Urteil des BSG vom 22.08.2013

BSG: eheliche wohnung, haftentlassung, gesetzliche vermutung, getrennt leben, darlehen, grundsteuer, haushalt, verfügung, rechtsgrundlage, auszahlung

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 22.8.2013, B 14 AS 78/12 R
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom
24. September 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1 Umstritten sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für Juni
2007.
2 Die Klägerin zu 1 (geboren 1979) und der Kläger zu 5 (geboren 1975) waren verheiratet.
Die Klägerin zu 3 (geboren am 1997) und der Kläger zu 4 (geboren 2000) sind ihre
gemeinsamen Kinder, die Klägerin zu 2 (geboren 1994) ist nur ein Kind der Klägerin zu 1.
Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 5 sind Eigentümer einer 105 qm großen, selbst
genutzten Wohnung, zu deren Finanzierung sie drei Darlehen aufnahmen, die im Jahr
2007 mit etwa 100 000 Euro valutierten. Für die ersten beiden Darlehen waren im Juni
2007 Schuldzinsen in Höhe von 354,33 Euro und 109,38 Euro sowie für das dritte, ein
zinsloses Darlehen, nur ein jährlicher Verwaltungskostenbeitrag von 71,78 Euro neben
der Tilgung zu zahlen. Im Jahr 2007 betrugen die Grundsteuer für die Eigentumswohnung
454,02 Euro, die Schornsteinfegergebühr 51,96 Euro, monatlich aufzubringen waren für
Wasser und Abwasser 78 Euro, eine Wohngebäudeversicherung 29,06 Euro und die
Gasheizung mit Warmwasserbereitung ein Abschlag von 80 Euro. Der Kläger zu 5 hatte
zwei Lebensversicherungen, die am 1.6.2007 Rückkaufswerte von 2641,00 Euro bei einer
Beitragsleistung von 3435,82 Euro und von 2393,89 Euro bei einer Beitragsleistung von
4591,95 Euro hatten und von denen die Letztere zur Sicherung eines Darlehens
abgetreten waren. Die Klägerin zu 1, die im Juni 2007 keine Erwerbseinkünfte hatte,
erhielt für die drei in ihrem Haushalt lebenden Kinder Kindergeld in Höhe von 462 Euro
monatlich. Der Vater der Klägerin zu 2 zahlte im Jahr 2007 monatlich einen Unterhalt von
71 Euro.
3 Seit dem 1.1.2005 bezog die Klägerin zu 1 zusammen mit den Kindern Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von der Rechtsvorgängerin des
beklagten Jobcenters (nachfolgend einheitlich Beklagter). Aufgrund eines Antrags der
Klägerin zu 1 vom 21.11.2006 bewilligte der Beklagte ihnen Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts vom 1.12.2006 bis zum 31.5.2007 in Höhe von zuletzt 883,78 Euro für
April und 907,78 Euro für Mai 2007 (Bewilligungsbescheid vom 21.11.2006 in der
Fassung des Änderungsbescheids vom 14.2.2007).
4 Der Kläger zu 5 war vom 25.3.2004 bis zum 11.4.2007 inhaftiert und zog nach der
Haftentlassung wieder in die eheliche Wohnung. Bei seiner Haftentlassung erhielt er
insgesamt 2734,42 Euro ausgezahlt, davon 2277 Euro Überbrückungsgeld, 418,77 Euro
Eigengeld, 38,65 Euro Hausgeld nach §§ 51, 52, 47 Strafvollzugsgesetz (StVollzG). Ihm
wurde Arbeitslosengeld (Alg) bewilligt und ua 1014,90 Euro im Juni 2007 ausgezahlt. Am
12.4.2007 stellte der Kläger zu 5 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts beim Beklagten, am 20.4.2007 die Klägerin zu 1 einen
Fortzahlungsantrag für die Zeit ab 1.6.2007.
5 Der Beklagte hob die Bewilligung für April 2007 teilweise und für Mai 2007 ganz auf und
lehnte den Fortzahlungsantrag ab 1.6.2007 ab (Bescheid vom 25.4.2007). Der Bedarf der
Bedarfsgemeinschaft sei durch das Einkommen des Klägers zu 5 - dem Alg und dem von
der Justizvollzugsanstalt ausgezahlten Betrag in Höhe von 2734,42 Euro, der auf einen
angemessenen Zeitraum von sechs Monaten zu verteilen sei, - gedeckt. Nachdem
hinsichtlich der Höhe der Leistungen für April noch ein Änderungsbescheid ergangen war,
wurden die Widersprüche der Kläger zurückgewiesen (Widerspruchsbescheide vom
8.6.2007 und 4.9.2007). Ab dem 1.11.2007 zahlte der Beklagte den Klägern Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Seit dem 29.11.2009 leben die
Klägerin zu 1 und der Kläger zu 5 getrennt.
6 Gegen beide Widerspruchsbescheide wurden Klagen erhoben, die vom Sozialgericht
(SG) miteinander verbunden und abgewiesen wurden (Urteil vom 8.12.2009). Im
Berufungsverfahren ist die Familienkasse nach § 75 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
beigeladen worden, außerdem haben sich die Beteiligten für die Monate April, Mai und
Juli bis Oktober 2007 verglichen. Hinsichtlich der allein strittig gebliebenen Leistungen für
Juni 2007 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom
24.9.2012) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zwischen der Klägerin zu 1
und dem Kläger zu 5 habe als Ehepaar eine Bedarfsgemeinschaft bestanden, deren
Mitglieder auch die dem Haushalt angehörenden, minderjährigen Kinder ohne
ausreichendes Einkommen und Vermögen, die Klägerin zu 3 und der Kläger zu 4 als
gemeinsame Kinder sowie die Klägerin zu 2 als Tochter der Klägerin zu 1 gewesen seien.
Der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft sei durch das anzurechnende Einkommen
vollständig gedeckt gewesen. Der Bedarf habe sich monatlich auf 1386,19 Euro belaufen
und zusammengesetzt aus den Regelleistungen für die Kläger, abzüglich des
Kindergeldes und des Unterhalts bei dem jeweiligen Kind, sowie den Aufwendungen für
die Unterkunft von 614,58 Euro und die Heizung von 61,61 Euro. Ein Anspruch auf einen
Mehrbedarf habe nicht bestanden. Der Betrag für die Unterkunft setze sich zusammen aus
den Schuldzinsen für die Darlehen in Höhe von 354,33 und 109,38 Euro, zzgl der
anteiligen Verwaltungskosten für das dritte Darlehen von (71,58 : 12 =) 5,97 Euro, die
monatlichen Nebenkosten bestehend aus der anteiligen Grundsteuer (454,02 : 12 =) 37,84
Euro, der Wohngebäudeversicherung von 29,06 Euro, dem Wasser und Abwasser von 78
Euro und den anteiligen Schornsteinfegergebühren (51,96 : 12 =) 4,33 Euro. Die
Tilgungsleistungen seien nicht zu berücksichtigen. Bei der Klägerin zu 2 sei noch das
über der Regelleistung liegende Einkommen von 18 Euro abzuziehen.
7 Dieser Bedarf sei durch das zu berücksichtigende Einkommen aus dem um die
Versicherungspauschale bereinigten Alg in Höhe von 984,90 Euro und einer anteiligen
einmaligen Einnahme in Höhe von 569,25 Euro, insgesamt 1554,15 Euro, gedeckt. Der
Betrag von 569,25 Euro ergebe sich aus dem am 11.4.2007 ausgezahlten
Überbrückungsgeld in Höhe von 2277 Euro, das als weiteres Einkommen zu
berücksichtigen und auf die Zeit vom 1.5. bis 31.8.2007 aufzuteilen sei. Der Kläger zu 5
habe zwar erst am 12.4.2007 einen Leistungsantrag beim Beklagten gestellt, jedoch sei
der Fortzahlungsantrag der Klägerin zu 1 vom 21.11.2006 für die Zeit vom 1.12.2006 bis
zum 31.5.2007 nach § 38 SGB II auch als Leistungsantrag des Klägers zu 5 zu werten,
weil er sowohl zum Zeitpunkt der Antragstellung als auch bis zu seiner Haftentlassung am
11.4.2007 eine Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin zu 1 gebildet habe. Die Klägerin zu
1 und der Kläger zu 5 seien verheiratet gewesen und hätten nicht dauernd getrennt gelebt,
ihre Trennung sei erst im April 2009 erfolgt. Die gesetzliche Vermutung der
Bevollmächtigung der Klägerin zu 1 sei auch nicht widerlegt, die langjährige Strafhaft des
Klägers zu 5 stehe dem nicht entgegen, ebenso wenig sein Leistungsausschluss nach § 7
Abs 4 Satz 2 SGB II. Für die Vermutung des § 38 SGB II spreche auch, dass das
Hinzukommen eines weiteren Mitglieds zur Bedarfsgemeinschaft Auswirkungen auf die
Leistungsansprüche der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft habe. Das
Übergangsgeld sei als Einkommen zu berücksichtigen, da es kein privilegiertes
Einkommen iS des § 11 SGB II sei, zumal es den Zweck der Sicherung des
Lebensunterhalts des Haftentlassenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten
vier Wochen nach der Haftentlassung habe. Das Übergangsgeld sei auf die Zeit vom 1.5.
bis 31.8.2007 zu verteilen, weil die Leistungen für April 2007 schon am 11.4.2007
ausgezahlt gewesen seien. Das Ende des Verteilzeitraums folge aus der im September
erfolgten Nachzahlung des Wohngeldes in Höhe von 1200 Euro, die zusammen mit dem
Alg des Klägers zu 5 den Bedarf für September und Oktober 2007 gedeckt habe.
Krankenversicherungsschutz für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft habe aufgrund
des Alg-Bezugs des Klägers zu 5 bestanden.
8 Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügen die Kläger, weder das Übergangsgeld,
das auch nicht pfändbar sei, noch das Eigen- oder Hausgeld, das der Kläger zu 5 am
11.4.2007 erhalten habe, seien als Einkommen zu berücksichtigen. Die Gelder seien ihm
vor seiner Antragstellung am 12.4.2007 zugeflossen. Der Kläger zu 5 sei aufgrund seiner
Strafhaft kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der anderen Kläger gewesen und erst mit
seiner Haftentlassung und Rückkehr in den Haushalt am 11.4.2007 in die
Bedarfsgemeinschaft aufgenommen worden. Davon sei auch der Beklagte ausgegangen
und damit sei die Vermutungsregelung des § 38 SGB II widerlegt. Im Übrigen wirke sich
die Vermutung belastend aus und führe zu einem Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht
(Art 2 Abs 1 Grundgesetz ) des Klägers zu 5, sodass er hierüber eine Mitteilung
seitens des Beklagten habe erhalten müssen. Bei den Aufwendungen für die Unterkunft
seien auch die Tilgungsleistungen zu berücksichtigen.
9 Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. September 2012 und
des Sozialgerichts Düsseldorf vom 8. Dezember 2009 sowie den Bescheid des Beklagten
vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. September 2007
aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Juni 2007 ohne Anrechnung der dem Kläger zu
5 am 11. April 2007 ausgezahlten 2734,42 Euro zu zahlen.
10 Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
11 Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
12 Die zulässige Revision der Kläger gegen das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom
24.9.2012 ist insoweit begründet, als das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit
an das LSG zurückzuverweisen ist (vgl § 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
13 1. Rechtsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten und von SG und LSG
sowie dem Beklagten verneinten Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II im Juni 2007 sind hinsichtlich der Klägerin zu 1 und
des Klägers zu 5 §§ 19 ff iVm § 7 SGB II in der für die strittige Zeit geltenden Fassung
aufgrund des Gesetzes vom 20.4.2007 (BGBl I 554 - im Folgenden: SGB II aF), denn in
Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum
damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden; hinsichtlich der Klägerinnen zu 2 und 3
sowie des Klägers zu 4 sind es §§ 28, 19 ff SGB II aF.
14 Die Grundvoraussetzungen - bestimmtes Alter, Erwerbsfähigkeit und ein gewöhnlicher
Aufenthalt in Deutschland -, um die genannten Leistungen zu erhalten (§ 7 Abs 1 Satz 1
SGB II), erfüllten die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 5 im Juni 2007, ebenso wenig lag ein
Ausschlusstatbestand vor (vgl § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4, 5 SGB II), wie sich aus den
Feststellungen des LSG ergibt.
15 2. Die Hilfebedürftigkeit der Kläger im Juni 2007 kann jedoch aufgrund der derzeitigen
Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden. Hilfebedürftig ist, wer seinen
Lebensunterhalt, eine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt des mit ihm in
einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen
Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu
berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe
nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer
Sozialleistungen erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind das
Einkommen und das Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten
Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und
die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen
und Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern
oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu
berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen
Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des
eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs 1, 2 SGB II aF).
16 Zur Beurteilung dieser Voraussetzung fehlen ausreichende Feststellungen zu den
Aufwendungen der Kläger für die Unterkunft, um zunächst deren Bedarf zu ermitteln (dazu
3.), sowie zu dem zu berücksichtigenden Vermögen der Klägerin zu 1 und des Klägers zu
5 (dazu 8.). Wenn auch bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens der
Kläger (dazu 4.), grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das dem Kläger zu 5 im April
2007 ausgezahlte Überbrückungsgeld in diesem Monat Einkommen war (dazu 5.), ist es
jedoch im Juni 2007 nicht als Einkommen zu berücksichtigen (dazu 6.), ebenso wenig das
Eigengeld und das Hausgeld (dazu 7.).
17 Dass die Kläger im Juni 2007 eine Bedarfsgemeinschaft bildeten, ist zwischen den
Beteiligten nicht umstritten und folgt unmittelbar aus § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a, Nr 4 SGB II
für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 5 als nicht getrennt lebende Ehegatten sowie die
Kläger zu 2, 3 und 4 als deren ihrem Haushalt angehörende, unverheiratete Kinder vor
Vollendung des 25. Lebensjahres, die ihren Bedarf nicht selbst decken können (wegen
der Klägerin zu 2 und des Klägers zu 5 vgl nur BSG Urteil vom 14.3.2012 - B 14 AS 17/11
R - BSGE 110, 204 = SozR 4-4200 § 9 Nr 10).
18 3. Wie hoch der Bedarf der Kläger für Juni 2007 war, kann aufgrund der Feststellungen
des LSG nicht beurteilt werden, zumal seine Ausführungen zu den Aufwendungen für die
Unterkunft nach § 22 Abs 1 SGB II teilweise nicht mit der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) übereinstimmen.
19 Bei den Aufwendungen für die Unterkunft sind, da die Kläger in einer selbst genutzten
Eigentumswohnung leben, die Schuldzinsen zu übernehmen, nicht aber - entgegen der
Ansicht der Revision - die Tilgungsleistungen, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, weil
die Kläger im Juni 2007 nicht ein "kleines Restdarlehen" im Sinne der Rechtsprechung
des Senats zu tilgen hatten (vgl Urteile vom 28.2.2010 - B 14 AS 74/08 R - SozR 4-4200 §
22 Nr 31, vom 23.8.2011 - B 14 AS 91/10 R -, vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-
4200 § 22 Nr 48), sondern nach den Feststellungen des LSG circa 100 000 Euro.
20 Dem LSG kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit es einen weiteren Betrag von 71,58
Euro pro Jahr als Verwaltungskosten für das dritte Darlehen festgestellt und davon ein
Zwölftel berücksichtigt hat. Das gleiche gilt für die Grundsteuer in Höhe von 454,02 Euro
und die Schornsteinfegergebühren in Höhe von 51,96 Euro, bei denen es sich nach den
Ausführungen des LSG um Jahresbeträge handelt und die das LSG mit einem Zwölftel
berücksichtigt hat.
21 Der Senat hat wiederholt ausgeführt, dass die Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft und
Heizung monatsweise zu erfolgen hat, wenn auch zur Prüfung der Angemessenheit bei
der Nutzung von Eigenheimen und Eigentumswohnungen auf die im Kalenderjahr
anfallenden Kosten abzustellen ist. Eine Rechtsgrundlage für die Berechnung eines
Durchschnittsbetrags, der dann der Bedarfs- und Leistungsberechnung in den einzelnen
Monaten zugrunde gelegt wird, um zB die Grundsteuer auf das ganze Jahr zu verteilen, ist
trotz einer denkbaren Verwaltungsvereinfachung nicht zu erkennen, zumal der ggf
erhebliche finanzielle Bedarf aufgrund der Grundsteuer gerade dann zu tragen ist, wenn
sie fällig wird (BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44
RdNr 20 ; BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - SozR 4-4200
§ 22 Nr 63 RdNr 14).
22 Es ist aufzuklären, ob einer dieser Jahresbeträge gerade im Juni 2007 angefallen ist, dann
ist er als Aufwendung für die Unterkunft in diesem Monat (voll) zu berücksichtigen,
andernfalls nicht, auch nicht anteilig.
23 4. Als im Juni 2007 zu berücksichtigendes Einkommen der Kläger kommt - neben dem
Kindergeld und der Unterhaltszahlung - nach den Feststellungen des LSG nur das dem
Kläger zu 5 gezahlte Alg, nicht aber ein Teil des Überbrückungsgeldes, Eigengeldes oder
Hausgeldes in Betracht.
24 Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in
Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente
nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach anderen Gesetzen, die eine
entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, und der Renten oder Beihilfen, die nach
dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper oder
Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG.
25 Das Alg des Klägers zu 5, das am 29.6.2007 in Höhe von 1014,90 Euro auf das Konto der
Klägerin zu 1 gezahlt wurde und mangels weiterer Absetzbeträge nur um die
Versicherungspauschale gemäß § 3 Nr 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung vom
20.10.2004 (BGBl I 2622 - Alg II-V) von 30 Euro zu bereinigen ist, ist in Höhe von 984,90
Euro als ein solches Einkommen zu berücksichtigen.
26 Der dem Kläger zu 5 am 11.4.2007 bei seiner Haftentlassung ausgezahlte Betrag von
insgesamt 2734,42 Euro, der sich zusammensetzte aus 2277 Euro Überbrückungsgeld
nach § 51 StVollzG, 418,77 Euro Eigengeld nach § 53 StVollzG, 38,65 Euro Hausgeld
nach § 47 StVollzG ist nicht (anteilig) als Einkommen im Juni 2007 zu berücksichtigen.
Entgegen der Ansicht der Kläger ist das Überbrückungsgeld als Einnahme anzusehen
und nicht als Vermögen, aber entgegen der Ansicht des Beklagten und der Vorinstanzen
ist es nicht im Juni 2007 als Einkommen zu berücksichtigen. Gleiches gilt für das
Eigengeld und das Hausgeld, obwohl hinsichtlich der einzelnen Beträge entsprechend
ihrer verschiedenen Rechtsgrundlagen und der ihrer sich daraus ergebenden rechtlichen
Einordnung zu differenzieren ist.
27 Zur Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen ist von Folgendem auszugehen:
Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II ist grundsätzlich alles, was jemand nach
Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung
bereits hatte (modifizierte Zuflusstheorie: BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R -
SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE
101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18; BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09
R - BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30, RdNr 15; BSG Urteil vom 23.8.2011 - B 14
AS 185/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 42 RdNr 10). Auch wenn eine auf Geld oder
Geldeswert gerichtete (noch nicht erfüllte) Forderung (zB Gehaltsforderung) einen
wirtschaftlichen Wert darstellt und zum Vermögen des Forderungsinhabers gehört und
eine Einnahme aus dieser bereits bestehenden Rechtsposition erzielt wird, führt dies nicht
zu einer "Konkurrenz" dergestalt, dass die Forderung als Vermögen und daneben die
Leistung aus der Forderung (zB Gehaltszahlung) als Einkommen zu berücksichtigen
wären. Vielmehr ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung
grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung von Bedeutung, sondern das Gesetz stellt
insofern allein auf die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen
ab. Eine Ausnahme ist allerdings dann zu machen, wenn mit früherem Einkommen
Vermögen angespart wurde, zB bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen, weil
andernfalls der Rückgriff auf das Ersparte bei dessen Auszahlung eine unzulässige
erneute Bewertung als Einkommen wäre (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R -
SozR 4-4200 § 11 Nr 16 RdNr 17 zu einer Zinsgutschrift; Gegenbeispiel:
Einkommensteuererstattung: BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291
= SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18).
28 5. Das dem Kläger zu 5 am 11.4.2007 ausgezahlte Überbrückungsgeld war zu diesem
Zeitpunkt zu berücksichtigendes Einkommen und kein Vermögen.
29 Das Überbrückungsgeld wird seitens der Justizverwaltung aus den Bezügen des
Gefangenen gebildet, in dem diese, soweit sie ihm nicht als Hausgeld zur Verfügung
stehen, einem für das Überbrückungsgeld gebildeten Konto zugeführt werden; es soll den
notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die
ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern (§ 51 Abs 1 StVollzG). Die Höhe des
Überbrückungsgeldes setzt die Justizverwaltung fest und sie soll nach der
bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift zu § 51 StVollzG das "Vierfache des
Regelsatzes nach dem BSHG" nicht unterschreiten, aufgrund der Umstände des
Einzelfalls kann ein höherer Betrag festgesetzt werden (abgedruckt zB von Däubler/Galli
in Feest/Lesting, StVollzG, 6. Aufl 2012, bei § 51). Das Überbrückungsgeld soll ein
gewisses "Polster" bilden, um die Wiedereingliederung des Gefangenen in das normale
Leben zu erleichtern (Däubler/Galli, aaO, § 51 RdNr 1), weswegen es auch dem
Pfändungsschutz unterliegt (§ 51 Abs 4 Satz 1 StVollzG). Vor der Haftentlassung und
Auszahlung durch die Justizverwaltung kann der Gefangene über das Geld nicht verfügen
(vgl zur ausnahmsweise vorherigen Inanspruchnahme nach "Gestattung" durch die
Justizverwaltung § 51 Abs 3 StVollzG, Arloth, StVollzG, 3. Aufl 2011, § 51 RdNr 10).
30 Ausgehend von dieser zwangsweisen Einbehaltung eines Teils der Bezüge des
Gefangenen und seiner mangelnden Verfügungsmacht über das Überbrückungsgeld vor
seiner Auszahlung am Tag seiner Entlassung ist von der Maßgeblichkeit des
tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und
Vermögen nicht abzuweichen, wovon das LSG in Übereinstimmung mit anderen LSG und
der Literatur zu Recht ausgegangen ist (vgl LSG Baden-Württemberg vom 24.4.2009 - L 12
AS 5623/08; LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.4.2010 - L 7 AS 107/09; LSG
Niedersachsen-Bremen vom 18.5.2010 - L 13 AS 105/09; Geiger in LPK-SGB II, 4. Aufl
2011, § 11a RdNr 10; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand der
Einzelkommentierung 6/2010, K § 11 RdNr 256; Klaus in Gemeinschaftskommentar zum
SGB II, Stand der Einzelkommentierung 3/2013, § 11a RdNr 118 f; Schmidt in Eicher, SGB
II, 3. Aufl 2013, § 11a RdNr 20). Das Überbrückungsgeld-Konto ist nicht einem Sparbuch
vergleichbar, auf dem mit bereits erlangten Einkünften, von dem Gefangenen ein gezielter
"Vermögensaufbau" betrieben wurde, vielmehr stand dieser Teil seiner Bezüge dem
Gefangenen nie zur Verfügung.
31 Zur Bestimmung der für die Abgrenzung maßgeblichen Antragstellung (vgl § 37 SGB II aF
sowie oben unter 4.) ist nicht auf den Antrag des Klägers zu 5 am 12.4.2007 abzustellen,
weil er schon vor dem 11.4.2007 - dem Tag seiner Haftentlassung und dem Einzug in die
eheliche Wohnung - eine Bedarfsgemeinschaft mit den Klägern zu 1 bis 4 bildete. Diese
Bedarfsgemeinschaft hatte - vertreten nach § 38 SGB II durch die Klägerin zu 1 - im
November 2006 einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt, der zu dem
Bewilligungsbescheid vom 21.11.2006 für die Zeit vom 1.12.2006 bis zum 31.5.2007
führte.
32 Angesichts des Urteils des LSG und des Revisionsvorbringens der Kläger ist zunächst
klarzustellen, dass die Antragstellung der Klägerin zu 1 auch den Kläger zu 5 umfasste,
wie sich aus § 38 Satz 2 SGB II aF ergibt, der lautet: "Leben mehrere erwerbsfähige
Hilfebedürftige in einer Bedarfsgemeinschaft, gilt diese Vermutung zugunsten desjenigen,
der die Leistungen beantragt." Gründe, warum diese Vermutung widerlegt sein soll, sind
keine zu erkennen. Entgegen den Ausführungen der Revision steht die Strafhaft des
Klägers zu 5 seiner Mitgliedschaft in einer Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin zu 1 nicht
entgegen, sondern führt nur zu einem Leistungsausschluss seinerseits nach § 7 Abs 4
Satz 2 SGB II aF. Ebenso wenig liegt eine Verletzung des Art 2 Abs 1 GG vor, weil nicht
ersichtlich ist, inwiefern § 38 Satz 2 SGB II aF ein Eingriff in dieses Grundrecht beinhalten
könnte. Die Vorschrift gibt dem Kläger zu 5 keine Rechtspflicht auf und die
Nichtgewährung einer staatlichen Leistung ist kein Grundrechtseingriff, da nicht die
abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte betroffen ist (vgl nur BVerfG Beschluss vom
29.5.2013 - 1 BvR 1083/09 - RdNr 10 mwN).
33 Auf die Vermutung des § 38 SGB II wegen der Antragstellung der Klägerin zu 1 in Bezug
auf den Kläger zu 5 kommt es jedoch nicht entscheidend an, sondern auf die
Antragstellung der Klägerin zu 1 als solcher und die Bedarfsgemeinschaft zwischen ihr
und dem Kläger zu 5. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG bilden Eheleute,
solange sie nicht getrennt leben, auch wenn der Ehegatte einer nach dem SGB II
leistungsberechtigten Person selbst keine Leistungen nach dem SGB II beziehen kann,
weil er zB Altersrentner ist oder eine schwerstpflegebedürftige Person in einem
Pflegeheim, eine Bedarfsgemeinschaft und das Einkommen zB des Altersrentners ist auf
den Bedarf der leistungsberechtigten Person anzurechnen (BSG Urteil vom 29.3.2007 - B
7b AS 2/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 4; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 105/11 R - SozR
4-4200 § 7 Nr 30; BSG Urteil vom 16.4.2013 - B 14 AS 71/12 R - vorgesehen für SozR,
Pflegeheimfall). Dass zwischen der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 5 eine
Bedarfsgemeinschaft auch während dessen Strafhaft bestand, folgt aus den
Feststellungen des LSG, das ein Getrenntleben des Ehepaars erst ab April 2009
festgestellt und ausführlich begründet, während der Zeit der Strafhaft verneint hat. Auf die
von den Klägern angeführte möglicherweise gegenteilige Auffassung des Beklagten
kommt es nicht an, da diese keine das Gericht bindende Tatbestandswirkung entfaltet.
34 Andere Gründe, die gegen eine Berücksichtigung des Überbrückungsgeldes im April 2007
als Einkommen sprechen, liegen nicht vor. Insbesondere ist es keine zweckbestimmte
Einnahme nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II aF, die nicht als Einkommen zu
berücksichtigen wäre, weil sie einem anderen Zweck als die Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II dient. Vielmehr hat das Überbrückungsgeld
denselben in § 51 Abs 1 Satz 1 StVollzG festgeschriebenen Zweck, denn es soll "den
notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten …
sichern" (vgl BSG Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 94/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 46 RdNr
17 ff; LSG Baden-Württemberg vom 24.4.2009 - L 12 AS 5623/08; LSG Nordrhein-
Westfalen vom 22.4.2010 - L 7 AS 107/09; LSG Niedersachsen-Bremen vom 18.5.2010 - L
13 AS 105/09; vgl zur Literatur nur: Geiger in LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, K § 11a RdNr 10;
Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand der Einzelkommentierung 6/2010, § 11a RdNr
205; Klaus in Gemeinschaftskommentar zum SGB II, Stand der Einzelkommentierung
3/2013, § 11a RdNr 118 f; Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 11a RdNr 20). Aus
dem von der Revision angeführten Umstand, dass das Überbrückungsgeld nach § 51 Abs
4 Satz 1 StVollzG unpfändbar ist, folgt nichts anderes, zumal es hiervon in § 51 Abs 5 Satz
1 StVollzG eine Ausnahme für die Pfändung wegen Unterhaltsansprüchen von Kindern
und Ehegatten nach § 850d Abs 1 Satz 1 Zivilprozessordnung gibt, die letztlich das obige
Ergebnis - Einsatz des Überbrückungsgeldes als Einkommen für diese Personen im
Rahmen des SGB II - bestätigt.
35 6. Das dem Kläger zu 5 am 11.4.2007 ausgezahlte Überbrückungsgeld ist jedoch nicht als
einmalige Einnahme auf den Juni 2007 zu verteilen.
36 Nach dem damals geltenden § 2 Abs 3 Alg II-V sind einmalige Einnahmen von dem Monat
an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen, und "sind, soweit nicht im Einzelfall eine
andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und
monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen". Die Länge des so
genannten Verteilzeitraums war damals nicht geregelt (vgl zB BSG Urteil vom 30.9.2008 -
B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 28 ff gegen eine
Begrenzung auf den Bewilligungsabschnitt), mittlerweile ist er vom Gesetzgeber auf sechs
Monate begrenzt worden (§ 11 Abs 3 SGB II idF vom 13.5.2011, BGBl I 850). Zur
Bestimmung des vom Verordnungsgeber genannten "angemessenen Zeitraums" ist auf
die vom Gesetzgeber in § 51 Abs 1 StVollzG angegebene Zweckbestimmung für das
Überbrückungsgeld zurückzugreifen, "den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen
und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung
sichern" zu sollen. Angesichts der Offenheit der Verordnung einerseits und der exakten
Zeitangabe im Gesetz andererseits kann das "angemessen" bei der Verteilung von
Überbrückungsgeld aus systematischen Gründen und aufgrund der Normenhierarchie hier
für einen Verteilzeitraum - anders als in anderen Konstellationen (vgl BSG Urteil vom
18.2.2010 - B 14 AS 76/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 27 RdNr 19 mwN) - nur mit "vier
Wochen" konkretisiert werden.
37 Demgegenüber rechtfertigen weder die Erwägungen des LSG, das aufgrund späterer
Einnahmen der Kläger abweichend von dem Beklagten keinen Verteilzeitraum von sechs,
sondern vier Monaten annimmt, noch andere Entscheidungen, die einen abweichenden
Zeitraum für die Verteilung vornehmen, ein anderes Ergebnis (vgl LSG Sachsen-Anhalt
vom 26.1.2012 - L 2 AS 192/09 - RdNr 43: für eine Anrechnung auf "wenigstens auf zwei
Monate" aufgrund der dortigen Sachlage). Ein solches Ergebnis (vgl LSG Rheinland-Pfalz
vom 15.5.2012 - L 3 AS 87/10 - RdNr 37 ff) kann auch nicht aus allgemeinen
Überlegungen für einen Verteilzeitraum, wie insbesondere die Gewährleistung von
Versicherungsschutz in der Kranken- und Pflegeversicherung, hergeleitet werden, weil
dieser durch eine Nichtverteilung des Überbrückungsgeldes nicht zwingend entfällt, wie
der vorliegende Fall zeigt. Ebenso wenig wirft eine Aufteilung des Überbrückungsgeldes
auf die ggf zwei Monate, in die die vier Wochen fallen, spezifische Probleme auf. Die am
jeweiligen Einzelfall orientierten unterschiedlichen Ergebnisse der LSG sprechen im
Gegenteil vielmehr für eine allgemeine, auf der Rechtsgrundlage für die entsprechende
Leistung beruhende Auslegung im obigen Sinne.
38 7. Die dem Kläger zu 5 am 11.4.2007 ausgezahlten 418,77 Euro Eigengeld nach § 52
StVollzG sind ebenfalls kein im Juni 2007 zu berücksichtigendes Einkommen.
39 Mangels Zufluss im Juni 2007 kommt eine Berücksichtigung als Einkommen nur in
Betracht, wenn es sich bei dem Eigengeld um eine einmalige Einnahme iS des § 2 Abs 3
Alg II-V handelt, die dem Kläger zu 5 vorher zugeflossen und auf die Folgemonate zu
verteilen ist.
40 Bei der rechtlichen Beurteilung des Eigengeldes ist zu beachten, dass es "die Bezüge des
Gefangenen sind, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag, Unterhaltsbeitrag oder
Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden" (§ 52 StVollzG), auf dem
Eigengeldkonto auch das vom Gefangenen eingebrachte Geld gutzuschreiben ist (§ 83
StVollzG) und er über das Eigengeld grundsätzlich frei verfügen kann - von bestimmten
Beschränkungen abgesehen, wie zB innerhalb der Anstalt für Einkäufe (vgl § 22 StVollzG)
oder einer Sperrung, bis das Überbrückungsgeld die festgesetzte Höhe erreicht hat (§ 83
Abs 2 Satz 3 StVollzG; vgl Arloth, StVollzG, aaO, § 52 RdNr 3; Däubler/Galli in
Feest/Lesting, StVollzG, aaO, § 52 RdNr 3 ff). Dies spricht gegen einen Zufluss des
Eigengeldes am 11.4.2007, sondern möglicherweise früher. Entscheidend ist jedoch, dass
angesichts eines Betrags von 418,77 Euro keine Gründe für eine Verteilung auf mehrere
Monate zu erkennen sind.
41 Entsprechendes gilt für das Hausgeld nach § 47 StVollzG, weil dieses dem Gefangenen
schon während seiner Inhaftierung zur freien Verfügung steht und der am 11.4.2007
ausgezahlte Betrag sich nur auf 38,65 Euro belief.
42 8. Schließlich wird das LSG zu ermitteln haben, inwieweit einer Hilfebedürftigkeit der
Kläger im Juni 2007 zu berücksichtigendes Vermögen entgegenstand (vgl §§ 9, 12 SGB
II), weil dem Urteil des LSG insoweit keine abschließenden Feststellungen zu entnehmen
sind.
43 Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.