Urteil des BSG vom 20.10.2004

BSG: gemeinschaftspraxis, einheit, vorverfahren, widerspruchsverfahren, anwaltskosten, versorgung, prozessvertretung, mehrheit, rechtsform, rechtspersönlichkeit

Bundessozialgericht
Urteil vom 20.10.2004
Sozialgericht Kiel S 16 KA 477/01
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 4 KA 4/02
Bundessozialgericht B 6 KA 12/03 R
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18.
Dezember 2002 aufgehoben. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 17.
Dezember 2001 wird zurückgewiesen. Die Kläger haben die außergerichtlichen Kosten des Beklagten für das
Berufungs- und das Revisionsverfahren als Gesamtschuldner zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Streitig ist die Höhe der den Klägern für ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren zu erstattenden Anwaltskosten.
Die drei in einer Gemeinschaftspraxis zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Kläger hatten gegen einen
Bescheid des Prüfungsausschusses über eine Kürzung ihres vertragsärztlichen Honorars wegen unwirtschaftlicher
Behandlungsweise Widerspruch eingelegt. Der beklagte Beschwerdeausschuss gab dem Widerspruch teilweise statt
und ordnete an, dass den Klägern 40 % ihrer Kosten zu erstatten seien.
Ausgehend von einem - nicht umstrittenen - Gegenstandswert von 13.042,43 DM machten die Kläger
erstattungsfähige Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 701,62 DM geltend. Darin waren - was im Revisionsverfahren
allein von Interesse ist - eine 45/100 Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs 1 Satz 2 Bundesgebührenordnung für
Rechtsanwälte (BRAGO) in Höhe von 132,32 DM sowie die darauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 21,17 DM
enthalten.
Der Beklagte erstattete den Klägern nur 548,13 DM. Den Ansatz der Erhöhungsgebühr lehnte er mit der Begründung
ab, bei Gemeinschaftspraxen sei der Tatbestand der anwaltlichen Vertretung mehrerer Auftraggeber nicht erfüllt.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage auf Zahlung weiterer 153,49 DM abgewiesen. Die Kläger könnten eine Erstattung
der Erhöhungsgebühr nicht beanspruchen. Die Gemeinschaftspraxis sei im sozialgerichtlichen Verfahren
beteiligtenfähig und als eine Rechtsperson anzusehen.
Auf die vom SG zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) dessen Gerichtsbescheid aufgehoben, den
Bescheid des Beklagten geändert und diesen verurteilt, den Klägern weitere 78,48 Euro zu erstatten. Die Kläger
hätten Anspruch auf die Erstattung der Erhöhungsgebühr, weil ihre Rechtsanwälte im Rechtssinne mehrere
Auftraggeber vertreten hätten (Urteil vom 18. Dezember 2002, veröffentlicht in NZS 2003, 336).
Mit seiner Revision rügt der Beklagte, die vom LSG vorgenommene Auslegung des § 6 Abs 1 BRAGO sei
unzutreffend. Rechtsanwälte, die im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Gemeinschaftspraxis verträten,
würden für einen und nicht für mehrere Auftraggeber tätig. Der Ansatz der Erhöhungsgebühr sei deshalb nicht
gerechtfertigt.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. Dezember 2002 aufzuheben und die Berufung
der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 17. Dezember 2001 zurückzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend. Es müsse zwischen der Ermittlung des Gegenstandswertes, der bei
Honorarforderungen einer Gemeinschaftspraxis möglicherweise höher sei als bei derjenigen von Einzelärzten, und der
Frage, ob bei der Vertretung von in einer Gemeinschaftspraxis tätigen Ärzten der Erhöhungstatbestand der Vertretung
mehrerer Auftraggeber zutreffe, unterschieden werden. Auf die Beteiligten- bzw Parteifähigkeit der
Gemeinschaftspraxis in einem sozialgerichtlichen Verfahren oder in einem Zivilprozess komme es im Übrigen bei der
Anwendung des § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO nicht an.
Die Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG)) einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den Gerichtsbescheid des SG
abgeändert. Dieses hat zutreffend entschieden, dass der Beklagte die Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs 1 Satz 2
BRAGO nicht zu erstatten hat.
Rechtsgrundlage der Erstattungsforderung der Kläger ist § 63 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der
Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen zu erstatten, soweit
der Widerspruch erfolgreich ist. Die Vorschrift findet trotz der teilweise rechtlich anderen Ausgestaltung des
Verfahrens auch im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung Anwendung (vgl BSG SozR 1300 § 63
Nr 12). Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren sind erstattungsfähig, wenn die Zuziehung
eines Bevollmächtigten notwendig war (§ 63 Abs 2 SGB X). Die letztgenannte Voraussetzung ist hier erfüllt, was der
Beklagte zwar nicht ausdrücklich entschieden, in der Sache aber nicht in Frage gestellt hat.
Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts für die Tätigkeit im Vorverfahren, die grundsätzlich erstattungsfähig
sind, ergeben sich aus den Bestimmungen des anwaltlichen Gebührenrechts (vgl von Wulffen/Roos, SGB X, 4. Aufl
2001, § 63 RdNr 29). Maßgeblich sind für den Rechtszustand bis zum Inkrafttreten des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) am 1. Juli 2004 (Art 8 Satz 1 iVm Art 6 Nr 4 und Art 3 des Gesetzes zur
Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004, BGBl I 718) die Vorschriften der BRAGO. Der Gebührenanspruch
des Rechtsanwalts ergibt sich aus § 118 Abs 1 BRAGO, weil die Vertretung eines Mandanten im
verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorverfahren im dritten bis elften Abschnitt der BRAGO nicht geregelt ist. Welche
Gebührenvorschriften in einem sozialrechtlichen Verfahren zur Anwendung kommen, folgt aus dem insoweit
lückenfüllend heranzuziehenden § 116 BRAGO. Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. Juni
1967 ist geklärt, dass der Rechtsanwalt für die vorprozessuale Tätigkeit in Sozialversicherungssachen grundsätzlich
nur die Rahmengebühr des § 116 Abs 1 BRAGO beanspruchen kann (BGHZ 48, 134). Sofern aber eine Materie
betroffen ist, bei der sich die Anwaltsgebühren in einem sozialgerichtlichen Verfahren nach dem Gegenstandswert
richten (§ 116 Abs 2 BRAGO), errechnen sich die Anwaltsgebühren für das Widerspruchsverfahren ebenfalls auf der
Grundlage des Gegenstandswertes. Auch die allgemeinen Bestimmungen der BRAGO - wie diejenigen über die
gebührenrechtlichen Konsequenzen einer Vertretung mehrerer Auftraggeber in derselben Angelegenheit - sind bei
einem auf § 63 Abs 1 SGB X beruhenden Kostenerstattungsanspruch anwendbar.
Zutreffend hat das SG auf dieser Grundlage entschieden, dass den Klägern der Erhöhungstatbestand des § 6 Abs 1
Satz 2 BRAGO in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung nicht zugute kommt. Nach Satz 1 dieser Vorschrift
erhält der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit die Gebühren nur einmal, auch wenn er für mehrere Auftraggeber
tätig wird. Nach Satz 2 aaO erhöhen sich die Geschäftsgebühr (§ 118 Abs 1 Nr 1 BRAGO) und die Prozessgebühr (§
31 Abs 1 Nr 1 BRAGO) bei identischem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit durch jeden weiteren Auftraggeber um
3/10. Diese Vorschrift, deren Regelungsinhalt seit dem Inkrafttreten des RVG am 1. Juli 2004 in der Nr 1008 des Teils
1 des Vergütungsverzeichnisses niedergelegt ist, ist aber jedenfalls dann nicht anzuwenden, wenn der Rechtsanwalt
eine vertragsärztliche Gemeinschaftspraxis in vertragsarztrechtlichen Streitigkeiten vertritt und die Kosten von Dritten
zu erstatten sind. Angesichts der typisierenden und generalisierenden Regelung des § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO kommt
es entscheidend darauf an, ob an der betreffenden Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt tätig wird, mehrere
rechtsfähige oder doch im Rechtsverkehr so behandelte natürliche oder juristische Personen beteiligt sind (BGH,
Beschluss vom 16. März 2004 - VIII ZB 114/03, NJW-RR, 2004, 1006). Die Tätigkeit des Rechtsanwalts für eine
Gemeinschaftspraxis gegenüber der KÄV bzw den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung erfolgt in diesem
Sinne nur für einen und nicht für mehrere Auftraggeber.
Die dem entgegenstehende Auffassung der Kläger, allein die vertraglichen Verabredungen zwischen ihnen und ihrem
Rechtsanwalt seien maßgeblich dafür, ob der Tatbestand der Tätigkeit des Anwalts für "weitere" Auftraggeber
gegeben sei, trifft nicht zu. Die vertraglichen Vereinbarungen mögen - worüber hier nicht zu entscheiden ist - im
Innenverhältnis zwischen den Ärzten und ihren Anwälten Bedeutung haben, wirken sich aber auf die Höhe des
Erstattungsanspruchs gegen Dritte nicht aus, der den Klägern nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X gegen den Beklagten
zusteht. Zwar bestimmt § 63 Abs 2 SGB X, dass die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts grundsätzlich
erstattungsfähig sind, wenn die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war, doch konkretisiert das lediglich
die Anspruchnorm des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X. Darin wird der Anspruch auf die zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung "notwendigen" Aufwendungen begrenzt. Damit sind die dem Rechtsanwalt zustehenden
gesetzlichen Gebühren gemeint und nicht etwa eine im Wege einer Honorarvereinbarung festgelegte Vergütung.
Darüber besteht in Rechtsprechung und Schrifttum Einigkeit. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 24.
April 1996 entschieden, dass im Rahmen des § 63 Abs 1 und 2 SGB X nur die Kosten eines Bevollmächtigten
erstattungsfähig sind, der nach einer gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen kann. Zur Begründung hat es auf § 91
Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hingewiesen, wonach von der unterlegenen Partei die "gesetzlichen" Gebühren des
Rechtsanwalts der obsiegenden Partei zu erstatten sind (BSGE 78, 159, 161 = SozR 3-1300 § 63 Nr 7 S 25). Im
Zivilprozess sind die Anwaltskosten einer Partei, die wegen einer Honorarvereinbarung nach § 3 BRAGO aF höher
sind als die gesetzlichen Gebühren, nicht erstattungsfähig (Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl 2004, § 91 Stichwort:
"Sondervergütung"). Nach § 162 Abs 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der über § 197a SGG auch für
bestimmte sozialgerichtliche Verfahren gilt, sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig;
darunter fallen ebenfalls nur die gesetzlich vorgesehenen Gebühren, nicht dagegen höhere vereinbarte Honorare
(Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl 2003, § 162 RdNr 10a). Die Begrenzung der erstattungsfähigen Anwaltsgebühren auf
die "gesetzlichen" Gebühren gilt auch im Rahmen des § 63 Abs 1 und 2 SGB X (BSGE 78, 159, 161/162 = SozR 3-
1300 § 63 Nr 7 S 25/26). Daraus folgt, dass selbst dann, wenn die Kläger ihren Rechtsanwalt zur Führung des
Widerspruchsverfahrens ausdrücklich ohne Hinweis auf ihre Tätigkeit in einer vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis
beauftragt haben sollten und im Innenverhältnis der Erhöhungstatbestand des § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO eingreifen
würde, ihre Erstattungsforderung gegenüber dem Beklagten ohne Erhöhung zu berechnen ist.
Diese Rechtsfolge tritt unabhängig davon ein, ob gesellschaftsrechtliche Grundlage der Gemeinschaftspraxis eine
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft) ist und diese als fähig angesehen wird, im Rechtsverkehr an
Verwaltungsverfahren (§ 12 SGB X) und/oder an gerichtlichen Verfahren (§ 50 ZPO, § 70 SGG) teilzunehmen. Die
Frage, ob die Prozessvertretung einer BGB-Gesellschaft die Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO
auslöst, war lange Zeit streitig (zum Meinungsstand s BGH, Beschluss vom 18. Juni 2002 - VIII ZB 6/02, NJW 2002,
2958). Sie ist inzwischen geklärt worden. Der BGH hat die BGB-Gesellschaft mit Urteil vom 29. Januar 2001 (BGHZ
146, 341) als grundsätzlich parteifähig angesehen (vgl zu den Auswirkungen für in der Rechtsform der BGB-
Gesellschaft betriebene Gemeinschaftspraxen: Engelmann, ZMGR 2004, 3, 6 f, mwN). Das hat zur Folge, dass die
Gesellschaft selbst - und nicht mehr ihre Mitglieder in gesamthänderischer Verbundenheit - klagen und verklagt
werden kann. In gebührenrechtlicher Hinsicht kann im Falle der Vertretung "der" Gesellschaft der
Erhöhungstatbestand des § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO nicht mehr anfallen.
Allerdings hat der BGH für eine Klage der Gesellschafter eines in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft betriebenen
Immobilienfonds, die wenige Monate nach Verkündung des Urteils des BGH vom 29. Januar 2001 erhoben worden ist,
im Hinblick auf die noch nicht hinreichend klare Rechtslage die Erhöhungsgebühr für ansatz- und erstattungsfähig
gehalten (Beschluss vom 18. Juni 2002 - VIII ZB 6/02, NJW 2002, 2958) und weiter angenommen, erst seit
Bekanntwerden des Beschlusses des BGH vom 18. Februar 2002 (II ZR 331/00, NJW 2002, 1207) sei die
Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft hinreichend geklärt gewesen (Beschluss vom 26. Februar 2003, VIII ZB 69/02,
JurBüro 2004, 145). Auf einen derartigen Vertrauenstatbestand können sich die Kläger hier indessen nicht berufen,
obwohl das Widerspruchsverfahren, dessen Kosten streitbefangen sind, schon vor Bekanntwerden des BGH-Urteils
vom 29. Januar 2001 abgeschlossen war. Denn wenn eine Gemeinschaftspraxis gegenüber der KÄV bzw den
Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen Ansprüche geltend macht, die ihr als
solcher und nicht jedem einzelnen der ihr angehörenden Ärzte zustehen, liegt unabhängig von der
gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung ihrer Gemeinschaftspraxis der gebührenrechtliche Tatbestand der Vertretung
einer Mehrzahl von Auftraggebern ohnehin nicht vor.
Die Gemeinschaftspraxis iS des § 33 Abs 2 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) ist durch
die gemeinsame Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch mehrere Ärzte der gleichen oder ähnlicher Fachrichtung in
gemeinsamen Räumen mit gemeinsamer Praxisausrichtung, gemeinsamer Karteiführung und Abrechnung sowie mit
gemeinsamem Personal auf gemeinsame Rechnung geprägt (zuletzt Senatsurteile vom 16. Juli 2003, B 6 KA 49/02 R
- BSGE 91, 164, 170 RdNr 19 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 18 - und B 6 KA 34/02 R - SozR 4-5020 § 33 Nr 2 RdNr
18). Sie ist berechtigt, ihre Leistungen unter einer einzigen Abrechnungsnummer gegenüber der zuständigen KÄV
abzurechnen und tritt dieser dementsprechend wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenüber.
Rechtlich gesehen ist eine Gemeinschaftspraxis eine Praxis (vgl zum Ganzen auch Engelmann in: von
Wulffen/Krasney, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004 S 429, 435). Sie verfügt über eine
gemeinschaftliche Patientendatei und rechnet die erbrachten Leistungen unter einem Namen ab. Die Behandlung
eines Patienten in einem Quartal durch verschiedene Mitglieder der Gemeinschaftspraxis stellt sich als ein
Behandlungsfall dar. Die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise wird nicht bezogen auf den
einzelnen Arzt, sondern bezogen auf die Gemeinschaftspraxis als Einheit geprüft; etwaige Honorarkürzungen und/oder
Regresse hat die Gemeinschaftspraxis zu tragen. Auch die für Vertragsärzte geltenden Vertretungsregelungen (§ 32
Ärzte-ZV) beziehen sich auf die Praxis als Gesamtheit; der Vertretungsfall tritt nicht ein, solange auch nur ein Arzt der
Gemeinschaftspraxis weiterhin tätig ist (Senatsurteil vom 19. August 1992 - 6 RKa 35/90 - MedR 1993, 279).
Schließlich werden in einer Gemeinschaftspraxis die Behandlungsverträge nicht zwischen Patient und behandelndem
Arzt, sondern zwischen ihm und der Gemeinschaftspraxis geschlossen.
Dieser besondere vertragsarztrechtliche Status, mit dem eine Gemeinschaftspraxis an der vertragsärztlichen
Versorgung teilnimmt, ist unteilbar. Er steht jedenfalls dann, wenn Ansprüche dieser Gemeinschaftspraxis verfolgt
werden oder eine Gemeinschaftspraxis sich gegen Honorarkürzungen oder Arzneiregresse wehrt, einer Aufspaltung in
mehrere einzelne Ärzte mit der Folge entgegen, dass diese dann gebührenrechtlich als mehrere Auftraggeber zu
behandeln wären. Wenn Ärzte für sich die Vorteile der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit unter dem
besonderen Status der Gemeinschaftspraxis in Anspruch nehmen, können sie in gebührenrechtlicher Hinsicht
gegenüber den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung nicht beanspruchen, als einzelne Ärzte bzw iS des § 6
Abs 1 Satz 2 BRAGO als weitere Auftraggeber behandelt zu werden (in diesem Sinne zB: SG Hamburg, MedR 2002,
S 667 ff; SG Dortmund, MedR 1994, 169, sowie Wenner/Bernard, NZS 2001, 57, 66; dieselben, NZS 2003, 568;
Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, 15. Aufl 2002, § 6 RdNr 12a). Der
abweichenden Auffassung des Berufungsgerichts im angefochtenen Urteil (ähnlich auch LSG Schleswig-Holstein
Urteil vom 20. Februar 2002 - L 4 KA 11/01, NZS 2003, 166, 167 ff sowie aus dem Schrifttum etwa von Wulffen/Roos,
aaO, Anhang zu § 63 RdNr 28) kann aus den dargelegten Gründen nicht gefolgt werden.
Für die Nichtanwendbarkeit des Erhöhungstatbestandes gemäß § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO auf die Prozessvertretung
einer Gemeinschaftspraxis in vertragsarztrechtlichen Streitigkeiten sprechen im Übrigen auch wirtschaftliche
Erwägungen. Der Umsatz aus vertragsärztlicher Tätigkeit, der für die Ermittlung des Wertes des Gegenstandes der
anwaltlichen Tätigkeit in zahlreichen vertragsärztlichen Verfahren von Bedeutung ist (vgl zuletzt Senatsurteil vom
heutigen Tage im Verfahren B 6 KA 15/04 R), ist bei einer aus mehreren Ärzten bestehenden Gemeinschaftspraxis
typischerweise höher als bei einer Einzelpraxis. Das gilt entsprechend auch bei prozentualen Kürzungen von
Honorarforderungen im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V), die hier betroffen
sind. Würde der Erhöhungstatbestand zur Anwendung kommen, läge eine nicht gerechtfertigte Privilegierung des
Rechtsanwalts auf der einen und eine ungerechtfertigte Belastung der erstattungspflichtigen Institutionen auf der
anderen Seite vor. Daran ändert nichts, dass diese wirtschaftliche Erwägung immer dann nicht zum Tragen kommt,
wenn mangels konkreter Anhaltspunkte der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Regelstreitwert von
derzeit 5.000 ¤ zu bemessen ist (§ 3 Abs 1 Satz 2, § 23 Abs 1 Satz 1 RVG iVm § 52 Abs 2 GKG in der ab 1. Juli
2004 geltenden Fassung). Der Erhöhungstatbestand des § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO soll in typisierender und
pauschalierender Weise den Mehraufwand des Rechtsanwalts abdecken, der eintritt, wenn er sich mit mehreren
Auftraggebern mit möglicherweise unterschiedlichen Interessen und Ansichten auseinander zu setzen hat. Soweit
indessen Ansprüche betroffen sind, die der Gemeinschaftspraxis als solcher zustehen und nur von dieser verfolgt bzw
abgewehrt werden können, spielt der Gesichtspunkt, dass die Gemeinschaftspraxis aus mehreren Ärzten besteht, im
Hinblick auf den Aufwand des Rechtsanwalts keine Rolle.
Schließlich entspricht die Behandlung der Gemeinschaftspraxis als einer Rechtspersönlichkeit im gebührenrechtlichen
Sinne der Rechtspraxis bei Anwaltssozietäten, und zwar auch schon zu einem Zeitpunkt, als die BGB-Gesellschaft,
die regelmäßig den rechtlichen Rahmen sowohl für Anwaltssozietäten als auch für Gemeinschaftspraxen abgibt, noch
nicht als parteifähig angesehen wurde. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum hat die
Anwaltssozietät im Verhältnis zum Mandanten als Einheit behandelt, weil nur so den aus der Sicht des Mandanten
bestehenden "Bedenken" sowie der "Unbilligkeit" der Annahme einer Mehrheit von Auftraggebern entgegengewirkt
werden könne (Fraunholz in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl 2000, § 6 RdNr 13, mit umfangreichen Nachweisen).
Bei Passivprozessen von als BGB-Gesellschaft konstituierten Anwaltssozietäten hängt die Anwendbarkeit des
Erhöhungstatbestandes einer Mehrheit von Auftraggebern davon ab, ob die Sozietät als solche oder deren einzelne
Mitglieder in Anspruch genommen werden sollen (OLG Schleswig, MDR 2003, 1202). In Aktivprozessen einer
Anwaltssozietät wegen einer Honorarforderung fällt ein Mehrvertretungszuschlag nicht an, weil die Sozietät dem
Mandanten gegenüber zur Geringhaltung der Kosten verpflichtet ist und sie deshalb die Einziehung durch eines ihrer
Mitglieder erledigen lassen muss (BGH NJW-RR 2004, 489). Ähnlich wie aus der Perspektive des Mandanten, der
eine größere Sozietät mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt und diese als Einheit sowohl in haftungs- als
auch in gebührenordnungsrechtlicher Hinsicht ansieht, steht der KÄV und den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung
die Gemeinschaftspraxis als Einheit gegenüber. Soweit die Ärzte dieser Gemeinschaftspraxis durch die Gestaltung
der Verträge mit ihrem Rechtsanwalt über die Vertretung in einem Widerspruchs- oder Klageverfahren einen
Mehrvertretungstatbestand schaffen, führt das jedenfalls nicht dazu, dass dies für die KÄV oder die betroffenen
Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen in gebührenrechtlicher Hinsicht
beachtlich wäre.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 und 4, § 194 SGG in der bis zum 1.
Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).