Urteil des BSG vom 24.06.2003

BSG: haftung aus unerlaubter handlung, unternehmer, grobe fahrlässigkeit, freiwillige versicherung, leichte fahrlässigkeit, unfallversicherung, haftpflichtversicherung, versicherter, gerüst

Bundessozialgericht
Urteil vom 24.06.2003
Sozialgericht Speyer S 1 U 221/00
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 3 U 205/01
Bundessozialgericht B 2 U 39/02 R
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. Juni 2002 wird
zurückgewiesen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen in allen Rechtszügen zu erstatten.
Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die klagende Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) beansprucht von der beklagten Berufsgenossenschaft (BG) die
Erstattung der Aufwendungen für Leistungen, die sie aus Anlass des Unfalls des Beigeladenen am 2. März 1999 an
diesen erbracht hat.
Der im Jahre 1955 geborene Beigeladene baute im Jahre 1999 unter Mithilfe von Verwandten und Bekannten ein
Einfamilienhaus. Bei den Zimmererarbeiten am Dach half ihm ein Freund, der Zeuge M K (K). Für die Ausführung
dieser Arbeiten war um den gesamten Rohbau ein Gerüst gestellt worden. Bei Dachstuhlarbeiten am 2. März 1999
entfernte der Beigeladene zusammen mit K ein Schutzgitter an einem Gerüstfeld, um so die Dachsparren einfacher
ins Dachgeschoss transportieren zu können. Als der Beigeladene auf dem Weg zum Holzlagerplatz an der Stelle des
Gerüstes vorbeiging, an der der Seitenschutz entfernt war, fiel vom zweiten Gerüstbelag aus einer Höhe von ca zwei
Metern ein Kantholz herab und traf ihn am Kopf. K befand sich zu diesem Zeitpunkt im Dachgeschoss. Ihm war das
nasse Holzstück aus den Händen gerutscht, als er es auf den Gerüstbelag legen wollte. Der Beigeladene erlitt bei
diesem Unfall schwere Schädelverletzungen.
Durch Bescheid vom 10. Mai 1999 lehnte die Beklagte gegenüber dem Beigeladenen die Anerkennung des Unfalles
als Arbeitsunfall ab. Zum Unfallzeitpunkt habe der Beigeladene nicht unter dem Schutz der gesetzlichen
Unfallversicherung gestanden, da er bei seiner Tätigkeit als Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten weder
kraft Gesetzes noch kraft Satzung versichert gewesen sei. Ein Antrag auf eine freiwillige Versicherung sei nicht
gestellt gewesen. Dieser Bescheid wurde vom Beigeladenen nicht angefochten.
Mit am 17. März 1999 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 15. März 1999 meldete die Klägerin einen
Erstattungsanspruch nach § 111 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) an. Die Beklagte machte ihrerseits
gegenüber der Klägerin mit dem dort am 21. April 1999 eingegangenen Schreiben vom 19. April 1999 ihren
Erstattungsanspruch nach § 111 SGB X geltend.
Nachdem die Klägerin und die Beklagte wechselseitig die Erstattung der jeweiligen Aufwendungen abgelehnt hatten,
hat die Klägerin mit der zum Sozialgericht (SG) erhobenen Klage die Erstattung von 46.160,73 DM von der Beklagten
verlangt. Nach schriftlicher Befragung des Beigeladenen hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. März
2001). Das Landessozialgericht (LSG) hat nach Befragung des Beigeladenen und Vernehmung des K als Zeugen die
Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 25. Juni 2002). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt,
die Klägerin habe als unzuständige Leistungsträgerin nur dann Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten
Aufwendungen, wenn die Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs (des Beigeladenen gegen die Beklagte) gemäß
§ 105 Abs 2 Satz 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) gegeben seien. Das sei indes nicht der Fall,
weil hier die Ersatzpflicht des Schädigers gegenüber dem beigeladenen nichtversicherten Unternehmer zivilrechtlich
ausgeschlossen sei. Vertragliche Schadensersatzansprüche des Beigeladenen seien von vornherein nicht gegeben.
Deliktische Ansprüche des Beigeladenen kämen zwar in Betracht, weil K den Körperschaden des Beigeladenen leicht
fahrlässig (mit-)verursacht habe. Bei dem vorliegenden Fahrlässigkeitsgrad sei indes die Haftung des K
ausgeschlossen. Angesichts der unentgeltlichen Gefälligkeitsleistung des K gegenüber dem Beigeladenen sei schon
von einer einvernehmlichen stillschweigenden Haftungsbegrenzung für leichte Fahrlässigkeit auszugehen. Zudem
führten auch die vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entwickelten Grundsätze zur Beschränkung der
Arbeitnehmerhaftung zu einem Ausschluss der zivilrechtlichen Ersatzpflicht des K. Entgegen der Auffassung der
Klägerin sei die Anwendung der Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung nicht auf die Haftung der
Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis begrenzt. K habe bei Ausführung der Dachstuhlarbeiten eine einem
Arbeitnehmer vergleichbare Stellung innegehabt. Für diesen Personenkreis sei die analoge Anwendung der vom BAG
entwickelten Grundsätze gerechtfertigt.
Mit der - vom LSG zugelassenen ​ Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Die Ausführungen des
LSG, mit denen deliktische Ansprüche nach § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verneint würden,
"begegneten durchgreifenden Bedenken". Das LSG gehe davon aus, dass dem Schädiger kein grob fahrlässiges
Verhalten vorzuwerfen sei, sondern lediglich einfache Fahrlässigkeit. Aufgrund des Umstandes, dass der Schädiger
hier im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses tätig geworden sei, komme das LSG dann zu der Annahme, dass die
Beteiligten - hätten sie über die Haftung gesprochen ​ zumindest bezüglich eines solchen Fahrlässigkeitsgrades die
Haftung ausgeschlossen hätten. Das LSG habe folglich den Umstand, dass der Schädiger eine private
Haftpflichtversicherung gehabt habe, zwar gesehen, aber bei seiner Auslegung außer Acht gelassen. Diese Auslegung
des LSG führe letztendlich dazu, dass durch die angenommene Verzichtsabrede ein Haftpflichtversicherer entlastet
werde. Tatsächlich entspreche es regelmäßig nicht dem Willen der Beteiligten, durch Verzichtsabreden den
Haftpflichtversicherer zu entlasten (vgl Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 22 U
43/98 ​). Soweit das LSG die vom BAG entwickelten Grundsätze zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auch auf
arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten angewandt habe, habe es übersehen, dass diese Grundsätze ausschließlich auf
Arbeiten, die durch den Betrieb veranlasst und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet würden, Anwendung
fänden. Sie ließen sich aufgrund der besonderen Verhältnisse des vorliegenden Falles nicht anwenden, denn sie
rechtfertigten sich aus den Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses und müssten deshalb auf dieses beschränkt
bleiben.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Speyer vom 29. März 2001 und des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. Juni
2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Unfalls des Beigeladenen vom 2. März
1999 23.601,61 EUR (46.160,73 DM) nach § 105 SGB X zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht zur Sache geäußert.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§
124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Klage und Berufung der Klägerin sind zu Recht ohne Erfolg geblieben. Ihr
steht der Erstattungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu.
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin nach der - von ihr selbst in der Revisionsbegründung vorgetragenen ​
Regulierung ihrer Ersatzansprüche durch den Haftpflichtversicherer des K überhaupt noch Erstattungsansprüche
gegenüber der Beklagten hat und verfolgen kann. Denn der Klägerin stand und steht ein Erstattungsanspruch wegen
der Aufwendungen für Krankenbehandlung aufgrund des Unfalles des Beigeladenen vom 2. März 1999 bereits aus
anderen Gründen nicht zu.
Als Grundlage für einen Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte kommt allein § 105 Abs 1 SGB X in
Betracht, wonach der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger unter bestimmten weiteren
Voraussetzungen dem unzuständigen Leistungsträger, der Sozialleistungen erbracht hat, erstattungspflichtig ist. Der
Erstattungsanspruch scheitert hier bereits daran, dass die Beklagte für die Krankenbehandlung des Beigeladenen
wegen der Folgen des Unfalles vom 2. März 1999 nicht zuständig ist oder zuständig gewesen ist. Leistungsansprüche
des Beigeladenen gegen die Beklagte nach den Vorschriften des SGB VII bestanden nicht.
Nach § 26 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz. Der Beigeladene war indes im
Unfallzeitpunkt nicht als Versicherter nach den Vorschriften des SGB VII tätig. Er war zudem auch nicht einem
Versicherten gleichgestellt. Dass der Beigeladene als Unternehmer der Eigenbauarbeiten weder kraft Gesetzes (§ 2
SGB VII) noch kraft Satzung der Beklagten (§ 3 SGB VII) und auch nicht aufgrund freiwilliger Versicherung (§ 6 SGB
VII) in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war, hat die Beklagte im nicht angefochtenen Bescheid vom 10.
Mai 1999 gegenüber dem Beigeladenen ausdrücklich entschieden. Auch SG und LSG haben dies zutreffend erkannt.
Zwar entfaltet der genannte Bescheid der Beklagten an den Beigeladenen gemäß § 77 SGG nur Bindungswirkung für
die Beteiligten, also die Beklagte und den Beigeladenen. Indes hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens
auf Erstattung ihrer Aufwendungen Entsprechendes geltend gemacht.
Der Beigeladene war - entgegen der Auffassung der Klägerin ​ im Unfallzeitpunkt auch nicht gemäß § 105 Abs 2 Satz
2 SGB VII einem Versicherten gleichgestellt. Nach dieser Vorschrift werden nicht versicherte Unternehmer, die über §
105 Abs 2 Satz 1 SGB VII entsprechend § 105 Abs 1 SGB VII mit Ansprüchen gegenüber Personen, die durch eine
betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall verursachen, ausgeschlossen sind, wie Versicherte, die einen
Versicherungsfall erlitten haben, behandelt, es sei denn, eine Ersatzpflicht des Schädigers gegenüber dem
Unternehmer ist zivilrechtlich ausgeschlossen. Die Behandlung "wie Versicherte, die einen Versicherungsfall erlitten
haben", setzt demnach voraus, dass der von einer Person iS des § 105 Abs 1 SGB VII geschädigte Unternehmer -
ungeachtet des gesetzlichen Haftungsausschlusses nach § 105 Abs 1 SGB VII ​ nicht zivilrechtlich mit
Ersatzansprüchen gegenüber dem Schädiger ausgeschlossen ist. Diese durch das SGB VII gegenüber dem
Rechtszustand nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) neu geschaffene Vorschrift schließt die Haftung des
Schädigers für den Fall aus, dass der nicht versicherte Unternehmer gemäß § 105 Abs 2 Satz 2 SGB VII wie ein
Versicherter zu behandeln ist, also Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat. Demnach ist
vorrangig zu prüfen, ob die Ersatzpflicht des Schädigers iS von § 105 Abs 2 Satz 2 SGB VII zivilrechtlich
ausgeschlossen ist. Ist sie ausgeschlossen, hat der nicht versicherte Unternehmer keine Ansprüche aus der
gesetzlichen Unfallversicherung wie ein Versicherter, so dass der Haftungsausschluss des § 105 Abs 2 Satz 1 iVm
Abs 1 SGB VII nicht eingreifen kann.
Dass K im Betrieb der Eigenbauarbeiten des Beigeladenen wie ein Beschäftigter gemäß § 2 Abs 2 SGB VII und damit
als Person iS von § 105 Abs 1 Satz 2 und Satz 1 SGB VII tätig war, hat das LSG eingehend und nachvollziehbar
begründet. Angriffe dagegen bringt die Revision nicht vor. Die Ersatzpflicht des Schädigers K ist indes gegenüber
dem Beigeladenen zivilrechtlich ausgeschlossen. Es bedarf keiner weiteren Erörterung der Frage, ob zwischen K und
dem Beigeladenen die Haftung aus unerlaubter Handlung für fahrlässig herbeigeführte Schäden durch stillschweigende
Abrede ausgeschlossen war. Denn das LSG hat zutreffend entschieden, dass die Haftung des K gegenüber dem
Beigeladenen entsprechend den Grundsätzen der Rechtsprechung des BAG zur Beschränkung der
Arbeitnehmerhaftung zivilrechtlich ausgeschlossen war. Für Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers gegen
Arbeitnehmer besteht eine vom BAG aus der entsprechenden Anwendung von § 254 BGB unter Berücksichtigung der
Grundrechte des Arbeitnehmers auf Berufsfreiheit sowie allgemeine Handlungsfreiheit der Art 12 Abs 1 und 2 Abs 1
des Grundgesetzes abgeleitete Haftungsmilderung für Folgen schuld- und fehlerhafter Arbeitsleistung (BAGE 78, 56;
Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 52 RdNr 48, 49 mwN; Krause, NZA 2003, 577), die nach der Entscheidung des
Großen Senats des BAG vom 27. September 1994 (BAGE 78, 56) für alle Arbeiten gilt, auch wenn diese nicht
gefahrgeneigt sind (vgl im Einzelnen: Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl, § 276 RdNr 40 und § 611 RdNr 156 bis 158,
jeweils mwN; Krause, aaO). Ob diese Haftungsbeschränkung entfällt, soweit der Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher
Verpflichtung haftpflichtversichert ist (vgl Schaub. aaO, § 52 RdNr 82 mwN; Blomeyer, Münchner Handbuch des
Arbeitsrechts, Band I, § 59 RdNr 57 mwN), kann hier auf sich beruhen, denn nach dem Revisionsvorbringen handelte
es sich bei der Haftpflichtversicherung des K nicht um eine gesetzliche Pflichtversicherung, sondern um eine private
Haftpflichtversicherung, die die Haftungsbeschränkung zugunsten des Arbeitnehmers nicht berührt (vgl dazu Schaub,
aaO; Blomeyer, aaO).
Für arbeitnehmerähnliche Personen ist die Anwendung der Haftungsmilderung bisher ​ soweit ersichtlich ​ allein in der
Literatur befürwortet worden (vgl Blomeyer, aaO, § 59 RdNr 69 mwN; Krause, aaO, 582 mwN). Während etwa
Brox/Walker (DB 1985, 1469, 1477) diskutieren, dass Personen eine arbeitnehmerähnliche Stellung haben können, die
aufgrund von Dienst- oder Werkverträgen tätig werden, erwägt Däubler (NJW 1986, 867, 874) die eingeschränkte
Haftung für "arbeitnehmerähnliche Personen, die zwar formal selbstständig, wirtschaftlich jedoch von ihrem
Auftraggeber mehr oder weniger stark abhängig" seien. Krause (aaO) tritt für die Beschränkung der Haftung auch für
arbeitnehmerähnlich Tätige ein, weil die Haftungsrisiken vielfach zu einem großen Teil auf einer für den Beschäftigten
fremden Organisationsstruktur beruhten und das Entgelt regelmäßig außer Verhältnis zu dem mit der Tätigkeit
verbundenen Risiko einer Schadensersatzpflicht stehe. In der Rechtsprechung ist es noch nicht zu einer Anwendung
der Haftungsmilderung für arbeitnehmerähnlich Tätige gekommen. Das OLG Celle (JZ 1973, 246, 248) hat die
Haftungsfreistellung abgelehnt, weil der Schädiger wie ein selbstständiger eigenverantwortlicher Handwerker
aufgetreten sei. Das Landesarbeitsgericht Berlin hat zwar einen freien Mitarbeiter einer Rundfunkanstalt als
arbeitnehmerähnliche Person bezeichnet, dessen Haftungsfreistellung indes abgelehnt, weil der freie Mitarbeiter in
persönlicher Unabhängigkeit weisungsfrei gearbeitet habe (AfP 1990, 336, 338). Die genannte Literatur und
Rechtsprechung zeigen, dass, wenn nicht ein Gesetz einen bestimmten Personenkreis als arbeitnehmerähnlich
definiert (zB § 138 Abs 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - SGB IX ​ für behinderte Menschen im
Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für Behinderte), die Frage der entsprechenden Anwendung der Grundsätze
über die Haftungsmilderung für Arbeitnehmer entscheidend von der exakten Bestimmung des Begriffs der
arbeitnehmerähnlichen Person und von der Frage, ob die Haftungsmilderung für Arbeitnehmer strukturell auf diese
Person übertragen werden kann, abhängt. Ob dabei auf die aufgrund anderer gesetzlicher Zielsetzung in § 12a des
Tarifvertragsgesetzes gefasste Definition der arbeitnehmerähnlichen Personen zurückgegriffen werden kann, muss
hier nicht entschieden werden.
Für beschäftigtenähnliche Personen iS des § 2 Abs 2 SGB VII, also für Personen, die ​ unter Anwendung der
Legaldefinition der Beschäftigung in § 7 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) ​ wie nicht
selbstständig tätige Personen in einem Arbeitsverhältnis tätig sind, sind die arbeitsrechtlichen Grundsätze der
Haftungsmilderung bei Schadensersatzansprüchen des Arbeitgebers gegen Arbeitnehmer entsprechend anzuwenden.
Entscheidend dafür ist insbesondere der Umstand, dass - wie im Verhältnis Arbeitgeber/Arbeitnehmer ​ auch zwischen
dem Unternehmer und der arbeitnehmerähnlich tätigen Person die Betriebsgefahr verantwortlich durch den Arbeitgeber
bzw Unternehmer gesetzt worden ist und er sich auch seine Verantwortung für die Organisation des Betriebes und die
Gestaltung der Arbeitsbedingungen zurechnen lassen muss. Neben diesen auch vom LSG eingehend erörterten
Umständen spricht ein spezifisch unfallversicherungsrechtliches Argument für diese Auffassung. Gemäß § 2 Abs 2
Satz 1 SGB VII sind nämlich kraft Gesetzes Personen versichert, die wie nach Abs 1 Nr 1 Versicherte, also wie
Beschäftigte, tätig werden. Diese auch schon unter Geltung der RVO durch § 539 Abs 2 RVO vorgenommene
Erweiterung des Versicherungsschutzes auf beschäftigtenähnliche (arbeitnehmerähnliche) Personen hatte
sozialpolitische und rechtssystematische Gründe, nämlich in die grundsätzlich als Pflichtversicherung für und
zugunsten von abhängig beschäftigten Arbeitnehmern geschaffene gesetzliche Unfallversicherung auch die Personen
einzubeziehen, die selbst bei nur vorübergehenden Tätigkeiten wie ein Beschäftigter tätig werden. Hinzu kommt, dass
der Gesetzgeber mit § 105 Abs 1 SGB VII eine von der Vorläufervorschrift in § 637 RVO abweichende Bestimmung
dahin getroffen hat, dass nicht mehr nur Betriebsangehörige, sondern nunmehr alle Personen, die durch eine
betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebes verursachen, den Versicherten
sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des
Personenschadens nur verpflichtet sind, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs 2 Nr
1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Damit betrifft die Haftungsfreistellung auch Nicht-
Betriebsangehörige, die eine Tätigkeit nach § 2 Abs 2 SGB VII ausüben (vgl BT-Drucks 13/2204 S 100, zu § 105 Abs
1). Der Gesetzgeber des SGB VII hat die Gleichstellung von abhängig Beschäftigten und beschäftigtenähnlich Tätigen
auch haftungsrechtlich vollzogen. Diese gesetzgeberische Wertung spricht entscheidend dafür, im Rahmen der hier
vorzunehmenden Prüfung nach § 105 Abs 2 Satz 2 SGB VII die für Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BAG
geltende Haftungsmilderung auch auf arbeitnehmerähnlich tätige Personen iS des § 2 Abs 2 SGB VII anzuwenden.
Gegen diese Auffassung spricht schließlich nicht die durch § 138 Abs 1 SGB IX für behinderte Menschen im sog
Arbeitsbereich einer Werkstatt für Behinderte getroffene ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, dass diese
Menschen in einem "arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis" stehen, für andere tatsächlich arbeitnehmerähnlich
tätige Menschen es indes eine entsprechende ausdrückliche Anordnung nicht gibt. Die Anordnung des § 138 Abs 1
SGB IX bewirkt selbstverständlich die Anwendung (aller) arbeitsrechtlicher Bestimmungen auf das Rechtsverhältnis
zwischen der Werkstatt für Behinderte und den dort tätigen behinderten Menschen (vgl Götze in Hauck/Noftz, SGB
IX, K § 138 RdNr 5). Sie entspricht der Vorläuferbestimmung in § 54b des Schwerbehindertengesetzes, die wegen des
für notwendig erachteten Schutzes von behinderten Menschen in anerkannten Werkstätten für Behinderte geschaffen
worden war. Ihre Existenz zwingt deshalb keineswegs zu der Annahme, dass auf tatsächlich arbeitnehmerähnlich
tätige Menschen außerhalb von Werkstätten für Behinderte arbeitsrechtliche Grundsätze und hier die richterrechtlich
entwickelte Haftungsmilderung für Arbeitnehmer nicht angewendet werden könnte.
Nach den Grundsätzen zur Haftungsmilderung für Arbeitnehmer richtet sich die Entscheidung, ob und ggf in welchem
Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu beteiligen ist, nach einer Abwägung der Gesamtumstände,
insbesondere von Schadensanlass und Schadensfolgen nach Billigkeit und Zumutbarkeit. Dazu gehören insbesondere
der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des
Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkulierbares oder durch Versicherung abdeckbares Risiko, die Stellung des
Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe seines Entgelts sowie schließlich die persönlichen Verhältnisse des
Arbeitnehmers (vgl Schaub, aaO, § 52 RdNr 49 mwN). Besondere Bedeutung kommt dabei - den Grundstrukturen des
zivilen Schadensersatzrechts entsprechend - dem Verschuldensgrad auf Seiten des Arbeitnehmers zu. Bei leichter
Fahrlässigkeit entfällt seine Haftung (vgl Blomeyer, aaO, § 59 RdNr 45 mwN). Der Diskussion der Frage, ob sich das
Verschulden des Arbeitnehmers nur auf die Pflichtverletzung oder auch auf den Schaden beziehe (vgl Krause, aaO,
583, 584 mwN), bedarf es für die Entscheidung hier nicht.
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und von der Revision auch nicht
beanstandet worden, dass das LSG das zur Schädigung des Beigeladenen führende Verhalten des K bei der
Entfernung des Schutzgitters am Gerüst sowie bei dem Umgang mit dem nassen Holzstück als einfach fahrlässig,
nicht aber als grob fahrlässig, beurteilt hat. Ob ein bestimmter Verschuldensgrad (Fahrlässigkeit, grobe Fahrlässigkeit,
Vorsatz) vorliegt, ist im Wesentlichen eine Tatfrage. Die hierzu vom Tatsachengericht aufgrund der von ihm
getroffenen tatsächlichen Feststellungen vorgenommene Würdigung darf das Revisionsgericht nur darauf überprüfen,
ob der jeweilige Rechtsbegriff (Fahrlässigkeit, Vorsatz) richtig erkannt worden ist und ob die Würdigung der Umstände
hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen entspricht (BFHE
160, 7; 195, 545). Die Annahme einfacher Fahrlässigkeit des K vor dem Herabfallen des Holzstücks durch das LSG
ist nicht zu beanstanden. Das LSG hat den Begriff der Fahrlässigkeit richtig erkannt und insbesondere den Begriff der
einfachen von dem der groben Fahrlässigkeit zutreffend abgegrenzt. Seine konkrete Einordnung des Verhaltens des K
als einfach fahrlässig verstößt weder gegen Denk- noch gegen allgemeine Erfahrungssätze. Entsprechende Einwände
dagegen hat auch die Klägerin nicht vorgebracht.
Nach alledem war die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.