Urteil des BSG vom 02.09.2004

BSG: wichtiger grund, berufliches fortkommen, anspruchsdauer, abfindung, minderung, beendigung, arbeitslosigkeit, irrtum, härte, entschädigung

Bundessozialgericht
Urteil vom 02.09.2004
Sozialgericht Darmstadt S 11 AL 1432/99
Hessisches Landessozialgericht L 10 AL 64/02
Bundessozialgericht B 7 AL 18/04 R
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. November 2003
aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 6. Juni 1999;
nach den angefochtenen Bescheiden war bis zum 25. März 1999 eine Sperrzeit eingetreten, für die Folgezeit habe der
Anspruch wegen einer Abfindung geruht (§ 117a Arbeitsförderungsgesetz (AFG)).
Die im Jahre 1952 geborene Klägerin war seit August 1967 bei der D. B. als Angestellte tätig, zuletzt bei der Filiale L.
im Bereich "Organisation und Logistik". Über eine Ausbildung als Bankkauffrau verfügte sie nicht.
Umstrukturierungsmaßnahmen sollten zur Verlagerung eines Teils der Arbeit der Klägerin nach S. führen, ein anderer
Teil sollte an Fremdfirmen vergeben werden. Am 19. März 1998 schloss sie mit der Arbeitgeberin eine Vereinbarung,
wonach das Angestelltenverhältnis "auf Veranlassung der Bank zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung
aus Rationalisierungsgründen" unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31. Dezember 1998 beendet
wurde. Vereinbart wurde ferner die Zahlung einer "freiwilligen Abschlussvergütung" in Höhe von 1 1/2 Monatsgehältern
für jedes volle Geschäftsjahr der Tätigkeit gemäß Rahmeninteressenausgleich vom 28. Dezember 1994. Daneben
erhielt sie als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und zum Ausgleich entstandener und zukünftiger
beruflicher und finanzieller Nachteile eine "Abfindung" in Höhe eines Einmalbetrages von DM 194.000,- brutto. Nach
Nr 4 der Vereinbarung wurde die Klägerin auf die möglichen Folgen einer einvernehmlichen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses für den Bezug von Alg hingewiesen und aufgefordert, sich über nähere Einzelheiten bei dem für
sie zuständigen Arbeitsamt (ArbA) zu informieren. Am 29. Dezember 1998 meldete sie sich zum 1. Januar 1999
arbeitslos.
Mit Bescheid vom 4. März 1999 lehnte die Beklagte die Zahlung von Alg vom 1. Januar 1999 bis zum 25. März 1999
ab und stellte eine Minderung der Anspruchsdauer von 167 Tagen wegen Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit fest.
Mit Bescheid vom 8. März 1999 lehnte sie weiterhin die Zahlung für die Dauer vom 26. März 1999 bis zum 7.
Dezember 1999 ab und stellte eine Minderung der Anspruchsdauer um 257 Tage wegen Anrechnung einer Abfindung
von DM 194.000,- und gleichzeitigem Eintritt einer Sperrzeit fest. Die Widersprüche gegen beide Bescheide blieben
erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. August 1999).
Die Klägerin nahm vom 7. Juni 1999 bis zum 2. Juni 2000 an einer Fördermaßnahme zur beruflichen Weiterbildung teil
und bezog Unterhaltsgeld von der Beklagten, ohne dass diese hierbei von einem Ruhen des Anspruchs für die Zeit bis
zum 7. Dezember 1999 ausging.
Die Klage hat das Sozialgericht Darmstadt (SG) mit Urteil vom 21. November 2001 abgewiesen. Im
Berufungsverfahren hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, die Beklagte hätte sie darauf hinweisen müssen, dass
bei einer Antragstellung erst zum 1. April 1999 mit gleichzeitiger Rücknahme des ursprünglich gestellten Antrages die
Anwendung von § 117a AFG zu verhindern gewesen wäre. Es müsse auch in einer Massenverwaltung möglich sein,
eine entsprechende Beratung durchzuführen.
Mit Urteil vom 14. November 2003 hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin
zurückgewiesen. Für den geltend gemachten Zeitraum vom 1. Januar bis zum 6. Juni 1999 stehe kein Alg zu.
Hinsichtlich der Zeit vom 1. Januar bis 25. März 1999 sei eine Sperrzeit von zwölf Wochen eingetreten. Die Klägerin
habe die Arbeitslosigkeit vorsätzlich herbeigeführt. Die von ihr dargelegten Umstände stellten keinen wichtigen Grund
iS des § 144 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) dar. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für
die Annahme einer besonderen Härte vor, die zu einer Reduzierung der Sperrzeit auf sechs Wochen führen würden.
Im Hinblick auf die lange Betriebszugehörigkeit der Klägerin von 31 Jahren wäre eine Kündigung zum 31. Dezember
1998 nicht ohne weiteres möglich gewesen. Ferner habe die Beklagte zu Recht festgestellt, dass sich die Dauer des
Anspruchs auf Alg um die Anzahl der Tage einer Sperrzeit und um ein Viertel der Anspruchsdauer mindere, somit um
167 Tage. Ebenso unbegründet sei die Berufung, soweit sich die Klägerin gegen den Bescheid vom 8. März 1999
wende. Auf ihren Fall sei noch die Regelung des § 117a AFG anzuwenden (§ 427 Abs 6 SGB III iVm § 242x Abs 3
AFG). Da die Klägerin anlässlich ihres Ausscheidens eine Abfindung in Höhe von DM 194.000,- brutto erhalten habe,
ergebe sich nach Abzug der verschiedenen Freibeträge eine Ruhenszeit von 257 Wochentagen, also vom 26. März
bis zum 7. Dezember 1999. Dem könne die Klägerin nicht entgegenhalten, dass, wenn sie sich erst ab 1. April 1999
arbeitslos gemeldet hätte, die Regelung des § 117a AFG nicht mehr anwendbar gewesen wäre und sich insoweit nicht
noch eine weitere Minderung der Anspruchsdauer ergeben hätte. Insofern stehe ihr ein Herstellungsanspruch nicht zur
Seite. Zwar wären allein die Vorschriften des SGB III maßgebend gewesen, das keine § 117a AFG entsprechende
Regelung enthalte, wenn die Klägerin sich erst zum April 1999 arbeitslos gemeldet hätte; dann wäre die weitere
Kürzung der Anspruchsdauer um 257 Tage nicht eingetreten. Diese Rechtsfolge sei auch bereits im Dezember 1998
überschaubar gewesen; so sei hierauf zB in der ab Juni 1998 verfügbaren Kommentierung von Niesel hingewiesen
worden (Hinweis auf Niesel, SGB III, § 427 RdNr 12). Eine positive Kenntnis der Mitarbeiter des ArbA könne daraus
aber nicht abgeleitet werden. Das Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetz (EEÄndG) sei mit Wirkung vom 1.
April 1999 in Kraft getreten, nachdem der Gesetzentwurf am 22. Februar 1999 eingebracht und das Gesetz am 24.
März 1999 "verabschiedet" worden sei. Zu diesem Zeitpunkt aber sei der Bescheid vom 8. März 1999 bereits
ergangen gewesen, und die Klägerin habe ihren seinerzeit gestellten Alg-Antrag vom 29. Dezember 1998 nicht mehr
wirksam zurücknehmen können. Selbst im Hinblick auf die absehbare Gesetzesänderung sei die Beklagte nicht
verpflichtet gewesen, hierauf ohne konkrete Nachfrage hinzuweisen. Bei Antragstellung im Dezember 1998 sei nicht
ohne weiteres erkennbar gewesen, ob die Übergangsregelung für die Klägerin mehr Vorteile als Nachteile gebracht
hätte. Zudem setze die Anwendung von § 117a AFG den Eintritt einer Sperrzeit voraus. Die Klägerin habe eine solche
jedoch immer verneint und ihre diesbezügliche Ansicht weiterhin mit Nachdruck vertreten.
Mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 117a, 119 sowie 242x Abs 3
AFG, insoweit iVm § 427 Abs 6 SGB III, ferner des § 143a und des § 144 Abs 1 SGB III sowie der §§ 14 und 15
Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) (sozialrechtlicher Herstellungsanspruch). Hinsichtlich der
Sperrzeit weist sie auf das Urteil des erkennenden Senats vom 17. Oktober 2002 (B 7 AL 136/01 R = SozR 3-4300 §
144 Nr 12) hin, wonach das LSG nicht hätte entscheiden dürfen, ohne Feststellungen dazu zu treffen, ob die
angedrohte Kündigung tatsächlich ausgesprochen worden und nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen rechtmäßig
gewesen wäre. Sie habe vorgetragen, ihr wäre ohnedies zum selben Zeitpunkt betriebsbedingt gekündigt worden. Der
Beklagten habe damit die Beweislast oblegen, dass der hierin liegende wichtige Grund nicht vorgelegen habe. Ihr (der
Klägerin) stehe auch der Herstellungsanspruch zur Seite; die Beklagte hätte sie auf Grund ihrer Arbeitslosmeldung
Ende Dezember 1998 bereits darauf hinweisen müssen, dass § 117a AFG mit Wirkung ab 1. April 1999 nicht mehr
anzuwenden sei. Auch die Neuregelung zum 1. April 1999 hätte Anlass zu einer Beratung gegeben. Es könne nicht
darauf ankommen, dass das Gesetz im Zeitpunkt des Beratungsbedarfs noch nicht verabschiedet gewesen sei, denn
dem Versicherungsträger obliege eine Beratungspflicht auch dann, wenn der Gesetzentwurf bereits vor Erlass des
Bescheides eingebracht worden sei, sodass sein Inkrafttreten in absehbarer Zeit erwartet werden könne. Selbst bei
Eintritt der Sperrzeit wäre es bei sachgemäßer Beratung nicht mehr zum Ruhen aus § 117a AFG gekommen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. November 2003 und das Urteil des
Sozialgerichts Darmstadt vom 21. November 2001 und die Bescheide der Beklagten vom 4. und 8. März 1999, beide
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 1999, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr
Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 6. Juni 1999 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Berufungsurteil; ggf komme eine Zurückverweisung an das LSG in Betracht, wenn der Sachverhalt
noch weiter aufzuklären sei, weil noch nicht feststehe, ob der Klägerin eine rechtmäßige Kündigung aus einem von
ihrem Verhalten unabhängigen Grund zu dem Zeitpunkt gedroht habe, zu dem sie das Arbeitsverhältnis gelöst habe,
und sie dadurch Nachteile für ihr berufliches Fortkommen vermieden habe. Zum sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch trägt die Beklagte vor, sie könne angesichts aller Unwägbarkeiten über das Zustandekommen
eines Gesetzes im Gesetzgebungsverfahren nicht gezwungen sein, bei einer Arbeitslosmeldung auf Entwürfe zu
einem Gesetz hinzuweisen, das dann erst über drei Monate später im BGBl verkündet werde.
II
Die Revision der Klägerin führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Dieses wird
aufzuklären haben, ob die Klägerin einen wichtigen Grund für die Lösung ihres Beschäftigungsverhältnisses hatte (1);
nur wenn festzustellen wäre, dass dies nicht der Fall war, käme es auf den von der Klägerin im Zusammenhang mit
der Anwendung des § 117a AFG geltend gemachten Herstellungsanspruchs an (2). Unabhängig davon käme auch ein
Ruhen des Anspruchs auf Alg nach § 117 AFG in Betracht (3).
1. Ob für den Zeitraum vom 1. Januar bis 25. März 1999 eine Sperrzeit eingetreten ist, beurteilt sich nach § 144 Abs 1
Nr 1 SGB III (idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997, BGBl I 594). Danach tritt eine
Sperrzeit von zwölf Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich
oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe), ohne für sein Verhalten
einen wichtigen Grund zu haben.
Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob dieser Sperrzeittatbestand
vorliegt. Als wichtiger Grund kommt hier vor allem der von der Klägerin von Anbeginn an vorgetragene Umstand in
Betracht, dass eine betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung gedroht habe. Für diese Fallkonstellation hat der Senat (im
Urteil vom 17. Oktober 2002, SozR 3-4300 § 144 Nr 12 S 34 ff) folgende Regeln aufgestellt:
a) Grundsätzlich ist dem Arbeitnehmer im Interesse der Versichertengemeinschaft zuzumuten, die Kündigung
abzuwarten, sofern nicht besondere Umstände vorliegen.
b) Solche besonderen Umstände können zB dann gegeben sein, wenn dem Arbeitnehmer
aa) eine rechtmäßige Kündigung aus einem von seinem Verhalten unabhängigen Grund zu dem Zeitpunkt zumindest
droht, zu dem er das Arbeitsverhältnis löst, und
bb) er durch eine einverständliche Lösung des Arbeitsverhältnisses Nachteile vermeiden kann, die sich durch eine
Kündigung des Arbeitgebers für sein berufliches Fortkommen ergeben.
c) In Einzelfällen kann auf Grund sonstiger Umstände, etwa des Verhaltens des Arbeitgebers, ein wichtiger Grund
auch bei einer (drohenden oder feststehenden, aber noch nicht erfolgten) rechtswidrigen Kündigung vorliegen.
d) Lassen sich nach Erschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen diejenigen Tatsachen nicht aufklären, aus
denen sich der wichtige Grund ergibt, sind die allgemeinen Grundsätze über die objektive Beweislast heranzuziehen.
Danach trifft grundsätzlich - Ausnahme: Verletzung der Mitwirkungspflicht des Arbeitslosen - die Beklagte die
Beweislast dafür, dass ein dem Eintritt der Sperrzeit entgegenstehender wichtiger Grund nicht vorliegt.
Diese Rechtsprechung wird durch das Urteil des 11. Senats des BSG vom 18. Dezember 2003 (B 11 AL 35/03 R,
NZA 2004, 661, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) bereits deshalb nicht beeinflusst, da hierin über
den Fall einer tatsächlichen Arbeitgeberkündigung mit anschließendem "Abwicklungsvertrag" zu entscheiden war.
Das LSG wird also vorrangig zu prüfen haben, ob der Klägerin eine arbeitgeberseitige Kündigung drohte und ob diese
rechtmäßig gewesen wäre. In gleicher Weise wird aufzuklären sein, ob der Klägerin die Hinnahme einer rechtmäßigen
Arbeitgeberkündigung nicht zuzumuten war, zB weil sie durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags Nachteile
vermeiden konnte, die sich durch eine Kündigung für ihr berufliches Fortkommen ergeben hätten, insbesondere, ob
Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die mit einer Kündigung typischerweise einhergehenden Nachteile im Falle der
Klägerin nicht eingetreten wären. Nach dem bisherigen Streitstand sind keine besonderen Umstände ersichtlich, aus
denen sich ein wichtiger Grund auch bei Rechtswidrigkeit einer bevorstehenden Kündigung ergeben könnte.
Sollte ein wichtiger Grund zu verneinen sein, wird das LSG das Vorliegen einer Härte iS des § 144 Abs 3 SGB III zu
prüfen haben. Dann würde einerseits keine Regel-, sondern nur eine verkürzte Sperrzeit eintreten; andererseits griffe §
117a AFG von vornherein nicht ein. Diese Vorschrift verlangt nicht nur, dass der Arbeitslose wegen der Beendigung
des Beschäftigungsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu
beanspruchen hat, sondern auch, dass wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses eine Regelsperrzeit
(von 12 Wochen) eingetreten ist.
Eine Reduzierung der Sperrzeit auf drei Wochen käme in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs
Wochen nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses als dem die Sperrzeit begründenden Ereignis ohnedies -
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - geendet hätte (§ 144 Abs 3 Satz 2 SGB III); eine Reduzierung auf
sechs Wochen, wenn das Ende des Beschäftigungsverhältnisses um höchstens 12 Wochen vorverlegt worden wäre
(Anwendung der allgemeinen Härteklausel: § 144 Abs 3 Satz 1 SGB III). Insoweit könnte es auch darauf ankommen,
ob ein unverschuldeter Irrtum über den wichtigen Grund, also zB die Rechtmäßigkeit der drohenden Kündigung, vorlag
und dieser Irrtum unvermeidbar war.
Die insoweit erforderlichen tatsächlichen Umstände hat das LSG bisher nicht hinreichend festgestellt. Allein die (im
Rahmen der Prüfung der Härtevorschrift nach § 144 Abs 3 SGB III) getroffene Feststellung, dass eine Kündigung zum
31. Dezember 1998 "nicht ohne weiteres möglich gewesen" wäre, kann insoweit, gerade auch angesichts der oben
geschilderten Beweislastverteilung, den Ausschlag nicht geben.
2. Nach alledem ist noch nicht vorauszusehen, ob nicht bereits die Grundvoraussetzungen des § 117a AFG fehlen,
von dessen grundsätzlicher Anwendbarkeit im vorliegenden Fall die Vorinstanzen ausgegangen sind (§ 427 Abs 6
SGB III iVm § 242 x Abs 3 AFG; zur Genese des am 5. März 1999 vom Bundestag verabschiedeten, am 24. März
1999 ausgefertigten und im BGBl I vom 29. März 1999 - S 396 - verkündeten EEÄndG mit der Neuregelung ab 1. April
1999 zB Rockstroh/Polduwe, DB 1999, 529). Nur in diesem Fall käme es auf das weitere Vorbringen der Klägerin an,
es stehe ihr insoweit ein Herstellungsanspruch zur Seite, auf Grund dessen sie beanspruchen könne, so gestellt zu
werden, als habe sie erst am 1. April 1999 den Antrag auf Alg gestellt. Mit Wirkung ab 1. April 1999 enthielt nämlich §
427 Abs 6 SGB III nicht mehr den § 117a AFG betreffenden Anwendungsbefehl (zum Geltungszeitraumprinzip vgl
BSG SozR 4-4100 § 119 Nr 1 RdNr 7). Es sei darauf hingewiesen, dass das Vorbringen der Klägerin zum
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu ihrem im sozialgerichtlichen Verfahren verfolgten Begehren in Widerspruch
steht, Alg ab 1. Januar 1999 zu erhalten. Jedenfalls kann der Senat beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens
(ebenso wie bereits in seinem Urteil vom 1. April 2004 - B 7 AL 36/03 R, Umdr S 6) offen lassen, ob ein noch nicht in
Kraft getretenes, ggf noch nicht einmal verkündetes Gesetz Anlass zu einer sog Spontanberatung geben kann, aus
deren Unterlassen wiederum möglicherweise ein Herstellungsanspruch folgt. Gleichermaßen kann unentschieden
bleiben, ob der Klägerin nicht bereits bei ihrer Vorsprache Ende 1999 hätte geraten werden müssen, die
Arbeitslosmeldung und den Alg-Antrag auf Anfang April 1999 zu verschieben, um die Anwendung des § 140 SGB III in
der Fassung des AFRG zu erreichen.
3. Das LSG hat nicht festgestellt, ob zwischen dem Abschluss des Aufhebungsvertrages und dem Ende des
Arbeitsverhältnisses die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten wurde, wie im Vertrag behauptet. Wäre dies nicht der
Fall, käme ein Ruhen des Anspruchs auf Alg nach § 117 Abs 2 und 3 AFG in Betracht. Es kann deshalb auch offen
bleiben, ob der Anspruch wegen § 117a AFG über den 31. März 1999 hinaus geruht hat oder ein Ruhen im Hinblick
auf § 117a Abs 3 Satz 2 AFG auszuschließen ist, wenn der Ruhenszeitraum des § 117a AFG erst nach dem 31. März
1999 beginnen würde (vgl auch insoweit zum Geltungszeitraumprinzip BSG SozR 4-4100 § 119 Nr 1 RdNr 7).
Das LSG wird nach Zurückverweisung zu klären haben, ob sich die Klägerin weiterhin gleichermaßen gegen die in den
angefochtenen Bescheiden angeordnete Minderung der Anspruchsdauer wendet, was in ihrem Berufungsantrag keine
ausdrückliche Erwähnung findet. Es wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.