Urteil des BSG vom 13.06.2007

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Bundessozialgericht
Urteil vom 13.06.2007
Sozialgericht Wiesbaden S 17 KR 189/05
Bundessozialgericht B 12 KR 39/06 R
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 8. September 2006 in der Gestalt
des Beschlusses vom 2. November 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind für alle Rechtszüge
nicht zu erstatten.
Gründe:
I
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger aufgrund seines Beitritts freiwilliges Mitglied der beklagten
Krankenkasse geworden ist.
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Der 1921 geborene Kläger war früher selbstständig tätig und nicht Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV). Bis einschließlich Dezember 2004 erhielt er laufende Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem
Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Seit dem 1.1.2005 bezieht er Leistungen nach dem SGB XII. Den im Mai 2005
gegenüber der Beklagten erklärten Beitritt zur GKV als freiwilliges Mitglied lehnte diese mit Bescheid vom 2.6.2005
ab, weil nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 8 SGB V nur solche Personen ein Beitrittsrecht hätten, deren Sozialhilfebezug vor
dem 1.1.2005 geendet habe, der Kläger jedoch weiterhin laufende Sozialhilfeleistungen erhalte. Den Widerspruch wies
sie mit Widerspruchsbescheid vom 6.10.2005 zurück.
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Das Sozialgericht (SG) Wiesbaden hat mit Urteil vom 8.9.2006 unter Aufhebung des Bescheides vom 2.6.2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.10.2005 die Beklagte verurteilt, festzustellen, dass der Kläger ab
1.1.2005 freiwilliges Mitglied der Krankenversicherung der Beklagten ist. Einen Ausschluss von Personen, die seit
dem 1.1.2005 Leistungen nach dem SGB XII erhielten, sehe das Gesetz bereits nach seinem Wortlaut nicht vor. § 9
Abs 1 Satz 1 Nr 8 SGB V sei auch nicht dahin auszulegen, dass der Bezug von Sozialhilfeleistungen zum 1.1.2005
beendet sein müsse. Personen, die bis zum Dezember 2004 Leistungen nach dem BSHG bezogen hätten, würden ab
2005 entweder Arbeitslosengeld II (Alg II) oder aber Leistungen nach dem SGB XII beziehen. Es hätte deshalb in § 9
Abs 1 Satz 1 Nr 8 SGB V ohne weiteres der Zusatz "nach dem Bundessozialhilfegesetz" weggelassen oder durch
einen Einschub klargestellt werden können, dass Personen, die ab dem Januar 2005 weiterhin Sozialhilfeleistungen
erhalten, nicht beitrittsberechtigt sind. In der Gesetzesbegründung beziehe sich der Begriff der "ehemaligen" Bezieher
auf Leistungen nach dem BSHG, der Sozialhilfebezug ab Januar 2005 beruhe dagegen auf einem anderen
Leistungsgesetz. Sozialhilfeempfänger ohne Zugangsmöglichkeit zur GKV hätten ein einmaliges Beitrittsrecht zur
GKV erhalten sollen. Der Gesetzgeber habe eine Gleichstellung dieser Personen mit Personen, die nach dem
Inkrafttreten der Versicherungspflicht aufgrund des Bezuges von Alg II Mitglied in der GKV geworden waren und diese
Mitgliedschaft in der Regel bei Aufnahme einer versicherungsfreien Beschäftigung oder einer selbstständigen Tätigkeit
hätten fortsetzen können, als geboten angesehen.
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Mit ihrer vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Beklagte sinngemäß die Verletzung des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr
8 SGB V. Bereits der Wortlaut der Vorschrift deute darauf hin, dass der Bezug von Sozialhilfeleistungen am 1.1.2005
abgeschlossen sein müsse. Auch die Gesetzesmaterialien sprächen dafür, nur ehemaligen Beziehern von Sozialhilfe,
die vor dem Leistungsbezug zu keinem Zeitpunkt eine Zugangsmöglichkeit zur GKV gehabt hätten, ein einmaliges
Beitrittsrecht zur GKV einzuräumen. Ein darüber hinausgehendes Beitrittsrecht stehe im Widerspruch zu der vom
Gesetzgeber inzwischen verfolgten Konzeption des Krankenversicherungsschutzes nicht krankenversicherter
Sozialhilfeempfänger. Der Gesetzgeber habe sich mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) ab dem 1.1.2004 für
die Übernahme der Krankenbehandlung von Sozialhilfeempfängern durch die Krankenkassen entschieden (§ 264 SGB
V) und damit das Vorhaben aufgegeben, diesen Personenkreis in die Versicherungspflicht einzubeziehen.
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Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 8.9.2006 in der Gestalt des
Berichtigungsbeschlusses vom 2.11.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6
Der nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger hat sich in der Sache nicht geäußert und keinen
Antrag gestellt.
II
7
Die Revision der Beklagten ist begründet.
8
Zu Unrecht hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 2.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
6.10.2005 aufgehoben und die Beklagte zur Feststellung der freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers verurteilt. Diese
Bescheide, mit denen die Beklagte das Bestehen einer freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers verneint hat, sind
rechtmäßig. Der Kläger war nicht zum Beitritt zur GKV berechtigt.
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1. Der Senat konnte ohne die vom Kläger angeregte Beiladung des Trägers der Sozialhilfe entscheiden. Dieser war
nicht gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 SGG notwendig beizuladen. Er ist am hier streitigen Rechtsverhältnis nicht derart
beteiligt, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Streitig ist das Bestehen der
Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse. Diese Streitfrage berührt zwar die wirtschaftlichen Interessen des
Sozialhilfeträgers, greift jedoch nicht zugleich in seine Rechtssphäre ein und muss nicht notwendig einheitlich
ergehen. Auch als notwendig beizuladender anderer Leistungspflichtiger iS von § 75 Abs 2 Alt 2 SGG kommt er nicht
in Betracht, weil nicht die Gewährung von Leistungen der Krankenbehandlung, sondern das Bestehen einer freiwilligen
Krankenversicherung bei der Beklagten streitig ist. Es kann deshalb dahinstehen, ob insoweit ein Verfahrensverstoß
wirksam gerügt worden ist.
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2. Entgegen der Auffassung des SG hat der erstinstanzlich nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene
Kläger bei sachgerechter Auslegung seines Klagebegehrens neben der Anfechtungsklage keine Verpflichtungsklage,
sondern eine Feststellungsklage erhoben. Hierauf konnte er sich zulässig beschränken, weil die Mitgliedschaft bei
einem bestehenden Beitrittsrecht bereits durch die Beitrittserklärung begründet wird (vgl zur Feststellungsklage als
richtiger Klageart in Streitigkeiten über das Beitrittsrecht Urteil des Senats vom 18.5.2005, B 12 P 3/04 R, SozR 4-
3300 § 26a Nr 1 RdNr 5 mwN).
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3. Der Bescheid der Beklagten vom 2.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.10.2005 ist
rechtmäßig. Zutreffend hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid festgestellt, dass der Kläger nicht durch
seinen Beitritt freiwilliges Mitglied der GKV geworden ist. Dem Kläger stand das von ihm geltend gemachte und nach
den Feststellungen des SG allein in Betracht kommende Beitrittsrecht zur GKV nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 8 SGB V
nicht zu.
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Nach dieser Vorschrift (eingefügt mit Wirkung vom 1.1.2005 durch Art 5 Nr 3a des Vierten Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) konnten der GKV ab dem 1.1.2005 innerhalb von
sechs Monaten Personen beitreten, die in der Vergangenheit laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem
BSHG bezogen hatten und davor zu keinem Zeitpunkt gesetzlich oder privat krankenversichert waren. Diese
Voraussetzungen für einen Beitritt erfüllte der Kläger nicht. Auch wenn er in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt
gesetzlich oder privat krankenversichert gewesen war und in der Vergangenheit laufende Leistungen zum
Lebensunterhalt nach dem BSHG bis zum 31.12.2004 erhalten hatte, stand dem Beitrittsrecht entgegen, dass er seit
Januar 2005 während der Sechs-Monats-Frist weiterhin laufende Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII, nämlich
Leistungen der Grundsicherung im Alter nach §§ 41 ff SGB XII (Viertes Kapitel des SGB XII), bezog, denn das
befristete Beitrittsrecht ab 1.1.2005 nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 8 SGB V setzte voraus, dass jedenfalls in der Zeit bis
zum 30.6.2005 keine laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung nach dem SGB XII mehr
bezogen wurden.
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Der Wortlaut des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 8 SGB V nimmt allerdings keinen Bezug auf die Verhältnisse ab dem 1.1.2005.
Für die Beschränkung dieses Beitrittsrechts auf Personen, die seit dem 1.1.2005 keine Leistungen nach dem SGB XII
bezogen, spricht zunächst, dass es anders als alle anderen in § 9 SGB V genannten Beitrittsrechte nicht an eine
frühere Versicherung anknüpft, sondern ausnahmsweise für eine Übergangszeit eine erstmalige Versicherung in der
GKV ohne Vorversicherungszeit und ohne Altersbegrenzung ermöglicht. Dies legt es nahe, den Kreis der
Beitrittsberechtigten zu begrenzen und zwar insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Schutzbedürftigkeit bei der
Absicherung gegen das Risiko Krankheit gerade durch Begründung einer eigenen Versicherung in der GKV. Diese ist
aber bei Personen in der Lage des Klägers wegen des Bezugs von Leistungen nach dem SGB XII nicht gegeben. Die
Beschränkung des Kreises der Beitrittsberechtigten auf solche, die aktuell keine Leistungen nach dem SGB XII
beziehen, entspricht vielmehr dem bisherigen und auch dem aktuellen gesetzgeberischen Konzept zur Absicherung
der Sozialhilfeempfänger gegen das Risiko der Krankheit.
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In der Vergangenheit unterlagen Sozialhilfeempfänger, die vorher nicht Mitglied in der GKV gewesen waren, keiner
Krankenversicherungspflicht, sie hatten auch kein Beitrittsrecht zur GKV. Bestand keine private oder gesetzliche
freiwillige Versicherung bzw Familienversicherung, wurde ihr Schutz im Krankheitsfall durch den Sozialhilfeträger
sichergestellt und wurden die Kosten hierfür von ihm getragen. Gemäß § 367a der Reichsversicherungsordnung in der
bis zum 31.12.1988 geltenden Fassung konnte die Krankenkasse für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich
gegen Krankheit versichert waren, sowie für andere Hilfeempfänger die Krankenpflege übernehmen, sofern der
Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer
Verwaltungskosten gewährleistet wurde. Diese Regelung wurde mit dem Gesundheits-Reformgesetz (GRG) ab
1.1.1989 in § 264 SGB V übernommen. Damit wurden weiterhin Sozialhilfeempfänger weder einer gesetzlichen
Versicherungspflicht unterworfen noch wurde ihnen ein Beitrittsrecht eingeräumt (vgl Begründung des
Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Entwurf eines GRG, BT-Drucks 11/2237 S 228). Ab
1.1.1993 sah zwar Art 28 Abs 1 des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vor, Personen, die laufende Hilfe zum
Lebensunterhalt nach dem BSHG erhielten, vom 1.1.1997 an in die Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs 1 SGB
V einzubeziehen. Die hierfür erforderliche gesetzliche Regelung traf das GSG jedoch selbst nicht. Das nach Art 28
Abs 2 GSG zur Durchführung erforderliche besondere Gesetz, das auch Regelungen über die Bemessung der
Beiträge enthalten sollte, wurde in der Folgezeit nicht erlassen.
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Der Gesetzgeber ist vielmehr von der Konzeption des Art 28 GSG abgewichen. Ab 1.1.2004 war die
Krankenbehandlung von nicht krankenversicherten Empfängern laufender Leistungen zum Lebensunterhalt und Hilfe in
besonderen Lebenslagen nach den Abschnitten 2 und 3 des BSHG zwingend von den Krankenkassen gegen
Erstattung der Aufwendungen zu übernehmen, soweit nicht Ausnahmetatbestände vorlagen (§ 264 Abs 2 Satz 1 SGB
V in der Fassung des Art 1 Nr 152 des GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Damit wurde dieser Personenkreis
leistungsrechtlich den Mitgliedern der GKV gleichgestellt, ohne ihm jedoch den Status als Pflicht- oder freiwilliges
Mitglied einzuräumen. Gleichzeitig rückte der Gesetzgeber von dem Vorhaben ab, die Sozialhilfeempfänger als
Mitglieder in die GKV einzubeziehen, ua weil sich Bund und Länder nicht auf eine Umsetzung des Art 28 GSG zu
angemessenen Beitragszahlungen hatten einigen können (vgl BT-Drucks 15/1525 S 140 f). Durch nachfolgende
Änderungen zum 1.1.2005 und 30.3.2005 wurden die Fassungen des § 264 Abs 2 SGB V an die Einordnung des
Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch angepasst (vgl Art 4 Nr 16 Buchst a des
Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom 21.3.2005, BGBl I 818, und Art 4 Nr 7 des Gesetzes zur Einordnung des
Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022). Die Krankenbehandlung von nicht
krankenversicherten Empfängern von Leistungen nach dem SGB XII wird damit von den Krankenkassen gegen
Erstattung der Aufwendungen übernommen, soweit nicht ein - im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommender -
Ausnahmetatbestand nach § 264 Abs 2 Satz 2 SGB V vorliegt.
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Zeitgleich mit dem GMG wurde das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 im
Bundestag beraten. Mit diesem Gesetz ist ab 1.1.2005 für Bezieher von Alg II die Krankenversicherungspflicht in § 5
Abs 1 Nr 2a SGB V und zugleich das hier umstrittene Beitrittsrecht nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 8 SGB V eingeführt
worden. Letzteres war zunächst im Gesetzentwurf nicht enthalten (vgl BT-Drucks 15/1516) und wurde erst aufgrund
der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit aufgenommen, um einem eng begrenzten
Personenkreis ehemaliger Bezieher von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG ein einmaliges,
befristetes Beitrittsrecht zur GKV zu geben (vgl BT-Drucks 15/1728 S 208). Damit sollte einem Anliegen des
Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages Rechnung getragen werden, bei der Neuregelung der
Versicherungspflicht von Sozialhilfeempfängern eine Regelung für Altfälle vorzusehen. Dazu ist im
Gesetzgebungsverfahren ausgeführt worden, während erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger Alg II erhielten und
aufgrund des Bezuges dieser Leistung Pflichtmitglied in der GKV seien, hätten ehemalige Bezieher von Hilfe zum
Lebensunterhalt nach dem Ende des Bezuges von Sozialhilfe nur Zugang zur GKV bei Aufnahme einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung oder als freiwilliges Mitglied bei Erfüllung der Vorversicherungszeit.
Empfängern von Sozialhilfe, die vor dem Sozialhilfebezug zu keinem Zeitpunkt eine Zugangsmöglichkeit zur GKV
gehabt hätten, werde ein einmaliges Beitrittsrecht zur GKV gewährt. Eine Gleichstellung mit Personen, die nach
Inkrafttreten der Versicherungspflicht aufgrund des Bezuges von Alg II Mitglied in der GKV werden und diese
Mitgliedschaft in der Regel bei Aufnahme einer versicherungsfreien Beschäftigung oder einer selbstständigen Tätigkeit
fortsetzen könnten, erscheine geboten (vgl BT-Drucks 15/1749 S 36). Der Petitionsausschuss hatte aus Anlass der
Petition eines Selbstständigen, der zuvor Sozialhilfe bezogen und die Mitgliedschaft in der GKV begehrt hatte, für den
Fall der Einbeziehung von Sozialhilfeempfängern in die Versicherungspflicht angeregt, Altfällen, nämlich ehemaligen
Beziehern laufender Hilfe zum Lebensunterhalt, ein Zugangsrecht zur GKV zu verschaffen (vgl Beschlussempfehlung
des Petitionsausschusses, Pet 2-14-15-8270-013478, Anl 3 zum Protokoll 14/41). Mit der Änderung des Datums vom
1.7.2004 in den 1.1.2005 aufgrund der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses (vgl BT-Drucks 15/2259 S
6) trat die Vorschrift am 1.1.2005 in Kraft.
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Die oben genannten Gesetzesmaterialien enthalten keinen Hinweis darauf, dass entgegen der bisherigen gesetzlichen
Konzeption des Krankheitsschutzes der Sozialhilfeempfänger und in Abweichung von den im GMG zeitgleich
beschlossenen Änderungen des § 264 SGB V neben den ehemaligen, vom Petitionsausschuss in den Blick
genommenen Leistungsempfängern auch alle aktuell weiterhin Sozialhilfeleistungen beziehenden, bisher nicht
versicherten Personen durch ein für ein halbes Jahr eingeräumtes Beitrittsrecht erstmals in die GKV einbezogen
werden sollten. Vielmehr bestätigt der Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens, dass nur eine Benachteiligung der
ehemaligen, bisher nicht versicherten erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger im Vergleich zu den nunmehr Alg II
beziehenden erwerbsfähigen Leistungsempfängern gesehen wurde und beseitigt werden sollte. Letztere waren weiter
gegen das Krankheitsrisiko abgesichert, während für die erste Gruppe der bisherige Anspruch auf Krankenbehandlung
auf Kosten des Sozialhilfeträgers nach § 264 Abs 2 SGB V nicht mehr bestand. Für diese zahlenmäßig kleine Gruppe
selbstständig tätiger oder aus sonstigen Gründen nicht mehr bedürftiger ehemaliger Sozialhilfeempfänger sollte eine
befristete Möglichkeit geschaffen werden, der GKV beizutreten.
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Für eine Absicht, die GKV über diesen Personenkreis hinaus zu öffnen, fehlen dagegen Anhaltspunkte. Während des
Bezuges von laufenden Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII bestehen im Krankheitsfall Ansprüche auf
Krankenbehandlung, die leistungsrechtlich denen der GKV entsprechen und auch durch die gesetzlichen
Krankenkassen erfüllt werden (vgl § 264 Abs 2 SGB V, §§ 48, 52 SGB XII). Es liegen keine Hinweise dafür vor, dass
diese Leistungen für nicht ausreichend erachtet wurden. Ein Beitrittsrecht würde den Sozialhilfeempfängern auch
keine wirtschaftlichen Vorteile bringen, selbst wenn der Sozialhilfeträger die Beitragszahlung gemäß § 32 Abs 2 SGB
XII übernimmt, weil die GKV keine weitergehenden Leistungen gewährt und deshalb für die Betroffenen keinen
zusätzlichen Schutz im Krankheitsfall bewirkt. Da die Sozialhilfeträger den Krankenkassen deren Aufwendungen nach
§ 264 Abs 2 SGB V zu erstatten haben, könnte der Beitritt allein und ausschließlich zur Entlastung der
Sozialhilfeträger führen (vgl insoweit - zum Beitrittsrecht zur sozialen Pflegeversicherung - Urteil des Senats vom
18.5.2005, B 12 P 3/04 R, SozR 4-3300 § 26a Nr 1 RdNr 12). Unabhängig davon, dass die Befristung eines
allgemeinen Beitrittsrechts auf ein halbes Jahr auch dann nicht verständlich wäre, ist es nicht ersichtlich, dass eine
solche Entlastung beabsichtigt war, obwohl in der Vergangenheit von einer Einbeziehung der Sozialhilfeempfänger in
die GKV aus finanziellen Erwägungen abgesehen worden war und bis heute abgesehen wird.
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Nicht nur der Bezug laufender Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII,
sondern auch der Bezug laufender Leistungen der Grundsicherung im Alter bzw bei dauerhafter Erwerbsminderung
nach dem Vierten Kapitel des SGB XII schließen das Beitrittsrecht aus. Bei beiden Leistungen handelt es sich um
steuerfinanzierte, bedarfsorientierte Sozialhilfeleistungen (vgl insoweit - zum GSiG - Urteil des Senats vom 21.9.2005,
B 12 P 6/04 R, SozR 4-3300 § 26a Nr 2 RdNr 11 ff), die ergänzt werden durch Ansprüche auf Krankenbehandlung
gemäß § 48 SGB XII bzw nach § 264 SGB V. Ein Grund für eine Differenzierung zwischen Beziehern von
Grundsicherungsleistungen und Beziehern von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt ist deshalb nicht ersichtlich (vgl
hierzu auch Urteil des Senats vom 21.9.2005, B 12 P 6/04 R, SozR 4-3300 § 26a Nr 2 RdNr 14).
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Schließlich spricht auch der Verlauf der Gesetzgebung seit 2005 nicht dafür, dass das Beitrittsrecht des § 9 Abs 1
Satz 1 Nr 8 SGB V auch für aktuelle Sozialhilfebezieher gelten sollte. Seit dem 1.4.2007 regelt § 5 Abs 1 Nr 13 SGB
V des GKV-WSG die Versicherungspflicht für Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im
Krankheitsfall haben. § 5 Abs 8a Satz 2 SGB V nimmt hiervon jedoch die Bezieher von laufenden Leistungen nach
dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII aus. Als anderweitiger Anspruch auf Absicherung im
Krankheitsfall soll der Anspruch auf Hilfe bei Krankheit nach § 48 SGB XII oder § 264 SGB V gelten (vgl BT-Drucks
16/3100 S 94). Der Bezug von laufenden Sozialhilfeleistungen steht damit weiterhin der Krankenversicherungspflicht
entgegen. Soweit § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V nunmehr allen Personen, die aus dem Leistungsbezug nach dem SGB XII
ausscheiden, den Zugang zur Krankenversicherung ermöglicht, ist das einzige Bedenken, das gegen § 9 Abs 1 Satz
1 Nr 8 SGB V bestehen konnte, ausgeräumt. Dieses Bedenken war die Befristung des Beitrittsrechts, da unter
Gleichheitsgesichtspunkten schwer verständlich war, weshalb das Beitrittsrecht nur befristet bestand, also die
Personen, die nach dem 30.6.2005 aus dem Sozialhilfebezug ausschieden, keinen Zugang zur GKV hatten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.