Urteil des BSG vom 20.11.2001

BSG: eintritt des versicherungsfalls, treu und glauben, mitgliedschaft, wechsel der krankenkasse, erlöschen des anspruchs, kassenwechsel, krankheit, entstehung, krankenversicherung, zahnarzt

Bundessozialgericht
Urteil vom 20.11.2001
Sozialgericht Augsburg S 2 KR 252/00
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 84/01
Bundessozialgericht B 1 KR 31/99 R
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die klagende landwirtschaftliche Krankenkasse begehrt von der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse die
Erstattung von etwas über 5.000 DM, die für eine Zahnersatzbehandlung des Versicherten G angefallen sind.
G war bis Ende November 1997 als Landwirt und ist seit Anfang April 1998 als Bezieher einer landwirtschaftlichen
Altersrente bei der klagenden Landwirtschaftlichen Krankenkasse (LKK) versichert; wegen des Verlusts der
Landwirtseigenschaft und wegen Bezugs von Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung war er in der
Zwischenzeit Mitglied der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK). Während dieser Zeit hatte G bei seinem
Zahnarzt einen Heil- und Kostenplan vom 2. Februar 1998 veranlaßt, der am 27. April 1998 zur Eingliederung von
Zahnersatz führte, nachdem die LKK einen Festzuschuß von 2.551 DM bewilligt und G für die Zeit von Januar 1998
bis einschließlich April 1999 von der Pflicht zur Zuzahlung befreit hatte. Im September 1998 zahlte die LKK dem
Versicherten einen Zuschuß von insgesamt 5.102 DM.
Die Klage auf Erstattung dieses Betrags wurde mit Urteil des Sozialgerichts (SG) Augsburg vom 15. Oktober 1999
abgewiesen. Nach Auffassung des SG ist § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht einschlägig, da die
Leistung dem Versicherten gegenüber nicht als vorläufig erbracht worden sei. Die klagende LKK sei auch nicht
unzuständig iS von § 105 SGB X. Das folge zwar nicht schon aus der Zusicherung des Festzuschusses im März
1998, da G zu diesem Zeitpunkt nicht Mitglied der LKK gewesen sei. Die Zuständigkeit ergebe sich aber aus § 30
Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Maßgebend sei der Zeitpunkt der Anspruchsentstehung. Nach dem
Gesetzeswortlaut in der hier anzuwendenden, vom 3. Januar bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung (2. GKV-
NOG vom 23. Juni 1997, BGBl I 1520) hänge der Anspruch auf den Zuschuß davon ab, daß die Versorgung mit
Zahnersatz tatsächlich durchgeführt worden sei. Deshalb komme es auf den Zeitpunkt der Einreichung des Heil- und
Kostenplans nicht an. Da G den Zahnersatz am 27. April 1998 tatsächlich eingegliedert bekommen habe, als er
wieder Mitglied der Klägerin gewesen sei, müsse diese für die Leistung aufkommen.
Mit der Sprungrevision rügt die LKK eine Verletzung von § 105 SGB X und von § 30 SGB V. Das Leistungsverhältnis
zwischen Versichertem und Krankenkasse entstehe durch den Eintritt des Versicherungsfalls; in bezug auf
Zahnersatz hätten die Spitzenverbände der Krankenkassen vereinbart, daß der Zeitpunkt der Aufstellung des Heil-
und Kostenplans maßgebend sei. § 30 SGB V regele möglicherweise die Anspruchsentstehung, nicht aber die
Zuständigkeit für die Leistung. Das SG berufe sich auch zu Unrecht auf § 19 SGB V, der ausschließlich den Fall des
völligen Ausscheidens aus der gesetzlichen Krankenversicherung, jedoch nicht den Kassenwechsel im Auge habe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils zur Erstattung von 5.102 DM zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Es werde insbesondere durch § 19 SGB V gestützt, das
den unter Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) entwickelten Grundsatz von der Einheit des
Versicherungsfalls obsolet gemacht habe. Danach erlöschen alle Ansprüche des Versicherten nicht nur beim
Ausscheiden aus der Versicherung, sondern auch bei einem Wechsel der Krankenkasse.
II
Die Revision der klagenden LKK ist unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zutreffend erkannt, daß die LKK für den am
27. April 1998 bei G eingegliederten Zahnersatz zuständig war. Deshalb steht ihr kein Erstattungsanspruch gegen die
zwischen dem 1. Dezember 1997 und dem 31. März 1998 zuständig gewesene AOK zu.
Einzig zu erwägender Erstattungstatbestand ist derjenige des § 105 SGB X. Nach § 105 Abs 1 Satz 1 SGB X ist der
zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn der unzuständige Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat,
ohne daß die Voraussetzungen des § 102 SGB X vorliegen. Die Voraussetzungen des § 102 SGB X sind vom SG
zutreffend verneint worden, weil die Leistung der LKK nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung zur Vorleistung,
sondern auf der Annahme einer eigenen Leistungspflicht beruht. Die Klägerin hat die Richtigkeit dieser Erwägung
ausdrücklich anerkannt, so daß weitere Ausführungen hierzu entbehrlich sind.
Die LKK ist der für den Zahnersatz des G zuständige Leistungsträger. Ihre Zuständigkeit ergibt sich allerdings nicht
schon daraus, daß sie dem Versicherten einen Zuschuß zugesagt und ihn für den hier relevanten Zeitraum von der
Zuzahlungspflicht befreit hat. Dabei kommt es nicht auf die - nach Auffassung des SG fehlende - Bindungswirkung
dieser Entscheidungen an. Durch einen Bewilligungsbescheid gegenüber dem Leistungsempfänger ist der den
Bescheid erlassende Träger nicht gehindert, sich im Rahmen von § 105 SGB X auf seine Unzuständigkeit zu berufen;
für die Zusage eines Zuschusses zum Zahnersatz gilt nichts anderes. Nur einer verbindlichen Ablehnung des
Leistungsanspruchs hat die Rechtsprechung bisher die Wirkung einer Vorentscheidung über die Zuständigkeit iS von
§ 105 SGB X beigemessen (BSGE 58, 119, 126 = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 24 f). Die dabei angestellten Erwägungen
sind auf den Fall der Bewilligung nicht zu übertragen. Wenn darin eine verbindliche Entscheidung über die
Zuständigkeit läge, hinge der Erstattungsanspruch von der verwaltungsverfahrensrechtlichen Aufhebung des
Bewilligungsbescheids ab, also ua vom Vertrauensschutz des Leistungsempfängers. Das wäre mit Wortlaut und Sinn
des Erstattungsanspruchs nach § 105 SGB X nicht zu vereinbaren.
Die LKK ist auch nicht dadurch von der Erstattung wegen fehlender Zuständigkeit ausgeschlossen, daß sie die
fragliche Leistung erst bewilligt hat, nachdem sie vom Wechsel der Mitgliedschaft ihres Versicherten zur AOK
erfahren hat. Eine Erstattung ist zwar nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn der unzuständige Träger die
gesetzlichen Zuständigkeitsregeln eindeutig verletzt (BSGE 58, 263, 274 ff = SozR 2200 § 1237 Nr 20 S 56 ff). Ein
solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Denn die Zuständigkeit für Zahnersatzbehandlungen bei einem Kassenwechsel ist
nicht so eindeutig geklärt, um aus einem diesbezüglichen Fehler einen Verstoß gegen Treu und Glauben ableiten zu
können. Zwar gab es ein entsprechendes Übereinkommen der Spitzenverbände. Aber abgesehen davon, daß dessen
Festlegungen schon grundsätzlich die gesetzliche Zuständigkeit nicht abzuändern vermögen, müssen auch die seit
seinem Abschluß im Jahre 1956 verflossene Zeit und die inzwischen eingetretenen Rechtsänderungen in Betracht
gezogen werden. Der Senat sieht keine Handhabe, den Anwendungsbereich des § 105 SGB X über die zitierte
Rechtsprechung hinaus einzuschränken. Wenn der angeblich unzuständige Träger die seine Unzuständigkeit
begründenden Tatsachen im Zeitpunkt der Leistungserbringung kennt, spräche zwar manches dafür, den
Erstattungsanspruch ausschließlich an die Voraussetzungen des § 102 SGB X zu knüpfen und nur nach Einschaltung
des konkurrierenden Trägers als gerechtfertigt anzusehen. Aber das Gesetz sieht einen weitergehenden
Vertauensschutz als er für den unbewußt leistenden erstattungspflichtigen Träger in § 105 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2
SGB X enthalten ist, nicht vor. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die Vorleistung des unzuständigen Trägers auf
einem Rechtsirrtum oder auf fehlender Tatsachenkenntnis beruht.
Die Zuständigkeit der LKK ergibt sich aus der Mitgliedschaft des G im Zeitpunkt der Eingliederung des Zahnersatzes.
Entgegen der Auffassung der Revision ist der Zeitpunkt des Heil- und Kostenplans nicht maßgebend, obwohl damit
der Eintritt des Versicherungsfalls und die Voraussetzung für den "Anspruch" nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V
dokumentiert werden. Die mit Beginn der Krankheit eingetretene oder durch den Arzt bestätigte
Behandlungsnotwendigkeit begründet keine Leistungszuständigkeit der Krankenkasse für alle sich daraus ergebenden
Behandlungsmaßnahmen. Das wird dann deutlich, wenn der Versicherte nach der Feststellung der Krankheit aus der
Versicherung ausscheidet oder wenn er trotz Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit tatsächlich keine
Versicherungsleistungen in Anspruch nimmt.
Nach § 19 Abs 1 SGB V erlischt der Anspruch auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit keine
abweichenden Bestimmungen entgegenstehen. Durch den grundsätzlichen Ausschluß von Rechtswirkungen des
Mitgliedschaftsverhältnisses für die Zeit nach seiner Beendigung wird der mögliche Zusammenhang zwischen der
Erkrankung (Versicherungsfall) und der Kostenbelastung durch die einzelne Behandlungsmaßnahme
krankenversicherungsrechtlich jedenfalls dann für unerheblich erklärt, wenn der Versicherte zwischenzeitlich die
Mitgliedschaft verliert. Dementsprechend kann (umgekehrt) einem neu aufgenommenen Mitglied nicht
entgegengehalten werden, es dürfe Versicherungsleistungen nicht in Anspruch nehmen, weil sie auf einer vor der
Mitgliedschaft festgestellten Behandlungsnotwendigkeit beruhten (vgl zum früheren Recht BSG SozR 2200 § 182b Nr
32). Das zwingt ganz generell zu der Annahme, daß die Leistungspflicht der Krankenkasse für eine konkrete
Behandlungsmaßnahme nicht von der Mitgliedschaft im Zeitpunkt des Versicherungsfalls, sondern von der
Mitgliedschaft im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung abhängt.
19 SGB V gilt auch für den Verlust der Mitgliedschaft bei einer Kasse und den gleichzeitigen Beitritt zu einer anderen
(Kassenwechsel). Der Wortlaut bezieht sich nicht nur auf das Ausscheiden aus der gesetzlichen Krankenversicherung
schlechthin. Das folgt schon aus der Verwendung des Begriffs "Mitgliedschaft", der nach der Systematik der §§ 186 ff
SGB V das Versicherungsverhältnis zu der für den Versicherten jeweils zuständigen Krankenkasse kennzeichnet (vgl
für den Fall des Kassenwechsels: § 186 Abs 10 SGB V sowie früher § 312 Abs 1 RVO). Eine - indirekte - Bestätigung
erfährt diese Auslegung durch die Sonderregelung in § 19 Abs 2 SGB V, die ehemals Versicherungspflichtigen für
längstens einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft einen nachgehenden Anspruch auf Leistungen gegen die
frühere Krankenkasse zubilligt. Dieser nachgehende Anspruch ist subsidiär; er wird durch eine neue Mitgliedschaft bei
einer anderen Krankenkasse verdrängt (BSGE 51, 281, 285 = SozR 2200 § 183 Nr 35 S 94; BSG SozR 2200 § 214 Nr
2 S 2 f mwN). Demnach ist die Grundregel des § 19 Abs 1 SGB V auch bei einem Kassenwechsel anzuwenden
(ebenso: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: 2000, § 19 SGB V RdNr 11). Mit ihm ist deshalb ein
Wechsel der Leistungszuständigkeit für alle danach durchgeführten Behandlungen verknüpft, auch wenn der sie
veranlassende Versicherungsfall schon vorher eingetreten war und unabhängig davon, ob sich der krankheitsbedingte
Behandlungsbedarf bereits gezeigt hatte und ärztlich festgestellt war. Der Zeitpunkt der Behandlungsmaßnahme vor
oder nach dem Beginn der Mitgliedschaft (§ 186 Abs 10 SGB V) entscheidet darüber, ob die neue oder die alte
Krankenkasse leistungspflichtig ist.
Das wird durch die Überlegung bestätigt, daß mit der Entstehung der Krankheit oder mit dem Beginn der
Behandlungsbedürftigkeit keine konkreten Leistungspflichten der Krankenkasse entstanden sein können. In § 27 Abs
1 Satz 1 SGB V ist zwar von einem Anspruch auf Krankenbehandlung die Rede, wenn diese notwendig ist, um eine
Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern; nach
Satz 2 Nr 2 der Vorschrift umfaßt der Anspruch auch die Versorgung mit Zahnersatz. Mit Rücksicht auf § 40 Abs 1
Erstes Buch Sozialgesetzbuch begründet demnach die Notwendigkeit der Behandlung einen "Anspruch" des
Versicherten; damit kann jedoch noch keine Pflicht der Krankenkasse iS einer konkreten Leistungszuständigkeit
gemeint sein, die sich gegenüber dem Versicherten in bestimmten Sach- oder Dienstleistungen und gegenüber dem
Leistungserbringer in der Zahlung der Vergütung äußern müßte.
In anderem Zusammenhang hat das Bundessozialgericht (BSG) den Anspruch aus § 27 Abs 1 SGB V als
"ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht" bezeichnet, das der Konkretisierung bedarf, bevor der Versicherte daraus ein
Recht iS von § 194 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch ableiten kann, von seiner Kasse ein bestimmtes Tun oder
Unterlassen zu verlangen (BSGE 81, 54, 60 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 16 f mwN; BSGE 82, 158, 161 = SozR 3-
2500 § 39 Nr 5 S 27). Diese Erwägung kommt auch hier zum Tragen, denn eine Pflicht der Krankenkasse zur
Bezuschussung des Zahnersatzes setzt neben der Behandlungsnotwendigkeit voraus, daß sich der Versicherte zum
Zahnarzt begibt und die Maßnahme tatsächlich durchgeführt wird. Wie bereits das SG hervorgehoben hat, wird das
gerade beim Zahnersatz durch den Gesetzeswortlaut eigens hervorgehoben. Bis zu der am 1. Januar 1999 in Kraft
getretenen Änderung begründete § 30 Abs 1 Satz 1 SGB V in allen bisherigen Fassungen und demnach auch während
der hier maßgeblichen Behandlung des G die Zuschußpflicht lediglich zu einer "durchgeführten" Versorgung mit
Zahnersatz - teilweise als Festbetrag, teilweise als prozentualer Anteil an den Kosten. Die Voraussetzungen für die
Leistungspflicht der Krankenkasse waren somit nach dem Gesetzeswortlaut erst dann erfüllt, wenn die Behandlung
durchgeführt war. Daß dies der maßgebliche Zeitpunkt sein muß, ergibt sich auch daraus, daß der Versicherte vorher
jederzeit auf die Behandlung verzichten oder der Zahnarzt seine Absichten modifizieren oder ganz fallen lassen kann -
etwa wenn bisher nicht bekannte Befunde gegen die Durchführung sprechen. Diese Fallgestaltung ist rechtlich nicht
etwa als rückwirkendes Erlöschen einer bereits begründeten Leistungspflicht, sondern als Hinderungsgrund für deren
Entstehung zu werten. Das bekräftigt das bereits aus § 19 SGB V gewonnene Ergebnis, daß sich die
Leistungszuständigkeit nicht am Zeitpunkt des Versicherungsfalls, sondern am Zeitpunkt der Leistungserbringung
orientiert; gleichzeitig wird deutlich, daß das in § 19 Abs 1 SGB V für den Fall des Mitgliedschaftsverlusts
angeordnete Erlöschen aller Ansprüche des Versicherten gegen seine bisherige Krankenkasse das Rahmenrecht iS
des § 27 Abs 1 SGB V betrifft, zumal mit "Anspruch" auch begrifflich auf § 27 SGB V Bezug genommen wird.
Demgegenüber bleibt die einmal begründete Leistungszuständigkeit für eine vor dem Kassenwechsel durchgeführte
Maßnahme auch danach erhalten.
Das geltende Recht entspricht damit bei Kassenwechseln jedenfalls in der Tendenz der früheren Regelung in § 212
RVO und der dazu ergangenen Rechtsprechung. Allerdings wurde das Erlöschen des Anspruchs gegen die bisherige
Kasse anders begründet, denn es beruhte auf dem Zusammentreffen mit dem Anspruch gegen die neue Kasse.
Infolgedessen konnte bei unterschiedlichen Anspruchsinhalten eine Leistungspflicht der früheren Kasse
ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl Engelmann, KV 1966, 275 zur Entscheidung RVA AN 1916, 578; zu dieser
Problematik nach heutigem Recht: Höfler in Kasseler Komm, Stand November 2001, § 19 SGB V RdNr 26 ff). Im
praktischen Ergebnis betrifft die Änderung der Rechtslage durch § 19 Abs 1 SGB V gegenüber § 183 RVO und der
dazu ergangenen Rechtsprechung vor allem die Ansprüche beim Ausscheiden aus der Versicherung und die
systematische Verknüpfung zwischen den Ansprüchen auf Krankenpflege und auf Krankengeld (vgl BSGE 16, 177 =
SozR Nr 5 zu § 183 RVO; BSGE 25, 37 = SozR Nr 17 zu § 182 RVO; BSGE 28, 249 = SozR Nr 32 zu § 183 RVO;
BSG USK 87139). Für die Frage der Leistungszuständigkeit bei Kassenwechseln war diese Rechtsprechung nicht
einschlägig. Bei solchen ist bereits das Reichsversicherungsamt (RVA) davon ausgegangen, daß im laufenden
Behandlungsfall die übernehmende Kasse für alle künftigen Leistungen zuständig wird; lediglich auf einmalige
Leistungen, zu denen nach damaliger Auffassung auch Zahnersatz gehörte, wurde dieser Grundsatz unter Berufung
auf den Wortlaut des § 212 Satz 1 RVO nicht angewandt (RVA AN 1931, 204, 205; RVA AN 1931, 219 f). Dieses
Ergebnis darf auf den heutigen Rechtszustand jedoch nicht übertragen werden, weil das geltende Recht eine dem §
212 RVO entsprechende Vorschrift nicht kennt und weil § 19 SGB V zwischen einmaligen und laufenden Leistungen
nicht unterscheidet.
Die Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistung seitens des Versicherten für die
Zuständigkeit der Krankenkasse wird durch die Grundsätze bestätigt, die von der früheren Rechtsprechung in
anderem Zusammenhang entwickelt wurden. Zum einen ist nochmals auf die Entscheidung zum Beitritt eines
Versicherten hinzuweisen, dem bereits vorher orthopädische Schuhe verordnet, aber noch nicht geliefert waren; auch
für diesen Fall erklärte das BSG die tatsächliche Lieferung des Hilfsmittels für maßgeblich und - unabhängig von §
212 RVO, der einen anderen Sachverhalt regle - die (neue) Krankenkasse für leistungspflichtig (BSG SozR 2200 §
182b Nr 32 S 87 f). § 205 Abs 4 Satz 2 RVO in der ab dem 1. Januar 1982 geltenden Fassung machte die
Zuständigkeit für die Familienhilfe zugunsten der Angehörigen des Versicherten von der relativen Höhe der
Beitragseinnahmen im Monat vor dem Leistungsfall abhängig. Nach einem hierzu ergangenen Urteil des BSG aus
dem Jahre 1986 war mit dem Begriff des Leistungsfalls jedenfalls nicht der Zeitpunkt gemeint, zu dem die
behandlungsbedürftige Krankheit aufgetreten war, weil der Leistungsfall nicht dem Versicherungsfall gleichgesetzt
werden dürfe und das Gesetz einen möglichst aktuellen Bezug zwischen Beitrag und Leistung herstellen wolle (BSG
SozR 2200 § 205 Nr 61). Die damalige Gesetzesfassung und der festgestellte Gesetzeszweck bestätigen somit, daß
die Behandlungsnotwendigkeit als Kriterium für Zuständigkeitsabgrenzungen grundsätzlich nicht taugt.
Die Beurteilung der Kassenzuständigkeit ist durch die Rechtsprechung des Senats zum Behandlungsbeginn bei
Maßnahmen der Kieferorthopädie nicht präjudiziert. Danach greift der von der Erreichung des 18. Lebensjahres
abhängige Leistungsausschluß für kieferorthopädische Leistungen nach § 28 Abs 2 Satz 6 SGB V nicht ein, wenn der
Behandlungsplan vor dem Stichtag aufgestellt wurde (BSGE 81, 245, 246 = SozR 3-2500 § 28 Nr 3 S 7 f). Durch den
Behandlungsplan werden zwar neben der Notwendigkeit noch zwei weitere wesentliche Bedingungen des Anspruchs
dokumentiert - der Behandlungswunsch des Versicherten und die Behandlungsbereitschaft des (Zahn-) Arztes. Daraus
ist jedoch nicht abzuleiten, daß es auch für die Entstehung des Behandlungsanspruchs und somit für die Begründung
der Zuständigkeit der Krankenkasse auf das Datum des Behandlungsplans ankommt.
Von dem Grundsatz, daß bei einem Kassenwechsel die übernehmende Kasse für alle Behandlungsmaßnahmen
zuständig wird, die im Zeitpunkt des Übertritts noch nicht durchgeführt waren, hat der Senat eine Ausnahme lediglich
für Fälle anerkannt, in denen sich die vorher begonnene Behandlung mit Rücksicht auf die Art der Abrechnung als
Einheit darstellt und infolgedessen einer Aufteilung der Kassenzuständigkeit entzieht (zur Veröffentlichung
bestimmtes Urteil vom 20. November 2001 - B 1 KR 26/00 R: mittels Fallpauschale abzugeltende
Krankenhausbehandlung). Diese Ausnahme ist hier nicht einschlägig. Es liegt auf der Hand, daß der Heil- und
Kostenplan mit der darin vorgesehenen Zahnersatzbehandlung auch unter Abrechnungsgesichtspunkten nicht als
Einheit aufzufassen ist; vielmehr ist erst die tatsächlich durchgeführte Zahnersatzbehandlung die Grundlage für die
Leistungspflicht der Krankenkasse. Die getrennte Abrechenbarkeit der für die Aufstellung des Heil- und Kostenplans
erforderlichen vorbereitenden Maßnahmen, etwa von Abdrucken (Liebold/ Raff/ Raff/ Wissing, Komm Einheitlicher
Bewertungsmaßstab für vertragszahnärztliche Leistungen, Stand Januar 2002, Teil 5 Gebührentarif C Nr 3 Anm 2.2)
bestätigt die abrechnungstechnische Trennung zwischen dem Behandlungsplan und der Eingliederung des
Zahnersatzes und lassen einen zwischenzeitlichen Wechsel in der Zuständigkeit ohne weiteres zu.
Auf welchen Erwägungen die Vereinbarung der Spitzenverbände aus dem Jahre 1956 zur Zuständigkeit bei
Zahnersatzleistungen beruht, ist nicht ersichtlich. Unabhängig von der bereits geschilderten Rechtsprechung zu § 212
RVO mag sich in der Praxis herausgestellt haben, daß der Heil- und Kostenplan in der überwiegenden Anzahl der
Fälle den letztendlichen Leistungsumfang zutreffend wiedergibt, so daß es praktikabel erschien, an den Zeitpunkt des
Behandlungsplans anzuknüpfen. Indessen ist die Vereinbarung rechtlich ohne Belang und nicht geeignet, die durch
die Entstehung der konkreten Leistungspflicht begründete Kassenzuständigkeit im Streitfall in Frage zu stellen.
Daß der Anspruch gegen die übernehmende Kasse einen denkbaren Anspruch mit gleichem Leistungsumfang gegen
die frühere Kasse nach § 19 Abs 2 SGB V verdrängt, bedarf keiner näheren Ausführungen (vgl etwa Höfler in Kasseler
Komm, Stand November 2001, § 19 SGB V RdNr 27 f mwN).
Da das SG die Klage der LKK zu Recht abgewiesen hat, war die Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung
ergibt sich aus § 193 Abs 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz. Satz 2 der Vorschrift findet keine Anwendung, weil kein Fall
des § 116 Abs 2 Nr 1 oder Nr 4 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung vorliegt.