Urteil des BSG vom 07.12.2004

BSG: krankengeld, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, einkünfte, eintritt des versicherungsfalls, arbeitsunfähigkeit, arbeitsentgelt, private krankenversicherung, freiwillig versicherter

Bundessozialgericht
Urteil vom 07.12.2004
Sozialgericht Berlin
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Bundessozialgericht B 1 KR 17/04 R
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 18. Februar 2004 und der
Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Mai 2001 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten des
Rechtsstreits sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Krankengeldhöhe.
Der 1941 geborene, während des Berufungsverfahrens verstorbene Versicherte W. R. (R.) war bei der beklagten
Ersatzkasse als selbstständig Erwerbstätiger mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 22. Tag seiner Arbeitsunfähigkeit
freiwillig versichert. Nach den vorgelegten Unterlagen erzielte er in den Jahren 1997 und 1998 negative Einkünfte aus
Gewerbebetrieb (- 5.462 DM bzw - 5.449 DM) sowie positive Einkünfte aus Kapitalvermögen (5.923 DM bzw 267 DM).
Auf Grund dieser Einkünfte zahlte er zuletzt einen auf der Grundlage des Mindestbeitragsbemessungswertes von
monatlich 3.255 DM berechneten Krankenversicherungsbeitrag. Nachdem dem Versicherten vom 7. Dezember 1998
an Arbeitsunfähigkeit ärztlich attestiert worden war, gewährte ihm die Beklagte vom 29. Dezember 1998 bis 26. Juni
2000 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 64,44 DM (Bescheid vom 2. Februar 1999). Das Krankengeld
errechnete sie ausgehend vom Mindestbeitragsbemessungswert abzüglich der 1997 erzielten Einkünfte aus
Kapitalvermögen (= 493,58 DM monatlich). Das Begehren des Klägers, bei der Krankengeldberechnung die
Kapitalerträge nicht in Abzug zu bringen, lehnte die Beklagte ab, da diese Einkünfte auch während seiner
Arbeitsunfähigkeit weiter anfielen (Bescheid vom 31. März 1999; Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 1999).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte demgegenüber verurteilt, dem Kläger ab dem 29. Dezember 1998
Krankengeld in Höhe von 75,95 DM (38,83 EUR) zu zahlen (Gerichtsbescheid vom 22. Mai 2001). Das
Landessozialgericht (LSG) hat die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Die Berechnung des
Krankengeldes nach dem Mindestbeitragsbemessungswert sei nicht zu beanstanden. Es widerspräche dem
Versicherungsprinzip und dem Grundsatz der Äquivalenz von Beitrag und Leistung, nur das tatsächlich erzielte
Einkommen des Klägers bei der Krankengeldberechnung zu berücksichtigen. Die Beklagte könne sich für die
Anrechnung der erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen auf das Krankengeld zudem nicht auf ihre Satzung stützen.
Darin sei zwar bestimmt, dass Bemessungsgrundlage des Krankengeldes für den betroffenen Personenkreis 1/30 des
maßgeblichen Beitragsbemessungswertes für den Kalendermonat sei, der dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit
vorausgehe, soweit damit die Einkommens- bzw Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes erfüllt werde. Für diese
einschränkende Satzungsregelung gebe es im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung jedoch keine
Ermächtigungsgrundlage (Urteil vom 18. Februar 2004).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 47 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und verweist
insbesondere auf das Urteil des Senats vom 30. März 2004 - B 1 KR 32/02 R.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 18. Februar 2004 und den Gerichtsbescheid
des Sozialgerichts Berlin vom 22. Mai 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Nach dem Tod des Versicherten verfolgen dessen unbekannte Erben - vertreten durch einen Prozessbevollmächtigten
- seine Interessen weiter.
Sie beantragen, die Revision zurückzuweisen.
II
Der Senat entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Er ist an einer Entscheidung nicht dadurch gehindert, dass der ursprünglich
klageführende Versicherte während des Berufungsverfahrens verstorben ist. Der Tod eines von einem anwaltlichen
Prozessbevollmächtigten vertretenen Beteiligten bewirkt nach § 202 SGG iVm § 246 Zivilprozessordnung keine
Unterbrechung des Rechtsstreits. Weder der Prozessbevollmächtigte der Klägerseite noch die Beklagte haben hier
eine Aussetzung beantragt. In einem solchen Fall steht es der gerichtlichen Entscheidung nicht entgegen, dass die
Rechtsnachfolger des Verstorbenen dem Gericht nicht bekannt oder nicht benannt worden sind (vgl BSG SozR 1750 §
246 Nr 1 mwN).
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen vorinstanzlichen Entscheidungen sind
aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.
Zu Unrecht haben die Vorinstanzen dem Versicherten R. unter Änderung der angefochtenen Bescheide Krankengeld
vom 29. Dezember 1998 bis 26. Juni 2000 in Höhe von 75,95 DM täglich zugesprochen. Entgegen dem rechtlichen
Ausgangspunkt des LSG bemisst sich die Höhe des Krankengeldes nach dem tatsächlich vom Versicherten erzielten
Arbeitseinkommen und nicht nach dem zuletzt für die Bemessung seiner Krankenversicherungsbeiträge maßgebend
gewesenen Mindesteinkommen. Da der verstorbene Versicherte im maßgeblichen Zeitraum kein positives
Arbeitsentgelt bzw Arbeitseinkommen erzielte, ist auch ein Anspruch der Kläger auf darauf bezogenes Krankengeld
von vornherein ausgeschlossen; höhere als die von der Beklagten im Bescheidwege zuerkannten Leistungen (= 64,44
DM täglich) kommen damit nicht in Betracht.
1. Nach § 47 Abs 1 Satz 1 SGB V (hier anzuwenden in der Fassung des Beitragsentlastungsgesetzes vom 1.
November 1996, BGBl I 1631) beträgt das Krankengeld 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts
und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt. Das "erzielte regelmäßige Arbeitsentgelt und
Arbeitseinkommen" in diesem Sinne wird vom Gesetz als "Regelentgelt" bezeichnet, wegen dessen Höhe § 47 Abs 1
Satz 3 SGB V auf die näheren Bestimmungen in Absatz 2, 4 und 6 der Vorschrift verweist, in denen verschiedene
Personenkreise von Versicherten angesprochen werden. Für Versicherte, die - wie der hiesige Versicherte R. - nicht
Arbeitnehmer sind, gilt nach § 47 Abs 4 Satz 2 SGB V als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor
Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung maßgebend war. Aus diesen Regelungen haben die
Vorinstanzen zu Unrecht geschlossen, dass sich das Krankengeld des Versicherten aus seinem der
Beitragsberechnung zu Grunde gelegten fiktiven Mindesteinkommen errechne. Dem steht indessen die
Rechtsprechung des Senats zur Bedeutung der Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes entgegen (vgl Urteil des
Senats vom 30. März 2004 - B 1 KR 32/02 R -, BSGE 92, 260 ff = SozR 4-2500 § 47 Nr 1 sowie Urteil vom selben
Tag - B 1 KR 31/02 R, ferner bereits BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 8 S 19 f), an der er festhält.
2. Nach dieser Rechtsprechung kann Krankengeld grundsätzlich nur als Ersatz für diejenigen Einkünfte beansprucht
werden, die der Versicherte vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bzw vor Beginn der stationären Behandlung als
Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen hat und die wegen der Erkrankung entfallen. Da der Versicherte R.
solche positiven Einkünfte in der maßgeblichen Bemessungszeit nicht erzielt hatte, scheidet ein
Krankengeldanspruch schon deshalb aus (zum Ganzen BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 8 S 19 f, sowie ausführlich Urteil
des Senats vom 30. März 2004, BSGE 92, 260, 261 ff = SozR 4-2500 § 47 Nr 1).
Das zur Beitragserhebung heranzuziehende fiktive Einkommen ist nicht zu berücksichtigen, selbst wenn Versicherte
betroffen sind, die - wie der Versicherte R. - keine Arbeitnehmer sind, sodass § 47 Abs 4 Satz 2 SGB V auf die
Beitragsbemessung verweist. Der Grundsatz, nur das tatsächlich entfallene Arbeitsentgelt bzw Arbeitseinkommen
durch das Krankengeld abzusichern, hat auch insoweit Ausdruck im Gesetz gefunden, als § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V
diejenigen Versichertengruppen pauschal vom Anspruch auf Krankengeld ausschließt, die mangels einer entgeltlichen
Tätigkeit im Falle der Arbeitsunfähigkeit regelmäßig kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen einbüßen. Weiter wird
das Entgeltersatzprinzip bestätigt durch § 47 Abs 1 Satz 2 SGB V, der das Regelentgelt für Arbeitnehmer auf 90 vH
des Nettoarbeitsentgelts begrenzt, sowie durch § 47 Abs 3 SGB V, das die den Krankenkassen für Sonderfälle
eingeräumte Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Zahlung und Berechnung des Krankengeldes mit der ausdrücklichen
Auflage verbindet, die Erfüllung der Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes sicherzustellen. Wie der Senat in
seinem Urteil vom 30. März 2004 (aaO) ausgeführt hat, macht es dabei keinen Unterschied, ob - wie bei dem
Versicherten R. - (positives) Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen überhaupt nicht erzielt (und der
Krankengeldanspruch dadurch ganz ausgeschlossen) wird oder ob die tatsächliche Höhe des durch die
Arbeitsunfähigkeit entgehenden Arbeitseinkommens den Krankengeldanspruch begrenzt. Ebenso wenig rechtfertigt
der Wortlaut von § 47 Abs 4 Satz 2 SGB V ein anderes Ergebnis. Zwar scheint die Vorschrift neben der Verweisung
auf die Beitragsbemessungsvorschriften des § 240 SGB V durch die Verwendung des Wortes "gilt" zusätzlich
anzudeuten, dass es sich um einen normativ festgelegten Betrag handeln könnte. Diese Interpretation verkennt
jedoch den systematischen Zusammenhang mit der Grundnorm des § 47 Abs 1 Satz 1 SGB V, der eine isolierte
Betrachtung von Absatz 4 Satz 2 ausschließt. Die Definition des Regelentgelts als das erzielte regelmäßige
Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen in § 47 Abs 1 Satz 1 SGB V steckt den Rahmen ab, der bei allen in § 47 SGB
V getroffenen Regelungen vorrangig zu beachten ist. Nur in diesem Rahmen trifft § 47 Abs 4 Satz 2 SGB V
ergänzende Bestimmungen zur Höhe des Regelentgelts; die darin enthaltene Verweisung bezieht sich infolgedessen
nicht auf das der Beitragsberechnung zu Grunde liegende Einkommen insgesamt, sondern lediglich auf denjenigen
Teil der Einkünfte, der als erzieltes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen für die rechtliche Zuordnung zu den
verschiedenen Alternativen der Beitragsbemessung nach § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V maßgebend ist. Nur in dieser
Weise bleibt nämlich der Sinn und Zweck der Krankengeldleistungen gewahrt, dem arbeitsunfähigen Versicherten
einen Ausgleich für den durch die Arbeitsunfähigkeit entfallenden Verdienst zu bieten.
Die demnach wegen der Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes gebotene einschränkende Auslegung der in § 47
Abs 4 Satz 2 SGB V enthaltenen Verweisung auf das Beitragsrecht wird durch den Zweck der in Bezug genommenen
Regelungen bestätigt, der einer Übernahme in das Leistungsrecht entgegensteht. Das beitragsrechtlich maßgebliche
Mindesteinkommen für alle freiwillig Versicherten nach § 240 Abs 4 Satz 1 SGB V soll mit der darauf beruhenden
Mindestbeitragsbemessungshöhe verhindern, dass sich freiwillige Kassenmitglieder mit geringen Einkünften zu
Lasten der Solidargemeinschaft der Pflichtversicherten Krankenversicherungsschutz zu unangemessen niedrigen
Beiträgen verschaffen können (vgl BT-Drucks 8/338 S 60 zu § 180 Abs 4 RVO in der Fassung des
Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes vom 27. Juni 1977 - BGBl I 1069; dazu: BSGE 52, 32, 33 = SozR
2200 § 385 Nr 5 S 14; zur Verdoppelung des Mindestbeitrags ab dem 1. Januar 1989 und ihrer verfassungsrechtlichen
Beurteilung: BSGE 70, 13, 19 f = SozR 3-2500 § 240 Nr 6 S 15 f; BSG SozR 3-1300 § 40 Nr 2 S 21 f; BVerfG SozR
3-1300 § 40 Nr 3, S 24 f). Der Zweck der Mindestbeitragshöhe liegt somit gerade nicht darin, die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit der freiwillig Versicherten genauer zu erfassen.
Wie der Senat ebenfalls bereits in seinem Urteil vom 30. März 2004 (BSGE 92, 260, 266 f = SozR 4-2500 § 47 Nr 1)
ausgeführt hat, verstößt der Ausschluss des Krankengeldes für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige ohne
positive Einkünfte - wie den Versicherten R. - auch nicht gegen Verfassungsrecht. Das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) hat im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die leistungs- und beitragsrechtliche Behandlung
einmaliger Lohnzahlungen den Grundsatz aufgestellt, dass gleich hohe Beiträge keine unterschiedlich hohen
Ansprüche auf Krankengeld begründen dürfen (BVerfGE 92, 53 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6). Dieser Grundsatz wird im
Falle des Versicherten R. zwar nicht eingehalten. Denn er musste spätestens ab November 1998 ohne eigenes
Einkommen einen auf der Grundlage des Mindestbeitragsbemessungswertes von seinerzeit monatlich 3.255 DM
(täglich: 108,50 DM) berechneten Beitrag zur Krankenversicherung entrichten und hatte für dieselbe Zeit keinen
Anspruch auf Krankengeld. Ein ebenfalls freiwillig Versicherter mit einem tatsächlichen Arbeitseinkommen von 108,50
DM täglich hätte Beiträge in derselben Höhe zahlen müssen, aber einen Krankengeldanspruch aus einem täglichen
Regelentgelt von 75,95 DM (70 vH von 108,50 DM) gehabt. Jedoch hat das BVerfG ebenfalls entschieden, dass der
Versicherte durch die Berechnung von Lohnersatzleistungen nicht besser gestellt werden dürfe, als er ohne Eintritt
des Versicherungsfalls stünde (BVerfGE 92, 53, 72 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 21 f). Unter diesem Blickwinkel ist
eine den Sinn und Zweck der Regelung in den Vordergrund stellende einschränkende Auslegung von § 47 Abs 4 Satz
2 SGB V nicht nur verfassungsrechtlich erlaubt, sondern sogar geboten.
Zusätzlich ist in Betracht zu ziehen, dass Krankenversicherungsbeiträge für die Finanzierung der Leistungen der
gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt und nur zu einem geringen Teil für die Krankengeldzahlungen (in den
letzten Jahren etwa 6 %: vgl Statistisches Taschenbuch Gesundheit 2000, hrsg BMGS Tabelle 10.12; Statistisches
Handbuch 2002, hrsg AOK-Bundesverband, S 161) aufgebracht werden müssen, und dass der Zusammenhang
zwischen Arbeitsunfähigkeit und Verdiensteinbuße bei Selbstständigen weniger zwingend ist als bei abhängig
Beschäftigten. Das von den Vorinstanzen im Ergebnis angenommene Mindest-Krankengeld wird auch
verfassungsrechtlich durch die oben dargestellte besondere Funktion der Regelungen über das Mindesteinkommen
beim Schutz der Solidargemeinschaft vor der ungerechtfertigten Begünstigung freiwilliger Mitglieder nicht gestützt.
Alle aufgezeigten Gesichtspunkte sprechen gegen einen verfassungsrechtlich begründbaren Anspruch des
Versicherten, in Bezug auf das Krankengeld so behandelt zu werden, wie andere selbstständig erwerbstätige
Versicherte, die regelmäßig ein höheres Arbeitseinkommen erzielen, aber keine höheren
Krankenversicherungsbeiträge zahlen als der Versicherte.
Das Verfassungsrecht eröffnet einen umso weiteren Spielraum für Differenzierungen, als das Gesetz Personen in der
Situation des Versicherten die Art des Krankenversicherungsschutzes nicht verbindlich vorschreibt, sondern ihnen
weitgehend die Möglichkeit eröffnet, die Vor- und Nachteile des privaten und gesetzlichen
Krankenversicherungsschutzes gegeneinander abzuwägen und sich für dasjenige System zu entscheiden, das ihnen
in ihrer konkreten Situation am besten geeignet erscheint. In diesem Zusammenhang sind die möglichen
verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den geforderten Bezug zwischen Krankengeldhöhe und tatsächlicher
Einkommenseinbuße auch deshalb unbegründet, weil sogar die private Krankenversicherung eine entsprechende
Begrenzung des (dortigen) Krankentagegeldes kennt (Musterbedingungen des Verbandes der privaten
Krankenversicherung für die Krankentagegeldversicherung - MB/KT 1994 - § 4 Abs 2 und Abs 4). Obwohl der
rechtliche Gesichtspunkt der "Summenversicherung" bzw der Privatautonomie diese Beschränkung insbesondere im
Versicherungsfall in den Hintergrund drängt (vgl BGH LM VVG § 178a Nr 1 = VersR 2001, 1100, sowie BGH VersR
2002, 881 = NJW-RR 2002, 1179; dazu auch Prölss/Martin, VVG 26. Aufl 1998, § 4 MB/KT RdNr 2), bestätigt dieser
Befund die Rechtfertigung für die in der gesetzlichen Krankenversicherung besonders betonte Entgeltersatzfunktion
des Krankengeldes.
Der Kritik, die das Urteil des Senats vom 30. März 2004 (BSGE 92, 260 = SozR 4-2500 § 47 Nr 1) teilweise in der
Literatur erfahren hat (vgl Biehl, SGb 2004, 678 ff sowie 738 ff; zustimmend dagegen: Brust, G+G 3/2004, 47 f), bietet
keinen Anlass, diese Rechtsprechung zu korrigieren. Der Senat hat sich insbesondere bereits unter systematischen,
entstehungsgeschichtlichen, teleologischen und verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten mit der Problematik
auseinander gesetzt, ohne dass neue Gesichtspunkte von Gewicht erkennbar sind, die ein anderes Ergebnis
rechtfertigen könnten. Die Rechtsprechung des Senats ist im Übrigen inzwischen in einem von der Bundesregierung
auf den Weg gebrachten Gesetzentwurf aufgegriffen worden, nach dem in § 47 Abs 4 Satz 2 SGB V nach dem Wort
"Beitragsbemessung" die Worte "aus Arbeitseinkommen" eingefügt werden sollen, und mit dem das Ziel verfolgt wird,
eine "gesetzliche Klarstellung der geltenden Rechtslage" im Sinne des zitierten Urteils herbeizuführen (vgl
Gesetzentwurf vom 17. November 2004 für ein "Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht -
Verwaltungsvereinfachungsgesetz", BT-Drucks 15/4228, S 10, 25 zu Art 4 Nr 2 des Entwurfs).
3. Die vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielten Einkünfte des Versicherten R. aus Kapitalvermögen können
ebenfalls zu keiner ihm günstigen Entscheidung führen. Diese Einkünfte werden nämlich - ähnlich wie Einnahmen aus
Vermietung und Verpachtung, für die der Senat bereits Entsprechendes entschieden hat (Urteil vom 30. März 2004, B
1 KR 31/02 R) - unabhängig davon erzielt, ob der Versicherte arbeitsunfähig krank oder gesund ist. Eine positive
Berücksichtigung der Einnahmen bei der Krankengeldhöhe wäre daher mit dem Entgeltersatzcharakter des § 47 Abs 1
Satz 1 SGB V unvereinbar. Dabei ist ohne Belang, dass die Kapitalerträge bei der Beitragsbemessung eines freiwillig
versicherten Mitglieds berücksichtigt werden; letztere erfolgt gemäß § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V in der Weise, dass
die "gesamte" wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten berücksichtigt wird, während das Krankengeld nur
das zu ersetzende Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen im Blick hat. Ob die Auffassung der Beklagten zutrifft, dass
die Kapitaleinkünfte anspruchsmindernd in Ansatz zu bringen sind, brauchte der Senat nicht zu entscheiden, da
schon ein Krankengeldanspruch des Versicherten wegen fehlender krankheitsbedingt entfallener Einkünfte aus seiner
Erwerbstätigkeit ausschied.
4. Eine weiter gehende Korrektur der von der Beklagten angefochtenen vorinstanzlichen Entscheidungen zu
Ungunsten des Versicherten R. bzw seiner Rechtsnachfolger scheidet im Übrigen aus, da die Bewilligung des
Krankengeldes in Höhe von 64,44 DM täglich weiterhin Bestand hat. Mit Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides
der Beklagten an den Versicherten R. wurde dieser Verwaltungsakt wirksam (§ 39 Abs 1 Zehntes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB X)) und damit sowohl für die Behörde als auch für den Adressaten des Verwaltungsaktes
verbindlich (vgl BSGE 53, 284, 287 f = SozR 5550 § 15 Nr 1 S 3 f mwN). Trotz Nichtvorliegens der materiell-
rechtlichen Voraussetzungen eines Krankengeldanspruchs insgesamt könnte die erfolgte Bewilligung von der
Beklagten daher nur nach Maßgabe der §§ 44 ff SGB X aufgehoben werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.