Urteil des BSG vom 07.02.2002

BSG: arbeitsentgelt, geldwerter vorteil, pauschalbesteuerung, arbeitsförderung, beitragspflicht, vergünstigung, zuwendung, eigenschaft, auszahlung, rechtsverordnung

Bundessozialgericht
Urteil vom 07.02.2002
Hessisches Landessozialgericht
Bundessozialgericht B 12 KR 6/01 R
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 2. November 2000 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Umstritten ist, ob die Klägerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu zahlen hat.
Die Klägerin ist eine Fluggesellschaft, die ihren Arbeitnehmern freie oder verbilligte Flüge mit so genanntem Stand-by-
Status anbietet. Diese Flüge sind mit einer Reservierungsbeschränkung versehen und können nur in Anspruch
genommen werden, wenn der Flug nicht an einen voll zahlenden Fluggast verkauft werden kann. Die Klägerin
ermittelte den geldwerten Vorteil der kostenlosen und verbilligten Stand-by-Flüge nach § 8 Abs 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) und führte hierauf pauschale Lohnsteuer nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG ab,
soweit der geldwerte Vorteil je Arbeitnehmer 1990 nicht über der Pauschalierungshöchstgrenze von 2.000 DM lag.
Sozialversicherungsbeiträge entrichtete sie nur, soweit der geldwerte Vorteil des einzelnen Arbeitnehmers über 2.000
DM im Kalenderjahr lag; im Übrigen (bis 2.000 DM) wurden Beiträge nicht entrichtet.
Die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle stellte dies im Oktober 1991 bei einer Betriebsprüfung fest. Mit
Bescheid vom 13. Februar 1992 verlangte sie von der Klägerin für 1990 Gesamtsozialversicherungsbeiträge von
3.338,10 DM für 15 im Bescheid namentlich genannte Arbeitnehmer, denen wegen ihrer Mitarbeiterflüge jeweils ein
beitragspflichtiges Arbeitsentgelt zugeordnet war. Die Klägerin widersprach mit der Begründung, der geldwerte Vorteil
der Vergünstigung bei den Mitarbeiterflügen sei als laufendes Arbeitsentgelt anzusehen. Er sei daher nach § 2 Abs 1
Satz 1 Nr 1 der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen und damit beitragsfrei. Die
Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 1993 zurück. Bei den
Vergünstigungen handele es sich um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das in der Sozialversicherung nach § 2 Abs 1
Satz 1 Nr 1 ArEV unabhängig davon beitragspflichtig sei, ob es individuell oder pauschal versteuert werde. Die
Rabatte würden nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum, sondern wegen des
Arbeitsverhältnisses insgesamt gewährt.
Im anschließenden Gerichtsverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, verbilligte Mitarbeitertickets seien keine
Belegschaftsrabatte, die unter § 8 Abs 3 EStG fielen, vielmehr seien hierfür Sachbezugswerte nach § 8 Abs 2 EStG
festgesetzt und nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 ArEV zu behandeln. Das Sozialgericht (SG) hat die Bundesanstalt für
Arbeit (BA, Beigeladene zu 1), die zuständige Landesversicherungsanstalt (LVA, Beigeladene zu 2), die
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, Beigeladene zu 3) und die im Beitragsbescheid genannten 15
Arbeitnehmer beigeladen. Es hat die Klage mit Urteil vom 7. August 1997 abgewiesen. Die Vergünstigungen bei
Mitarbeiterflügen seien als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt beitragspflichtig.
Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beiladung der Arbeitnehmer wieder
aufgehoben. Es hat die Berufung mit Urteil vom 2. November 2000 zurückgewiesen. Die Vergünstigung sei ein
geldwerter Vorteil, auf den die Ausnahmeregelung des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 ArEV nicht anwendbar und der geldwerte
Vorteil daher unbeschränkt und unabhängig von steuerrechtlichen Vorschriften beitragspflichtiges Entgelt sei. Es
handele sich um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der Vorschriften über die Einmalzahlung. Kostenlose oder
verbilligte Mitarbeiterflüge seien bei einer Gesamtbetrachtung ihres tatsächlichen und rechtlichen Charakters kein
einmalig gezahltes Arbeitsentgelt. Im Übrigen würde ihre Bewertung als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt gegen Art 3
Abs 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen, weil es leistungsrechtlich nicht ausreichend berücksichtigt werde.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des LSG vom 2. November 2000 und das Urteil des SG vom 7. August 1997 sowie
den Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September
1993 aufzuheben.
Die Beklagte sowie die beigeladenen BA und BfA beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angegriffene Urteil für zutreffend. Die beigeladene LVA hat keinen Antrag gestellt, sich aber den
Ausführungen der Beklagten angeschlossen. Der Senat hat den Arbeitnehmer U. V. mit dessen Einverständnis zum
Rechtsstreit notwendig beigeladen (Beigeladener zu 4). Dieser hat keinen Antrag gestellt. Die übrigen Arbeitnehmer
waren nicht mehr erreichbar.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat ihre Berufung gegen das Urteil des SG mit Recht
zurückgewiesen. Das SG hat ihre Klage zutreffend abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 1992 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1993 ist rechtmäßig. Die kostenlosen oder verbilligten
Mitarbeiterflüge der versicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer der Klägerin sind ein geldwerter Vorteil, der
zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehört.
1. Im Jahre 1990, um das es hier geht, wurde bei versicherungspflichtig Beschäftigten in der gesetzlichen
Krankenversicherung der Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)). Gleiches galt in der
Rentenversicherung der Arbeiter (vgl § 1385 Abs 3 Buchst a der Reichsversicherungsordnung (RVO)) und der
Angestellten (vgl § 112 Abs 3 Buchst a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), seit 1. Januar 1992 gilt für
Arbeiter und Angestellte jeweils § 162 Nr 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche
Rentenversicherung (SGB VI)) sowie im Recht der Arbeitsförderung (vgl § 175 Abs 1 Nr 1 des
Arbeitsförderungsgesetzes (AFG); seit 1. Januar 1998 ersetzt durch § 342 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch -
Arbeitsförderung (SGB III)). Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung,
gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie
geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14
Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV), seit 1.
April 1999 § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV).
Bei den Vergünstigungen, die 1990 von den Arbeitnehmern der Klägerin in Anspruch genommen worden sind, handelt
es sich um Arbeitsentgelt in diesem Sinne. Die Mitarbeiterflüge sind ein geldwerter Vorteil. Er lag darin, dass die
Arbeitnehmer für den Flug nichts oder weniger als den üblichen Marktpreis zu zahlen brauchten (BFHE 84, 279, 282).
Die Arbeitnehmer erlangten diesen Vorteil auf Grund ihrer Beschäftigung bei der Klägerin. Seiner Eigenschaft als
Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV steht nicht entgegen, dass die Arbeitnehmer keinen
einzelarbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Anspruch auf Mitarbeiterflüge hatten, sondern er sich möglicherweise
nur aus einer betrieblichen Übung iVm dem Gleichbehandlungsgebot ergab (vgl Griese in Küttner, Personalbuch 2001,
Geldwerter Vorteil RdNr 2) und die Klägerin jederzeit in der Lage gewesen wäre, diese Vergünstigung für die Zukunft
zurückzunehmen.
2. § 17 Abs 1 SGB IV ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung, insbesondere zur Vereinfachung des
Beitragseinzugs, zu bestimmen, dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder
ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, ganz oder teilweise nicht dem
Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung durch Erlass der ArEV Gebrauch
gemacht. Entgegen der Ansicht der Revision besteht keine Regelung, nach der die Vergünstigungen bei
Mitarbeiterflügen bis zur Pauschalierungshöchstgrenze des § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG nicht zum
beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehören. Der geldwerte Vorteil ist weder auf Grund des § 1 ArEV noch auf Grund des
§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 ArEV vom Arbeitsentgelt ausgenommen.
a) Nach § 1 ArEV in seiner am 1. Januar 1990 in Kraft getretenen und hier anzuwendenden Fassung vom 12.
Dezember 1989 (BGBl I 2177) sind einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche
Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit
sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 ArEV nichts anderes ergibt. - Die Vergünstigungen bei den Mitarbeiterflügen
sind nicht steuerfrei. In § 3 EStG, der die steuerfreien Einnahmen auflistet, sind Vergünstigungen bei Mitarbeiterflügen
nicht aufgeführt. In der systematisch zu § 3 EStG gehörenden Vorschrift des § 8 Abs 3 Satz 2 EStG (vgl Drenseck in
Schmidt, EStG, 20. Aufl 2001, § 8 RdNr 75) ist die Steuerfreiheit außerdem für Leistungen iS des § 8 Abs 3 Satz 1
EStG (Personalrabatte) bis zu einem Betrag von 2.400 DM (Steuerfreibetrag) angeordnet; dies trifft bei
Vergünstigungen der vorliegenden Art auf sog Produktflüge zu, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf
seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden. Die Inanspruchnahme dieses Steuerfreibetrages ist
aber ausgeschlossen, wenn eine Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG stattgefunden hat (zum
Wahlrecht zwischen Pauschalbesteuerung und Inanspruchnahme des Steuerfreibetrages vgl Kirchhof, EStG,
KompaktKomm, 2001, § 8 RdNr 67; Drenseck, aaO, § 8 RdNr 82). Dieses hat das LSG hier festgestellt. Ebenso
wenig läge Steuerfreiheit vor, wenn es sich bei den Mitarbeiterflügen um eine speziell für die Mitarbeiter der Klägerin
angebotene Dienstleistung außerhalb des üblichen Geschäftsverkehrs, dh außerhalb der unternehmenstypischen
Lieferungs- und Leistungspalette handelte, die nach § 8 Abs 2 EStG zu bewerten sind (so für Stand-by-Flüge
Finanzgericht Düsseldorf, DStRE 2000, 897 f; und Hessisches Finanzgericht, EFG 1997, 229). Für diese ist - anders
als für Produktflüge - kein Steuerfreibetrag vorgesehen.
b) Der in den Vergünstigungen bei Mitarbeiterflügen liegende geldwerte Vorteil fällt auch nicht unter diejenigen
Zuwendungen, die gemäß § 2 ArEV nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind.
Nach der ursprünglichen Fassung der ArEV vom 6. Juli 1977 (BGBl I 1208) waren sonstige Bezüge nach § 40 Abs 1
Satz 1 Nr 1 EStG nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem
Pauschalsteuersatz erhob (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 ArEV aF). Zwischen laufend und einmalig gezahltem Arbeitsentgelt
wurde insoweit nicht unterschieden. Danach wäre der geldwerte Vorteil kostenloser oder verbilligter Mitarbeiterflüge
ursprünglich nicht dem (beitragspflichtigen) Arbeitsentgelt zuzurechnen gewesen, wenn der Arbeitgeber ihn nach § 40
Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG pauschal versteuerte.
Hier geht es jedoch um Mitarbeiterflüge im Jahr 1990. Insoweit hatte sich die Rechtslage gegenüber der
ursprünglichen Fassung des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 ArEV aF mit Wirkung vom 1. Januar 1984 geändert. Mit dem
Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532) hat der Gesetzgeber die Heranziehung und
Verteilung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt neu geregelt (§ 385 Abs 1a, § 1400 Abs 2 Satz 3 RVO, § 122 Abs 2
Satz 3 AVG, § 175 Abs 1 Nr 1 AFG, später § 227 SGB V und § 164 SGB VI, seit 1997 einheitlich § 23a SGB IV).
Seither ist einmalig gezahltes Arbeitsentgelt nach Maßgabe dieser Vorschriften auch auf zurückliegende
Entgeltabrechungszeiträume zu verteilen, soweit es zusammen mit dem laufenden Arbeitsentgelt im Zeitraum seiner
Auszahlung die anteilige (monatliche) Beitragsbemessungsgrenze übersteigt. Gleichzeitig wurde mit Wirkung vom 1.
Januar 1984 an § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 ArEV dahin geändert, dass nur noch diejenigen sonstigen Bezüge nach § 40
Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG nicht dem Arbeitsentgelt iS von § 14 Abs 1 SGB IV zuzurechnen sind, bei denen es sich
nicht um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt handelt (vgl Art 2 Nr 1 Buchst a der Verordnung zur Änderung der
Sachbezugsverordnung (SachBezV) 1983 und der ArEV vom 19. Dezember 1983, BGBl I 1472). Hierbei ist es bis auf
redaktionelle Änderungen der Vorschrift und ihre Überführung von Nr 4 aaO in Nr 1 aaO bis heute geblieben (vgl Art 1
Nr 2 Buchst a der Verordnung zur Änderung der ArEV und der SachBezV vom 12. Dezember 1989, BGBl I 2177).
Zur Begründung der Änderung der damaligen Nr 4 des § 2 Abs 1 Satz 1 ArEV wurde von der Bundesregierung
ausgeführt, dass einmalig gezahltes Arbeitsentgelt nicht mehr zu den Bezügen nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG
gerechnet werden dürfe und durch Pauschalbesteuerung seitens des Arbeitgebers zukünftig nicht mehr die
Beitragsfreiheit von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt erreicht werden könne (vgl BR-Drucks 417/83 S 6). Der
Verordnungsgeber hat damit Einmalzahlungen aus dem sachlichen Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung der
früheren Nr 4 und späteren Nr 1 des § 2 Abs 1 Satz 1 ArEV ausgenommen und ist für sie trotz Pauschalbesteuerung
zur grundsätzlichen Beitragspflicht von Arbeitsentgelt zurückgekehrt.
c) Bei dem geldwerten Vorteil, den die Klägerin ihren Mitarbeitern gewährt hat, handelt es sich um Einmalzahlungen iS
des § 23a Abs 1 Satz 1 SGB IV und dessen Vorgängerregelungen. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind danach
Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen
Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Das Sozialversicherungsrecht nimmt die Abgrenzung zwischen
laufendem Arbeitsentgelt und einmalig gezahltem Arbeitsentgelt danach vor, ob die Zuwendung der konkreten
Arbeitsleistung einem bestimmten Entgeltabrechnungszeitraum zugeordnet werden kann. Zwar könnte der Wortlaut
der genannten Vorschriften auch auf Zuwendungen bezogen werden, die nicht für Arbeitsleistungen in einem einzelnen
Abrechnungszeitraum, sondern für Arbeiten in mehreren Zeiträumen und dann auf "einmal", dh in einer Summe,
gezahlt werden. Richtig muss er aber dahin verstanden werden, dass nicht der Zeitpunkt der Auszahlung - bei oder
alsbald nach Ablauf des jeweiligen Abrechnungszeitraums oder erst später - das entscheidende Merkmal des einmalig
gezahlten Arbeitsentgelts ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob das gezahlte Entgelt Vergütung für die in einem
einzelnen, dh einem bestimmten Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit ist oder ob eine solche Beziehung zu einem
bestimmten einzelnen Abrechnungszeitraum nicht besteht, wie insbesondere bei den jährlich gezahlten
Sonderzuwendungen. Im ersten Fall handelt es sich auch dann um laufendes Arbeitsentgelt, das zu verteilen ist,
wenn es für die Arbeit in mehreren einzelnen Abrechnungszeiträumen, aber in einer Summe gezahlt und dann auf die
Zeiträume zu verteilen ist, in denen es erarbeitet wurde (BSGE 66, 34, 42 = SozR 2200 § 385 Nr 22 S 115 f). Bei
Zuwendungen, die nicht ausschließlich durch die Arbeit in konkreten Abrechnungszeiträumen erworben worden sind,
lässt das Gesetz demgegenüber entsprechend ihrer Eigenschaft als allgemeine Zuwendung für größere Zeiträume
eine Verteilung auf zurückliegende Abrechnungszeiträume zu. Typische Anwendungsfälle des einmalig gezahlten
Arbeitsentgelts sind zusätzliche 13. und 14. Monatsgehälter, Weihnachts- und Urlaubsgeld oder ein Jahresbonus.
Im vorliegenden Verfahren ist der geldwerte Vorteil der Vergünstigungen bei Mitarbeiterflügen einmalig gezahltes
Arbeitsentgelt in diesem Sinne. Er ist nicht der Arbeit in einzelnen Entgeltabrechnungszeiträumen zuzuordnen. Die
Arbeitnehmer der Klägerin konnten kostenlose Flüge nur begrenzt, verbilligte Flüge in unbegrenzter Anzahl abrufen.
Erforderlich war nur, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in einer Beschäftigung bei der Klägerin stand und er sich zB
nicht im Erziehungsurlaub oder im Wehrdienst befand. Die Freiflüge brauchten jedoch nicht durch die Arbeitsleistung
in konkreten Entgeltabrechnungszeiträumen in dem Sinne erarbeitet zu werden, dass die Höhe des geldwerten
Vorteils (Wert des Fluges, Anzahl der Flüge) vom Umfang oder der Art der Arbeitsleistung abhing. Sie wurden damit
nicht für die Arbeit in einzelnen Entgeltabrechnungszeiträumen gewährt. Die Tatsache allein, dass Arbeitnehmer die
Option auf Mitarbeiterflüge in jedem Entgeltabrechnungszeitraum beliebig oft ausüben konnten, macht den geldwerten
Vorteil nicht zu laufendem Arbeitsentgelt.
Nach allem findet die Fiktion des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 ArEV, dass es sich bei pauschalversteuerten sonstigen
Bezügen ausnahmsweise nicht um Arbeitsentgelt handelt, auf die Vergünstigungen bei Mitarbeiterflügen keine
Anwendung. Hieran ändert auch § 6 der SachBezV nichts. Die SachBezV ist eine ebenfalls auf Grund des § 17 Abs 1
SGB IV erlassene Rechtsverordnung, mittels derer der Wert von Sachbezügen nach dem tatsächlichen Verkehrswert
im Voraus für ein Kalenderjahr bestimmt werden kann. § 6 SachBezV trifft keine Regelung darüber, welche
Entgeltbestandteile dem Grunde nach zum Arbeitsentgelt gehören oder nicht. Vielmehr bestimmt er den Wert von
Sachbezügen, die weder kostenlose oder verbilligte Verpflegung noch Unterkunft noch Wohnung sind.
3. Der Senat nimmt die Entscheidung zum Anlass, auf eine Ungleichbehandlung hinzuweisen, zu der § 2 Abs 1 Satz
1 Nr 1 ArEV führen könnte. Sonstige Bezüge sind nach § 38a Abs 1 Satz 3 EStG der Arbeitslohn, der nicht als
laufender Arbeitslohn gezahlt wird (zur steuerlichen Behandlung vgl Huber in Küttner, Personalbuch 2001, Sonstige
Bezüge RdNr 2 ff). Nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG pauschalversteuerte sonstige Bezüge, die auch
sozialversicherungsrechtlich Einmalzahlungen sind, gehören somit stets zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt.
Hingegen werden nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG pauschalversteuerte sonstige Bezüge, die auf Grund ihrer
Zahlungsweise (Voraus- oder Nachzahlung von Arbeitsentgelt) sozialversicherungsrechtlich als laufendes
Arbeitsentgelt angesehen werden, nicht dem Arbeitsentgelt zugerechnet; sie sind damit beitragsfrei. Die
Ungleichbehandlung wird allerdings nur selten auftreten, weil sonstige pauschal besteuerte Bezüge iS des § 40 Abs 1
Satz 1 Nr 1 EStG ausweislich der Lohnsteuerrichtlinie 115 Abs 2 zu § 39b EStG in der überwiegenden Zahl der Fälle
auch Einmalzahlungen im Sinne der Sozialversicherung sind und dann zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehören.
Dennoch kann der Senat gewisse Inkongruenzen und damit die Ungleichbehandlung nicht ausschließen. So bliebe
möglicherweise eine Lohnnachzahlung, wie sie den Entscheidungen BSGE 66, 34 = SozR 2200 § 385 Nr 22 und
SozR 2200 § 385 Nr 9 zu Grunde lag, nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 ArEV beitragsfrei, wenn und soweit sie steuerlich
als sonstiger Bezug behandelt und pauschal versteuert würde, während Einmalzahlungen niemals unter den
Anwendungsbereich des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 ArEV fallen.
Wenn hiernach Ungleichbehandlungen in einer nennenswerten Zahl von Fällen verbleiben sollten, vermag der Senat
rechtfertigende Gründe bisher nicht zu erkennen. Wegen der weit gehenden Übereinstimmung der sonstigen Bezüge
im Sinne des Steuerrechts mit dem einmalig gezahlten Arbeitsentgelt sieht der Senat derzeit keinen Anlass, die
Regelungen aus Gründen der Ungleichbehandlung zu beanstanden. Er gibt jedoch zu bedenken, ob § 2 Abs 1 Satz 1
Nr 1 ArEV nicht im Sinne einer Vereinheitlichung aufgehoben oder geändert werden sollte.
4. Soweit die Klägerin geltend macht, dass die Beitragspflicht der Einmalzahlungen gegen Art 3 Abs 1 GG verstoße,
weil Einmalzahlungen leistungsrechtlich nicht ausreichend berücksichtigt würden, greift dieses nicht durch. Es geht
hier um Einmalzahlungen aus dem Jahre 1990. Deren Beitragspflicht war nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts damals trotz ihrer unzureichenden Berücksichtigung im Leistungsrecht noch
hinzunehmen (vgl BVerfGE 92, 53 ff = SozR 3-2200 § 385 Nr 6; BVerfGE 102, 127 = SozR 3-2400 § 23a Nr 1).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.