Urteil des BSG vom 06.02.2008

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Bundessozialgericht
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Kassel, den 7. Februar 2008
Medieninformation Nr. 7/08
BARMER-Hausarztvertrag kein Fall der integrierten Versorgung
Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 6. Februar 2008 enthält der von der
BARMER Ersatzkasse mit einer Gruppe von Hausärzten und Apotheken abgeschlossene
sog "Hausarztvertrag" keine neue Form einer versorgungsbereichsübergreifenden oder
interdisziplinären "integrierten Versorgung" der Versicherten. Die Krankenkasse ist deshalb
nicht befugt, ihre aufgrund des Vertrags entstehenden Aufwendungen - insbesondere
zusätzliche Honorare für Hausärzte und Apotheken - durch Abzüge von den
Gesamtvergütungen zu finanzieren, die sie an die Kassenärztlichen Vereinigungen für die
herkömmliche Regelversorgung im ambulanten Bereich zu entrichten hat. Die Wirksamkeit
des BARMER Hausarztvertrages selbst, an dem sich bundesweit auf freiwilliger Basis
38.000 Ärzte sowie 18.000 Apotheken beteiligen und der mehr als zwei Millionen
eingeschriebenen Patienten eine teilweise Befreiung von der Praxisgebühr ermöglicht, wird
durch diese Entscheidung nicht in Frage gestellt.
I n den zurückliegenden Gesundheitsreformen wurde es den Krankenkassen gestattet,
parallel zur derzeit bestehenden Regelversorgung alternative Versorgungsformen durch
Vereinbarungen mit den entsprechenden Leistungserbringern zu entwickeln. Hierdurch
sollten die Probleme an den Schnittstellen der bisher voneinander getrennten
Versorgungssektoren (insbesondere der ambulanten und der stationären Versorgung mit
unterschiedlichen Finanzierungsregelungen) entschärft und eine Vers orgung etabliert
werden, die auf die qualitativ verbesserte Behandlung der Patienten ausgerichtet ist. Zur
Finanzierung der damit verbundenen Kosten konnten bzw können die Krankenkassen in den
Jahren 2004 bis 2008 bis zu 1 % der Vergütungen einbehalten, die sie für die
Regelversorgung an die Kassenärztlichen Vereinigungen und an die Krankenhäuser zu
zahlen hatten, und diese Beträge für Verträge der integrierten Versorgung verwenden.
D e r Gesetzgeber hat den Inhalt der integrierten Versorgung selbst nicht genauer
beschrieben. Die deshalb umstrittene Frage, ob der BARMER Hausarztvertrag durch die
Beteiligung der Apotheken eine solche Versorgung etabliert, hat der 6. Senat des
Bundessozialgerichts in der ersten Revisionsentscheidung zur integrierten Versorgung
nunmehr
verneint.
Eine integrierte Versorgung muss nicht nur verschiedene
Leistungssektoren
oder unterschiedliche Fachgebiete umfassen, sondern darauf
ausgerichtet sein, Leistungen der bisherigen Regelversorgung zu ersetzen. Jedenfalls an
d e r letztgenannten Voraussetzung fehlt es bei dem BARMER Hausarztvertrag. Die in
seinem Rahmen erbrachten Behandlungsleistungen der Hausärzte werden ganz
überwiegend innerhalb des bisherigen Regelversorgungssystems der ambulanten
vertragsärztlichen Versorgung abgewickelt und lediglich durch einzelne zusätzliche
Elemente ergänzt. Auch ein gemeinsames Budget für die beteiligten Ärzte und Apotheken
mit einer die Leistungssektoren überschreitenden Budgetverantwortung ist nicht vor
gesehen. Deshalb liegt keine integrierte Versorgung vor, zu deren Finanzierung ein Rückgriff
auf die bislang in der Regelversorgung zu zahlenden Vergütungen gerechtfertigt wäre.
Az.: B 6 KA 27/07 R Kassenärztliche Vereinigung Thüringen ./. BARMER
Ersatzkasse