Urteil des BSG vom 03.07.2013

BSG: treu und glauben, versicherungspflicht, verwaltungsakt, bekanntgabe, änderung der verwaltungspraxis, beginn der frist, rücknahme, versicherungsträger, unrichtigkeit, verwirkung

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 3.7.2013, B 12 KR 8/11 R
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom
17. Februar 2011 und des Sozialgerichts Speyer vom 27. November 2009 aufgehoben.
Der Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.
August 2007 wird aufgehoben.
Die Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1. und 4. tragen die notwendigen außergerichtlichen
Kosten des Klägers in allen Rechtszügen als Gesamtschuldner. Im Übrigen sind Kosten nicht zu
erstatten.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der beklagten Krankenkasse als
Einzugsstelle, einen Bescheid über die Feststellung des Nichtbestehens von
Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung aufzuheben.
2 Der Kläger war von 1981 bis 30.9.2000 bei der A. KG tätig, deren Gesellschafter seine
Eltern waren. Auf seinen Antrag stellte die Beklagte durch Bescheid vom 5.7.2005 unter der
Überschrift "Prüfung der Versicherungspflicht" fest, dass er seine Tätigkeit ab 1.7.1986 als
Selbstständiger und damit nicht versicherungspflichtig ausgeübt habe. Nach der durch
Schreiben vom 6.2.2006 korrigierten Begründung sah sie dafür als ausschlaggebend an,
dass er nicht an Weisungen der Betriebsinhaber gebunden gewesen sei, über seine
Tätigkeit habe frei bestimmen können und auf Gehaltsteile verzichtet habe. Mit Antrag vom
18.8.2005 begehrte der Kläger bei der Beklagten die Erstattung seiner zu Unrecht
gezahlten Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Mit
Schreiben vom 17.2.2006 übersandte die Beklagte dem Rentenversicherungsträger
(Beigeladene zu 1.) den Erstattungsantrag sowie eine Kopie des Bescheides vom 5.7.2005,
nachdem der Kläger zuvor einen gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch
zurückgenommen hatte. Gegen den Bescheid vom 5.7.2005 erhob die Beigeladene zu 1.
am 19.2.2007 Klage zum SG Berlin. Die Beklagte nahm ihren Bescheid vom 5.7.2005 im
Laufe dieses Klageverfahrens zurück und stellte stattdessen fest, dass der Kläger im
streitigen Zeitraum als Beschäftigter der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- (ab
1.1.1995), und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen
habe (Bescheid vom 24.7.2007; Widerspruchsbescheid vom 30.8.2007). Das SG Berlin
behandelte den Rechtsstreit daraufhin als erledigt, weil er durch ein von der (hiesigen)
Beigeladenen zu 1. angenommenes "Anerkenntnis" der Beklagten beendet worden sei.
3 Die sodann vom Kläger gegen Rücknahmebescheid und Widerspruchsbescheid der
Beklagten beim SG Speyer erhobene Klage ist in erster und zweiter Instanz erfolglos
geblieben (Urteil des SG vom 27.11.2009; Urteil des LSG vom 17.2.2011). Das LSG hat
darauf abgestellt, dass die Beklagte den Bescheid vom 5.7.2005 nach § 45 SGB X habe
zurücknehmen dürfen, weil er von Anfang an wegen der Beurteilung der Tätigkeit des
Klägers als selbstständig rechtswidrig gewesen sei. Der Kläger könne sich mit Blick auf §
49 SGB X nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen. Die Anfechtungsklage der
Beigeladenen zu 1. gegen den mit einer unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung
versehenen Bescheid sei rechtzeitig erhoben worden, da für die Beigeladene gem § 66 Abs
2 S 1 SGG eine Frist von einem Jahr seit der ihr gegenüber am 23.2.2006 erfolgten
Bekanntgabe des Bescheides vom 5.7.2005 gegolten habe. Diese Regelung sei nicht nach
den Grundsätzen von Treu und Glauben oder wegen Verwirkung unanwendbar. Insoweit
reiche es nicht aus, dass die Einzugsstellen Rentenversicherungsträgern bei
Entscheidungen über die Versicherungspflicht üblicherweise keine Rechtsbehelfs- bzw
Rechtsmittelbelehrung erteilten, selbst wenn diese Verfahrensweise zwischen den
beteiligten Sozialversicherungsträgern ausdrücklich so vereinbart worden sei. Dies
begegne zwar Bedenken, jedoch müsse die Nichtanwendung von § 66 Abs 2 S 1 SGG auf
besondere, hier nicht vorliegende Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Es sei auch
unschädlich, dass die Beklagte kein Rücknahmeermessen ausgeübt habe. In Verfahren, in
denen es um die Feststellung von Versicherungspflicht gehe, sei das Ermessen der
Einzugsstelle hinsichtlich der Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheides regelmäßig auf
Null reduziert. Vertrauensschutzgesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen
könnten, seien nicht ersichtlich.
4 Mit seiner Revision wendet sich der Kläger gegen die vorinstanzlichen Urteile. Er rügt
sinngemäß eine Verletzung der §§ 45, 49 SGB X durch das LSG und macht
Verfahrensmängel geltend. Die Rücknahme des Bescheides vom 5.7.2005 durch die
Beklagte sei - entgegen der Ansicht des LSG - rechtswidrig gewesen, weil sich die Beklagte
zu Unrecht auf dessen angeblich fehlende Bestandskraft berufe und die gesetzlichen
Rücknahmevoraussetzungen nicht vorlägen. Zunächst habe sich die Drittanfechtung des
Bescheides vom 5.7.2005 durch die Beigeladene zu 1. - unter dem Blickwinkel der
Klagebefugnis - zulässig nur auf die Rentenversicherungspflicht beziehen können. Zudem
habe die Beigeladene zu 1. ihre Klage verspätet erhoben, weil als Beginn für die
einmonatige Klagefrist der Zugang des Erstattungsantrags vom 18.8.2005 bei der
Beklagten entscheidend sei. Die Jahresfrist des § 66 Abs 2 SGG gelte nicht, weil sich die
Beigeladene zu 1. nicht darauf berufen dürfe, dass die Rechtsbehelfsbelehrung des
Bescheides vom 5.7.2005 falsch gewesen sei. Sie habe in einer "Gemeinsamen
Verlautbarung zur Behandlung von Beitragsbescheiden durch die am gemeinsamen
Beitragseinzug beteiligten Versicherungsträger vom 29.3.2001" und in einem
"Rundschreiben an die Leistungsabteilungen von März 2006" ausdrücklich auf die Erteilung
einer Rechtsbehelfsbelehrung verzichtet und den Mangel einer fehlerhaften Rechtsbehelfs-
bzw Rechtsmittelbelehrung auf diese Weise selbst herbeigeführt. Die Beigeladene zu 1. sei
deshalb hier mit einem Anfechtungsrecht ausgeschlossen. Sie habe spätestens am
23.2.2006 Kenntnis von den Umständen des Falles erlangt, sich dann aber gleichwohl mit
ihrer Klage ca ein Jahr Zeit gelassen. Die Beklagte habe auch ihr Aufhebungsermessen
fehlerhaft ausgeübt, weil sie das Verhalten der Versicherungsträger gänzlich
unberücksichtigt gelassen habe. Insgesamt sehe er (der Kläger) sich "arglistiger
Behördenwillkür" ausgesetzt. Dem LSG seien zudem Verfahrensfehler anzulasten.
5 Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Februar 2011 und des
Sozialgerichts Speyer vom 27. November 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.
Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2007 aufzuheben.
6 Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1. und zu 2. beantragen sinngemäß,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
7 Sie verteidigen das Urteil des LSG, ebenso die Beigeladene zu 4.
8 Die Beigeladene zu 3. hat sich nicht geäußert.
9 Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche
Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
10 Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Die Urteile der Vorinstanzen können
ebenso wie die angefochtenen Bescheide keinen Bestand haben.
11 Zu Unrecht hat das SG die Anfechtungsklage abgewiesen und hat das LSG die Berufung
des Klägers zurückgewiesen. Der Bescheid der beklagten Krankenkasse vom 24.7.2007
und der Widerspruchsbescheid vom 30.8.2007, die sie in ihrer Eigenschaft als
Einzugsstelle erließ und welche allein den Streitgegenstand des Revisionsverfahrens
bilden, erweisen sich als rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Die
Bescheide sind - entgegen den Ausführungen in den vorinstanzlichen Urteilen -
rechtswidrig, weil die Beklagte ihren ursprünglichen Bescheid vom 5.7.2005, der die
Versicherungspflicht des Klägers als Beschäftigter in den Zweigen der Sozialversicherung
ab 1.7.1986 verneinte (wegen dessen anzunehmender Selbstständigkeit), nicht in
Einklang mit dem Recht zurücknahm.
12 1. Die mit den angefochtenen Bescheiden der Beklagten erfolgte Rücknahme ihres
Bescheides vom 5.7.2005 ist rechtswidrig.
13 Dabei kann offenbleiben, ob dieser ursprüngliche Bescheid rechtswidrig oder rechtmäßig
war, weil sich die Beklagte für die Rücknahme des Bescheides - bei unterstellter
Rechtswidrigkeit - jedenfalls zu Unrecht auf § 45 Abs 1 SGB X stützte; denn sie ließ in den
angefochtenen Bescheiden die für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender
Verwaltungsakte geltenden und hier einschlägigen Einschränkungen nach § 45 Abs 2 bis
4 SGB X unbeachtet (dazu a). Die Nichtheranziehung dieser Einschränkungen lässt sich
entgegen der Ansicht des LSG nicht auf § 49 SGB X stützen; dies beruht darauf, dass die
von der Beigeladenen zu 1. (Rentenversicherungsträger) gegen den Bescheid der
Beklagten vom 5.7.2005 vor dem SG Berlin (erst) am 19.2.2007 erhobene Klage
unzulässig war (dazu im Einzelnen b). Die Unzulässigkeit resultierte daraus, dass die
Klage über die - die Belange der Beigeladenen zu 1. allein berührende -
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung hinaus auch die
Versicherungspflicht in den anderen Zweigen der Sozialversicherung betraf; ferner war die
beim SG Berlin von der Beigeladenen zu 1. erhobene Klage verfristet, mit der Folge, dass
die Regelungen des § 45 Abs 2 bis 4 SGB X nicht wegen § 49 SGB X zu Lasten des
Klägers suspendiert waren.
14 a) Das LSG hat im Ausgangspunkt zu Recht § 45 Abs 1 SGB X als Rechtsgrundlage für
die angefochtenen Bescheide herangezogen.
15 Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil
begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er
unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die
Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit er rechtswidrig ist, allerdings nur unter
den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 des § 45 SGB X. Gemäß § 49 SGB X gelten jedoch
ua § 45 Abs 1 bis 4 SGB X nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem
Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des sozial- oder
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch
abgeholfen oder der Klage stattgegeben wird. Auch wenn nach dem Wortlaut von § 49
SGB X auch Abs 1 des § 45 SGB X ebenfalls von dessen Geltung ausgenommen ist,
nimmt die Rechtsprechung des BSG an, dass § 45 Abs 1 SGB X gleichwohl
Rechtsgrundlage für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Bescheide in
Drittwiderspruchs- und -klagefällen bleibt, und durch § 49 SGB X lediglich die Prüfung der
Vertrauensschutz- und Fristvorschriften (§ 45 Abs 2 bis 4 SGB X) ausgeschlossen wird
(vgl BSGE 84, 136, 145 = SozR 3-2400 § 28h Nr 9 S 38; BSG SozR 4-2600 § 243 Nr 4
RdNr 61 mwN). Dem folgt auch der erkennende Senat.
16 b) Entgegen der Auffassung des LSG greifen im vorliegenden Fall zugunsten des Klägers
die in § 45 Abs 2 bis 4 SGB X geregelten Einschränkungen ein. Diese sind hier nicht
durch die Anwendung von § 49 SGB X ausgeschlossen.
17 aa) Zwar wurde der ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 5.7.2005 von der
Beigeladenen zu 1. - die als Rentenversicherungsträger Dritter im Sinne dieser Vorschrift
sein kann (vgl BSGE 84, 136, 139 = SozR 3-2400 § 28h Nr 9 S 31) - durch die am
19.2.2007 zum SG Berlin erhobene Klage angefochten. Zu den Voraussetzungen für das
Eingreifen des § 49 SGB X und die einschränkungslose Möglichkeit zur Rücknahme eines
vorangegangenen Bescheides gehört es allerdings auch, dass die Anfechtung des
zurückgenommenen Bescheides mittels Widerspruch oder Klage überhaupt die
gesetzlichen Zulässigkeitsanforderungen erfüllt (vgl zB BSGE 84, 136, 143 = SozR 3-2400
§ 28h Nr 9 S 35; BSGE 89, 119, 120 = SozR 3-3870 § 2 Nr 2 S 10 mwN). Daran fehlte es
hier, denn die Klage der Beigeladenen zu 1. war unzulässig.
18 bb) Die Unzulässigkeit der von der Beigeladenen zu 1. beim SG Berlin erhobenen
Anfechtungsklage folgt hinsichtlich der Frage der Versicherungspflicht des Klägers in der
gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung sowie im Recht der
Arbeitsförderung bereits daraus, dass sie als Rentenversicherungsträger gegen einen
Verwaltungsakt der Einzugsstelle gemäß § 28h Abs 2 S 1 SGB IV nur hinsichtlich ihres
eigenen sachlichen Zuständigkeitsbereichs, dh hinsichtlich der Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Rentenversicherung klagebefugt war (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - USK
2011, 124; BSGE 84, 136, 139 = SozR 3-2400 § 28h Nr 9 S 31).
19 cc) Die Klage der Beigeladenen zu 1. war darüber hinausgehend hinsichtlich der
Versicherungspflicht in gesetzlichen Rentenversicherung unzulässig, weil sie nicht den
Anforderungen von § 87 Abs 1 S 1, §§ 66, 67, 78 Abs 1 S 2 Nr 3 SGG entsprechend
fristgemäß erhoben wurde.
20 (1) Ob die Klage eines von einem Verwaltungsakt betroffenen Dritten innerhalb einer
bestimmten Frist erhoben werden muss, richtet sich zunächst danach, ob ihm der
Verwaltungsakt überhaupt bekannt gegeben wurde (vgl zB BSGE 34, 211, 213 = SozR Nr
14 zu § 242 BGB S Aa7; Waschull in Diering/Timme/Waschull, LPK-SGB X, 3. Aufl 2011,
§ 36 RdNr 9; zur vergleichbaren Vorschrift des § 58 Abs 2 VwGO vgl BVerwGE 44, 294,
296 mwN; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl 2013, § 58 RdNr 17). Ist der Verwaltungsakt
dem Dritten nicht bekannt gegeben worden, so kommt auch eine analoge Anwendung der
Vorschriften über die einzuhaltende Rechtsbehelfsfrist nicht in Betracht. Der von einem
Dritten eingelegte Rechtsbehelf kann in einem solchen Fall gleichwohl unzulässig sein,
soweit er seine Befugnis zur Einlegung des Rechtsbehelfs verwirkt hat (vgl BVerfGE 32,
305, 308; BVerfG Beschluss vom 28.3.2006 - 1 BvR 1127/04 - Juris RdNr 2; BVerfG
Beschluss vom 27.12.2012 - 1 BvR 2862/11, 1 BvR 2046/12 - Juris RdNr 3; BSGE 34,
211, 213 = SozR Nr 14 zu § 242 BGB S Aa7; BSGE 51, 260, 262 = SozR 2200 § 730 Nr 2
S 4; BVerwGE 44, 339, 343; BVerwG Urteil vom 10.8.2000 - 4 A 11/99 - DVBl 2000, 1862;
BVerwG Urteil vom 27.7.2005 - 8 C 15/04 - NVwZ 2005, 1334). Dieselbe Rechtsfolge gilt
hier ausgehend von den vom LSG festgestellten, nicht mit Revisionsrügen angegriffenen
und daher für den Senat bindenden Umständen (vgl § 163 SGG) in Bezug auf die
Einhaltung einer in Gang gesetzten gesetzlichen Rechtsbehelfs- bzw Klagefrist (dazu
näher unten <4>).
21 Der ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 5.7.2005 wurde der Beigeladenen zu 1.
am 23.2.2006 bekannt gegeben. Nach den Feststellungen des LSG ging an diesem Tag
das Schreiben der Beklagten zusammen mit dem Erstattungsantrag des Klägers sowie
einer Kopie des Bescheides vom 5.7.2005 bei der Beigeladenen zu 1. ein. Die
Bekanntgabe durch Übersendung einer Kopie des betreffenden Bescheides an den
Dritten reicht grundsätzlich aus (vgl BSGE 101, 234 = SozR 4-1300 § 44 Nr 17, RdNr 24
mwN).
22 Es kann offenbleiben, ob im vorliegenden Fall der Eingang der Kopie des ursprünglichen
Bescheides der Beklagten am 23.2.2006 den Beginn der Frist für die von der
Beigeladenen zu 1. erhobene Klage markiert oder ob hierfür im Hinblick auf die durch eine
- unten näher zu thematisierende - "Gemeinsame Verlautbarung" fixierte, ständige
Verwaltungspraxis der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. ein früherer, fiktiver
Fristbeginn zB unter Zugrundelegung einer auf § 37 Abs 1 S 1 SGB X zu stützenden
Bekanntgabe anzunehmen ist (zur grundsätzlichen Pflicht der Einzugsstelle zur
Bekanntgabe an alle Beteiligten vgl bereits BSGE 84, 136, 146 = SozR 3-2400 § 28h Nr 9
S 38 f). Jedenfalls war die Klagefrist selbst unter Zugrundelegung des 23.2.2006 als
Fristbeginn für die am 19.2.2007 erhobene Klage der Beigeladenen zu 1. abgelaufen. Die
Beigeladene zu 1. konnte und kann sich nämlich nicht auf die Geltung der Jahresfrist nach
§ 66 Abs 2 S 1 SGG berufen, weil ihr die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung im
ursprünglichen Bescheid der Beklagten vom 5.7.2005 entgegenzuhalten ist (dazu im
Folgenden <2> bis <6>).
23 (2) Gemäß § 87 Abs 1 S 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des
Verwaltungsakts zu erheben. Nach § 66 Abs 1 SGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel
oder einen anderen Rechtsbehelf allerdings nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über
den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf
anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt
worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des
Rechtsbehelfs gemäß § 66 Abs 2 S 1 SGG nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung,
Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist
infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung
dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. In Fällen der Anfechtung eines
Verwaltungsakts durch einen Dritten ist die Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung im
Hinblick auf die Rechtssphäre des Dritten zu beurteilen (vgl BVerwG, NJW 2010, 1686).
24 Die im ursprünglichen Bescheid der Beklagten vom 5.7.2005 enthaltene
Rechtsbehelfsbelehrung ("Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach
Bekanntgabe schriftlich oder zur Niederschrift bei der Barmer Ersatzkasse, Berliner Platz
1, 67001 Ludwigshafen Widerspruch erhoben werden") ist - bezogen auf die Beigeladene
zu 1. - inhaltlich unrichtig, da es gemäß § 78 Abs 1 S 2 Nr 3 SGG eines Vorverfahrens ua
dann nicht bedarf, wenn ein Versicherungsträger klagen will (vgl hierzu näher BSG SozR
3-1500 § 87 Nr 1 S 4). Da die Rechtsbehelfsbelehrung inhaltlich unrichtig war, stellt sich
vorliegend nicht das Problem, was bei einer an sich inhaltlich richtigen
Rechtsbehelfsbelehrung zu gelten hat, die aufgrund ihrer adressatenbezogenen
Formulierung von einem Dritten dahingehend missverstanden werden konnte, die
Belehrung gelte für ihn nicht (vgl hierzu BVerwG Beschluss vom 7.7.2008 - DÖV 2008,
962; BVerwG Beschluss vom 11.3.2010 - NJW 2010, 1686).
25 (3) Für die Klage der Beigeladenen zu 1. galt zwar aufgrund der inhaltlich unrichtigen
Rechtsbehelfsbelehrung grundsätzlich die Jahresfrist gemäß § 66 Abs 2 S 1 SGG (hierzu
allgemein auch BSGE 84, 136, 145 = SozR 3-2400 § 28h Nr 9 S 37; BSG Urteil vom
28.9.2011 - B 12 KR 15/10 R - USK 2011, 124 = Juris RdNr 18). In diesem
Zusammenhang ist es grundsätzlich unbeachtlich, ob der Betroffene selbst die
Unrichtigkeit erkannt hat. Es bedarf nämlich an sich keines Kausalzusammenhangs
zwischen fehlerhafter Belehrung und unterbliebenem bzw nicht fristgemäß
eingelegtem/erhobenem Rechtsbehelf/Rechtsmittel (vgl zur vergleichbaren Vorschrift in §
58 VwGO BVerwGE 25, 191, 193 f; BVerwGE 37, 85, 86 f; BVerwGE 81, 81, 84; BVerwG,
Beschluss vom 24.9.1992 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr 60; Czybulka in Sodan/Ziekow,
VwGO, 3. Aufl 2010, § 58 RdNr 74; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl 2013, § 58 RdNr 1;
Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl 2010, § 58 RdNr 15a). Darauf, dass ein
Sozialversicherungsträger die Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelfristen kennt bzw kennen
muss, kommt es daher nicht an (aA für § 66 Abs 2 S 1 SGG LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 5.4.2011 - L 11 KR 965/09 - Juris RdNr 37).
26 (4) Von dem fehlenden Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen unrichtiger
Rechtsbehelfsbelehrung und der "verspäteten" Einlegung eines Rechtsbehelfs ist jedoch
vor dem Hintergrund systematischer Gesichtspunkte, des Sinn und Zwecks von § 66 Abs 2
S 1 SGG und des Gebots redlichen prozessualen Verhaltens jedenfalls dann eine
Ausnahme zu machen, wenn - wie vorliegend die Beigeladene zu 1. - ein
Sozialversicherungsträger gegen einen Verwaltungsakt eines anderen
Sozialversicherungsträgers klagt und dem klagenden Träger entgegenzuhalten ist, dass
die dem Verwaltungsakt beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig ist.
27 (a) Die nach § 66 Abs 2 S 1 SGG für die Erhebung einer Klage geltende Jahresfrist stellt
nach der Systematik der Anfechtungsfristen nicht die Regel, sondern die Ausnahme dar.
Von einem Sozialversicherungsträger kann und muss nicht zuletzt aufgrund seiner
Bindung an Gesetz und Recht nach Art 20 Abs 3 GG erwartet werden, dass er
Verwaltungsakte nicht nur - wie von § 36 SGB X ausdrücklich vorgesehen - überhaupt mit
einer Rechtsbehelfsbelehrung versieht, sondern dass diese auch inhaltlich zutreffend ist.
Dies gilt auch und gerade in den vorliegenden Fällen der Feststellung von
Versicherungspflicht durch die Krankenkassen als Einzugsstellen gemäß § 28h Abs 2 S 1
SGB IV. Die Betroffenheit anderer, potentiell klageberechtigter Dritter ist bei der zu
treffenden Entscheidung stets immanent und strukturell angelegt, weil die Krankenkassen
als nach § 28i S 1 SGB IV zuständige Einzugsstellen kraft gesetzlicher Anordnung über
die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach
dem Recht der Arbeitsförderung entscheiden, und dabei notwendigerweise
gleichermaßen über die Sphäre des direkten Adressaten hinaus in die Sphäre Dritter
rechtsgestaltend eingreifen.
28 (b) Wie bereits im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Verwirkung der Befugnis zur
Einlegung eines Rechtsbehelfs bei fehlender Bekanntgabe eines Verwaltungsakts
dargestellt (oben <1>), muss sich auch die Ausübung prozessualer Befugnisse am
Gebot von Treu und Glauben messen lassen. Prozessuale Befugnisse können daher
verwirkt sein, wenn die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs gegen Treu und
Glauben verstößt, dh wenn ein gewisser Zeitraum verstrichen ist (Zeitmoment) und der
Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur
Wahrung von Ansprüchen unternommen wird (Umstandsmoment); erst durch die
Kombination beider Elemente wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner
vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (zum Ganzen vgl zB Palandt/Grüneberg,
BGB, 72. Aufl 2013, § 242 RdNr 93 ff mwN). Weiterhin ist bei der Verwirkung prozessualer
Befugnisse im öffentlichen Recht zu berücksichtigen, dass es nicht nur ein schutzwürdiges
Vertrauen des Adressaten auf das Untätigbleiben eines Anfechtungsberechtigten
rechtfertigen kann, die Anrufung eines Gerichts erst nach langer Zeit als unzulässig
anzusehen, sondern auch ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens
(vgl grundlegend BVerfGE 32, 305, 308 f mwN).
29 (c) Vor diesem Hintergrund macht der Kläger zu Recht geltend, dass in Fallkonstellationen
der vorliegenden Art aufgrund des Verhaltens der betroffenen Sozialversicherungsträger
von einer Verwirkung prozessualer Rechte ausgegangen werden muss, soweit sich
drittbetroffene Träger darauf berufen, noch innerhalb der Jahresfrist des § 66 Abs 2 SGG
Klage gegen Bescheide der Einzugsstelle über den versicherungsrechtlichen Status eines
Erwerbstätigen erheben zu dürfen, die ihnen nicht sogleich im Zusammenhang mit dem
Erlass solcher Bescheide bekannt gegeben wurden, sondern von denen sie erst zu einem
späteren Zeitpunkt Kenntnis erlangten. Insoweit besteht nämlich eine Verwaltungspraxis,
die eine Verkürzung von Rechten derjenigen bewirkt, deren Sozialversicherungs-
und/oder Beitragspflicht zu beurteilen ist. Die im Folgenden beschriebenen, zwischen den
Versicherungsträgern verabredete und betätigte Verwaltungspraxis ist, soweit sie den hier
vorliegenden Zusammenhang der Anfechtung von Bescheiden der Einzugsstellen durch
Fremdversicherungsträger betrifft, mit dem Recht nicht in Einklang zu bringen.
30 Manifestiert wird dies durch vom LSG zu den Gerichtsakten genommenen Unterlagen, auf
die es auch in seinem Urteil ausdrücklich Bezug genommen hat: Die
Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger (ua der Arbeiter-Ersatzkassen-
Verband eV, der Verband der Angestellten-Krankenkassen eV, der Verband Deutscher
Rentenversicherungsträger sowie die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
) kamen danach in einer "Gemeinsame(n) Verlautbarung zur Behandlung von
Beitragsbescheiden durch die am gemeinsamen Beitragseinzug beteiligten
Versicherungsträger" vom 29.3.2001, die nach dem einleitenden Klassifizierungsvermerk
ausdrücklich "nur für den Dienstgebrauch bei den am gemeinsamen Beitragseinzug
beteiligten Versicherungsträgern bestimmt" sein sollte, überein, Fälle der vorliegenden Art
verwaltungstechnisch in einer Art zu behandeln, die keine uneingeschränkte
Entsprechung in den gesetzlichen Vorschriften des Sozialverwaltungsverfahrensrechts
findet. Obwohl die "Gemeinsame Verlautbarung" ausdrücklich das - ihren Inhalt
vermeintlich billigende - Urteil des Senats vom 1.7.1999 (BSGE 84, 136 = SozR 3-2400 §
28h Nr 9) erwähnt, sind die von den Spitzenverbänden getroffenen Abreden auch mit den
Entscheidungsgründen dieses Urteils nicht in Einklang zu bringen.
31 Die Verlautbarung hat ua folgenden Inhalt:
"1 Allgemeines
Ein Beitragsbescheid über Versicherungspflicht, Versicherungsfreiheit oder eine
nicht bestehende Versicherungspflicht stellt in der Regel einen Verwaltungsakt mit
Dauerwirkung dar, der als begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 Abs. 3 SGB X
grundsätzlich nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe
zurückgenommen werden kann. Nach Ablauf von zwei Jahren kann ein solcher
Verwaltungsakt nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 Sätze 2 und 3 SGB
X aufgehoben werden.
Der Träger der Rentenversicherung kann im Rahmen der Betriebsprüfung, die
allgemein nur alle vier Jahre stattfindet, somit einen von der Einzugsstelle vor mehr
als zwei Jahren erlassenen (fehlerhaften) begünstigenden Verwaltungsakt mit
Dauerwirkung in der Regel nicht mehr aufheben.
Der durch den Beitragsbescheid beschwerte Fremdversicherungsträger ist aber
befugt, den Verwaltungsakt anzufechten, um dessen Rücknahme nach Maßgabe
des § 49 SGB X zu erwirken.
Die Anfechtungsfristen laufen für jeden Beteiligten - Arbeitgeber, Arbeitnehmer und
Versicherungsträger - gesondert von der Bekanntgabe des Bescheides bzw. der
Zustellung des Widerspruchsbescheides an (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts
vom 1.7.1999 - B 12 KR 2/99 R - m.w.N., USK 9939). Für die den Beteiligten mit
Rechtsbehelfsbelehrung bekannt gegebenen Beitragsbescheide gilt eine
Anfechtungsfrist von einem Monat. Bei Erlass eines nicht mit einer
Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheides, der den Beteiligten zu
unterschiedlichen Zeiten bekannt gegeben, aber noch innerhalb der Jahresfrist
angefochten wird, ist § 49 SGB X anzuwenden. Allerdings unterliegt der den
Verwaltungsakt
erlassende
Versicherungsträger
nach
Meinung
des
Bundessozialgerichts grundsätzlich der Pflicht, seinen Beitragsbescheid mit einer
Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und allen Beteiligten gleichzeitig bekannt zu
geben, um Unsicherheiten unter den Beteiligten, vor allem beim Arbeitgeber, in
Grenzen zu halten. Sofern dies nicht geschieht, können Schadenersatzansprüche
des Arbeitgebers in Frage kommen, wenn später Beiträge nachgefordert werden und
anschließend auf Grund von § 28g SGB IV die Arbeitnehmeranteile nicht mehr
einbehalten werden können.
3 Bekanntgabe des Beitragsbescheides gegenüber dem betroffenen
Fremdversicherungs-
träger
Ein Beitragsbescheid kann von dem Fremdversicherungsträger nur dahingehend
überprüft werden, ob der Bescheid in sich logisch und richtig ist. Ob ein
Beitragsbescheid der tatsächlichen Sach- und Rechtslage entspricht, könnte der
Fremdversicherungsträger
nur
dann
prüfen,
wenn
ihm
alle
zur
Entscheidungsfindung notwendigen Unterlagen übersandt würden und er ggf.
ergänzende Ermittlungen zum Sachverhalt vornähme. Zu solchen ergänzenden
Ermittlungen sind die Rentenversicherungsträger im Beitragsverfahren aber nur im
Rahmen der Betriebsprüfung und die Bundesanstalt für Arbeit überhaupt nicht
ermächtigt.
Auf Grund der Zuständigkeitszuweisungen und Ermächtigungsnormen im
Beitragsrecht gilt deshalb folgender Grundsatz:
Der einen Beitragsbescheid erlassende Versicherungsträger übersendet dem
beteiligten Fremdversicherungsträger - ungeachtet des § 37 Abs. 1 SGB X - diesen
Bescheid nur dann, wenn
- dies im Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben ist oder
- die
Übersendung
auf
Grund
der
Rechtsstellung
des
Fremdversicherungsträgers (als Einzugsstelle oder Prüfinstitution) erforderlich
ist oder
- der Fremdversicherungsträger, der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer dies
ausdrücklich verlangt.
Gegenüber
dem
Fremdversicherungsträger
soll
grundsätzlich
keine
Rechtsbehelfsbelehrung erteilt werden.
3.2 Übersendung von Beitragsbescheiden an den Träger der Rentenversicherung
Die Einzugsstelle übersendet dem Träger der Rentenversicherung eine
Mehrfertigung des Beitragsbescheides nur dann, wenn
- der Bescheid von der in gemeinsamen Verlautbarungen, Rundschreiben,
Grundsätzen oder Niederschriften vertretenen Auffassung des Verbandes
Deutscher Rentenversicherungsträger abweicht
oder
- der zuständige Rentenversicherungsträger im Einzelfall bzw. zu besonderen
Fallgestaltungen die Übersendung verlangt oder
- der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer die Übersendung im Einzelfall
ausdrücklich verlangt.
Die Übersendung soll zeitgleich mit der Bekanntgabe des Bescheides gegenüber
dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorgenommen werden.
4 Abstimmung der Rechtsauffassung unter den Versicherungsträgern vor Erteilung
eines
Beitragsbescheides
In besonders schwierigen Fällen (Ausnahmefällen), in denen nach umfassender
Sachaufklärung durch den für die Entscheidung zuständigen Versicherungsträger
- zur versicherungsrechtlichen Beurteilung unterschiedliche Auffassungen
vermutet werden (z.B. weil nach dem Sachverhalt die Kriterien für eine
selbständige Tätigkeit und eine abhängige Beschäftigung in etwa
gleichgewichtig erfüllt sind)
und
- auf Versicherungsfreiheit oder eine nicht bestehende Versicherungspflicht
entschieden werden soll,
kann die Einzugsstelle bzw. der Rentenversicherungsträger vor der Erteilung des
Beitragsbescheides eine mit dem beteiligten Fremdversicherungsträger
abgestimmte Entscheidung herbeiführen. Im Abstimmungsverfahren sollen dem
Fremdversicherungsträger der Entwurf des beabsichtigten Beitragsbescheides und
die entscheidungsbegründenden Unterlagen in Ablichtung zur Stellungnahme
vorgelegt werden.
Zuständiger Fremdversicherungsträger ist
- die Einzugsstelle, die zuletzt bzw. aktuell gewählt wurde oder die kraft
Gesetzes zuständig ist (§ 28i SGB IV)
- der
für
die
Prüfung
des
Arbeitgebers
verantwortliche
Rentenversicherungsträger,
- das Landesarbeitsamt, in dessen Bezirk die Stelle (z.B. Geschäftsstelle der
Einzugsstelle) ihren Sitz hat, die den Beitragsbescheid erlassen will.
5 Anfechtung von Beitragsbescheiden durch den Fremdversicherungsträger
Die Fremdversicherungsträger verzichten auf die Anfechtung von (fehlerhaften)
Beitragsbescheiden, die
- gegenüber dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer bereits bestandskräftig
geworden sind
und
- dem Fremdversicherungsträger gemäß dieser Verlautbarung nicht zu
übersenden waren.
Dies gilt sowohl für die mit als auch für die ohne Rechtsbehelfsbelehrung
versehenen Beitragsbescheide.
Der allgemeine Anfechtungsverzicht erstreckt sich somit nicht auf
Beitragsbescheide, die dem Fremdversicherungsträger entgegen Abschnitt 3.1 bis
3.3 nicht oder im Wesentlichen nicht zeitgleich übersandt wurden. Der allgemeine
Anfechtungsverzicht erstreckt sich auch nicht auf Fälle, in denen der Arbeitgeber
oder der Arbeitnehmer den Fremdversicherungsträger zur Anfechtung des ihm
gegenüber bestandskräftigen Beitragsbescheides veranlasst."
32 Die dargestellte Verlautbarung wurde später - zu einem Zeitpunkt nach Erlass des
Bescheides der Beklagten vom 5.7.2005 - durch die "Gemeinsame Verlautbarung zur
Behandlung von Verwaltungsakten (Beitragsbescheiden) durch die am gemeinsamen
Beitragseinzug beteiligten Versicherungsträger" vom 21.11.2006 aktualisiert und leicht
modifiziert, was unter Hinweis auf die "zwischenzeitlichen Vereinbarungen über die
Abstimmung der Rechtsauffassung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von
mitarbeitenden Ehegatten/Lebenspartner und GmbH-Gesellschaftern" erfolgte. Eine
wesentliche Änderung der Verwaltungspraxis wurde dadurch nicht vereinbart. So wurde
insbesondere der Begriff "Beitragsbescheid" durch "Verwaltungsakt" ersetzt. Darüber
hinaus wurde ua Abschnitt 4 neu gefasst und ua eine Passage eingefügt, wonach in
besonders problematischen Fällen, in denen die Einzugsstelle um Überprüfung des zum
Teil langjährigen Versicherungsverhältnisses von beschäftigten Familienangehörigen bzw
GmbH-Gesellschaftern angegangen wird und die Entscheidung möglicherweise auf das
Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit und damit auf eine regelmäßig durch die
Rentenversicherungsträger vorzunehmende Beitragserstattung hinauslaufen könnte, die
Einzugsstelle unabhängig davon, ob ein Beitragserstattungsanspruch ganz oder teilweise
verjährt war - vor einer abschließenden Entscheidung ihre begründete Auffassung mit dem
für die Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV zuständigen Rentenversicherungsträger
abstimmen sollte. Abschnitt 3.2 wurde ebenfalls neu gefasst und enthielt seither ua eine
Bestimmung, wonach die Einzugsstelle dem Träger der Rentenversicherung eine
Mehrfertigung des Verwaltungsaktes nur dann übersendet, wenn … sie nach Anhörung
des Rentenversicherungsträgers (vgl Abschnitt 4) eine von dessen Auffassung
abweichende Entscheidung trifft.
33 Für die im vorliegenden Fall zu prüfende Frage, ob einer rechtzeitigen Klageerhebung
durch die Beigeladene zu 1. als drittbetroffenem Versicherungsträger
Verwirkungsgesichtspunkte entgegenstehen, sind die Abreden der Spitzenverbände der
Sozialversicherungsträger - zu denen hier die zitierte "Gemeinsame Verlautbarung"
ähnlich wie "Besprechungsergebnisse" gehört - mit zu würdigen. Dem steht nicht
entgegen, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit an derartige Abreden zwischen
Sozialversicherungsträgern und ihren Verbänden nicht gebunden sind, da sie als bloße
verwaltungsinterne Auslegungs- und Abgrenzungshilfen keine Rechtsnormqualität
besitzen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 74). Denn aus dem Regelwerk ergeben sich
für die Sozialversicherungsträger konkrete, in der Verwaltungspraxis umzusetzende
Handlungsanweisungen, die auf die Betätigung einer solchermaßen von den
Spitzenorganisationen verabredeten Verwaltungspraxis hindeuten und die an den
gesetzlichen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen, die das Versicherungs- und
Beitragsrecht ergänzen, zu messen sind. Die "Gemeinsame Verlautbarung" lässt damit
Rückschlüsse auf tatsächliche Verwaltungsabläufe zu und ist in ihren Auswirkungen auch
in Bezug auf die betroffenen privaten Rechtssubjekte wie den Kläger mit in den Blick zu
nehmen.
34 Der Inhalt der - ihre Binnenbeziehungen betreffenden - "Gemeinsamen Verlautbarung"
dokumentiert an mehreren Stellen ein konsensuales Vorgehen zwischen den
Sozialversicherungsträgern, das gegen mehrere gesetzliche Bestimmungen des
Sozialverwaltungsverfahrensrechts verstößt. Dies gilt insbesondere für den in Abschnitt 3
der Verlautbarung aufgestellten Grundsatz, wonach sich die Versicherungsträger bzw ihre
Verbände für berechtigt halten, Verwaltungsakte über die Sozialversicherungspflicht
"ungeachtet § 37 Abs 1 SGB X" anderen Sozialversicherungsträgern nicht - wie gesetzlich
vorgesehen - stets, sondern "nur" in bestimmten Fällen bekannt zu geben. Die Abrede der
Träger, dass Fremdversicherungsträgern keine Rechtsbehelfsbelehrung erteilt werden
soll, ist zudem mit § 36 SGB X unvereinbar, wonach durch den Verwaltungsakt
beschwerte Beteiligte über den dagegen möglichen Rechtsbehelf zu belehren sind. Auf
die in Fällen der vorliegenden Art vermeintlich fehlende Beteiligteneigenschaft der
Fremdversicherungsträger können sich die Sozialversicherungsträger nicht berufen (vgl §
12 Abs 1 Nr 4 iVm Abs 2 S 1 SGB X). In jedem Fall ist nach § 12 Abs 2 S 2 SGB X ein
Dritter, für den der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung hat, als Beteiligter
auf Antrag hinzuzuziehen; ist er der Behörde bekannt, hat sie ihn von der Einleitung des
Verfahrens zu benachrichtigen. Indem die Spitzenorganisationen der
Sozialversicherungsträger in Abschnitt 4 der "Gemeinsamen Verlautbarung"
demgegenüber nur in "Ausnahmefällen" ein Abstimmungsverfahren mit
Fremdversicherungsträgern vorsehen, bestehen Anhaltspunkte dafür, dass auch die
Regelungen über die Hinzuziehung in § 12 SGB X planmäßig unterlaufen werden sollen.
Schließlich sind die Regelungen der "Gemeinsamen Verlautbarung" nicht mit § 86 SGB X
in Einklang zu bringen, wonach die Leistungsträger, ihre Verbände und die im SGB
genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen verpflichtet sind, bei der Erfüllung ihrer
Aufgaben nach diesem Gesetzbuch eng zusammenzuarbeiten. Wie bereits dargelegt, ist
die Betroffenheit anderer Sozialversicherungsträger im hier streitigen Komplex der
Feststellung von Versicherungspflicht durch die Einzugsstellen gemäß § 28h Abs 2 S 1
SGB IV systematisch immanent und strukturell angelegt, weil die Krankenkassen als nach
§ 28i S 1 SGB IV zuständige Einzugsstellen kraft gesetzlicher Anordnung über die
Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem
Recht der Arbeitsförderung entscheiden. Der durch § 86 SGB X normierten Pflicht zur
Zusammenarbeit tragen die Regelungen in der "Gemeinsamen Verlautbarung" schon
deshalb nicht Rechnung, weil sie eine Beteiligung anderer Träger nicht - wie vom Gesetz
vorgesehen - zur Regel, sondern zur Ausnahme machen.
35 Die von der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. angeführten Gründe für die
Beachtlichkeit und Unbedenklichkeit der Verwaltungspraxis, die in der "Gemeinsamen
Verlautbarung" festgelegt ist, rechtfertigen keine Abweichung von den gesetzlichen
Verfahrensvorschriften in § 12 Abs 2, § 36, § 37 Abs 1 S 1, § 86 SGB X.
36 Insoweit können sich die Sozialversicherungsträger auch nicht auf die zwischenzeitlich
erfolgte Aufhebung des § 28h Abs 3 S 1 SGB IV stützen: Nach dieser bis 31.12.1995
geltenden Regelung hatten die Einzugsstellen darauf hinzuwirken, dass gegenüber dem
Arbeitgeber eine abgestimmte Entscheidung ergeht, wenn zwischen den Einzugsstellen,
den Trägern der Rentenversicherung oder der Bundesanstalt für Arbeit unterschiedliche
Meinungen hinsichtlich des gleichen Sachverhalts bestehen (vgl dazu näher bereits
BSGE 84, 136, 142 = SozR 3-2400 § 28h Nr 9 S 34). Nach den Gesetzesmaterialien
erfolgte die Aufhebung dieser Regelung nämlich nur deshalb, weil sie in der
Vergangenheit keine praktische Bedeutung erlangt hatte, zumal strittige Rechtsfragen und
Zweifelsfälle aus der Praxis in Besprechungen aller am Beitragseinzug beteiligten
Institutionen erörtert und einer Lösung zugeführt wurden; lasse sich eine Einigung nicht
herbeiführen, so seien auch künftig Musterprozesse unvermeidbar (vgl
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem
Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines 3. SGB-ÄndG, BT-Drucks 13/1559
S 13 zu Art 1 Nr 2 Buchst c). Die Aufhebung des § 28h Abs 3 SGB IV aF aus den
genannten Gründen rechtfertigt damit gerade nicht den Schluss, im Vorfeld einer
Entscheidung der Einzugsstelle habe gar keine Beteiligung der anderen
Sozialversicherungsträger mehr erfolgen sollen.
37 Schließlich kann der - gleichsam im Gegenzug zum Unterbleiben der Bekanntgabe eines
Bescheides mit Rechtsbehelfsbelehrung - in Punkt 5 der "Gemeinsamen Verlautbarung"
hervorgehobene Verzicht auf eine Anfechtung durch den Fremdversicherungsträger nicht
zugunsten der Rechtmäßigkeit der verabredeten Verfahrensweise herangezogen werden.
Zum einen enthält der Anfechtungsverzicht der drittbetroffenen Träger eine Vielzahl von
Ausnahmen. Zum anderen können sich die Hauptadressaten eines Verwaltungsakts der
Einzugsstelle über die Versicherungspflicht (idR der Selbstständige/Versicherte bzw
dessen Arbeitgeber) umgekehrt gegenüber einem Fremdversicherungsträger auf der
Grundlage geltenden Rechts regelmäßig nicht auf den praktizierten Anfechtungsverzicht
berufen, weil es sich bei der Verlautbarung nur um eine bloße verwaltungsinterne
Vereinbarung handelt, die ausdrücklich als "nur für den Dienstgebrauch" klassifiziert
wurde und nicht dazu bestimmt und geeignet ist, Betroffenen außerhalb der Sphäre der
Sozialverwaltung unmittelbar oder mittelbar Rechte mit Blick auf ein fehlendes
Tätigwerden der drittbetroffenen Träger einzuräumen.
38 Es kann offenbleiben, ob die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung im ursprünglichen
Bescheid der Beklagten vom 5.7.2005 ausschließlich oder überwiegend auf die
tatsächliche Anwendung der "Gemeinsamen Verlautbarung" zurückgeht. Jedenfalls haben
weder die Beklagte noch die Beigeladene zu 1. im Verfahren geltend gemacht, dass die in
der Verlautbarung getroffenen Abreden nicht oder nicht mehr ihrer tatsächlichen
Verwaltungspraxis entsprächen, obwohl der Kläger hierzu wiederholt ausführlich
vorgetragen hat. Das Verhalten der Beklagten, insbesondere die Unrichtigkeit der
Rechtsbehelfsbelehrung in ihrem Bescheid vom 5.7.2005, ist der Beigeladenen zu 1.
jedenfalls entgegenzuhalten, da sowohl der VDR als auch die BfA als Rechtsvorgänger
der inzwischen neu geordneten Trägerschaft im Bereich der gesetzlichen
Rentenversicherung zum hier betroffenen Zeitpunkt am Zustandekommen der
"Gemeinsamen Verlautbarung" beteiligt waren.
39 (5) Auch die bisherige Rechtsprechung des Senats steht der dargestellten rechtlichen
Würdigung nicht entgegen.
40 Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 1.7.1999 (BSGE 84, 136 = SozR 3-2400 § 28h Nr
9) für die Klage des Dritten die Jahresfrist des § 66 Abs 2 S 1 SGG angewandt, wenn dem
angefochtenen Verwaltungsakt jede Rechtsbehelfsbelehrung fehlte. Eine dem
vorliegenden Fall vergleichbare Sachverhaltskonstellation lag der seinerzeitigen
Entscheidung jedoch nicht zugrunde, da die "Gemeinsame Verlautbarung" überhaupt erst
als Reaktion auf dieses Urteil geschaffen wurde. Entgegen der im Berufungsverfahren von
der Beigeladenen zu 1. geäußerten Rechtsauffassung hat sich das BSG bislang auch
noch nicht mit den aus der "Gemeinsamen Verlautbarung" zu ziehenden Konsequenzen
befasst. Die gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Berlin-Brandenburg
vom 23.7.2009 erhobene Beschwerde, auf die sie ua hinweist, wurde durch Beschluss
vom 25.3.2010 (B 12 KR 75/09 B - unveröffentlicht) als unzulässig verworfen, weil die
Klärungsfähigkeit der darin aufgeworfenen Rechtsfrage als Voraussetzung für den
Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1
SGG) aufgrund der fehlenden Feststellungen zu der og "Gemeinsamen Verlautbarung"
nicht iS von § 160a Abs 2 S 3 SGG hinreichend dargelegt worden war, sodass der Senat
auf die sich nun stellende rechtliche Problematik inhaltlich gar nicht einzugehen hatte und
auch nicht eingegangen ist
41 (6) Der Kläger musste folglich nicht damit rechnen, dass der ihm gegenüber nach
Rücknahme seines Widerspruchs am 23.1.2006 bestandskräftig gewordene Bescheid
vom 5.7.2005 noch ca eineinhalb Jahre nach seinem Erlass durch die Beigeladene zu 1.
am 19.2.2007 angefochten werden würde. Vielmehr durfte er - im Sinne eines aus seiner
Sicht bei verständiger Würdigung anzunehmenden Verwirkungsverhaltens - durchaus
davon ausgehen, dass die Beklagte sich im Rahmen des damaligen
Verwaltungsverfahrens gesetzeskonform verhielt, nämlich die Hinzuziehungsregelungen
des § 12 SGB X, die Pflicht zur Erteilung einer allen Beteiligten und Betroffenen
gegenüber inhaltlich zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung des § 36 SGB X sowie die
Pflicht zur Bekanntgabe des Verwaltungsakts nach § 37 Abs 1 S 1 SGB X beachten würde
und beachtet hatte.
42 c) Da sich die Beigeladene zu 1. nach alledem im Rahmen ihrer am 19.2.2007 vor dem
SG Berlin erhobenen Klage auf die Jahresfrist nach § 66 Abs 2 S 1 SGG nicht berufen
durfte, war ihre Klage somit - auch hinsichtlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung - verspätet und ihre seinerzeitige Klage insgesamt unzulässig.
Daraus folgt - wie bereits oben unter b) aa) dargestellt -, dass die Beklagte bei der
Rücknahme des Bescheides vom 5.7.2005 nicht unter Berufung auf § 49 SGB X von der
Anwendung der in § 45 Abs 2 bis 4 SGB X genannten Voraussetzungen entbunden war.
Die Beklagte unterließ es vielmehr rechtswidrig in ihrer zu Lasten des Klägers getroffenen
Rücknahmeentscheidung, dessen Belange - insbesondere Vertrauensschutzaspekte - in
den Blick zu nehmen und sodann das ihr dabei eingeräumte Rücknahmeermessen
auszuüben; auch in der Folgezeit berief sie sich noch zu Unrecht darauf, hierzu wegen §
49 SGB X nicht verpflichtet gewesen zu sein. Dies führt zur Rechtswidrigkeit des
angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 24.7.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 30.8.2007, zur Verletzung von Rechten des Klägers und
infolgedessen zu seiner Aufhebung. Demzufolge waren auch die entgegenstehenden
vorinstanzlichen Urteile aufzuheben.
43 Dabei kann offenbleiben, ob eine Anwendung von § 49 SGB X in der vorliegenden
Konstellation nicht ohnehin voraussetzt, dass der Kläger vor der auf § 45 Abs 1, § 49 SGB
X gestützten Rücknahme eines ursprünglichen Verwaltungsakts zumindest zum
Rechtsstreit des Dritten gegen die Anfechtung des Bescheides über die Feststellung des
Nichtbestehens von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung hätte beigeladen werden
müssen (vgl hierzu allgemein BSG SozR 4100 § 141n Nr 18 S 46; Rieker, jurisPR-SozR
4/2011 Anm 5; Waschull in Diering/Timme/Waschull, LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, § 49 RdNr
12: "idR") und ob auch im Rahmen von § 45 Abs 1, § 49 SGB X ein Aufhebungsermessen
auszuüben ist (offengelassen bei BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 243 Nr 4 RdNr 60;
bejahend: Schaer jurisPR-SozR 15/2011 Anm 6 mwN).
44 2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 S 1 SGG.