Urteil des BSG vom 09.08.2006

BSG: avg, juristische person, verfassungskonforme auslegung, versicherungspflicht, vertrauensschutz, wiederholung, mitgliedschaft, ausnahme, verwaltungsverfahren, missbrauch

Bundessozialgericht
Urteil vom 09.08.2006
Sozialgericht Mainz S 7 KR 318/04
Bundessozialgericht B 12 KR 3/06 R
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 19. September 2005 wird zurückgewiesen.
Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in seiner (Haupt)Beschäftigung der Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.
2
Der Kläger ist Vorstandsmitglied der I. Vermögensverwaltungs Aktiengesellschaft (AG). Die Gesellschaft war mit
notarieller Beurkundung ihrer Satzung und Übernahme der Aktien durch die Gründer am 6. November 2003 errichtet
worden. Noch am selben Tag waren der erste Aufsichtsrat und der Kläger - vom Aufsichtsrat - als eines von zwei
Mitgliedern des ersten Vorstandes bestellt worden. Nach § 2 der Satzung ist Gegenstand des Unternehmens die
Verwaltung eigener Vermögenswerte. Das Grundkapital beträgt 50.000 Euro. Eine Vergütung für seine
Vorstandstätigkeit erhielt der Kläger nicht.
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Der Kläger war und ist bei der beigeladenen S. AG (Beigeladene zu 2.) vor und nach dem 6. November 2003
beschäftigt und unterlag in dieser Beschäftigung bis zum 6. November 2003 - insoweit vom Kläger auch nicht
beanstandet - der Rentenversicherungspflicht. Im März 2004 beantragte er bei der beklagten Krankenkasse als
Einzugsstelle die Übersendung einer "personengebundenen Bescheinigung hinsichtlich des Ausschlusses aus der
Rentenversicherung gemäß § 1 Satz 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung
(SGB VI) nach dem Rechtsstand bis zum 6. November 2003 ... für die Dauer der Vorstandstätigkeit" zur Vorlage beim
Arbeitgeber. Mit Bescheid vom 6. Mai 2004 stellte die Beklagte fest, in der ausgeübten Beschäftigung unterliege der
Kläger auch nach seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied weiterhin der Rentenversicherungspflicht. Den
Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2004 unter Hinweis darauf zurück, dass die
AG planmäßig und systematisch allein zum Zweck der Befreiung ihrer Vorstandsmitglieder von der
Rentenversicherungspflicht gegründet worden sei. Eine Gesamtschau ergebe, dass ein Missbrauch rechtlicher
Gestaltungsmöglichkeiten vorliege. Hierfür spreche auch, dass der Kläger aus seiner Vorstandstätigkeit keine
Einkünfte erziele.
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Der Kläger hat Klage erhoben und die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt. Mit Urteil vom 19.
September 2005 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht aus Vertrauensschutzgründen
nach § 229 Abs 1a SGB VI von der Rentenversicherungspflicht in der neben der Vorstandstätigkeit ausgeübten
Beschäftigung ausgenommen. Dies folge aus dem Umstand, dass der Kläger am Stichtag für die bestehende
Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2. nicht iS des § 1 Satz 4 SGB VI Vorstandsmitglied einer AG, sondern
lediglich einer Vor-AG gewesen sei.
5
Der Kläger hat Sprungrevision eingelegt und rügt eine Verletzung von § 1 Satz 4 SGB VI. Die vom SG vorgenommene
Auslegung dieser Vorschrift stehe mit der aktienrechtlichen Bewertung des Gründungsvorgangs der AG, der
bisherigen Handhabung durch die Einzugsstellen und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur
versicherungsrechtlichen Behandlung von Geschäftsführern einer Vor-GmbH im Widerspruch. § 1 Satz 4 SGB VI
knüpfe an die Funktion als Vorstand der Gesellschaft an. Dass diese mit der Eintragung ins Handelsregister später
ihre Organisationsform ändere, sei sozialversicherungsrechtlich ohne Bedeutung. Die Gesellschaft sei bereits vor der
Eintragung rechtlich existent, wovon alle Vorschriften des Aktiengesetzes (AktG) ausgingen. Mit der Eintragung trete
die AG lediglich an die Stelle der vollständig gegründeten Vorgesellschaft. Für die Anwendung des § 1 Satz 4 SGB VI
komme es mithin ausschließlich darauf an, wann die Bestellung zum Vorstandsmitglied erfolgt sei.
6
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 19. September 2005 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 6. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2004 aufzuheben.
7
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Revision zurückzuweisen.
8
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger sei am Stichtag nicht Vorstandsmitglied einer AG gewesen.
Im Übrigen sei die AG zur Umgehung der Rentenversicherungspflicht gegründet worden.
9
Die Beigeladene zu 1. beantragt, die Revision zurückzuweisen.
10
Die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung des § 229 Abs 1a SGB VI seien nicht erfüllt, weil § 1 Satz 4
SGB VI an das Bestehen einer AG anknüpfe. Den Arbeitgebern der Beschäftigten könne es nicht zugemutet werden,
die aktienrechtliche Gründungsprüfung durch eine Parallelwertung nachzuvollziehen. Die Anwendung des § 1 Satz 4
SGB VI auf Vorstände einer Vor-AG sei auch nicht durch den Schutzzweck der Norm geboten. Bei der
Vorstandsbestellung des Klägers handele es sich zweifelsfrei um einen Missbrauchsfall.
11
Die Beigeladene zu 2. hat keinen Antrag gestellt.
II
12
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das SG hat seine Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der
Beklagten vom 6. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2004 ist rechtmäßig. Zutreffend
hat sie festgestellt, dass der Kläger in seiner Beschäftigung auch nach seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied
weiterhin der Rentenversicherungspflicht unterliegt.
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1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist das Urteil des SG lediglich, soweit es die von der Beklagten nach § 28h
Abs 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV)
getroffene Feststellung betrifft, dass der Kläger in seiner aktuellen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2.
rentenversicherungspflichtig bleibt.
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2. Die Bescheide sind nicht schon deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil der beigeladene
Rentenversicherungsträger und der beigeladene Arbeitgeber des Klägers von der Einleitung des
Verwaltungsverfahrens nicht benachrichtigt worden sind und sich am Verwaltungsverfahren infolgedessen nicht
beteiligen konnten (§ 12 Abs 2 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und
Sozialdatenschutz (SGB X)). § 12 Abs 2 Satz 2 SGB X bestimmt, dass ein Dritter auf Antrag als Beteiligter zu dem
Verfahren hinzuzuziehen ist, wenn der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für ihn hat (Halbsatz 1);
soweit er der Behörde bekannt ist, hat diese ihn von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen (Halbsatz 2). In
Anwendung dieser Vorschrift hätte die Beklagte beide Beigeladenen von der Einleitung des Verwaltungsverfahrens
benachrichtigen müssen, weil die beabsichtigte Entscheidung über die Rentenversicherungspflicht des Klägers in
seiner Beschäftigung auch für sie rechtsgestaltende Wirkung hat. Dieser Fehler des Verwaltungsverfahrens ist jedoch
nicht mehr erheblich. Einer an die Beigeladenen gerichteten Anfrage des Senats, ob das Verwaltungsverfahren wegen
der unterbliebenen Benachrichtigung nach § 12 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB X zu wiederholen sei, und einer
Erklärung der Beigeladenen, dass auf die Wiederholung verzichtet werde, bedurfte es insoweit nicht. Der Senat hat in
der Vergangenheit entschieden, dass Dritte iS des § 12 Abs 2 Satz 2 SGB X bei unterbliebener Benachrichtigung von
der Einleitung des Verwaltungsverfahrens oder unterbliebener Hinzuziehung vom Gericht auch noch im
Revisionsverfahren zu befragen sind, ob sie eine Wiederholung des Verwaltungsverfahrens unter ihrer Beteiligung
wünschen (grundlegend Urteil vom 22. Juni 1983, 12 RK 73/82, BSGE 55, 160, 162 f = SozR 1300 § 12 Nr 1 S 3 f;
ferner Urteil vom 25. Oktober 1988, 12 RK 21/87, BSGE 64, 145, 146 ff = SozR 2100 § 5 Nr 3 S 3 ff; Urteil vom 29.
Januar 1998, B 12 KR 35/95 R, BSGE 81, 276, 287 f = SozR 3-2600 § 158 Nr 1 S 13 f). Wegen eines
Verfahrensfehlers dürfe der angefochtene Verwaltungsakt allerdings nur dann aufgehoben werden, wenn der Dritte auf
Anfrage des Gerichts eine Wiederholung des Verwaltungsverfahrens verlange. An dem Erfordernis einer gerichtlichen
Anfrage und einer Verzichtserklärung des Dritten hält der Senat jedenfalls dann nicht mehr fest, wenn der beigeladene
Dritte - wie der Arbeitgeber des Klägers - im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt, mithin von der ihm gegebenen
Möglichkeit, selbstständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen (vgl § 75 Abs 4 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), keinen Gebrauch gemacht und damit nicht zu erkennen gegeben hat, ob und ggf
inwieweit er an der Aufhebung oder Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts Interesse hat, oder zwar - wie der
Rentenversicherungsträger - einen Antrag gestellt, jedoch durch diesen Revisionsantrag deutlich gemacht hat, dass er
gerade an der Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts interessiert ist. In beiden Fällen kann unterstellt werden, dass
der beigeladene Dritte bei gerichtlicher Anfrage auf die Wiederholung des Verwaltungsverfahrens verzichtet, weil er
jedenfalls aus den Folgen eines entsprechenden Fehlers im Verwaltungsverfahren keinen Nutzen ziehen will.
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3. Der Kläger ist in seiner (Haupt)Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2. weiterhin nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI
rentenversicherungspflichtig. Er ist nicht wegen seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied am 6. November 2003 in
dieser Beschäftigung von der Rentenversicherungspflicht ausgenommen.
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a) Die Herausnahme von Mitgliedern des Vorstands einer AG aus der Rentenversicherungspflicht geht auf § 3 Abs 1a
des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zurück, der durch Art 1 § 2 Nr 2 des Dritten Rentenversicherungs-
Änderungsgesetzes (3. RVÄndG) vom 28. Juli 1969 (BGBl I 956) mit Wirkung vom 1. Januar 1968 als Reaktion auf
die Aufhebung der für die Pflichtversicherung von Angestellten geltenden Jahresarbeitsverdienstgrenze eingefügt
worden war. § 3 Abs 1a AVG bestimmte für Vorstandsmitglieder einer AG, die bis 1968 im Hinblick auf die Höhe ihrer
Vorstandsvergütungen regelmäßig nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen
hatten, dass sie nicht zu den versicherungspflichtigen Angestellten gehören. In Ergänzung hierzu legte § 2 Abs 1a
AVG fest, dass sie auch nicht in anderen Rentenversicherungen versicherungspflichtig sind. Den mit dem 3. RVÄndG
eingefügten Vorschriften lag die Erwägung zu Grunde, dass bei Mitgliedern des Vorstands einer AG wegen ihrer
herausragenden und starken wirtschaftlichen Stellung Schutz und Sicherheit durch die Rentenversicherung entbehrlich
erscheinen (vgl Urteil vom 22. November 1973, 12/3 RK 20/71, BSGE 36, 258, 260 = SozR Nr 24 zu § 3 AVG, unter
Hinweis auf das Urteil vom 18. September 1973, 12 RK 5/73, BSGE 36, 164, 167 = SozR Nr 23 zu § 3 AVG; ferner
Urteil vom 4. September 1979, 7 RAr 57/78, BSGE 49, 22, 24 = SozR 4100 § 168 Nr 10 S 12 f, und Urteil vom 31.
Mai 1989, 4 RA 22/88, BSGE 65, 113, 118 = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 126 f). Diese Rechtslage galt bis zum 31.
Dezember 1991. Als Nachfolgevorschrift des § 3 Abs 1a AVG bestimmte § 1 Satz 3 (später Satz 4) SGB VI (im
Folgenden einheitlich: § 1 Satz 4 SGB VI aF) für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 2003, dass
Mitglieder des Vorstands einer AG nicht versicherungspflichtig sind. Eine sachliche Änderung brachte die mit dem
Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) - erst auf Veranlassung des
Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss; vgl BT-Drucks 11/5490 S 12) - eingeführte Regelung
nicht, denn mit ihr sollte das bis dahin geltende Recht (§ 2 Abs 1a, § 3 Abs 1a AVG) aufrechterhalten bleiben (vgl BT-
Drucks 11/5530 S 40).
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Mit Wirkung vom 1. Januar 2004 ist § 1 Satz 4 SGB VI durch Art 1 Nr 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (2. SGB VI-ÄndG) vom 27. Dezember 2003 neu gefasst
worden. Danach sind Vorstandsmitglieder einer AG "in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht
versicherungspflichtig beschäftigt, wobei Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes als ein
Unternehmen gelten" (§ 1 Satz 4 SGB VI nF). Nach dieser Bestimmung bleiben Mitglieder des Vorstands weiterhin
von der Rentenversicherungspflicht ausgenommen, jedoch - in Anlehnung an § 27 Abs 1 Nr 5 des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - beschränkt auf die Beschäftigung als Vorstand und - bei weiteren
Beschäftigungen - auf konzernzugehörige Beschäftigungen. Im Gesetzgebungsverfahren ist dazu erklärt worden, mit
der Einschränkung solle Missbrauchsfällen begegnet werden, in denen AGen nur zu dem Zweck gegründet werden,
den Vorstandsmitgliedern dieser AGen die Möglichkeit zu eröffnen, in weiteren - auch nicht konzernzugehörigen -
Beschäftigungen bzw selbstständigen Tätigkeiten nicht der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung
zu unterliegen (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung (13.
Ausschuss), BT-Drucks 15/1893 S 12). Die Gesetzesänderung solle für die Praxis klarstellend zum Ausdruck bringen,
dass die Gründung einer solchen AG als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten einzustufen und schon bei
verfassungskonformer Auslegung des bisherigen Rechts unbeachtlich ist. Aus Gründen des Vertrauensschutzes (vgl
BT-Drucks 15/1893, aaO) hat der Gesetzgeber § 1 Satz 4 SGB VI aF - ebenfalls mit Wirkung ab 1. Januar 2004 - die
besondere Übergangsregelung des § 229 Abs 1a SGB VI an die Seite gestellt (Art 1 Nr 8 des 2. SGB VI-ÄndG). Nach
dessen Satz 1 bleiben Vorstandsmitglieder einer AG, die am 6. November 2003 (Tag der zweiten und dritten Lesung
des Entwurfs des 2. SGB VI-ÄndG im Deutschen Bundestag) in einer weiteren Beschäftigung oder selbstständigen
Tätigkeit nicht versicherungspflichtig waren, in dieser Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit nicht
versicherungspflichtig. Eine Berufung auf die Übergangsregelung soll indessen ausgeschlossen sein, wenn es schon
nach dem vor dem Stichtag anzuwendenden Recht rechtsmissbräuchlich war, einen Ausschluss der
Rentenversicherungspflicht anzunehmen (vgl BT-Drucks 15/1893, aaO).
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Soweit Personen im Jahr 2003 und später zu Mitgliedern des Vorstands einer AG bestellt worden sind bzw werden,
gilt nach dem Gesetz also Folgendes: Bei Vorstandsbestellungen ab 1. Januar 2004 ist § 1 Satz 4 SGB VI nF
anzuwenden mit der Folge, dass das Vorstandsmitglied - wie bisher - in dieser Beschäftigung, in weiteren
Beschäftigungen aber nur dann von der Rentenversicherungspflicht ausgenommen ist, wenn sie konzernzugehörig
sind. Bei Vorstandsbestellungen in der Zeit vom 7. November bis zum 31. Dezember 2003 besteht für weitere
Beschäftigungen bzw rentenversicherungspflichtige selbstständige Tätigkeiten ein "befristeter Vertrauensschutz". Bis
zum Inkrafttreten neuen Rechts unterlagen diese in Anwendung des § 1 Satz 4 SGB VI aF nicht der
Rentenversicherungspflicht. Ab 1. Januar 2004 gilt auch für sie § 1 Satz 4 SGB VI nF mit seinen Beschränkungen.
Bei Vorstandsbestellungen bis zum 6. November 2003 gewährt die Übergangsregelung des § 229 Abs 1a SGB VI
einen Vertrauensschutz für das alte Recht. Über den 31. Dezember 2003 hinaus schreibt § 229 Abs 1a Satz 1 SGB
VI den Versicherungsstatus nach altem Recht für solche Beschäftigungen bzw rentenversicherungspflichtige
selbstständige Tätigkeiten fort, die am Stichtag mit der Vorstandstätigkeit zusammentrafen. Allerdings besteht
Vertrauensschutz nach § 229 Abs 1a Satz 1 SGB VI nur für "diese" Beschäftigungen oder selbstständigen
Tätigkeiten, nicht für später aufgenommene neue.
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Die ab 1. Januar 2004 geltenden Neuregelungen haben ihren Grund in der Deregulierung und Liberalisierung des
Aktienrechts und in der Rechtsprechung des BSG, die auf die aktienrechtlichen Verhältnisse bei Einführung des § 3
Abs 1a AVG bezogen war (vgl hierzu eingehend Bayer/Günzel/Hoffmann, SGb 2006, 397; Buczko, DAngVers 2004,
161). Bereits in seiner früheren Rechtsprechung zu § 3 Abs 1a AVG hat der Senat die Ausnahme von der
Rentenversicherungspflicht nicht auf die Beschäftigung als Vorstandsmitglied einer AG beschränkt, sondern
entschieden, dass das Vorstandsmitglied in seiner Person auch für zusätzliche Beschäftigungen außerhalb der
gesetzlichen Rentenversicherung steht (grundlegend BSGE 36, 258, 260 = SozR Nr 24 zu § 3 AVG). Er hat seine
Ansicht damit begründet, dass die Herausnahme von Vorstandsmitgliedern aus dem Kreis der
Versicherungspflichtigen im Hinblick auf ihre wirtschaftliche und soziale Stellung erst recht indiziert sei, wenn ihre
wirtschaftliche Lage durch Arbeitsentgelte aus daneben ausgeübten Beschäftigungen weiter verbessert werde. Nach
einer Erstreckung des Ausnahmetatbestandes auf stellvertretende Vorstandsmitglieder einer AG (BSGE 36, 164, 166
= SozR Nr 23 zu § 3 AVG) hat der Senat § 3 Abs 1a AVG später über den Wortlaut der Vorschrift hinaus
entsprechend auf Vorstandsmitglieder "großer" Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und deren Vertreter
angewandt (Urteil vom 27. März 1980, 12 RAr 1/79, SozR 2400 § 3 Nr 4 S 5 f). Dagegen hat er eine entsprechende
Anwendung des Ausnahmetatbestands auf Vorstandsmitglieder anderer juristischer Personen abgelehnt, etwa auf
solche eingetragener Genossenschaften (Urteil vom 21. Februar 1990, 12 RK 47/87, SozR 3-2940 § 3 Nr 1 S 4), in der
Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts geführter Sparkassen (Urteil vom 3. Februar 1994, 12 RK 84/92,
SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 7) und von eingetragenen Vereinen (Urteil vom 19. Juni 2001, B 12 KR 44/00 R, SozR 3-2400
§ 7 Nr 18 S 66 ff). Möglichkeiten bzw Grenzen der Analogie hat der Senat dabei stets mit der für die Ordnung von
Massenerscheinungen anerkannten Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gerechtfertigt. Er hat eine Ausdehnung
der Vorschrift auf Vorstände von anderen juristischen Personen deshalb in der Regel abgelehnt und zu § 3 Abs 1a
AVG in diesem Zusammenhang dargelegt, dass der Ausnahmetatbestand allein an das formale Merkmal der
Zugehörigkeit zum Vorstand einer AG anknüpfe (BSG SozR 2400 § 3 Nr 4 S 4 f), zu § 3 Abs 1a AVG und § 1 Satz 4
SGB VI aF, dass diese Vorschriften die Ausnahme von der Rentenversicherungspflicht allein von der Rechtsform der
Gesellschaft abhängig machten, der die Vorstandsmitglieder vorständen (BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 7; SozR 3-
2400 § 7 Nr 18 S 66). Zwar seien wertende Gesichtspunkte, wie vor allem ein fehlendes individuelles Schutz- und
Sicherungsbedürfnis, für den Gesetzgeber bei der Schaffung der Ausnahme bestimmend gewesen, hätten jedoch in
den gesetzlichen Tatbestand der Vorschriften keinen Eingang gefunden mit der Folge, dass hierin liegende atypische
Besonderheiten unberücksichtigt blieben. Der Senat hat weiter auf den mit der Typisierung verfolgten Zweck
hingewiesen, die Anwendung des Ausnahmetatbestands einfacher, sicherer und gleichmäßiger zu gestalten bzw der
Sozialverwaltung und den Gerichten für die Beurteilung der Rentenversicherungspflicht einfach festzustellende, ohne
weiteres überprüfbare Abgrenzungsmerkmale zu verschaffen (BSG SozR 2400 § 3 Nr 4 S 4 f; SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S
7; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f). Der Senat hat die in der Ausnahmevorschrift zum Ausdruck kommende
verallgemeinernde Betrachtungsweise im Übrigen am Maßstab der für Typisierungen entwickelten Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts bisher ausdrücklich für unbedenklich gehalten, in seiner letzten Entscheidung
allerdings ausgeführt, dass es Aufgabe des Gesetzgebers sei, § 1 Satz 4 SGB VI laufend im Auge zu behalten und
zur Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes erforderlichenfalls den tatsächlichen Entwicklungen anzupassen
(BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 67 f).
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b) Der Senat braucht der Frage nicht weiter nachzugehen, ob der Kläger in seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen
zu 2. bereits deshalb - weiterhin - der Rentenversicherungspflicht unterliegt, weil die Gründung der AG und seine
Bestellung zum Vorstandsmitglied "einzig zur Umgehung der Rentenversicherungspflicht" und damit "missbräuchlich"
vorgenommen worden sind und § 229 Abs 1a SGB VI schon aus diesem Grunde nicht zur Anwendung kommt. Auf
diesen Gesichtspunkt hat sich die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden tragend und haben sich die Beklagte
und der beigeladene Rentenversicherungsträger in ihren Revisionserwiderungen ergänzend gestützt. Sie haben sich
hierbei auf das Ergebnis einer Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, der See-Krankenkasse, der
Bundesknappschaft, des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger, der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte und der Bundesanstalt für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs zur Kranken-, Pflege-,
Renten- und Arbeitslosenversicherung am 30./31. Oktober 2003 (Die Beiträge 2004, S 110 ff) bezogen, in deren
Verlauf Indizien für die Annahme eines solchen "Missbrauchs" festgelegt worden waren, und die Vorstandsbestellung
- teilweise unter Hinweis auf eine "verfassungskonforme Auslegung" des § 1 Satz 4 SGB VI aF, teilweise unter
Hinweis auf die für steuerrechtliche Sachverhalte geltende Bestimmung des § 42 der Abgabenordnung - für
"unbeachtlich" gehalten. Der Senat kann offen lassen, ob bzw inwieweit eine solche Verwaltungspraxis mit der
bisherigen Rechtsprechung in Einklang zu bringen ist, wonach es für den Ausnahmetatbestand des § 1 Satz 4 SGB
VI allein auf die Erfüllung des formalen Merkmals der Zugehörigkeit zum Vorstand einer Gesellschaft in der
Rechtsform der AG ankommt, den Einzelfall berücksichtigende wertende Gesichtspunkte demgegenüber keinen
Ausschlag geben (vgl insoweit neben den oa Urteilen des Senats insbesondere auch die die Beitragspflicht nach dem
Arbeitsförderungsgesetz verneinenden Urteile vom 4. September 1979, BSGE 49, 22 = SozR 4100 § 168 Nr 10, und
vom 26. März 1992, 11 RAr 15/91, BB 1993, 442). Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang auch, ob der
Gesetzgeber die Anpassung des § 1 Satz 4 SGB VI aF an die nach seinen Beobachtungen etwa seit Mitte des
Jahres 2003 einsetzende "Missbrauchswelle" allein mit seiner Neufassung der Vorschrift zum 1. Januar 2004 - also
nur zukunftsgerichtet - vollzogen hat, oder diese darüber hinaus, worauf der Bericht des 13. Ausschusses hindeuten
könnte (BT-Drucks 15/1893 S 12: "Klarstellung" des bisherigen Rechts), rückwirkend über eine
"Interpretationsvorgabe" für das bisherige Recht bewerkstelligt sehen wollte. Der Senat braucht schließlich nicht zu
entscheiden, ob die Umstände der Gründung der AG und/oder der Vorstandsbestellung im konkreten Fall des Klägers
einen "Missbrauch" indizieren oder der Kläger insoweit, wie die Revision vorträgt, zulässigerweise sozialrechtliche
Gestaltungsmöglichkeiten noch am Stichtag zu seinen Gunsten ausgeschöpft hat.
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c) Ob vorliegend einer der von den Versicherungsträgern so bezeichneten "Missbrauchsfälle" gegeben ist, deren
Annahme auch im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung nicht völlig ausgeschlossen erscheint, bei denen es sich
heute aber - nach dem Inkrafttreten neuen Rechts - nur noch um Übergangsfälle handeln kann, kann deshalb offen
bleiben, weil Personen wie der Kläger, die am 6. November 2003 lediglich Mitglieder des Vorstands einer Vor-AG
waren, an diesem Tag in ihrer Beschäftigung nicht nach § 1 Satz 4 SGB VI aF von der Rentenversicherungspflicht
ausgenommen waren und deshalb von der Übergangsregelung des § 229 Abs 1a SGB VI nicht erfasst werden. Zu den
"Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft" iS des § 229 Abs 1a Satz 1 SGB VI iVm § 1 Satz 4 SGB VI aF,
aber auch nach § 1 Satz 4 SGB VI in der geltenden Fassung gehören nur solche einer bestehenden, dh einer ins
Handelsregister eingetragenen AG (§ 41 Abs 1 Satz 1 AktG). Allein die Nichterfüllung dieses formalen gesetzlichen
Tatbestands führt dazu, dass der Kläger in seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2. nach § 1 Satz 1 Nr 1
SGB VI - weiterhin - der Rentenversicherungspflicht unterliegt, ohne dass weitere Gesichtspunkte zu prüfen wären.
Insbesondere kommt es für die Belange des Rechts der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung
nicht darauf an, in welchen Schritten, in welchen Organisationsformen und mit welchen Rechtsfolgen für die Mitglieder
des Vorstands sich die Verbandsgründung nach dem für AGen geltenden Sonderrecht des AktG vollzieht.
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Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass die AG als Gesellschaft bereits mit ihrer Errichtung (§ 29 AktG) als
Rechtssubjekt existiert, die Vorgesellschaft im Aktienrecht als vollwertiger Träger von Rechten und Pflichten
anerkannt ist und die Vor-AG nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als ein auf die künftige juristische
Person hin angelegtes Rechtsgebilde mit dieser im weiteren Sinne "identisch" ist (Beschluss des Bundesgerichtshofs
vom 16. März 1992, II ZB 17/91, BGHZ 117, 323, 326 f, unter Hinweis auf das Urteil vom 9. März 1981, II ZR 54/80,
BGHZ 80, 129 ff). Im weiteren Sinne kann deshalb auch, wie die Revision vorträgt, von einer "Kontinuität der
Vorstandsbestellung" gesprochen werden. Diese an den praktischen Bedürfnissen des Aktienrechts orientierten
Wertungen können in das Sozialversicherungsrecht jedoch nur eingeschränkt übernommen werden. Von der
verfassungsrechtlich wie einfachgesetzlich auch im Sozialrecht grundsätzlich bestehenden Verpflichtung, die
Verhältnisse im Aktienrecht rechtlich zu Grunde zu legen, wenn an dessen Begrifflichkeiten angeknüpft wird,
bestehen Ausnahmen, wenn der Parlaments-Gesetzgeber hiervon suspendiert bzw dazu ermächtigt hat. Das ist hier
der Fall. Wie bereits erörtert (oben unter a), hat der Senat die Grenzen der Auslegung des Ausnahmetatbestands in
ständiger Rechtsprechung danach bestimmt, ob der mit der typisierenden Regelung in erster Linie verfolgte Zweck,
die Rechtsanwendung einfacher, sicherer und gleichmäßiger zu gestalten und der Sozialverwaltung und den Gerichten
für die Beurteilung der Rentenversicherungspflicht einfach festzustellende, ohne weiteres überprüfbare
Abgrenzungsmerkmale zu verschaffen, durch eine Ausdehnung der Vorschrift gefährdet würde. Diese im
Wesentlichen zu § 3 Abs 1a AVG ergangene Rechtsprechung hat der Gesetzgeber des RRG 1992 übernommen (vgl
BT-Drucks 11/5530 S 40: ... soll ... das geltende Recht (§ 2 Abs 1a, § 3 Abs 1a AVG) aufrechterhalten), auch wenn
ein dahingehender Wille im Gesetzeswortlaut nicht zum Ausdruck gekommen ist. Abweichungen hiervon wären vom
Gesetzgeber des RRG 1992 oder von demjenigen des 2. SGB VI-ÄndG im Gesetz hinreichend deutlich
gekennzeichnet worden. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Rechtsprechung der Zivilgerichte vor allem
Fragen der Haftung und die Handlungsfähigkeit der Vor-AG im Rechtsverkehr betrifft. Die Beurteilung der hier
streitgegenständlichen, an die Mitgliedschaft im Vorstand einer AG anknüpfenden rentenversicherungsrechtlichen
Folgen hängt demgegenüber nicht von der Zurechnungsfähigkeit rechtsgeschäftlichen Verhaltens bzw der
haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit der Vor-AG, also von Fragen des Verkehrsschutzes, sondern allein von der
Erfüllung des formalen Tatbestands des § 1 Satz 4 SGB VI ab.
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Mit dem in der Rechtsprechung des BSG hervorgehobenen und vom Gesetz sanktionierten Zweck der Typisierung,
Beschäftigte von der Rentenversicherungspflicht auszunehmen, die wegen der bei ihnen vermuteten wirtschaftlichen
Verhältnisse gruppenspezifisch nicht des Schutzes und der Sicherheit der Rentenversicherung bedürfen, und dem
Rechtsanwender diese Feststellung mit vertretbarem Aufwand zu ermöglichen, wäre es nicht vereinbar, den schon
wegen seines Ausnahmecharakters eng auszulegenden (vgl Urteil vom 24. November 2005, B 12 RA 1/04 R, SozR 4-
2600 § 2 Nr 7 RdNr 31) Tatbestand des § 1 Satz 4 SGB VI auch auf Vorstandsmitglieder einer Vor-AG zu erstrecken.
Weder der Arbeitgeber der Beschäftigung im Rahmen seiner Meldepflichten (§ 28a SGB IV) noch die Einzugsstelle
noch der Rentenversicherungsträger kann darauf verwiesen werden, bei der Beurteilung der
Rentenversicherungspflicht, selbst wenn die Gründungsunterlagen vorgelegt werden, den Ablauf der Gründung der AG
in ihren einzelnen Stadien und die Vorstandsbestellung auf Grund einer Parallelwertung nachzuvollziehen. Ihnen fehlt
die bei den zur Gründungsprüfung Berufenen (vgl § 33 Abs 1 und 2 AktG) und dem Registergericht (vgl §§ 36, 38
AktG) vorhandene Sachkunde, sodass sie zur materiell-rechtlichen Einschätzung der Verhältnisse fremde Hilfe in
Anspruch nehmen müssten. Eine Anwendung des § 1 Satz 4 SGB VI in seiner alten und neuen Fassung auf
Vorstandsmitglieder einer Vor-AG bliebe damit nicht innerhalb des Normzwecks, den das Gesetz mit der Typisierung
verfolgt. Eine Anwendung dieser Vorschriften kommt vielmehr erst dann in Betracht, wenn die AG im Handelsregister
eingetragen ist. Vor der Eintragung ist für den Arbeitgeber und den jeweiligen Versicherungsträger nicht sicher
erkennbar, ob überhaupt auch nur die Eintragungsfähigkeit der AG gegeben ist. Der Handelsregisterauszug, den das
Vorstandsmitglied dem Arbeitgeber seiner Beschäftigung im Rahmen seiner Vorlagepflicht nach § 28o Abs 1 SGB IV
zu übermitteln hat, manifestiert, dass die Gründung der AG einer Rechtsprüfung unterzogen wurde (vgl § 38 AktG),
auch wenn natürlich eine umfassende wirtschaftliche Überprüfung des Gründungskonzepts oder gar eine
Zweckmäßigkeitskontrolle nicht stattgefunden hat. Würden die rentenversicherungsrechtlichen Folgen, die an die
Stellung als Vorstandsmitglied einer AG außerhalb der Vorstandstätigkeit geknüpft sind, demgegenüber auf die
Mitgliedschaft im Vorstand einer Vor-AG erstreckt, so wäre es ohne weiteres möglich, dass solche
Vorstandsmitglieder zeitlich unbeschränkt rentenversicherungsrechtliche Vorteile aus ihrer Vorstandstätigkeit ziehen,
obwohl die Gesellschaft, deren Vorstandsmitglieder sie sind, mangels Vorliegens der Voraussetzungen dauerhaft
nicht zur Eintragung gelangen könnte.
24
Soweit eingewandt wird, das mit dem Ausnahmetatbestand verfolgte Ziel, Personen aus der
Rentenversicherungspflicht auszunehmen, die sich gegen die Risiken des Arbeitslebens selbst schützen könnten,
werde hier nicht verfehlt, und hierfür auf die Rechtsprechung des Senats verwiesen wird, nach der eine konkrete
individuelle Schutzbedürftigkeit im Rahmen der verallgemeinernden Regelung nicht zu prüfen ist (vgl BSG SozR 2400
§ 3 Nr 4; SozR 3-2400 § 7 Nr 18), greift dieser Einwand nicht durch. Insoweit wird verkannt, dass diese
Rechtsprechung Vorstände kleiner und wirtschaftlich schwächerer, allerdings eingetragener AGen im Auge hatte, die
ohne ausreichende und dauerhafte Absicherung sind. Der Senat hat hierzu ausgeführt, dass der Gesetzgeber solche
Sachverhalte im Rahmen der Typisierung vernachlässigt habe, diese jedoch beobachten und das geltende Recht
erforderlichenfalls anpassen müsse.
25
Zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung veranlasst schließlich das Vorbringen der Revision, auch Gesellschafter
einer Vor-GmbH würden "versicherungsrechtlich" wie Gesellschafter einer eingetragenen GmbH behandelt. Insoweit
liege eine "Abweichung von der bisherigen Bundessozialgerichtsrechtsprechung" vor. Die Revision hat hierzu auf ein
Urteil des 2. Senats des BSG vom 30. März 1962 (2 RU 109/60, BSGE 17, 15) und ein Urteil des Senats vom 28.
April 1983 (12 RK 12/82, USK 8365 - Juris Nr KSRE013301127) sowie das Ergebnis einer Besprechung der
Spitzenverbände der Krankenkassen, der See-Krankenkasse, der Bundesknappschaft, des Verbandes Deutscher
Rentenversicherungsträger, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und der Bundesanstalt für Arbeit über
Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung am 16./17. März 1994
(Die Beiträge 1994, S 288 ff) verwiesen. Diese Entscheidungen betrafen indes andere Sachverhalte. Insoweit hat das
SG zutreffend ausgeführt, dass Gegenstand der zu Grunde liegenden Verfahren die Frage war, ob Personen im
Rahmen ihrer Tätigkeit für eine noch nicht ins Handelsregister eingetragene GmbH nach allgemeinen Grundsätzen
sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren oder als weisungsfreie Geschäftsführer bzw Mitgesellschafter der
Gründungsgesellschaft nicht der Versicherungspflicht unterlagen. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein nach
allgemeinen Grundsätzen versicherungspflichtig beschäftigtes Vorstandsmitglied einer Vor-AG ausnahmsweise in
einer weiteren Beschäftigung von der Versicherungspflicht ausgenommen ist.
26
Soweit die vom Kläger repräsentierte Personengruppe vom Anwendungsbereich des § 229 Abs 1a Satz 1 SGB VI
ausgenommen ist, ist das am Maßstab des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes nicht zu beanstanden. Zwar wird er
gegenüber den von § 229 Abs 1a Satz 1 SGB VI erfassten Vorstandsmitgliedern benachteiligt. Hierfür bestehen aber
sachliche Gründe. Darauf, dass die an die Mitgliedschaft im Vorstand einer eingetragenen AG anknüpfende
Typisierung verfassungsrechtlich unbedenklich ist, ist bereits hingewiesen worden (dazu oben a). Soweit § 229 Abs
1a Satz 1 SGB VI die Gewährung von Vertrauensschutz weiter davon abhängig macht, dass Beschäftigung und
Mitgliedschaft im Vorstand einer eingetragenen AG an einem bestimmten Stichtag zusammentrafen, sind auch
dagegen Bedenken nicht zu erheben. Mit dem 6. November 2003 als dem Tag, an dem der Deutsche Bundestag die
Gesetzesneufassung in zweiter und dritter Lesung beschlossen hat, hat der Gesetzgeber einen sachgerechten
Anknüpfungspunkt gewählt.
27
Weil der Kläger am Stichtag lediglich Mitglied des Vorstands einer Vor-AG war, unterlag er in seiner Beschäftigung bei
der Beigeladenen zu 2. weiterhin der Rentenversicherungspflicht. Dass die Gesellschaft, deren Vorstandsmitglied er
ist, am Stichtag oder jedenfalls - mit der Folge "befristeten Vertrauensschutzes" - vor dem 31. Dezember 2003 ins
Handelsregister eingetragen war, ist nicht festgestellt und hat der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit auch nicht
geltend gemacht. Die Revision war daher zurückzuweisen.
28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.