Unrecht zu setzen
und zu korrigieren (vgl dazu BVerfGE 18, 429 und 30, 367). Es handelt sich vielmehr - auch nach dem
Selbstverständnis des Gesetzgebers (vgl BT-Drucks 14/4595, S 77) - um eine klarstellende Regelung, also eine
rückwirkende Inhaltsbestimmung innerhalb des Spektrums durchaus möglicher Auslegungen einer bis dahin unklaren
Vorschrift. Gemessen am Korrekturziel war der Eingriff auch nicht unverhältnismäßig schwer, zumal die
Zurechnungsregelung nicht insgesamt abgeschafft, sondern nur systemgerecht begrenzt worden ist (vgl dazu
wiederum näher Senatsurteil vom 11. Dezember 2003 - B 10 LW 17/02 R -).
Durch das ALG sind auch die Rechte der Versicherten aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem in Art 20 Abs 3 GG verbürgten
Rechtsstaatsgebot, wonach ua der Einzelne in seinem Vertrauen auf bestehende Gesetze geschützt ist, nicht verletzt
worden. Soweit sich die Versicherte durch das Außer-Kraft-Treten des GAL zum 1. Januar 1995 in einem Vertrauen
auf Auszahlung eines Ehegattenzuschlages zur Rente ihres Ehemannes iS von § 29 Abs 4 GAL beeinträchtigt
gesehen hat, ist ihr zunächst entgegenzuhalten, dass sie auch bei Weitergeltung des GAL frühestens dann einen
Ehegattenzuschlag hätte erwarten können, wenn ihr Ehemann die Voraussetzungen für Altersgeld oder vorzeitiges
Altersgeld erfüllte. Dies setzte nach § 2 GAL die Vollendung des 65. Lebensjahres oder den Eintritt von
Erwerbsunfähigkeit voraus. Der am 9. März 1938 geborene Kläger hat erst 2003 ein Alter von 65 Jahren erreicht, also
nach dem Tode der Versicherten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass § 29 Abs 4 GAL im Zusammenhang mit einer
grundlegenden Umgestaltung der landwirtschaftlichen Altersversorgung weggefallen ist. Wenn die Versicherte von
dem damit verbundenen Aufbau einer eigenständigen Absicherung von Landwirtsehegatten nicht in dem von ihr
erstrebten Umfang erfasst worden ist, so hatte sie dies unter Vertrauensschutzgesichtspunkten hinzunehmen.
Das Interesse der Versicherten an einem Fortbestehen der Auszahlungsregelung des § 29 Abs 4 GAL, welche
ohnehin das Rentenstammrecht des Klägers unberührt gelassen hätte, hat gegenüber dem Neugestaltungswillen des
Gesetzgebers zurückzutreten. Dieser hat es vor dem Hintergrund struktureller Veränderungen in der Landwirtschaft
als geboten erachtet, auch Bäuerinnen in das agrarsoziale Sicherungssystem einzubeziehen (vgl BR-Drucks 508/93 S
62; BT-Drucks 12/5700 S 62). Da der Ehegatte eines Landwirts nunmehr unmittelbar einen eigenständigen
Rentenanspruch erlangen kann, wurde für einen Ehegattenzuschlag zur Rente des anderen Ehegatten kein Raum
mehr gesehen (vgl BR-Drucks aaO S 64; BT-Drucks aaO S 64). Um die soziale Sicherung der Bäuerin aktuell
realisieren zu können, wurde zudem vorgesehen, die vom Unternehmer in der Vergangenheit gezahlten Beiträge
(auch) der Bäuerin in vollem Umfang entsprechend der Ehezeit zuzurechnen (vgl BR-Drucks aaO S 64; BT-Drucks
aaO S 64). Ausgehend von diesem Sachprogramm erscheint die Nichtberücksichtigung von Beiträgen ehemaliger
Landwirte (§ 27 GAL) im Rahmen des § 92 ALG als konsequent und sachgerecht.
Vor dem Hintergrund des Konzepts der eigenständigen Sicherung der - zumindest möglicherweise - mithelfenden
Ehegatten ist auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art 3 Abs 1 GG zu verneinen.
Insbesondere war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, die Pflichtbeiträge nach § 14 und § 27 GAL im Rahmen des § 92
ALG gleich zu behandeln. Eine Weiterversicherung nach der letztgenannten Vorschrift kam nämlich nur in Betracht,
wenn gerade kein (die Beitragspflicht begründendes) landwirtschaftliches Unternehmen mehr geführt wurde. Insofern
stimmt die Regelung des § 92 Abs 1 ALG im Grundsatz mit derjenigen des § 1 Abs 3 ALG überein, die zwar keine
tatsächliche Mitarbeit des einen Ehegatten, jedoch eine Versicherungspflicht des anderen Ehegatten als Landwirt
voraussetzt.
Dem Ziel des speziellen Gleichheitsgrundsatzes des Art 3 Abs 2 GG, wonach Männer und Frauen gleichberechtigt
sind und der Staat der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu dienen sowie
auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken hat, ist vom Gesetzgeber bereits durch den Aufbau einer
eigenständigen sozialen Sicherung der Landwirtsehegatten (also namentlich der Bäuerinnen) entsprochen worden.
Wenn er diese Begünstigung auf andere gesellschaftliche Gruppen, mithin auch auf die Ehefrauen von ehemaligen
Landwirten, nicht erstreckt hat, begegnet dies keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl Senatsurteil aaO mwN).
Der Kläger hat im vorliegenden Falle keine hinreichende Begründung dafür gegeben, warum die von ihm als
Weiterversicherten für seine eigene Alterssicherung aufgebrachten Beiträge in jedem Falle auch seiner Ehefrau
zugerechnet werden müssten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.