Urteil des BSG vom 01.12.1999

BSG: ddr, aussiedler, eigentumsschutz, eintritt des versicherungsfalls, vertrauensschutz, arbeitslosigkeit, altersrente, anwartschaft, rumänien, eingriff

Bundessozialgericht
Urteil vom 01.12.1999
Sozialgericht Stuttgart
Landessozialgericht Baden-Württemberg
Bundessozialgericht B 5 RJ 24/98 R
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Mai 1998 wird
zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens nicht zu
erstatten.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt höhere Altersrente unter ungekürzter Berücksichtigung der Entgeltpunkte aus in Rumänien
zurückgelegten Beitragszeiten.
Der im Oktober 1935 geborene Kläger, Inhaber des Vertriebenenausweises A, siedelte am 3. August 1988 aus
Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland über. In Rumänien war er von September 1952 bis Juni 1988
versicherungspflichtig beschäftigt. Die Versicherungsverläufe der Beklagten vom 19. April 1996 und 22. August 1996
verzeichneten diese Zeiten als glaubhaft gemachte Beitragszeiten (Kürzung auf fünf Sechstel); daneben wiesen sie
von September 1990 bis März 1996 in der Bundesrepublik Deutschland entrichtete Pflichtbeiträge nach. Nach der
angefügten Rentenauskunft vom 19. April 1996 hatte der Kläger eine monatliche Regelaltersrente in Höhe von
1.633,30 DM (brutto) zu erwarten. Auf seinen im August 1996 gestellten Antrag gewährte die Beklagte dem Kläger mit
Bescheid vom 5. Dezember 1996 ab 1. Februar 1997 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von monatlich
1.427,35 DM (1.543,91 DM brutto). Dabei vervielfältigte sie die Entgeltpunkte aus den in Rumänien zurückgelegten
Beitragszeiten in Anwendung des § 22 Abs 4 FRG mit dem Faktor 0,6, dh deren Wert wurde um 40 % gekürzt. Mit
Bescheid vom 4. April 1997 stellte die Beklagte - in Abänderung des Bescheides vom 5. Dezember 1996 - die Rente
neu fest unter Berücksichtigung einer höheren Qualifikationsgruppe (von August 1961 bis Juni 1988); dies wirkte sich
indessen aufgrund der Berechnung der Rente nach Mindestentgeltpunkten auf die Höhe der Rente im Ergebnis nicht
aus.
Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 1997;
Urteil des SG Stuttgart vom 29. Januar 1998; Urteil des LSG vom 28. Mai 1998). Zur Begründung seiner
Entscheidung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die angewendeten Vorschriften des § 22 Abs 4 FRG und Art
6 § 4c FANG idF des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25. September 1996 (BGBl I
1416) seien nicht verfassungswidrig. Prüfungsmaßstab sei Art 14 GG, in dessen Schutzbereich Ansprüche und
Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung fielen. Die Regelung des § 22 Abs 4 FRG bestimme Inhalt
und Schranken dieser Rechtsposition. Regelungen, die dazu dienten, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des
Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten bzw veränderten wirtschaftlichen
Verhältnissen anzupassen, seien im Rahmen von Art 14 Abs 1 Satz 2 GG zulässig. Durch die Regelung des § 22 Abs
4 FRG habe der Gesetzgeber in die Bewertung von Zeiten eingegriffen, für die der Kläger keine Beiträge zur
gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet habe. Das Eingliederungsprinzip verlange nicht, daß FRG-Zeiten den
Beitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung gleichzustellen seien. Die Eingliederung der Vertriebenen in das
Rentenversicherungssystem nach Maßgabe des FRG zähle zu den Kriegsfolgelasten und beruhe daher nicht auf
individueller Vorsorge, sondern auf staatlicher Entschädigung. Mit den durch das WFG ergriffenen Sparmaßnahmen,
zu denen die Kürzung nach § 22 Abs 4 FRG zähle, habe der Gesetzgeber einem erheblichen Handlungsbedarf in der
gesetzlichen Alterssicherung wegen dramatisch steigender Arbeitslosigkeit, den Kosten der Wiedervereinigung und
des Älterwerdens der Bevölkerung genügen müssen. Wesentliches Ziel sei es gewesen, ein weiteres Ansteigen des
Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung mit den damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteilen zu
verhindern. Obwohl die Kürzung gemäß § 22 Abs 4 FRG den Kläger erheblich belaste und zu einer Rentenkürzung in
Höhe von 29,9 % führe, sei sie gemessen an der Bedeutung des gesetzlichen Ziels einer möglichst rasch greifenden
Verbesserung der Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung und Verhinderung des Anstiegs des
Beitragssatzes verhältnismäßig und für den Kläger noch zumutbar. Angehörige der gesetzlichen Rentenversicherung
könnten im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Systems nicht darauf vertrauen, daß bei einer Veränderung der
wirtschaftlichen Verhältnisse die gesetzlichen Vorschriften über die Leistungen bis zum Eintritt des Versicherungsfalls
unverändert fortbestünden. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes habe es verfassungsrechtlich nicht geboten,
Übergangsvorschriften vorzusehen, die Versicherte, die vor dem 1. Januar 1991 zugezogen seien, ausnähmen. Die
vom Kläger beanstandete Regelung verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG,
soweit mit Entgeltpunkten (Ost) berechnete Renten keiner vergleichbaren Kürzung unterlägen. Sachlicher Grund für
die unterschiedliche Behandlung sei Art 30 Abs 5 Satz 3 EinigVtr. Hiernach sei neben der Angleichung der Löhne und
Gehälter im Beitrittsgebiet an diejenigen in den übrigen Ländern auch eine Angleichung der Renten vereinbart worden.
Damit sei das bis zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands geltende Eingliederungsprinzip zugunsten der
Angleichung aufgewertet worden. Die abweichende Regelung für Versicherte des Beitrittsgebiets beruhe damit auf
einem völkerrechtlichen Vertrag, der die Bedingung für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands gewesen sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung verfassungsrechtlicher Vorschriften (Art 14
iVm Art 116 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG - Sozialstaatsprinzip, Art 2 iVm dem Rechtsstaatsprinzip und dem
allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG) und macht im wesentlichen geltend: Vor dem Inkrafttreten von
§ 22 Abs 4 FRG idF des WFG am 1. Oktober 1996 (richtig: 7. Mai 1996; vgl Art 4 Nr 4 iVm Art 12 Abs 2 WFG) habe
er eine Anwartschaft auf Altersrente gehabt, die wegen des Zuzuges vor dem 1. Januar 1991 ohne Kürzung der FRG-
Zeiten zu berechnen gewesen wäre. Durch die Kürzung der persönlichen Entgeltpunkte habe sich die Rente um über
500,00 DM netto verringert. Dieser Eingriff sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Fremdrentenanwartschaften
seien vom Eigentumsschutz des Art 14 GG mitumfaßt. Im Rahmen des Eigentumsschutzes fremdrentenrechtlicher
Positionen werde die einkommensbezogene Eigenleistung bei dem durch Art 116 Abs 1 GG statusrechtlich
umschriebenen Personenkreis aufgrund des Integrationsversprechens fingiert. Rechtsfolge sei die Unterstellung einer
solchen Rechtsposition unter den Eigentumsschutz und somit die Gewährung eines subjektiv-öffentlichen Rechts für
den Betroffenen. Die Kürzungen durch das WFG dienten zwar unbestreitbar dem öffentlichen Interesse. Die Schwere
des Eingriffs, die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Gruppen und die Verletzung des Gebotes einer
sachgerechten Lastenverteilung führten jedoch dazu, das private Interesse der von der Kürzung Betroffenen höher als
das öffentliche Interesse zu bewerten. Fremdrentenberechtigte, die am 7. Mai 1996 und später ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in die Bundesrepublik Deutschland genommen hätten, und alle vorher Zugezogenen, deren Rentenbeginn
nach dem 30. September 1996 liege, verlören durch die Kürzung rückwirkend einen erheblichen Teil ihrer erworbenen
Anwartschaften. Dieser Personenkreis werde benachteiligt im Vergleich zu allen Bestandsrentnern, die Leistungen
nach dem FRG erhielten, sowie allen Berechtigten, deren Ansprüche in das SGB VI überführt worden seien. Die
Differenzierungen gegenüber diesen und weiteren Personengruppen seien gleichheitswidrig und hätten für Aussiedler,
die im Zeitpunkt des Zuzugs einem rentennahen Jahrgang angehörten und ausschließlich oder - wie er - nahezu
ausschließlich über Ansprüche nach dem FRG verfügten, zudem eine sozialstaatswidrige Folge. Denn dieser
Personenkreis werde von der Kürzung erheblich stärker betroffen als die in jungen Jahren Zugezogenen.
Der Kläger beantragt, die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Januar 1998 und des Landessozialgerichts
Baden-Württemberg vom 28. Mai 1998 sowie die Bescheide der Beklagten vom 5. Dezember 1996 und 4. April 1997
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem
Kläger Altersrente ab 1. Februar 1997 ohne Kürzung der Entgeltpunkte nach § 22 Abs 4 FRG für die in Rumänien
zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten zu gewähren, hilfsweise, den Rechtsstreit auszusetzen und dem
Bundesverfassungsgericht gemäß Art 100 Abs 1 GG zur Entscheidung vorzulegen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung höherer
Altersrente ohne Kürzung der Entgeltpunkte aus seinen in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten gemäß § 22 Abs
4 FRG idF des WFG.
A.
Die Beklagte hat sich in ihren dem Kläger erteilten Bescheiden nicht zur Leistung einer höheren Altersrente
verpflichtet.
1. Der Kläger kann den Anspruch auf eine höhere Rente nicht auf die ihm im Jahre 1996 erteilte Rentenauskunft vom
19. April 1996 stützen, nach der ihm - zum damaligen Zeitpunkt - auf der Grundlage des damals geltenden Rechts
eine Rentenanwartschaft in Höhe von 1.633,30 DM (brutto) zugestanden hätte.
Diese Auskunft, die sich im übrigen ausdrücklich auf die Regelaltersrente bezieht (vgl § 109 Abs 1 Satz 1 SGB VI),
war nicht rechtsverbindlich (§ 109 Abs 4 Satz 2 SGB VI); ihr kommt nach dem Willen des Gesetzgebers keine
Bindungswirkung zu. Gegenteiliges kann auch nicht dem Schreiben der Beklagten vom 26. Januar 1996 entnommen
werden; insoweit handelt es sich nicht um einen bindenden Verwaltungsakt (vgl § 31 Satz 1 SGB X). Gegenstand der
Auskunft war vielmehr allein, worauf die Beklagte schon in der Überschrift ("Rentenauskunft - kein Rentenbescheid")
in ihrem Schreiben ausdrücklich hingewiesen hat, eine (unverbindliche) Information über die Höhe der
Rentenanwartschaft nach dem damals maßgeblichen Recht. Die Mitteilung hatte keine unmittelbaren
Rechtswirkungen nach außen; ihr fehlte der behördliche Wille zur Selbstverpflichtung, der Regelungswille (vgl BSG
Urteil vom 18. April 1996 - 4 RA 36/94 - BSGE 78, 138, 140 = SozR 3-2600 § 71 Nr 1 S 1, 2 f mwN). Die Auskunft
verpflichtete die Beklagte folglich nicht, dem Kläger - unabhängig von gesetzlichen Änderungen - bei Erreichen des
Rentenalters (Vollendung des - vom Kläger noch nicht erreichten - 65. Lebensjahres) eine Regelaltersrente (§ 35 SGB
VI) zumindest in Höhe des im Auskunftsschreiben mitgeteilten Betrages zu bewilligen.
2. Auch auf die Vormerkungsbescheide der Beklagten vom 19. April 1996 und 22. August 1996 kann der Kläger
keinen Anspruch auf eine höhere Rente stützen. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte im Rahmen eines
Kontenklärungsverfahrens gemäß § 149 Abs 5 SGB VI die Zeiten bis 31. Dezember 1989 (als für die Beteiligten
verbindlich) festgestellt. Das Vormerkungsverfahren zielt jedoch lediglich auf "Beweissicherung" ab, also auf die
(möglichst zeitnahe) verbindliche Feststellung von Tatsachen, die nach der derzeitigen Rechtslage möglicherweise in
einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden können (vgl BSG Urteil vom 24.
Oktober 1996 - 4 RA 108/95 - SozR 3-2600 § 58 Nr 9 mwN). Die Bindungswirkung der Bescheide bezieht sich
demzufolge auf die in ihnen aufgeführten Versicherungszeiten/rentenrechtlichen Zeiten; über die Anrechnung und
Bewertung dieser Zeiten ist - worauf die Beklagte in diesen Bescheiden ausdrücklich hingewiesen hat - erst bei der
Feststellung einer Leistung zu entscheiden (§ 149 Abs 5 Satz 3 SGB VI; stRspr, vgl BSG Urteil vom 24. Oktober
1996 - 4 RA 108/95 - SozR 3-2600 § 58 Nr 9 mwN). Denn erst bei Eintritt des Leistungsfalls steht (ua) fest, welches
Recht anzuwenden ist.
3. Nach dem bei Eintritt des Leistungsfalls geltenden Recht steht dem Kläger allein ein Anspruch auf die ihm mit
Bescheiden vom 5. Dezember 1996 und 4. April 1997 bewilligte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 1. Februar 1997
in Höhe von 1.427,35 DM (netto) zu.
Gemäß § 38 Abs 1 Satz 1 SGB VI setzt die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nicht nur die
Vollendung des 60. Lebensjahres voraus (Nr 1), sondern auch Arbeitslosigkeit von 52 Wochen innerhalb der
Rahmenfrist von eineinhalb Jahren (Nr 2 Buchst a). Letztere Voraussetzung hat der Kläger erst im Januar 1997 erfüllt.
Die Beklagte hat daher in den angefochtenen Bescheiden zu Recht den Rentenbeginn auf den 1. Februar 1997
festgesetzt.
Bei der Berechnung der Rente hat die Beklagte die für die Rentenhöhe bedeutsamen Entgeltpunkte für die in
Rumänien zurückgelegten Versicherungszeiten zutreffend ermittelt, nämlich die nach § 22 Abs 1 Satz 1 FRG (iVm §
256b SGB VI) und nach § 22 Abs 3 FRG ermittelten Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt. Dieser
Rechenschritt folgt aus § 22 Abs 4 FRG idF des Art 3 Nr 4 Buchst b WFG, am 7. Mai 1996 in Kraft getreten (Art 12
Abs 2 WFG), der auf den Kläger anwendbar ist. Denn nach der Übergangsvorschrift des Art 6 § 4c FANG idF des Art
4 Nr 4 WFG, ebenfalls in Kraft getreten am 7. Mai 1996 (Art 12 Abs 2 WFG), ist die Weitergeltung des FRG in der am
6. Mai 1996 geltenden Fassung nur noch für Berechtigte vorgesehen, die vor dem 7. Mai 1996 ihren gewöhnlichen
Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente vor dem 1. Oktober 1996
beginnt. Der Kläger hat zwar vor dem 7. Mai 1996 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland genommen; der Rentenbeginn liegt aber nach dem 1. Oktober 1996. Die rückwirkend ab 7. Mai 1996 in
Kraft getretene Berechnungsvorschrift des § 22 Abs 4 FRG ist daher auf den im August 1996 gestellten
Altersrentenantrag des Klägers anzuwenden.
B.
Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt die 40 %ige Kürzung der maßgeblichen Entgeltpunkte nach § 22 Abs 4
FRG idF des WFG nicht gegen das Grundgesetz. Der Senat hat daher keine Veranlassung, den Rechtsstreit gemäß
Art 100 Abs 1 GG auszusetzen und dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen.
1. Ein Verstoß gegen den vom Kläger in den Mittelpunkt seiner Argumentation gerückten Art 116 GG iVm dem
Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG liegt nicht vor.
a) Aus Art 116 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip folgt kein sozialrechtlicher Anspruch, als kriegsfolgenbedingte
Entschädigungsleistung in der gesetzlichen Rentenversicherung FRG-Zeiten wie eine eigene Beitragsleistung in der
Bundesrepublik Deutschland anzurechnen. Entgegen der Ansicht des Klägers genießt das fremdrentenrechtliche
Eingliederungsprinzip keinen verfassungsrechtlichen Rang (so aber Podlech/Azzola/Dieners, RV 1998, 177, 178 f, 195
f). Aus Art 116 Abs 1 GG ergibt sich lediglich, wer Statusdeutscher ist; ein Anspruch auf eine bestimmte Bemessung
von FRG-Zeiten oder auf eine bestimmte Höhe einer Rente aus der Sozialversicherung läßt sich dieser
Verfassungsnorm jedoch nicht entnehmen (vgl bereits BSG Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 5/98 R - SozR 3-
5050 § 22 Nr 6; Bertuleit, DRV 1999, 345, 352). Zwar hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 26. Januar 1977 (1
BvL 17/73 - BVerfGE 43, 213, 226 f = SozR 5050 § 22 FRG Nr 5 S 9, 10 f) ausgeführt, daß es sich bei dem Kreis der
Vertriebenen und Flüchtlinge um eine sozial besonders schutzbedürftige Gruppe handele und der Gesetzgeber unter
diesen Umständen nach dem Sozialstaatsgebot verfassungsrechtlich zur sozialpolitischen Aktivität verpflichtet
gewesen sei; durch die Gleichstellung der Vertriebenen und Flüchtlinge, heimatlosen Ausländer und politisch
Verfolgten mit vergleichbaren Versicherten, die ständig im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland lebten, habe er das
Sozialstaatsgebot in hohem Maße verwirklicht. In derselben Entscheidung hat das BVerfG jedoch zugleich
verdeutlicht, daß die Einführung des Eingliederungsprinzips verfassungsrechtlich nicht unbedingt geboten gewesen
sei.
b) Die hier zur Prüfung stehende Vorschrift des § 22 FRG idF des WFG ist vor dem Hintergrund der bisherigen
Änderungen des FRG zu sehen: § 22 FRG aF war bei Erlaß des Gesetzes idF des FANG vom 25. Februar 1960
(BGBl I 93) eine Ausprägung des dem FRG (seinerzeit noch) zugrundeliegenden Eingliederungsprinzips (vgl BT-
Drucks 3/1109, S 36: "Damit wird auch im Verhältnis zu den einheimischen Versicherten die wünschenswerte
Rechtsangleichung herbeigeführt"; vgl auch BVerfG Beschluss vom 26. Januar 1977 - 1 BvL 17/73 - BVerfGE 43, 213
= SozR 5050 § 22 Nr 5 S 9 und BVerfG Kammer-Beschluss vom 1. August 1984 - 1 BvR 1396/83 - SozR 5050 § 22
Nr 16; BSG Urteil vom 29. Juli 1997 - 4 RA 56/95 - SGb 1997, 518). Neben dem Bestreben, die Vertriebenen in
Deutschland sozialversicherungsrechtlich so zu stellen, wie sie stünden, wenn sie ihr Versicherungsleben statt in den
Vertreibungsgebieten in der Bundesrepublik Deutschland verbracht hätten (vgl im einzelnen BSG Urteil vom 8.
September 1983 - 5b RJ 8/83 - SozR 5070 § 20 Nr 6 S 20 f), beruht das FRG jedoch auch auf dem Gedanken der
Entschädigung (BSG GS Beschluss vom 4. Juni 1986 - GS 1/85 - BSGE 60, 100, 106 f = SozR 5050 § 15 Nr 32 S
97, 103 f; Eichenhofer in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 3 Rentenversicherungsrecht, 1999, §
76 RdNrn 51 und 56).
Schon im Zuge des Rentenreformgesetzes (RRG) 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) - noch vor der
Wiedervereinigung - begann der Gesetzgeber auch das Fremdrentenrecht zu reformieren. Abgeschafft oder modifiziert
wurde eine Reihe begünstigender Regelungen (zB Verminderung der Anrechnung ausländischer Beitrags- und
Beschäftigungszeiten (§§ 15, 16 FRG), Abschaffung der 6/6-Anrechnung ab 10jähriger Beschäftigung bei demselben
Arbeitgeber (§ 22 FRG)). Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, war dafür die Überlegung maßgeblich, daß die
bisherigen Folgerungen aus dem Eingliederungsprinzip nicht mehr aufrechterhalten werden könnten. Seine Anwendung
gehe weit über das hinaus, was ursprünglich beabsichtigt gewesen sei: die Anrechnung vor dem Krieg im
Herkunftsland verbrachter Beitragszeiten zu sichern. Im Gegensatz zur unmittelbaren Nachkriegszeit könnten die
Spätaussiedler kaum noch reichsdeutsche Versicherungszeiten, sondern fast ausschließlich solche in
Vertreibungsgebieten vorweisen (vgl BT-Drucks 11/4124, zu Art 10 Nr 1 (§ 15 FRG), S 216 f; BT-Drucks 11/4452, zu
Art 10 und zu Art 11 Nr 1 (§ 4 FANG), S 12 f).
Weitere Einschnitte brachte das Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606). Danach wurde in
§ 22 Abs 3 FRG, in Kraft getreten am 1. August 1991, bestimmt, daß die nach Abs 1 maßgeblichen Werteinheiten mit
dem Faktor 0,7 vervielfältigt werden oder - anders ausgedrückt - die für FRG-Zeiten ermittelten Entgeltpunkte auf 70
% gekürzt werden. Diese Vorschrift fand gemäß Art 6 § 4 Abs 5 FANG idF des RÜG keine Anwendung auf FRG-
Berechtigte, die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
ohne das Beitrittsgebiet genommen hatten oder Ansprüche auf Zahlung einer Rente vor dem 1. August 1991 hatten.
Von der Kürzungsregelung erfaßt wurden also grundsätzlich alle nach dem 31. Dezember 1990 Zugezogenen.
Zugleich brachte das RÜG für alle Neurenten ab 1. Januar 1992 (Art 42 Abs 1 RÜG) eine Änderung der Bewertung der
Entgeltpunkte aus FRG-Zeiten ab 1. Januar 1950. Gemäß § 22 Abs 1 FRG idF des Art 14 Nr 20 Buchst b RÜG
erfolgte die Bewertung von nach dem 31. Dezember 1949 liegenden FRG-Zeiten nur noch auf der Grundlage von
Durchschnittsverdiensten nach der Anlage 14 zum SGB VI, "die die Lohnstruktur im Beitrittsgebiet wiedergibt"
(Begründung zu § 22 Abs 1 FRG idF des RÜG, BT-Drucks 12/405, S 163).
Bereits in diesen Änderungen liegt eine gewisse Abkehr von dem Eingliederungsgedanken, wie er der ursprünglichen
Fassung des § 22 FRG zugrunde lag. Die vor der Wiedervereinigung im alten Bundesgebiet angestrebte Eingliederung
der Aussiedler auf dem Niveau westlicher Durchschnittsverdienste ("Eingliederung West") wurde für das vereinte
Deutschland durch die Eingliederung nach Durchschnittsverdiensten im Beitrittsgebiet ("Eingliederung Ost") ersetzt.
Darüber hinaus brachte die Kürzung auf 70 % der Entgeltpunkte aus FRG-Zeiten für die "Neu-Aussiedler" (ab 1.
Januar 1991) eine weitere Einschränkung, weil damit - entsprechend einer Forderung des Bundesrats, der dabei auf
den Vomhundertsatz des geltenden Auslandsrentenrechts (vgl § 113 Abs 3 SGB VI) Bezug genommen hatte (vgl BT-
Drucks 12/630, S 15) - ein weitergreifender Kürzungsfaktor eingeführt worden war (vgl BSG Urteil vom 9. September
1998 - B 13 RJ 5/98 R - SozR 3-5050 § 22 Nr 6 - zu § 22 Abs 4 FRG idF des RÜG).
Darauf baut die jetzige Regelung auf. Nach § 22 Abs 4 FRG idF des WFG werden nicht mehr die auf
Durchschnittsverdiensten (Ost) beruhenden Tabellenwerte, sondern nur noch ein bestimmter Anteil der sich hieraus
ergebenden Entgeltpunkte berücksichtigt (vgl im einzelnen: Polster, DRV 1997, 63 ff und DRV 1998, 97 ff). Durch den
Wegfall der bisher in Art 6 § 4 Abs 5 FANG idF des RÜG enthaltenen Übergangsregelung iVm den neuen durch Art 4
Nr 4 WFG eingefügten Übergangsregelungen des Art 6 §§ 4b und 4c FANG gilt diese Absenkung der Entgeltpunkte
generell für alle vor dem 7. Mai 1996 Zugezogenen bei einem Rentenbeginn ab 1. Oktober 1996. Für später
Zugezogene werden die berücksichtigungsfähigen Entgeltpunkte zusätzlich durch § 22b FRG idF des WFG weiter
begrenzt. Hierdurch ist der mit dem RÜG eingeleitete Prozeß der Ersetzung des Eingliederungsprinzips durch ein
Prinzip der "Grundsicherung" (oder des "sozialen Ausgleichs", vgl Podlech/ Azzola/Dieners, RV 1998, 177, 195 f;
Becker, Nbl LVA BA 1997, 151, 163; Moser, Kompaß 1996, 499, 501 f; Wilmerstadt, DAngVers 1989, 164, 168)
vollzogen worden.
c) Diese Loslösung vom Eingliederungsprinzip ist mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG vereinbar.
Angesichts seiner Weite und Unbestimmtheit läßt sich diesem regelmäßig kein Gebot entnehmen, soziale Leistungen
in einem bestimmten Umfang zu gewähren. Zwingend ist lediglich, daß der Staat die Mindestvoraussetzungen für ein
menschenwürdiges Dasein seiner Bürger schafft (BVerfG Beschluss vom 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84, 26/84 und 4/86
- BVerfGE 82, 60, 80 = SozR 3-5870 § 10 Nr 1 S 1, 5; vgl Neumann, NZS 1998, 401 mwN). Im übrigen obliegt es der
Entscheidung des Gesetzgebers, in welchem Umfang soziale Hilfe unter Berücksichtigung der vorhandenen Mittel und
anderer gleichwertiger Staatsaufgaben gewährt werden kann und soll. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum
zu (BVerfGE, aaO, mwN). Gemessen hieran hatte der Gesetzgeber mit den am Eingliederungsprinzip orientierten
Regelungen des FRG mehr geleistet, als vom sozialen Gestaltungsauftrag gefordert war (vgl BVerfG Beschluss vom
26. Januar 1977 - 1 BvL 17/73 - BVerfGE 43, 213, 226 f = SozR 5050 § 22 FRG Nr 5 S 9,10 f). Solange zumindest
das Existenzminimum iS der Sozialhilfe gewahrt bleibt, läßt sich aus dem Sozialstaatsgebot kein Anspruch auf eine
bestimmte Höhe von Sozialleistungen für Aussiedler herleiten (vgl BSG Urteil vom 1. September 1994 - 7 RAr 116/93
- nicht veröffentlicht - zum Eingliederungsgeld).
2. Auch ein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG (Eigentumsgarantie) liegt nicht vor.
a) Der Senat neigt der Auffassung zu, daß das vor Rechtsänderung durch das RÜG maßgebliche
Eingliederungsprinzip bei Statusdeutschen iS des Art 116 Abs 1 GG die im Ausland erworbene Rechtsposition nicht in
eine durch die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG geschützte rentenversicherungsrechtliche
Rechtsposition transformiert hat. Letztlich kann der Senat diese Rechtsfrage aber offenlassen. Denn auch wenn man
den Schutz der Eigentumsgarantie unterstellt, hätte dies den Gesetzgeber nicht an der Beschränkung der erworbenen
Anwartschaften durch § 22 Abs 4 FRG idF des WFG gehindert. Wird aber Art 14 Abs 1 GG, wäre er anwendbar, nicht
verletzt, so können auch die im Falle seiner Nichtanwendbarkeit einschlägigen Verfassungsgrundsätze (insbesondere
das Rechtsstaatsprinzip) nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Diese gewähren jedenfalls keinen weitergehenden
Schutz (vgl BVerfG Beschluss vom 1. Juli 1981 - 1 BvR 874/77 ua, 1 BvL 33/80 ua - BVerfGE 58, 81, 121 = SozR
2200 § 1255a Nr 7 S 9, 18; BSG Teilurteil vom 28. Mai 1997 - 8 RKn 27/95 - SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 31;
Katzenstein in: Festschrift für Helmut Simon, 1987, S 847, 861).
(aa) Gegen die Einbeziehung der Rechtsposition des Klägers, soweit sie auf FRG-Zeiten beruht, in den
Eigentumsschutz des Art 14 GG spricht, daß sie nicht auf Eigenleistungen in Gestalt von an deutsche
Rentenversicherungsträger gezahlten Beiträgen beruht.
Zwar ist der Eigentumsschutz für Rentenansprüche und Rentenanwartschaften, die im Geltungsbereich des
Grundgesetzes erworben worden sind, seit langem anerkannt (BVerfG Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 ua -
BVerfGE 53, 257, 289 ff = SozR 7610 § 1587 Nr 1 S 1, 2 ff; stRspr). Denn die gesetzlich begründeten
rentenversicherungsrechtlichen Positionen erfüllen eine soziale Funktion, deren Schutz gerade Aufgabe der
Eigentumsgarantie ist (BVerfG Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 ua - BVerfGE 100, 1, 32 = SozR 3-8570 § 10
Nr 3 S 31, 41). Dabei ist die sozialversicherungsrechtliche Position insgesamt Schutzobjekt, wie das BVerfG in seiner
Entscheidung zur Begrenzung der Bewertung der Ausbildungs-Ausfallzeiten durch das 20. Rentenanpassungsgesetz
ausgeführt hat: Renten und Rentenanwartschaften beruhten auf verschiedenen Elementen, die erst in ihrem
funktionalen Zusammenwirken zu einem Gesamtergebnis führten, so daß die einzelnen Elemente nicht losgelöst
voneinander behandelt werden könnten, als seien sie selbständige Ansprüche (BVerfG Beschluss vom 1. Juli 1981 - 1
BvR 874/77 ua, 1 BvL 33/80 ua - BVerfGE 58, 81, 109 = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 9, 10). Zudem schließe eine
Rechtsposition, die auch oder überwiegend auf staatlicher Gewährung beruhe, Eigentumsschutz ebensowenig von
vornherein aus wie bei Sachgütern, die mit Hilfe von Subventionen oder Steuererleichterungen erworben worden seien
(BVerfG Urteil vom 16. Juli 1985 - 1 BvL 5/80 ua - BVerfGE 69, 272, 301 = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 123, 126). Auch
insoweit stellt das BVerfG aber auf den Umfang der Eigenleistung ("nicht unerhebliche" Eigenleistungen des
Versicherten) ab, verzichtet also keinesfalls auf dieses Kriterium. Hierzu führt es aus, daß Ansprüche auf
Sozialleistungen, die ausschließlich darauf beruhten, daß der Staat sie in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht durch
Gesetz eingeräumt habe, nicht vom Schutz des Art 14 GG umfaßt werden (vgl BVerfG Beschluss vom 23. Juni 1970
- 2 BvL 8/65 - BVerfGE 29, 22, 34 = SozR Nr 83 zu Art 3 GG, S Ab 78, 80 - zur Verneinung des Eigentumsschutzes
bei einem vom FRG gewährten Rentenanspruch, der nicht, auch nicht teilweise auf eigenen Leistungen des
Rentenempfängers an den Rentenversicherungsträger in der Bundesrepublik beruhte; BVerfG Urteil vom 16. Juli 1985
- 1 BvL 5/80 ua - BVerfGE 69, 272, 301 = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 123, 126 mwN; vgl ferner Neumann, NZS 1998,
401, 403; Ossenbühl in: Festschrift für Zeidler, 1987, S 625, 631 f).
Dem entspricht, daß das BVerfG (Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 ua - BVerfGE 100, 1, 33 ff = SozR 3-8570 §
10 Nr 3 S 31, 47 ff) als weitere Begründung für den Eigentumsschutz von in der DDR erworbenen Rentenansprüchen
und Rentenanwartschaften darauf hingewiesen hat, daß die rentenrechtlichen Positionen der DDR-Versicherten erst
mit dem Beitritt und der Anrechnung durch den EinigVtr in den Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG gelangten oder -
anders ausgedrückt - durch den Untergang der DDR als Staats- und Völkerrechtssubjekt ebenfalls untergegangen
waren (vgl BSG Urteil vom 31. Juli 1997 - 4 RA 35/97 - BSGE 81, 1, 5 ff = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 14 S
107, 112 ff mwN). Dagegen bleibt aber, wie das BVerfG (Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 ua - BVerfGE 100, 1,
36 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 31, 50) gleichfalls hervorgehoben hat, bei dem allein durch das FRG als Folge des
Eingliederungsprinzips eingeräumten vermögenswerten Rechtsanspruch die im Herkunftsland erworbene
Rechtsposition ("Rentenstammrecht") unberührt; eine Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften findet nicht
statt. Doppelleistungen werden durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Berechtigten
ausgeschlossen (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 12. November 1996 - 1 BvL 4/88 - BVerfGE 95, 143, 161).
Dagegen, daß die im FRG - unabhängig von der späteren Abkehr vom Eingliederungsprinzip (vgl dazu BVerfG
Beschluss vom 12. November 1996 - 1 BvL 4/88 - BVerfGE 95, 143, 161 f, wonach das Eingliederungsprinzip die
rentenversicherungsrechtlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR "bis zu deren
Beitritt am 3. Oktober 1990" bestimmte) - eingeräumte vermögenswerte Rechtsposition Eigentumsschutz genießt,
spricht ferner, daß ein solcher für die in der DDR begründeten und im Zeitpunkt ihres Beitritts zur Bundesrepublik
Deutschland bestehenden Rentenansprüche und Rentenanwartschaften nach verfassungsgerichtlicher
Rechtsprechung (erst) gesondert durch die mit Art 20 des Staatsvertrages eingeleitete Überführung der in der DDR
erworbenen Rechtspositionen und ihre Anerkennung in Anl II Kap VIII Sachgeb H Abschn III Nr 9 Buchst b EinigVtr
verschafft worden ist. Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz kommt den in der DDR erworbenen
Rentenansprüchen und Rentenanwartschaften daher auch nur in der Form zu, die sie aufgrund der Regelungen des
EinigVtr erhalten haben. Erst "mit dem Beitritt und der Anerkennung durch den Einigungsvertrag" - auch wenn dieser
seinerseits Inhalt des Einigungsvertragsgesetzes vom 23. September 1990 (BGBl II 885) geworden ist und als
einfaches Bundesrecht fortgilt - gelangten jene Rechtspositionen in den Schutzbereich des Art 14 GG (BVerfG Urteil
vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 ua - BVerfGE 100, 1, 33 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 31, 47). Demgegenüber hatten
Übersiedler aus der DDR vor Inkrafttreten des EinigVtr einen "vermögenswerten" Rechtsanspruch allein aus dem
FRG, der als solcher nicht dem Eigentumsschutz unterfiel (vgl BVerfG aaO 36). Dies legt nahe, daß erst recht
(fremd)rentenrechtliche Positionen von Aussiedlern aus anderen Staaten nicht dem Schutz des Art 14 Abs 1 Satz 1
GG unterfallen.
(bb) Die bei der Anrechnung von Fremdrentenzeiten fehlende einkommensbezogene Eigenleistung bei
Statusdeutschen ist auch nicht - wie der Kläger meint - aufgrund des Integrationsversprechens des Art 116 Abs 1 GG
zu fingieren (so aber Podlech/ Azzola/Dieners, RV 1998, 177, 199). Zwar hat das BVerfG bereits im Zusammenhang
mit westdeutschen sozialversicherungsrechtlichen Positionen hervorgehoben, daß der Eigentumsschutz in diesem
Bereich im wesentlichen darauf beruhe, daß die in Betracht kommende Rechtsposition durch die persönliche
Arbeitsleistung des Versicherten mitbestimmt sei, die in den einkommensbezogenen Leistungen lediglich einen
Ausdruck finde (BVerfG Urteil vom 16. Juli 1985 - 1 BvL 5/80 ua - BVerfGE 69, 272, 300 f = SozR 2200 § 165 Nr 81 S
123, 125 f). Es hat deshalb nicht nur die vom Versicherten selbst gezahlten Beiträge, sondern auch die
Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung den eigentumsrelevanten Eigenleistungen des Arbeitnehmers
zugerechnet (BVerfG aaO 302). Hinsichtlich der besonderen Bedingungen des Alterssicherungs- und
Entlohnungssystems der DDR hat es den Eigentumsschutz des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG auch dann zum Tragen
kommen lassen, wenn die Rentenansprüche und -anwartschaften nicht in erster Linie durch Beitragszahlungen,
sondern maßgeblich durch Arbeitsleistung erworben wurden (BVerfG Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 ua -
BVerfGE 100, 1, 35 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 31, 49). Damit sollte jedoch nur ausgedrückt werden, daß auch die in
den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften vom Typus her
die konstitutiven Merkmale des Eigentums iS von Art 14 GG aufweisen, weil der erforderliche Zusammenhang
zwischen Zusatzversorgung und Arbeitsleistung im Entlohnungssystem der DDR in vielfältiger Weise hergestellt
wurde. Dennoch genossen - wie bereits ausgeführt - die in der DDR erworbenen Rentenansprüche nicht per se den
Schutz des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG; erst mit dem Beitritt der DDR und der Anerkennung durch den EinigVtr gelangten
sie wie andere vermögenswerte Rechtspositionen in den Schutzbereich des Grundgesetzes (BVerfG Urteile vom 22.
November 1994 - 1 BvR 351/91 - BVerfGE 91, 294, 308 und vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 ua - BVerfGE 100, 1,
33 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 31, 47). Mangels eines solchen Transformationsakts scheidet der nachträgliche Erwerb
einer eigentumsgeschützten Rechtsposition bei einem Statusdeutschen wie dem Kläger aus. Soweit seine
Rechtsposition auf FRG-Zeiten beruht, leitet sie sich allein aus dem durch dieses Gesetz begründeten
vermögenswerten Rechtsanspruch ab (vgl die bisherige Rechtsprechung des BVerfG zum Fremdrentenrecht - BVerfG
Beschluss vom 23. Juni 1970 - 2 BvL 8/65 - BVerfGE 29, 22, 33 f = SozR Nr 83 zu Art 3 GG, S Ab 78, 80; BVerfG
Beschluss vom 26. Januar 1977 - 1 BvL 17/73 - BVerfGE 43, 213, 226 = SozR 5050 § 22 Nr 5 S 9, 10 f; BVerfG
Beschluss vom 26. Februar 1980 - 1 BvR 195/77 - BVerfGE 53, 164, 176 = SozR 2200 § 1318 Nr 5 S 7, 11).
b) Selbst wenn der Kläger jedoch als Berechtigter nach dem FRG eine eigentumsgeschützte Rechtsposition erlangt
hätte, läge in der Beschränkung dieser Rechtsposition durch § 22 Abs 4 FRG idF des WFG eine zulässige Inhalts-
und Schrankenbestimmung des Eigentums iS des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG.
Gegenstand des Schutzes des Art 14 GG sind nach der Rechtsprechung des BVerfG nur der Anspruch oder die
Anwartschaft, wie sie sich insgesamt aus der jeweiligen Gesetzeslage ergeben. Auch für
rentenversicherungsrechtliche Rechtspositionen gilt, daß sich die konkrete Reichweite der Eigentumsgarantie erst aus
der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums ergibt, die nach Art 14 Abs 1 Satz 2 GG Sache des
Gesetzgebers ist (vgl BVerfG Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 ua - BVerfGE 53, 257, 292 = SozR 7610 §
1587 Nr 1 S 1, 4 und BVerfG Beschluss vom 1. Juli 1981 - 1 BvR 874/77 ua - BVerfGE 58, 81, 109 = SozR 2200 §
1255a Nr 7 S 9, 10). Der Gesetzgeber genießt dabei zwar keine völlige Freiheit. Er muß vielmehr die grundsätzliche
Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis, die zum Begriff des Eigentums gehören, achten und darf diese nicht
unverhältnismäßig einschränken. Doch variiert sein Spielraum dabei je nach dem Anteil personaler und sozialer
Komponenten des Eigentumsobjekts (vgl BVerfG Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 ua - BVerfGE 100, 1, 37 =
SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 31, 51 mwN).
Rentenansprüche und -anwartschaften weisen zwar einen hohen personalen Bezug auf. Zugleich stehen sie jedoch in
einem ausgeprägten sozialen Bezug. Deswegen verleiht Art 14 Abs 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber auch die
Befugnis, Rentenansprüche und Rentenanwartschaften zu beschränken, Leistungen zu kürzen und Ansprüche und
Anwartschaften umzugestalten, sofern dies einem Gemeinwohlzweck dient und dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit genügt (vgl BVerfG Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 ua - BVerfGE 100, 1, 38 = SozR 3-
8570 § 10 Nr 3 S 31, 51 mwN). Eine Unabänderlichkeit der bei Versicherungsbeginn bestehenden Bedingungen
widerspräche dem Rentenversicherungsverhältnis, das im Unterschied zum Privatversicherungsverhältnis von Anfang
an nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip, sondern wesentlich auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen
Ausgleichs beruht (BVerfG Beschluss vom 4. Juni 1985 - 1 BvL 12/83 - BVerfGE 70, 101, 111 = SozR 2200 § 1260c
Nr 17 S 63, 64; BSG Teilurteil vom 28. Mai 1997 - 8 RKn 27/95 - SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 31).
Da - wie oben bereits ausgeführt - Renten und Rentenanwartschaften auf verschiedenen Elementen beruhen, die erst
in ihrem funktionalen Zusammenwirken zu einem Gesamtergebnis führen und deshalb nach der Rechtsprechung des
BVerfG die sozialversicherungsrechtliche Position insgesamt Schutzobjekt ist (BVerfG Beschluss vom 1. Juli 1981 -
1 BvR 874/77 ua - BVerfGE 58, 81, 109 = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 9, 10), hat dies Folgewirkungen auf die
Verfassungsmäßigkeit von gesetzgeberischen Eingriffen (vgl Neumann, NZS 1998, 401, 403 mwN). Rechtfertigende
Gründe für Eingriffe liegen grundsätzlich bei Regelungen vor, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit
des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten
wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen (BVerfG Beschluss vom 1. Juli 1981 - 1 BvR 874/77 ua - BVerfGE 58, 81,
110 = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 9, 11; Senatsurteil vom 24. Februar 1999 - B 5 RJ 28/98 R - SozR 3-2600 § 300 Nr
14 - zur Bewertung von Zeiten der Berufsausbildung durch das WFG). Der verfassungsrechtlich wesentliche personale
Bezug des Versicherten zu dieser Berechtigung und mit ihm ein tragender Grund des Eigentumsschutzes tritt hierbei
um so stärker hervor, je höher der zugrundeliegende Anteil eigener Leistung ist (vgl BVerfG Urteil vom 28. April 1999 -
1 BvL 32/95 ua - BVerfGE 100, 1, 38 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 31, 51).
Damit ergibt sich eine gewisse Stufung sowohl des Eigentums- als auch des im Gewährleistungsbereich des Art 14
Abs 1 GG zu berücksichtigenden rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes. Die Befugnis des Gesetzgebers zu (Renten-
)Kürzungen geht um so weiter, je mehr das Schutzobjekt in einem sozialen Bezug steht; aber auch der Eingriff in eine
Position, die beitragsunabhängig eine Vergünstigung gibt, muß in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten
Erfolg stehen (BVerfG Beschluss vom 1. Juli 1981 - 1 BvR 874/77 ua - BVerfGE 58, 81, 114 = SozR 2200 § 1255a Nr
7 S 9, 14 mwN; Senatsurteil vom 24. Februar 1999 - B 5 RJ 28/98 R - SozR 3-2600 § 300 Nr 14). Gemessen an
diesen Anforderungen verletzen die angegriffenen Regelungen des § 22 Abs 4 FRG iVm Art 6 § 4c FANG idF des
WFG weder den Eigentumsschutz des Klägers noch dessen Vertrauen (vgl BVerfG Urteil vom 23. November 1999 - 1
BvF 1/94 - Umdruck S 35). Der Eingriff in die Rechtsposition des Klägers steht in angemessenem Verhältnis zu dem
durch das Gesetz angestrebten und nur durch schnelle Umsetzung erreichbaren Erfolg. Er erweist sich einerseits
gemessen an der gesetzgeberischen Zielsetzung als geeignet und erforderlich (dazu im Folgenden unter c und d); er
ist andererseits gemessen an der vom Kläger erworbenen Rechtsposition sowie Art und Umfang seiner
Beitragsleistung verhältnismäßig und zumutbar (dazu im Folgenden unter e).
c) Mit dem WFG hat der Gesetzgeber der seit dem 2. Halbjahr 1995 ungünstig verlaufenden wirtschaftlichen
Entwicklung, insbesondere des Arbeitsmarktes, Rechnung getragen, die zu Mehrausgaben und Mindereinnahmen in
der gesetzlichen Rentenversicherung geführt hatte. Ziel der Gesetzgebung war es, die Schwankungsreserve, die zum
Ausgleich der Mindereinnahmen im Jahre 1996 herangezogen worden war, ab dem Jahre 1997 wieder aufzufüllen und
- andernfalls in erheblichem Umfang erforderliche - Beitragserhöhungen zu vermeiden (BT-Drucks 13/4610 zu A II 1, S
18). Die vom WFG vorgenommenen Leistungskürzungen bzw Mehreinnahmen sollten im Bereich der
Rentenversicherung zu Entlastungen von insgesamt 27,15 Mrd DM, verteilt auf die Jahre 1996 bis 2000, führen (vgl
BT-Drucks 13/4610 zu C, S 30).
Nach der Begründung zum WFG hatten die im Bereich der Rentenversicherung vorgesehenen Maßnahmen das Ziel,
das Versicherungsprinzip und damit das Prinzip der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Renten zu stärken, indem
Leistungen, die nicht oder nur teilweise durch Beiträge gedeckt sind, zurückgeführt werden sollten (BT-Drucks
13/4610 zu A II 2, S 18). In diesem Zusammenhang dürfen die Maßnahmen zur Neugestaltung des FRG nicht für sich
allein betrachtet werden, sondern sind als Bestandteil eines Bündels von Maßnahmen zur Ausgabenbegrenzung im
Bereich der Rentenversicherung zu verstehen. Die Kürzung der nach dem FRG zu berücksichtigenden Entgeltpunkte
ist eingebettet in das gesetzgeberische Konzept, nicht auf Beitragszahlung beruhende Rententeile einzuschränken.
So wurden Vergünstigungen zurückgenommen, die im Hinblick auf die Beitragsbezogenheit der Rente sowie der
angespannten Gesamtlage der Rentenversicherung und der damit verbundenen Notwendigkeit zu Einsparungen als
unangemessen erscheinen konnten: Gekürzt wurden ua die maximal anrechenbaren Zeiten der schulischen oder
beruflichen Ausbildung von 48 auf 36 Kalendermonate. Zeiten der Berufsausbildung werden nicht mehr so bewertet,
als habe der Versicherte 90 % des Durchschnittsverdienstes erzielt, sondern werden als Anrechnungszeiten mit dem
Betrag bewertet, der sich an der im gesamten Versicherungsleben erbrachten Beitragsleistung orientiert (jetzt § 54
Abs 3 SGB VI idF des RRG 1999). Einschnitte erfolgten ferner bei der Schließung von Lücken im Versicherungsleben
vor 1957 und der rentensteigernden Anrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw Krankheit ohne Leistungsbezug
(vgl BT-Drucks 13/4610 zu A IV, S 19 f).
Die hier einschlägige Absenkung der Tabellenwerte des FRG um 40 % bei allen zukünftigen Rentenzugängen,
unabhängig vom Zeitpunkt des Zuzugs, hat der Gesetzgeber damit begründet, daß einschränkende Regelungen auch
zur Erhaltung der Akzeptanz der Leistungen nach dem FRG erforderlich seien (BT-Drucks 13/4610 zu A IV 1 c, S 19):
"Das mit der Fremdrentengesetzgebung verfolgte Ziel, die Vertriebenen und Spätaussiedler, die infolge der
Auswirkungen des 2. Weltkriegs ihre soziale Sicherheit in den Herkunftsgebieten verloren haben, in das
Rentenversicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland einzugliedern, ist weitgehend erreicht. Über 50 Jahre
nach Kriegsende und wegen der Überwindung der deutschen und europäischen Teilung ist eine unveränderte
Beibehaltung der für einen Übergangszeitraum konzipierten, ein hohes Rentenniveau sichernden Regelungen sachlich
nicht mehr zu rechtfertigen." Im Gegensatz zum bisherigen Recht (FRG idF des RÜG), nach dem die Höhe der Rente
vom Zeitpunkt des Zuzugs abhängig war, sollten künftig alle Rentenzugänge der bereits in der Bundesrepublik
Deutschland ansässigen FRG-Berechtigten gleichbehandelt werden. Die Rente nach dem FRG für Personen, die erst
noch zuziehen, sollte sich - in einem noch weitergehenden Eingriff - lediglich an der Höhe der Eingliederungshilfe
orientieren (BT-Drucks 13/4610 zu A IV 1 c, S 19).
Der Gesetzgeber ist also nicht nur Sparzwängen gefolgt, sondern der Abbau von Sozialleistungen wurde gezielt dort
vorgenommen, wo aus seiner Sicht nur schwer verständliche Vergünstigungen bestanden. Zugleich wurde im
Interesse der Konsolidierung der gesetzlichen Rentenversicherung das Prinzip der Beitragsbezogenheit der Renten
gestärkt. Insgesamt gesehen stellt die Änderung der Bewertung der FRG-Zeiten eine Inhalts- und
Schrankenbestimmung dar, die ersichtlich dazu dient, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung
im Interesse aller zu erhalten und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen (BVerfG Beschluss vom
1. Juli 1981 - 1 BvR 874/77 ua - BVerfGE 58, 81, 110 = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 9, 11).
d) Die mithin im öffentlichen Interesse liegenden Gesetzesänderungen waren unter dem Gesichtspunkt des Sparzieles
und einer Betonung der Beitragsbezogenheit der Renten geeignet und auch erforderlich. Dabei ist zu berücksichtigen,
daß der Erfolg einer Entlastung sich nur dann sogleich und sodann in den folgenden Jahren immer stärker auswirkt,
wenn sie sofort alle Rentenneuzugänge erfaßt und nicht erst allmählich - für spätere Jahrgänge - gelten soll (vgl BT-
Drucks 13/4610 zu A IV 1 c, S 19 und zu C 1, S 30 f). Welchem Kostendruck die Rentenversicherung durch die
negative Wirtschaftsentwicklung ausgesetzt war, belegen im übrigen auch die jetzt verfügbaren Daten im nachhinein
eindrucksvoll: So stieg die Rente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 60. Lebensjahr (§ 38 SGB I idF vor August 1996) als
für den Arbeitsmarkt bedeutendste Form der Frühverrentung zwischen 1992 (ca 54.000 Rentenneuzugänge) und 1995
(ca 294.000 Rentenneuzugänge) dramatisch an. Dies führte zu Kosten in Höhe von rund 22 Mrd DM je 100.000
Arbeitnehmer bzw Rentenneuzugänge (vgl Köhler-Fleischmann, SGb 1999, 587, 589).
Die angestrebten Einsparungen hätten auch nicht mit weniger eingreifenden Mitteln - etwa allein durch die gleichfalls
mit dem WFG erfolgte, stufenweise Anhebung und Flexibilisierung der Altersgrenzen von 60 und 63 Jahren - erreicht
werden können. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, sollte die Neuordnung des Fremdrentenrechts zu
Einsparungen von insgesamt 2,3 Mrd DM (im Zeitraum 1996 bis 2000) führen; allein im Jahre 2000 sollten die
Rentenversicherungsträger dadurch um ca 1 Mrd DM entlastet werden (BT-Drucks 13/4610 zu C 1, S 30). Dabei ging
die Entwurfsbegründung davon aus, daß rund 100.000 FRG-Berechtigte jährlich in Rente gehen und von der
Abschlagsregelung betroffen werden (BT-Drucks aaO). Für den Gesetzentwurf zum WFG sind - ausweislich zweier
Auskünfte des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 3. August und 16. September 1999, die
der Senat in einem Parallelverfahren (B 5 RJ 26/98 R) eingeholt hat - die Ersparnisse durch die Neuordnung des FRG
im einzelnen wie folgt geschätzt worden:
Auf den Abschlag iH von 40 vH
Jahr Mio DM entfallen hiervon (in Mio DM):
Jahr
1996: 26
1997: 175 1997: 72
1998: 423 1998: 217
1999: 670 1999: 361
1999: 670 1999: 361
2000: 950 2000: 538
Verglichen mit den errechneten Einsparungen aus der - hier zu prüfenden - Absenkung der Entgeltpunkte um 40 % für
alle Zuzüge bis 6. Mai 1996 wären die Einsparungen unter Beibehaltung der Absenkung von 40 % für alle Zuzüge ab
1991, jedoch einem Abschlag von nur 30 % für Zuzüge bis 1990 deutlich geringer ausgefallen:
Zuzüge vor Alle Zuzüge (bis 6. Mai 1996) mit 40 % Abschlag
1991 mit 30 % Abschlag Mio DM
Mio DM
1997: 50 72
1998: 150 217
1999: 250 361
2000: 350 538
Nach alledem war aufgrund der getroffenen Neuregelung im Bereich des § 22 FRG eine nicht unerhebliche Einsparung
zu erwarten. Demgegenüber wären die Einsparungen erheblich geringer gewesen, wenn die nur 30 %ige Kürzung auf
Aussiedler wie den Kläger erstreckt worden wäre, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland vor dem 1. Januar 1991 genommen haben. Es ist nicht erkennbar, daß die angestrebten Einsparungen
mit weniger einschneidenden Mitteln hätten erreicht werden können. Im übrigen liegt es in der Gestaltungsfreiheit des
Gesetzgebers, ob und auf welche Weise er Einsparungen vornimmt (vgl BVerfG Beschluss vom 15. Juli 1987 - 1 BvR
488/86 ua - BVerfGE 76, 220, 241 = SozR 4100 § 242b Nr 3 S 9, 14; BSG Urteil vom 18. April 1996 - 4 RA 36/94 -
BSGE 78, 138, 145 = SozR 3-2600 § 71 Nr 1 S 1, 8).
e) Obgleich die neuen Regelungen den Kläger erheblich belasten und - wie vom LSG festgestellt - zu einer Kürzung
seiner Rente bzw Anwartschaft um 29,9 % (oder, anders ausgedrückt, zu einem Verlust von 14,1162 Entgeltpunkten)
geführt haben, sind sie gemessen an der Bedeutung des gesetzlichen Zieles einer möglichst rasch greifenden
Verbesserung der Finanzlage verbunden mit einer Stärkung des Äquivalenzprinzips und einer Neuordnung des
Fremdrentenrechts, verhältnismäßig und für den Kläger auch zumutbar. Dies gilt sowohl für die Kürzung der für FRG-
Zeiten ermittelten Entgeltpunkte als solche als auch für die fehlende Einbeziehung des Klägers in die
Übergangsvorschrift des Art 6 § 4c FANG idF des Art 4 Nr 4 WFG, in Kraft getreten am 7. Mai 1996 (dazu im
Folgenden unter aa und bb). Denn die dabei vorzunehmende Abwägung zwischen dem Vertrauen des Klägers auf die
Beibehaltung der ihm durch das bisherige Recht eingeräumten Rechtsposition und dem öffentlichen Interesse an
deren Veränderung ergibt, daß dem öffentlichen Interesse an Einsparungen und Erhaltung der Flexibilität des Systems
der Vorzug einzuräumen ist (dazu im Folgenden unter cc bis ee).
(aa) Eine (echte) Rückwirkung in Form der Rückerstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm liegt nicht
vor. Die Regelungen des WFG greifen nicht ändernd in die Rechtslage ein, die vor ihrer Verkündung am 27.
September 1996 für rentenbeziehende Versicherte bestanden hat. Art 6 § 4c FANG regelt, daß für Berechtigte, die vor
dem 7. Mai 1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und
deren Rente vor dem 1. Oktober 1996 beginnt, für die Berechnung dieser Rente § 22 Abs 3 FRG in der bis zum 31.
Dezember 1991 geltenden Fassung und § 22 Abs 4 FRG in der ab dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung
anzuwenden sind. Der zeitliche Anwendungsbereich des § 22 Abs 4 FRG in der ab 7. Mai 1996 geltenden Fassung
bleibt damit auf die Zukunft begrenzt. Die 40 %ige Kürzung gilt nur für Berechtigte, die - wie der Kläger - zwar am
Stichtag ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatten, aber einen Anspruch auf Rente erst nach dem 30.
September 1996 haben.
(bb) Die Regelung des Art 6 § 4c FANG wirkt somit auf im Zeitpunkt ihrer Verkündung (27. September 1996) noch
nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft ein. Sie beeinträchtigt dabei zwar
nachträglich eine in der Vergangenheit begründete Rechtsposition der Betroffenen und stellt sich deshalb als eine
tatbestandliche Rückanknüpfung iS der Rechtsprechung des BVerfG dar. Die Vorschrift ist jedoch nicht allein deshalb
verfassungsrechtlich unzulässig. Die Grenzen einer derartigen "unechten Rückwirkung" ergeben sich aus dem
Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Diese sind aber erst überschritten, wenn
der Eingriff zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen
der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfG Beschluss vom 15. Oktober 1996 - 1
BvL 44, 48/92 - BVerfGE 95, 64, 86; Urteil vom 23. November 1999 - 1 BvF 1/94 - Umdruck S 37). Das Vertrauen der
Betroffenen ist danach enttäuscht, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene
nicht zu rechnen brauchte, den er also bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte (BVerfG Beschluss vom
13. Mai 1986 - 1 BvL 55/83 - BVerfGE 72, 141, 154 = SozR 2200 § 1265 Nr 78 S 257, 261). Eine solche
Enttäuschung des Vertrauens derjenigen Aussiedler, die vor dem 7. Mai 1996 zugezogen sind und die - wie der Kläger
- einen Anspruch auf Rente erst nach dem 30. September 1996 haben, liegt der Sache nach vor. Denn auch wenn -
wie oben dargestellt - bereits seit dem RRG 1992 und spätestens seit dem RÜG das Eingliederungsprinzip
schrittweise eingeschränkt und modifiziert worden ist, konnte der Kläger auf die Dauerhaftigkeit der bestehenden
Rechtslage deshalb vertrauen, weil von der 30 %igen Kürzung durch das RÜG gerade der Personenkreis, zu dem er
gehörte (die bis zum 31. Dezember 1990 Zugezogenen) nicht betroffen war. Das somit entstandene Vertrauen des
Klägers in den Bestand der Rechtslage vor Änderung des § 22 FRG durch das WFG ist indessen nicht schutzwürdig.
Der einzelne kann sich nämlich auf Vertrauensschutz nicht berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer
gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen kann. Bei der
verfassungsrechtlichen Beurteilung bedarf es danach der Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens
des einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit (BVerfG Beschlüsse
vom 1. Juli 1981 - 1 BvR 874/77 ua - BVerfGE 58, 81, 121 = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 9, 18; vom 13. Mai 1986 - 1
BvL 55/83 - BVerfGE 72, 141, 155 mwN = SozR 2200 § 1265 Nr 78 S 257, 261; vom 30. September 1987 - 2 BvR
933/82 - BVerfGE 76, 256, 349, 356 ff).
Diese Abwägung ergibt, daß ein öffentliches Interesse an den beanstandeten Regelungen das Interesse an dem
Fortbestand der früheren Regelung überwiegt.
(cc) Im Rahmen der Abwägung ergeben sich - einander ergänzende und überschneidende - Argumente aus der
Intensität des Eingriffs, der Unterschiedlichkeit von Anwartschaft und Anspruch und der Konkretisierung der
Ansprüche durch Zubilligung. Auf der einen Seite wird der Vertrauensschutz tendenziell - dies gilt nicht nur für den
rechtsstaatlichen Vertrauensschutz, sondern letztlich auch für den an Art 14 GG orientierten Vertrauensschutz - um
so geringer, je erheblicher die finanziellen Interessen des Staates sind, soweit es um den Abbau unberechtigter
Vorteile geht, und wenn die Beseitigung bestehender Unklarheiten oder die Bekämpfung von Mißbrauch bezweckt ist
(vgl Jaeger, SGb 1994, 111, 115 - zum Übergangsrecht im Arbeitsförderungsrecht). Tendenziell höher ist der
Vertrauensschutz dagegen anzusiedeln, je mehr in eine verfestigte Rechtsposition eingegriffen wird. Besonders hoch
ist der Vertrauensschutz, wenn ein Berechtigter in Ansehung eines Rechts bereits Dispositionen getroffen hat (Stufe
1). Darunter anzusiedeln ist der Vertrauensschutz, wenn Ansprüche bereits zugebilligt worden sind und nicht nur nach
dem Gesetz bestehen, besondere Dispositionen aber nicht in Frage stehen (Stufe 2). Wiederum hierunter rangiert der
Eingriff in gesetzlich garantierte Rechte, deren Voraussetzungen bereits sämtlich erfüllt sind, ohne daß der Anspruch
bereits durch Verwaltungsakt konkretisiert wäre (Stufe 3). Erst an vierter Stelle einer solchen Vertrauensschutzskala
befindet sich die reine Anwartschaft auf einen späteren Anspruch (vgl Jaeger, aaO, S 115). Das Merkmal der
Eigenleistung (im Gegensatz zur sozialen Gewährung) legt also - anders ausgedrückt - eine Differenzierung zwischen
den eigentumsgeschützten Positionen nach Maßgabe ihrer Verdichtung nahe, wobei jeweils auch Eigenart und
Funktion des Schutzobjekts von maßgeblicher Bedeutung sind (vgl Neumann, NZS 1998, 401, 407).
Betrachtet man die Rechtsstellung des Klägers, so ist zu berücksichtigen, daß er nach seinem Zuzug im Jahre 1988
der bundesdeutschen gesetzlichen Rentenversicherung erst seit einem relativ späten Zeitpunkt, nämlich seit
September 1990 (im Alter von rund 55 Jahren), zugehört. Zumindest bei ihm, der zudem erst im Januar 1997 die
Voraussetzung einer Arbeitslosigkeit von 52 Wochen erfüllt hatte und die (vorzeitige) Altersrente wegen
Arbeitslosigkeit (§ 38 SGB VI) in Anspruch nahm, während sich die ihm zuvor erteilte Rentenauskunft - wie bereits
oben ausgeführt - auf den zu erwartenden Regelaltersrentenanspruch (§ 35 SGB VI) - und damit den vom Gesetz als
Regelfall normierten Leistungsfall - bezog, war der Eingriff des Gesetzgebers des WFG in seine Rechte durch die
Änderung des § 22 FRG nicht so gravierend, daß die Abwägung zwischen geschütztem, rechtlich verfestigtem
Individualinteresse und der Bedeutung der gesetzlichen Neuregelung für eine Konsolidierung der gesetzlichen
Rentenversicherung iS einer Vertrauensschutzverletzung und Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs 4 FRG idF des
WFG zugunsten des Klägers ausfiele. Denn nicht nur im Zeitpunkt der Erteilung der Rentenauskunft im April 1996,
sondern auch bei Rentenantragstellung im August 1996 hatte der Kläger nicht alle Voraussetzungen für einen
Rentenbezug (Wartezeit, einjährige Arbeitslosigkeit, Vollendung des 60. Lebensjahres und Antragstellung) erfüllt; er
hatte mithin erst eine - wenn auch schon konkretisierbare - Anwartschaft auf die (vorzeitige) Rentenleistung erworben,
so daß er in der Skala der in ihrem Vertrauen geschützten Berechtigten nur eine untere Position einnahm (zum
minderen Vertrauensschutz trotz erfüllter Wartezeit vor der Zeitgrenze (Vollendung des 60. Lebensjahres) vgl BSG
Urteil vom 13. Oktober 1992 - 4 RA 10/92 - SozR 3-2200 § 1248 Nr 7 S 25 - zum Arbeitslosenruhegeld nach § 25 Abs
2 AVG = § 1248 Abs 2 RVO).
Das Vertrauen des Klägers in den Wert seiner Anwartschaft entsprechend den Vormerkungsbescheiden vom 19. April
1996 und 22. August 1996 war zudem jedenfalls - wie oben bereits dargelegt - durch den in diesen Bescheiden
enthaltenen allgemeinen Hinweis darauf eingeschränkt, daß über die Anrechnung und Bewertung der Daten sowie über
die persönliche Anrechnungszeit erst bei Feststellung einer Leistung entschieden werde. Dies gilt um so mehr, als der
Bescheid der Beklagten vom 22. August 1996 zusätzlich den Hinweis enthielt, es seien zum 1. Januar 1997
Änderungen im Rentenrecht geplant; es könnten deshalb die in diesem Feststellungsbescheid ausgewiesenen Zeiten
Änderungen erfahren. Außerdem ist im vorliegenden Fall zu beachten, daß gemessen an dem in der - unverbindlichen
- Rentenauskunft vom 19. April 1996 in Aussicht gestellten Rentenbetrag in Höhe von 1.633,30 DM (brutto) und der
dem Kläger ab 1. Februar 1997 tatsächlich zuerkannten Altersrente in Höhe von monatlich 1.543,91 DM (brutto) der
Unterschied nur bei 5,6 % liegt. Die vom LSG festgestellte effektive Kürzung seiner Rente um 29,9 % erklärt sich
daraus, daß die Beklagte mit Neufeststellungsbescheid vom 4. April 1997 die Tätigkeit des Klägers in Rumänien
(bezüglich der Zeiten von August 1961 bis Juni 1988) höher eingestuft hat. Demgemäß hätte er nach den
Feststellungen des LSG ohne die streitige Kürzung 47,1977 persönliche Entgeltpunkte erzielt, während er infolge der
Kürzung nur noch 33,0815 persönliche Entgeltpunkte erreicht. Im übrigen hat der Kläger auch weder vorgetragen noch
ist sonst ersichtlich, daß er im Vertrauen auf eine bestimmte Höhe der ab 1. Februar 1997 einsetzenden Rente
besondere Dispositionen getroffen (zB den Arbeitsplatz aufgegeben) hätte. Bei einem späteren Rentenbeginn hätte er
jedenfalls - da er vor dem 1. Januar 1937 geboren ist - nicht mit Rentenabschlägen rechnen müssen (§ 41 Abs 1 SGB
VI iVm Anlage 19 idF des WFG).
Für den Kläger ergibt sich nichts anderes aus der Argumentation, im Bereich der Anwartschaften seien zusätzliche
Unterscheidungen nach der jeweiligen Schutzbedürftigkeit zu treffen. Zwar räumt § 109 Abs 1 Satz 1 SGB VI
Versicherten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, den Anspruch auf eine - von Amts wegen zu erteilende -
Auskunft über die Höhe der Anwartschaften ein, die ihnen ohne weitere rentenrechtliche Zeiten als Regelaltersrente
zustehen würden. Damit trägt der Gesetzgeber dem Interesse der Versicherten Rechnung, bei einer gewissen
"Rentennähe" einen Überblick über die voraussichtliche Altersversorgung in zehn Jahren zu erlangen, schon um letzte
Dispositionen im Hinblick auf eine ausreichende Versorgung im Alter vornehmen zu können. Damit wird jedoch nicht
ausgedrückt, daß der Versicherte mit Erreichen des 55. Lebensjahres auch einen besonderen Vertrauensschutz im
Hinblick auf den Bestand der - nach § 109 Abs 4 Satz 2 SGB VI ausdrücklich nicht rechtsverbindlichen - Auskunft
hat. Überdies zeigen § 109 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 Satz 2 SGB VI auf, daß bestimmte Auskünfte auch "jüngeren
Versicherten" erteilt werden können, wenn diese ein berechtigtes Interesse daran haben. Zur Grenzziehung im
Hinblick auf eine gewisse Verfestigung von Rentenanwartschaften taugt die in § 109 Abs 1 SGB VI genannte
Altersgrenze mithin nicht. Andere mögliche Altersgrenzen für eine solche Verfestigung lassen sich dem Gesetz nicht
entnehmen; allenfalls läßt sich innerhalb der Altersrenten (§§ 35 ff SGB VI) differenzieren. Bezogen auf das
Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit und die Voraussetzung der mindestens achtjährigen versicherungspflichtigen
Tätigkeit innerhalb der letzten zehn Jahre hat der 4. Senat des BSG sogar in Zweifel gezogen, ob die 1981 erworbene
Rechtsstellung des dortigen Klägers als eine dem individual-grundrechtlichen Eigentumsschutz unterliegende
"Anwartschaft" auf diese spezielle, ab 1990 beanspruchte Leistung zu qualifizieren sei (BSG Urteil vom 13. Oktober
1992 - 4 RA 10/92 - SozR 3-2200 § 1248 Nr 7 S 26; ebenfalls offengelassen in BVerfG Kammer-Beschluss vom 24.
Januar 1994 - 1 BvR 10/93 - SGb 1994, 227). Mithin ist schon das individuelle Interesse des Klägers auf der "Haben"-
Seite des Vertrauensschutzes nicht besonders intensiv ausgeprägt; er hatte kein Vollrecht auf Rente. Dem stehen als
"Soll" bei der Abwägung gewichtige Interessen des Staates gegenüber (vgl auch BSG Urteil vom 18. April 1996 - 4 RA
36/94 - BSGE 78, 138 = SozR 3-2600 § 71 Nr 1 - zur Modifikation der Anwartschaft auf Regelaltersrente durch
Neubestimmung der Anspruchselemente im Rahmen der sog Gesamtleistungsbewertung).
(dd) Stellt man auf die von der Kürzung betroffenen Zeiten ab, so sprechen maßgeblich folgende Gesichtspunkte
gegen den Vertrauensschutz des Klägers auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage: Der Gesetzgeber hat die
Absenkung der Tabellenwerte des FRG um 40 % bei allen zukünftigen Rentenzugängen unabhängig vom Zeitpunkt
des Zuzugs nicht nur mit dem Zeitablauf (50 Jahre nach Kriegsende) und der veränderten Rechtslage nach der
Wiedervereinigung begründet. Vielmehr sollte diese Kürzungsregelung gerade auch der Erhaltung der Akzeptanz der
Leistungen nach dem FRG dienen (BT-Drucks 13/4610 zu A IV 1 c, S 19). Diese Akzeptanzprobleme waren vor allem
darin zu sehen, daß Aussiedler auch nach der Wiedervereinigung weiterhin prinzipiell nach dem
fremdrentenrechtlichen Grundsatz behandelt wurden, daß frühere Auslandszeiten wie Zeiten, die in der
Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt wurden, behandelt werden, während bei Übersiedlern, die nach dem 18. Mai
1990 in die alten Bundesländer gekommen waren, keine FRG-Leistungen mehr gewährt werden (vgl Schulin,
Gutachten für den 59. Deutschen Juristentag, 1992, E, 124 f mwN). Auch nach der Reform des FRG durch das RÜG
verblieben Akzeptanzprobleme, weil § 22 FRG idF des Art 14 Nr 20b RÜG an der Differenzierung zwischen Aus- und
Übersiedlern festhielt. Soweit Aussiedler in die neuen Bundesländer zogen, wurden sie nach den neuen
Bestimmungen des Fremdrentenrechts dort integriert mit der Folge, daß für sie das niedrigere Rentenniveau des
Beitrittsgebiets maßgeblich war. Fanden sie in den alten Bundesländern Aufnahme, bestimmten sich ihre Leistungen
grundsätzlich nach dem westdeutschen Rentenniveau, das allerdings um 30 % gekürzt wurde. Damit sollten
Aussiedler den Bürgern in strukturschwachen Regionen angeglichen werden (zur Verfassungsmäßigkeit dieser
Regelung vgl BSG Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 5/98 R - SozR 3-5050 § 22 Nr 6). Auch jene gesetzliche
Lösung stieß weithin auf erhebliche Kritik (vgl Ruland, DRV 1991, 518, 529 mwN). Die Bewertung der FRG-Zeiten mit
70 % entsprach einer - bereits oben unter B 1b erwähnten - Forderung des Bundesrats, der "von der Beitragsleistung
her gesehen" eine Besserstellung neu zuziehender Aussiedler gegenüber Übersiedlern nicht für gerechtfertigt hielt und
die Auffassung äußerte, daß bei der Bewertung der FRG-Zeiten nicht das Rentenniveau strukturschwacher Gebiete,
sondern der Kürzungssatz des bereits geltenden Auslandsrentenrechts (§ 113 Abs 3 SGB VI) zugrunde gelegt werden
sollte. Er regte außerdem an, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zusätzlich zu der vorgesehenen Absenkung des
Leistungsniveaus im Fremdrentenrecht eine Begrenzung der erreichbaren Rentenhöhe für Aussiedler vorzusehen, um
eine nicht mehr hinnehmbare Besserstellung von Aussiedlern gegenüber bundesdeutschen Versicherten zu vermeiden
(vgl BT-Drucks 12/630 zu Art 13, 14, S 15 f). An diese Kürzungsregelung des § 22 FRG idF des RÜG und die
dahinterstehenden Überlegungen hat der Gesetzgeber des WFG angeknüpft. Im Zeichen der sich seit 1995
abzeichnenden schwierigen Finanzlage der Rentenversicherung ist er damit nicht nur Sparzwängen gefolgt, sondern er
hat die gebotenen Einschränkungen dort vorgenommen, wo sie aufgrund der gegebenen Verhältnisse am ehesten
erträglich und vertretbar erschienen, weil insoweit - im Bereich des FRG - im Vergleich zu anderen Versicherten nur
schwer verständliche Vergünstigungen bestanden (vgl auch BVerfG Beschluss vom 30. September 1987 - 2 BvR
933/82 - BVerfGE 76, 256, 358 mwN). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn er neben anderen
Einsparungsmaßnahmen, beispielsweise der Begrenzung der Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung, die
Bewertung der FRG-Zeiten begrenzt hat.
Dem kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, der gesetzgeberische Ansatz des WFG, nämlich die
Stärkung des Prinzips der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Renten, könne eine Kürzung der FRG-Zeiten nicht
rechtfertigen. Zwar trifft § 55 SGB VI keine Unterscheidung zwischen Pflichtbeitragszeiten nach Bundesrecht und
solchen Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (Satz 2 der Vorschrift).
Hierunter fallen insbesondere Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI), aber auch fingierte Pflichtbeiträge beim Bezug
von Sozialleistungen (§ 176 Abs 3 SGB VI) sowie Zeiten eines glaubhaft gemachten Abzugs des Beitragsanteils vom
Arbeitsentgelt (§ 203 Abs 2 SGB VI; vgl VerbandsKomm, SGB VI, Stand 1. Juli 1994, § 55 RdNr 6); aber auch
Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach den §§ 15, 16 FRG haben die gleiche Rechtsqualität wie nach Bundesrecht
zurückgelegte Zeiten (BSG Urteile vom 16. Oktober 1981 - 5b/5 RJ 48/80 - SozR 2200 § 1251 Nr 89, S 240 - zur
Konkurrenz zwischen Beitrags- und Ersatzzeit - und vom 16. Dezember 1993 - 13 RJ 13/92 - BSGE 74, 1 = SozR 3-
5050 § 15 Nr 6 - zur Wehrdienstzeit; vom 29. April 1997 - 4 RA 123/95 - SozR 3-5060 Art 6 § 4 Nr 3 S 25; Niesel in
Kasseler Komm, Stand August 1995, § 55 RdNr 9). An der Rechtsqualität der FRG-Zeiten als (fiktiven) Beitragszeiten
ändert indessen die Berechnungsvorschrift des § 22 Abs 4 FRG als solche nichts. Betroffen ist allein der Wert des
Rentenrechts. Durch die Multiplikation der maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 wird der Wert des
Anwartschaftsrechts des Klägers nicht in einer Weise betroffen ("ausgehöhlt"), daß von einer völligen Entwertung der
FRG-Zeiten als Beitragszeiten gesprochen werden könnte.
Maßgebliches Kriterium für die Frage der Zulässigkeit des Einschnitts in den Wert des Anwartschaftsrechts durch
Änderung der Berechnungsfaktoren ist daher die Verhältnismäßigkeit der Mittel. Bei diesem Kriterium ist jedoch die
Qualität der Fremdrenten als "versicherungsfremde Leistungen" (zu diesem Begriff vgl BSG Urteil vom 29. Januar
1998 - B 12 KR 35/95 R - BSGE 81, 276, 279 = SozR 3-2600 § 158 Nr 1 S 1, 4) zu berücksichtigen, die die
Versicherungsträger aus dem allgemeinen Beitragsaufkommen zu erfüllen haben (vgl Preis/Steffan, ZRP 1991, 12,
15; Frerich/ Frey in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 3 Rentenversicherungsrecht, 1999, § 2
RdNrn 83 ff). Erst mit der späteren Einfügung der §§ 213 Abs 3, 291b SGB VI durch Art 1 Nrn 3c und 5 des Gesetzes
zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember
1997 (BGBl I 3121) mit Wirkung zum 1. April 1998 (Art 9 Abs 1 des Gesetzes) hat der Gesetzgeber nämlich die
Grundlage dafür geschaffen, daß der Bund - mittels eines "zusätzlichen" Bundeszuschusses - den
Rentenversicherungsträgern ua die Aufwendungen für Leistungen nach dem Fremdrentenrecht voll erstattet. Erst von
diesem Zeitpunkt an wurden die Bundeszuschüsse auch variabel ausgestaltet, dh sie verändern sich jährlich gemäß §
213 Abs 2 Satz 2 SGB VI im Verhältnis einer Änderung des Beitragssatzes ("allgemeiner" Bundeszuschuß) bzw
gemäß § 213 Abs 3 Satz 3 SGB VI - ab dem Jahre 2000 - entsprechend der Veränderungsrate der Steuern vom
Umsatz (zusätzlicher Bundeszuschuß). Zuvor - und damit auch im Zeitpunkt der streitigen Kürzung durch das WFG -
gab es lediglich den "allgemeinen", nicht an besondere (versicherungsfremde) Aufwendungen der Leistungsträger
gekoppelten Bundeszuschuß. Nicht auf Beiträgen beruhende Leistungen machten bezogen auf das Rentenvolumen
insgesamt 34,3 % aus, wovon nur 20,0 % vom Bundeszuschuß abgedeckt waren (vgl "Abschätzung der
versicherungsfremden Leistungen im Rentenvolumen des Jahres 1995 (AR und AV, Ost und West) des VDR", in:
Fakten und Argumente, Heft Nr 5/1997, S 10; Schmidt/Thiede in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts,
Bd 3 Rentenversicherungsrecht, § 48 RdNr 79; Schmidt/Genzke in: Schulin, aaO, § 50 RdNr 19). Innerhalb der
versicherungsfremden Leistungen nahmen die FRG-Zeiten im Jahre 1995 - dem Jahre vor Erlaß des WFG - mit
immerhin 10.073 Mio DM einen vorderen Platz ein; ihr Anteil machte bezogen auf das Rentenvolumen insgesamt 3,4
% aus, bezogen auf alle versicherungsfremden Leistungen 9,9 %. Mithin fand auch durch eine Begrenzung der
Ausgaben für Fremdrenten nicht - wie vom Kläger behauptet - nur eine Umverteilung innerhalb zweier "Töpfe" des
Bundeshaushaltes statt, sondern eine spürbare Entlastung des Beitragszahlers. Läßt sich schon eine "Ersparnis"
beim Bundeszuschuß durch Einschränkungen bei den Fremdrentenleistungen nicht beziffern, so kann erst recht nicht
- mit dem Kläger - argumentiert werden, die Kürzungen hätten einen Anstieg von Ausgaben im Sozialhilfebereich "in
gleicher Höhe" bewirkt.
Daß die Neuregelung des FRG durch das WFG auch tatsächlich zur Funktionserhaltung und Leistungsfähigkeit des
Systems der gesetzlichen Rentenversicherung beigetragen hat und beiträgt, belegen die - oben aufgeführten - Zahlen,
die das BMA dem Senat auf Nachfrage am 3. August 1999 und 16. September 1999 zur Verfügung gestellt hat. Die
Einsparungen sind jedenfalls nicht so unbedeutend, daß mit der erforderlichen Evidenz davon ausgegangen werden
könnte, der angestrebte Erfolg hätte mit weniger einschneidenden Mitteln erreicht werden können (vgl insoweit BVerfG
Beschlüsse vom 15. Juli 1987 - 1 BvR 488/86 ua - BVerfGE 76, 220, 241, 245 = SozR 4100 § 242b Nr 3 S 9, 14, 17;
vom 30. September 1987 - 2 BvL 933/82 - BVerfGE 76, 256, 359).
(ee) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bedurfte es auch keiner schonenderen Übergangsregelung für die sog
rentennahen Jahrgänge, zu denen der Kläger zählt. Bei der Ausgestaltung einer Übergangsregelung kommt dem
Gesetzgeber ebenfalls ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Zwischen der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung
des neuen Rechts und dem ungeschmälerten Fortbestand begründeter subjektiver Rechtspositionen sind vielfache
Abstufungen denkbar. Dabei ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erst dann verletzt, wenn die gesetzgeberischen
Maßnahmen bei Abwägung einerseits ihrer Schwere für den Betroffenen und andererseits der sie rechtfertigenden
Gründe die Grenze des Zumutbaren überschreiten (vgl BVerfG Beschlüsse vom 1. Juli 1981 - 1 BvR 874/77 ua -
BVerfGE 58, 81, 124 f = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 9, 20 f; vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76,
256, 360; Kammer-Beschluss vom 22. Oktober 1993 - 1 BvR 1124/93 - NJW 1994, 1718 mwN).
Diese Zumutbarkeitsgrenze wird von der neuen Übergangsregelung des Art 6 § 4c FANG in der ab 7. Mai 1996
geltenden Fassung nicht überschritten. Die Übergangsregelung schützt einerseits die Bestandsrenten, andererseits
die vor dem Tag der Kabinettsentscheidung über das WFG (7. Mai 1996) Zugezogenen, die vor dem 1. Oktober 1996
ihre Rente erhalten, deren Rentenbeginn also am Tag der Verkündung des WFG (27. September 1996) unmittelbar
bevorstand; sie werden von der 40 %igen Kürzung ausgenommen. Da die Regelung insgesamt aber schnell
umgesetzt werden sollte, um die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen
Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten und veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen, ist die
für alle übrigen Betroffenen übergangslose 40 %ige Kürzung der FRG-Zeiten diesen trotz ihrer Härte im Hinblick auf
das wichtige Gemeinschaftsgut der Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung zumutbar
(vgl Bertuleit, DRV 1999, 345, 356). Insbesondere kann nicht - wie der Kläger meint - eingewendet werden, der
Gesetzgeber hätte sein Sparziel auch durch Kürzungen für rentenfernere Jahrgänge erreichen können, denen noch
Dispositionen für eine zusätzliche Alterssicherung möglich gewesen wären. Denn dann wären die Einsparungen erst in
weiter Ferne eingetreten und hätten nicht, wie erforderlich, bereits in den Jahren ab 1997 bis 2000 deutlich
ausgabensenkend gewirkt (vgl dazu auch Müller, DRV 1997, 78, 91, 92).
Außerdem ist zu berücksichtigen, daß durch die angegriffenen Regelungen des § 22 Abs 4 FRG iVm Art 6 § 4c FANG
zwar der Wert der Anwartschaft gemindert wird, indem die nach den Absätzen 1 und 3 maßgeblichen Entgeltpunkte
(also nicht alle FRG-Zeiten) um 40 % ihres Vollwerts abgesenkt werden. Doch diese Kürzung der Entgeltpunkte nach
§ 22 Abs 4 FRG idF des WFG wirkt sich kaum jemals in Höhe von 40 % aus, wie der Multiplikationsfaktor 0,6 glauben
machen könnte. Selbst bei Versicherten, wie dem Kläger, die nur einen kleinen Teil ihres Berufslebens in der
Bundesrepublik Deutschland verbracht und hier Rentenversicherungsbeiträge entrichtet haben, ist die Höhe der
Altersversorgung insgesamt nur zum Teil betroffen (Einbuße beim Kläger rund 30 %, s oben). Abgemildert wird der
Eingriff in die durch das FRG eingeräumte Rechtsstellung zudem - wie dies beim Kläger deutlich wird - durch die
gesetzliche Regelung der Rente nach Mindesteinkommen, wonach der Entgeltpunktwert von 0,0625/Monat nicht
unterschritten werden darf, wenn mindestens 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten vorhanden sind (§ 262 Abs 1 Satz
1 SGB VI). Dies erklärt auch, weshalb die höhere Einstufung der Tätigkeit des Klägers in Rumänien (vgl Bescheid
vom 4. April 1997) auf die Rentenhöhe im Ergebnis keinen Einfluß hatte.
Das neue Recht führt für Aussiedler - auch im Falle des Klägers - zu angemessenen Ergebnissen. Denn sie
entsprechen insbesondere einem abgestuften Vertrauensschutz: Die Aussiedler werden typischerweise um so stärker
betroffen, je kürzer der Zeitraum ihres Aufenthalts im Bundesgebiet ist und um so weniger, je länger sie schon die
Möglichkeit hatten, im Bundesgebiet Wertschöpfung zu betreiben, dh nicht nur Beiträge zur deutschen
Rentenversicherung zu entrichten, sondern auch in anderer Weise - zB durch Erwerb von Grundeigentum -
Altersvorsorge zu betreiben. Zudem gewährleistet die Rente nach Mindesteinkommen einen angemessenen
Härteschutz.
Die weitere Frage, wie sich andere Rechtsänderungen im Zuge des WFG im Bereich des Rentenrechts in Kombination
mit der Kürzungsvorschrift des § 22 Abs 4 FRG auswirken, bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung. Denn die
Minderung der errechneten Entgeltpunkte ergibt sich hier allein aus der Kürzung nach § 22 Abs 4 FRG.
3. Die zur Prüfung gestellte Norm des § 22 Abs 4 FRG iVm Art 6 § 4c FANG idF des WFG verstößt auch nicht gegen
den allgemeinen Gleichheitssatz.
Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleichzubehandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings
nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von
Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine
Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten
(vgl BVerfG Urteil vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 ua - BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 1, 7; Beschlüsse
vom 11. Januar 1995 - 1 BvR 892/88 - BVerfGE 92, 53, 68 f = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 17, 19 und vom 12.
November 1996 - 1 BvL 4/88 - BVerfGE 95, 143, 154 f; stRspr). Entsprechendes gilt für eine Gleichbehandlung von
wesentlich Ungleichem (BVerfG Beschluss vom 13. Mai 1986 - 1 BvL 55/83 - BVerfGE 72, 141, 150 = SozR 2200 §
1265 Nr 78 S 257, 258). Geht es um die Gleich- oder Ungleichbehandlung von Personengruppen, unterliegt die
Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers regelmäßig einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse und
wird nicht nur durch das Willkürverbot begrenzt (BVerfG Beschluss vom 26. Januar 1993 - 1 BvL 38/92 ua - BVerfGE
88, 87, 96 f). Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist allerdings weiter bemessen, wenn Regelungen zur
Beseitigung der beim Zusammenbruch des Deutschen Reiches vorhandenen Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand
und zur Beseitigung sonstiger Kriegsfolgelasten betroffen sind (BVerfG Beschlüsse vom 11. Dezember 1962 - 2 BvL
2/60 ua - BVerfGE 15, 167, 201; vom 15. Dezember 1970 - 1 BvR 208/65 - BVerfGE 29, 413, 430; vom 26. Februar
1980 - 1 BvR 195/77 - BVerfGE 53, 164, 178 = SozR 2200 § 1318 Nr 5 S 7, 12; vom 22. Oktober 1985 - 1 BvL 2/82 -
BVerfGE 71, 66, 76 = SozR 2200 § 1319 Nr 5 S 11). Dies gilt insbesondere für sozialrechtliche Normen, deren
Ursprung mit dem Zusammenbruch des Deutschen Reichs im Zusammenhang steht. Denn dabei stand die
Bundesrepublik Deutschland vor sozialen Aufgaben, die nach Art und Ausmaß ohne Parallele waren (BVerfG
Beschlüsse vom 26. Februar 1980 - 1 BvR 195/77 - BVerfGE 53, 164, 178 = SozR 2200 § 1318 Nr 5 S 7, 12 und vom
12. November 1996 - 1 BvL 4/88 - BVerfGE 95, 143, 155).
Soweit der Kläger rügt, die Kürzung der nach dem FRG erworbenen Anwartschaften um 40 % beinhalte eine
Ungleichbehandlung im Vergleich zu den Bürgern des Beitrittsgebiets und den Übersiedlern aus der ehemaligen DDR
insoweit, als dadurch der betragsmäßige Wert dieser Anwartschaften den Betrag unterschreite, der sich daraus bei
ungekürzten Entgeltpunkten und Anwendung des Rentenwertes "Ost" ergeben würde, berücksichtigt der Kläger nicht,
daß es für diese Unterscheidung sachliche Gründe gibt. So hat der 13. Senat des BSG in seinem Urteil vom 9.
September 1998 (- B 13 RJ 5/98 R - SozR 3-5050 § 22 Nr 6) bereits ausgeführt, daß zwar auch Versicherte, die ihr
Arbeitsleben im Beitrittsgebiet verbracht hätten, regelmäßig keine Beiträge zu bundesdeutschen
Rentenversicherungsträgern vorweisen könnten, diese aber durch die deutsche Einigung in die hiesige
Solidargemeinschaft einbezogen worden seien; in diesem Zusammenhang habe sich die Bundesrepublik Deutschland
zudem verpflichtet, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter im Beitrittsgebiet an diejenigen in den übrigen
Ländern auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen (Art 30 Abs 5 Satz 3 EinigVtr). Das Urteil des BVerfG
vom 28. April 1999 (- 1 BvL 32/95 ua - BVerfGE 100, 1, 37 f = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 31, 51 f) macht schließlich
deutlich, daß erst die mit Art 20 des Staatsvertrages eingeleitete Entwicklung zur Übernahme der in der DDR
erworbenen Rechtspositionen und ihrer Anerkennung in Anl II Kap VIII Sachgeb H Abschn III Nr 9 Buchst b EinigVtr
geführt hat.
Die vom Kläger beanstandete Kürzung verletzt den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG auch unter einem anderen
Aspekt nicht: Wie oben zu B 1 ausgeführt, garantiert das Sozialstaatsgebot des Art 20 Abs 1 GG keinen Anspruch
auf eine bestimmte Höhe von Sozialleistungen; allein das Existenzminimum iS der Sozialhilfe muß gewährleistet sein.
Daher wird auch Aussiedlern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt ab dem 7. Mai 1996 in der Bundesrepublik
Deutschland genommen haben oder noch nehmen, gemäß § 22b Abs 1 FRG der Rentenanteil aus Zeiten nach dem
FRG nur noch in einer Höhe (höchstens 25 Entgeltpunkte) gewährt, die sich an der Höhe der Eingliederungshilfe
orientiert (vgl BT-Drucks 13/4610 zu Art 3, 4 (§ 22b), S 28). Die Eingliederungshilfe für arbeitslose Spätaussiedler (§
418 SGB III) wiederum wird sechs Monate gewährt (§ 421 Abs 1 Nr 2 SGB III) und bemißt sich nach den Vorschriften
über die Arbeitslosenhilfe (§ 421 Abs 1 SGB III), und zwar nach einem Arbeitsentgelt in Höhe von 60 % der
Bezugsgröße (§ 421 Abs 1 Nr 1 SGB III, § 18 SGB IV). Diese Orientierung an der Höhe der Eingliederungshilfe hat
der Gesetzgeber - wie die Kürzung, von der der Kläger betroffen ist - ebenfalls damit begründet, daß das Ziel der
Fremdrentengesetzgebung, die Vertriebenen und Spätaussiedler, die infolge der Auswirkungen des Zweiten
Weltkrieges ihre soziale Sicherung in den Herkunftsgebieten verloren hätten, in das Rentenversicherungssystem der
Bundesrepublik Deutschland einzugliedern, weitgehend erreicht worden sei. Über 50 Jahre nach Kriegsende und
wegen Überwindung der deutschen und europäischen Teilung sei eine unveränderte Beibehaltung der für einen
Übergangszeitraum konzipierten, ein hohes Rentenniveau sichernden Regelung sachlich nicht mehr zu rechtfertigen
(BT-Drucks 13/4610 zu A IV 1 c, S 19). Der Gesetzgeber hat damit hinreichende Gründe angeführt, das Abgehen vom
Eingliederungsprinzip sachlich zu rechtfertigen. Denn mit der Herstellung der staatlichen Einheit in Deutschland waren
die Gründe entfallen, die das Eingliederungsprinzip bis zu diesem Zeitpunkt getragen und gerechtfertigt hatten (vgl
auch BVerfG Beschluss vom 12. November 1996 - 1 BvL 4/88 - BVerfGE 95, 143, 157). Der Gesetzgeber hat bewußt
einen Systemwechsel vom rentenversicherungsrechtlichen Eingliederungsprinzip zum "Prinzip der Grundsicherung"
(oder Prinzip des "sozialen Ausgleichs") vollzogen. Es ist deshalb im Hinblick auf das verfassungsrechtliche
Gleichheitsgebot des Art 3 Abs 1 GG nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber in diesen Systemumbruch auch
solche Berechtigte - wie den Kläger - in eine (angemessene) Rentenabsenkung einbezogen hat, die aufgrund ihres
Zuzugs vor dem 1. Januar 1991 bislang von einer Wertreduzierung ausgenommen waren.
Bei einer Übergangsregelung wie Art 6 § 4c FANG sind Ungleichheiten, die sich durch einen Stichtag ergeben,
hinzunehmen, wenn die Einführung eines solchen notwendig und die Wahl des Zeitpunkts, orientiert am gegebenen
Sachverhalt, damit sachlich vertretbar ist (BVerfG Beschlüsse vom 1. Juli 1981 - 1 BvR 874/77 ua - BVerfGE 58, 81,
126 f = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 9, 22 und vom 8. April 1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78, 106 = SozR
2200 § 1246 Nr 142 S 459, 467 f; Urteile vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 ua - BVerfGE 87, 1, 43 = SozR 3-5761 Allg
Nr 1 S 1, 12 und vom 23. November 1999 - 1 BvF 1/94 - Umdruck S 47). Aus den - oben dargestellten - Gründen einer
notwendigen, möglichst rasch greifenden Verbesserung der Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung konnte
der Gesetzgeber den Bestandsrenten den Vorzug vor dem Schutz der Rentenanwartschaften geben (vgl BVerfG
Beschluss vom 1. Juli 1981 - 1 BvR 874/77 ua - BVerfGE 58, 81, 127 = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 9, 22; vom 8.
April 1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78, 106 = SozR 2200 § 1246 Nr 142 S 459, 467 f). Die
Besitzschutzregelung für Personen, deren Rente nach dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen vom
9. Oktober 1975 zu berechnen ist (Art 6 § 4 Abs 5 FANG idF des WFG), steht hierzu in keinem Widerspruch, sondern
erklärt sich aus der besonderen Rechtsstellung der Abkommens-Berechtigten und den Regelungen des internationalen
Vertragsrechts (Moser, Kompaß 1996, 499). Der gewählte Zeitpunkt hat seinen sachlichen Grund - wie bereits oben
dargestellt - in der Kabinettsentscheidung über die Einbringung des WFG und der entsprechenden Unterrichtung der
Öffentlichkeit am nächsten Tag (8. Mai 1996 - Polster, DRV 1997, 63, 67; Becker, Nbl LVA BA 1997, 151, 160;
Podlech/Azzola/Dieners, RV 1998, 177, 194).
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Umstellung auf eine andere Bewertung von
versicherungsrechtlich relevanten Zeiten für ältere Aussiedler, wie den Kläger, einschneidend und damit belastender
ist als für jüngere Versicherte, die sich zeitlich besser auf das neue Recht einstellen können (vgl hierzu entsprechend
BVerfG Kammer-Beschluss vom 12. Februar 1987 - 1 BvR 79/86 - SozR 5750 Art 2 § 18 Nr 1 S 1, 3 - zur
Stichtagsregelung betreffend das Hinterbliebenenrentenrecht; BSG Urteil vom 18. April 1996 - 4 RA 36/94 - BSGE 78,
138, 148 = SozR 3-2600 § 71 Nr 1 S 1, 12 - zur sog Gesamtleistungsbewertung). Mit einem anderen, die
schutzwürdigen Interessen der Betroffenen weniger berührenden Mittel hätte der Gesetzgeber nicht sachlich
denselben Erfolg erreichen können. Unerheblich ist, ob eine für den Personenkreis, zu dem der Kläger gehört,
schonendere Überleitung (zB durch eine Stufung des Kürzungsfaktors) sozialpolitisch erwünscht gewesen wäre.
Darüber ist hier nicht zu entscheiden. Denn bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem
Gleichheitssatz hat das zuständige Gericht nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder
gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit
eingehalten hat (vgl BVerfG Beschlüsse vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256, 330; vom 19.
Februar 1991 - 1 BvR 1231/85 - BVerfGE 83, 395, 401; ebenso BSG Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 5/98 R -
SozR 3-5050 § 22 Nr 6 zu § 22 Abs 4 FRG idF des RÜG). Dies ist nach Auffassung des erkennenden Senats
bezogen auf die angegriffenen Regelungen des § 22 Abs 4 FRG iVm Art 6 § 4c FANG idF des WFG der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.