Urteil des BSG vom 17.05.2001

BSG: eröffnung des konkurses, anmeldung der forderung, negative feststellungsklage, konkurseröffnung, konkursforderung, verwaltungsakt, eröffnung des verfahrens, beitragsforderung, anfechtungsklage

Bundessozialgericht
Urteil vom 17.05.2001
Sozialgericht Augsburg
Bundessozialgericht B 12 KR 32/00 R
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 3. Juli 2000 aufgehoben und die
Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über Säumniszuschläge.
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft (KG). Deren bei der
Konkurseröffnung (1997) rückständige Gesamtsozialversicherungsbeiträge entrichtete das Arbeitsamt an die Beklagte
als Einzugsstelle (§ 141n Abs 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG)). Die Ansprüche auf diese Beiträge
blieben gegenüber dem Arbeitgeber bestehen (§ 141n Abs 2 Satz 1 AFG). Dementsprechend ist auf Grund einer
Anmeldung der Beklagten von September 1997 eine Beitragsforderung gegen die KG für die letzten drei Monate vor
Konkurseröffnung in Höhe von 1.204.526,26 DM mit dem Konkursvorrecht gemäß § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst e der
Konkursordnung (KO) zur Konkurstabelle festgestellt worden.
Mit Schreiben vom 21. Januar 1999 meldete die Beklagte wegen dieser Beitragsforderung als weitere
Konkursforderung Säumniszuschläge in Höhe von 11.597 DM monatlich seit dem 16. September 1997 ebenfalls mit
dem Konkursvorrecht gemäß § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst e KO an. Mit Bescheid vom selben Tage stellte sie gegenüber
dem Kläger Säumniszuschläge fest und gab ihm die Anmeldung der Säumniszuschläge als bevorrechtigte Forderung
bekannt. Den Widerspruch des Klägers wies sie zurück (Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 1999). Im
Prüfungstermin vom 4. Oktober 1999 bestritt der Kläger die zur Konkurstabelle angemeldeten Säumniszuschläge.
Der Kläger hat vor dem Sozialgericht (SG) Klage erhoben und beantragt, den Bescheid vom 21. Januar 1999 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1999 aufzuheben sowie festzustellen, daß die Beklagte nicht
berechtigt ist, für ihre zur Konkurstabelle festgestellte Vorrechtsforderung nach Konkurseröffnung monatliche
Säumniszuschläge zu erheben. Das SG hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 3. Juli 2000). Säumniszuschläge auf
Konkursforderungen dürften für die Zeit nach Konkurseröffnung nicht erhoben werden. Die "Druckfunktion" von
Säumniszuschlägen entfalle hier, weil es nicht in der Macht des Konkursverwalters stehe, das Prüfungsverfahren
beim Konkursgericht zu beschleunigen. Die Erhebung von Säumniszuschlägen als "standardisierter
Mindestschadensausgleich" führe zu einer unangemessenen Benachteiligung der übrigen Gläubiger. Hierdurch werde
der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger nach § 3 Abs 1 KO verletzt.
Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 24 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch -
Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) und des § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst e KO. Auch im
Konkurs entfalle der Sinn und Zweck der Säumniszuschläge als Druckmittel und als standardisierter
Mindestschadensausgleich nicht. Auf Masseschulden könnten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) Säumniszuschläge auch nach Eröffnung des Konkurses erhoben werden. Eine andere Behandlung von
Vorrechtsforderungen sei nicht angezeigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG vom 3. Juli 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das SG hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten über die Feststellung
der Säumniszuschläge aufgehoben und der negativen Feststellungsklage des Klägers stattgegeben.
1. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist noch nach den Vorschriften der KO und des AFG über das
Konkursausfallgeld zu beurteilen, da der Konkurs vor dem 1. Januar 1999 und damit vor Inkrafttreten der
Insolvenzordnung (InsO) angemeldet wurde (§ 335 InsO iVm Art 110 Abs 1 des Einführungsgesetzes zur InsO vom 5.
Oktober 1994 (BGBl I 2866)) und das Insolvenzereignis vor dem 1. Januar 1999 eingetreten ist (§ 430 Abs 5 SGB III
vom 24. März 1997 (BGBl I 594)).
2. Der angefochtene Bescheid war nicht aufzuheben, weil der Beklagten im Zeitpunkt seines Erlasses die Befugnis
zur Feststellung der Säumniszuschläge durch Verwaltungsakt fehlte.
Im Zeitpunkt seines Erlasses und auch noch im Zeitpunkt der Erteilung des Widerspruchsbescheides war die
Beklagte allerdings nicht befugt, die Säumniszuschläge als Konkursforderungen durch Verwaltungsakt gegenüber dem
Kläger festzustellen. Konkursforderungen sind nach Maßgabe der §§ 138 ff KO beim Konkursgericht zur
Konkurstabelle anzumelden. Dies gilt auch für Geldforderungen der Sozialversicherungsträger wie etwa
Beitragsforderungen oder Nebenforderungen, die außerhalb des Konkurses durch Verwaltungsakt festgesetzt werden
(vgl zB BSG, Urteil vom 30. April 1981 Az: 8/8a RU 42/80 in USK 8173 und BSGE 54, 84 ff = SozR 4100 § 160 Nr 4).
Soweit über eine solche Forderung nicht bereits vor Konkurseröffnung ein Verwaltungsakt ergangen ist, darf er nach
Eröffnung des Konkursverfahrens vor Anmeldung der Forderung zur Tabelle und Prüfung der Forderung nicht ergehen.
Das BSG hat für Konkursforderungen vor der Anmeldung zur Konkurstabelle während des Konkursverfahrens eine
Feststellung durch Bescheid erkennbar nicht gefordert (vgl etwa BSGE 25, 235 ff = SozR Nr 3 zu § 28 RVO,
Anmeldung ua einer Beitragsforderung für das Jahr 1954 bei einem am 10. Januar 1954 eröffneten Konkurs) und nicht
einmal erörtert, ob dies zulässig sein könnte. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
(BVerwG) und des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Konkursforderungen zur Konkurstabelle ohne vorherige
Bescheiderteilung anzumelden (vgl BVerwG Buchholz 436.61 § 8 SchwbG Nr 1; Buchholz 401.0 AO § 251 AO Nr 1
und BFHE 183, 365).
Das Verfahren der Beklagten, die Säumniszuschläge nach Konkurseröffnung vor oder zugleich mit der Anmeldung als
Konkursforderung zur Konkurstabelle durch einen an den Konkursverwalter gerichteten Verwaltungsakt festzustellen,
ist unzulässig. Es beruht anscheinend auf dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 25. Juni 1998
(L 4 KR 70/97 in NZS 1998, 590), das unter Berufung auf eine angebliche Rechtsprechung des BSG während des
Konkursverfahrens vor der Anmeldung zur Konkurstabelle die Feststellung der Forderung durch Bescheid für
notwendig hält. Die vom Bayerischen LSG für seine Rechtsansicht angeführte Rechtsprechung des BSG (BSGE 50,
262 = SozR 2200 § 28 Nr 4; BSGE 52, 42 = SozR 4100 § 186a Nr 10; BSGE 56, 55 = SozR 7910 § 59 Nr 15; BSGE
63, 67 = SozR 2100 § 24 Nr 5; BSGE 68, 158 = SozR 3-2400 § 24 Nr 1 und Urteil vom 30. Oktober 1991 Az: 10 RAr
7/90 in Die Beiträge 1992, 277) betrifft jedoch ausnahmslos Masseschulden iS von § 59 KO. Diese sind nicht zur
Konkurstabelle anzumelden, sondern unmittelbar gegenüber dem Konkursverwalter durch Verwaltungsakt geltend zu
machen. In keiner der genannten Entscheidungen wird eine Befugnis oder gar Verpflichtung des Versicherungsträgers
angenommen, Beitragsforderungen als Konkursforderungen während des Konkursverfahrens vor Anmeldung zur
Konkurstabelle durch Verwaltungsakt gegenüber dem Konkursverwalter festzustellen. Der von der Beklagten
gleichwohl vor dem Prüfungstermin erlassene Bescheid war wegen der zu diesem Zeitpunkt fehlenden Befugnis zum
Erlaß eines Feststellungsbescheides ursprünglich rechtswidrig (vgl BFHE 183, 365 für Bescheide, die entgegen § 146
KO und § 251 der Abgabenordnung (AO) vor Anmeldung der Forderung erlassen werden); er wäre vor dem
Prüfungstermin schon aus diesem Grund aufzuheben gewesen.
Nachdem die von der Beklagten gleichzeitig mit dem Erlaß des Bescheides als Konkursforderung zur Konkurstabelle
angemeldeten Säumniszuschläge im Prüfungstermin bestritten worden sind, ist der Bescheid jedoch so zu beurteilen,
als ob die Beklagte ihn nach dem Prüfungstermin erlassen hätte. Er ist nunmehr nicht mehr wegen fehlender Befugnis
zum Erlaß eines Feststellungsbescheides aufzuheben. Denn die Beklagte hat die Befugnis, eine im Prüfungstermin
bestrittene Konkursforderung durch Bescheid festzustellen; sie könnte den Feststellungsbescheid, wenn der frühere
Bescheid aufgehoben würde, umgehend neu erlassen. Sie ist nicht verpflichtet, diese Konkursforderung durch
Feststellungsklage vor dem SG geltend zu machen. Dies ergibt sich aus § 146 KO. Nach Abs 1 Satz 1 dieser
Vorschrift bleibt es den Gläubigern streitig gebliebener Forderungen überlassen, deren Feststellung gegen die
Bestreitenden zu betreiben. Nach § 146 Abs 5 KO findet Abs 1 auf Forderungen entsprechende Anwendung, für deren
Feststellung eine Verwaltungsbehörde oder ein Verwaltungsgericht zuständig ist. Nach Abs 5 sind die Gerichte der
Sozialgerichtsbarkeit zuständig für die Entscheidung, ob Beitragsforderungen der Sozialversicherungsträger als
Konkursforderungen bestehen (ua BSGE 14, 40 = SozR Nr 2 zu § 28 RVO; BSGE 25, 235 = SozR Nr 3 zu § 28
RVO). Aus § 146 Abs 5 KO ergibt sich aber auch, daß die Verwaltungsbehörden ihre Befugnis behalten, Forderungen
durch Verwaltungsakt festzustellen, wenn sie im Prüfungstermin bestritten werden. So nimmt das BVerwG in
ständiger Rechtsprechung an, die Vorschrift ermächtige die Verwaltungsbehörde, eine im Prüfungstermin bestrittene
Konkursforderung durch Verwaltungsakt festzustellen (Buchholz 436.61 § 8 SchwbG Nr 1 und Buchholz 401.0 § 251
AO Nr 1), hält allerdings auch eine Feststellungsklage der Behörde für zulässig (vgl BVerwG 89, 270). In
Steuersachen schreibt § 251 Abs 3 AO ergänzend zu § 146 Abs 5 KO vor, daß die Finanzbehörde erforderlichenfalls
die Konkursforderung und ein Konkursvorrecht durch Verwaltungsakt festzustellen hat, wenn im Konkursverfahren ein
Anspruch aus dem Steuerrechtsverhältnis als Konkursforderung geltend gemacht wird. Erforderlich ist diese
Feststellung, wenn die zur Tabelle angemeldete Forderung im Prüfungstermin bestritten wird (vgl dazu BFHE 183,
365). Der erkennende Senat sieht keinen Grund, für das sozialrechtliche Verfahren von dieser Auslegung des § 146
Abs 5 KO abzuweichen und den Versicherungsträgern die Befugnis vorzuenthalten, nach § 146 Abs 5 KO durch
Feststellungsbescheid zu entscheiden.
Der Senat weicht hiermit nicht von den Entscheidungen ab, in denen das BSG auf Feststellungsklagen der
Sozialversicherungsträger oder der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über Konkursforderungen entschieden hat, die diese
zur Konkurstabelle angemeldet hatten und die im Prüfungstermin bestritten worden waren. Das BSG hat allerdings
regelmäßig die Feststellungsklage des Versicherungsträgers für zulässig gehalten, wenn die angemeldete
Konkursforderung bestritten wurde (BSGE 14, 40, 43 = SozR Nr 2 zu § 28 RVO; BSGE 25, 235 = SozR Nr 3 zu § 28
RVO; BSGE 32, 263 = SozR Nr 5 zu § 28 RVO; BSGE 38, 213 = SozR 2200 § 28 Nr 1; SozR 4230 § 3 Nr 1; BSG in
USK 8173 und BSGE 65, 69 = SozR 7910 § 61 Nr 10). In keiner dieser Entscheidungen ist jedoch ausgesprochen
worden, daß die Versicherungsträger oder die BA Konkursforderungen nur durch Feststellungsklage verfolgen können
und die Erteilung eines Feststellungsbescheides über die Konkursforderung und/oder das Konkursvorrecht auch nach
dem Prüfungstermin unzulässig ist. Soweit der 8a-Senat entschieden hat, daß eine Feststellungsklage der
Berufsgenossenschaft (BG) unzulässig ist, wenn sie ihre Beitragsforderung gegen den Konkursverwalter durch einen
Verwaltungsakt durchsetzen kann (BSGE 50, 262 = SozR 2200 § 28 Nr 4 und USK 8173), betrafen diese
Entscheidungen nur Masseschulden und verpflichteten die BG, Masseschulden gegenüber dem Konkursverwalter
durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Für die Geltendmachung von Konkursforderungen, die im Prüfungstermin
bestritten sind, ist danach die Feststellung der Forderung und des Konkursvorrechts in der bisherigen Rechtsprechung
des BSG nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden.
Die Beklagte war allerdings nur befugt, die Höhe und den Vorrang nach § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst e KO der als
Konkursforderung geltend gemachten Säumniszuschläge durch Bescheid festzustellen. Einen Leistungsbescheid, dh
einen Bescheid, aus dem gegebenenfalls gegenüber dem Konkursverwalter selbständig vollstreckt werden könnte,
durfte sie dagegen nicht erlassen. Die Eigenschaft des Bescheides als Feststellungsbescheid ergibt sich jedoch
hinreichend deutlich aus dem Widerspruchsbescheid, der die Feststellung der Forderung betont und damit die
mißverständliche Bezeichnung des Ausgangsbescheides korrigiert.
3. Der angefochtene Bescheid ist auch in der Sache rechtmäßig. Die Beklagte ist berechtigt, für die zur
Konkurstabelle festgestellte Konkursforderung (Beitragsforderung) auch für die Zeit nach Konkurseröffnung
Säumniszuschläge zu erheben.
Nach § 24 Abs 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum
Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 vH
des rückständigen, auf 100 DM abgerundeten Betrages zu zahlen. Hier werden Säumniszuschläge für Beiträge
gefordert, die zur Konkurstabelle festgestellt sind. Mit diesen Beiträgen besteht auch im Konkursverfahren Säumnis.
Die Erstattung der Beiträge durch die BA nach § 141n Abs 1 Satz 1 AFG führt nicht zu einem Wegfall der Säumnis,
denn nach § 141n Abs 2 Satz 1 AFG bleiben die Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber bestehen. Säumniszuschläge
konnte die Beklagte auch im Jahr 1999 rückwirkend seit September 1997 fordern. Entgegen der Ansicht der Revision
sind Säumniszuschläge auch rückwirkend festzustellen (BSGE 63, 67 = SozR 2100 § 24 Nr 5). Sie dürfen nach § 24
Abs 2 Satz 1 SGB IV gegenüber dem Arbeitgeber nur dann nicht rückwirkend erhoben werden, wenn die
Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird und der Beitragsschuldner
glaubhaft macht, daß er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Diese Bestimmung setzt voraus,
daß Säumniszuschläge im Regelfall auch rückwirkend festzusetzen sind.
Die Feststellung von Säumniszuschlägen als Konkursforderungen ist nicht nach § 3 Abs 1 KO ausgeschlossen. Nach
dieser Vorschrift sind Konkursgläubiger alle persönlichen Gläubiger, welche einen zur Zeit der Eröffnung des
Verfahrens begründeten Vermögensanspruch an den Gemeinschuldner haben. Begründet iS dieser Vorschrift ist ein
Anspruch, wenn der Rechtsgrund für sein Entstehen bereits vor Konkurseröffnung gelegt war, mag die Forderung auch
erst nach Konkurseröffnung entstehen (vgl Kilger/Schmidt, Konkursordnung, 16. Aufl, § 3 RdNr 4). Dies trifft für
Säumniszuschläge zu. Säumniszuschläge sind keine Zinsen oder sonstige Nebenforderungen iS des § 63 KO, die
außerhalb des Konkursverfahrens geltend zu machen sind. § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst e KO bezeichnet
Säumniszuschläge insgesamt als bevorrechtigte Konkursforderungen, ohne sie zeitlich zu beschränken. Der Senat
hat deshalb bereits früher entschieden, daß zu diesen Säumniszuschlägen sowohl die für die Zeit vor Eröffnung des
Konkurses als auch die für die Zeit nachher anfallenden gehören (Urteil vom 23. Oktober 1987 - 12 RK 11/86 in USK
87154). An dieser Entscheidung hält der Senat fest.
Hierfür spricht zunächst, daß in § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst e KO bei den Konkursforderungen die Säumniszuschläge
neben den Beiträgen ebenso genannt werden, wie in § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO bei den Masseschulden. Für
Säumniszuschläge auf Masseschulden nach § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO hat das BSG in ständiger Rechtsprechung
entschieden, daß dazu auch Säumniszuschläge nach Eröffnung des Konkursverfahrens gehören (vgl zuletzt BSGE
83, 292, 294 = SozR 3-2400 § 76 Nr 2 und für § 13 der Gesamtvollstreckungsordnung BSG SozR 3-7915 § 13 Nr 1).
Die Entstehungsgeschichte des § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e und des § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst e KO bestätigt, daß
Säumniszuschläge sowohl für Masseschulden als auch für Konkursforderungen für die Zeit nach Konkurseröffnung
gefordert werden dürfen. Der Rang von Sozialversicherungsbeiträgen im Konkurs war bis zum Inkrafttreten des SGB
IV vom 23. Dezember 1976 (BGBl I 3845) am 1. Juli 1977 nicht in der KO, sondern in § 28 Abs 3 der
Reichsversicherungsordnung (RVO) geregelt. Die Vorschrift hatte ursprünglich für Rückstände einheitlich das
Vorzugsrecht nach § 61 Abs 1 Nr 1 KO vorgesehen. Zu den Rückständen iS dieser Vorschrift gehörten neben den
Beiträgen auch Säumniszuschläge und Verzugszinsen, die bis zum Inkrafttreten des § 24 SGB IV nach § 397a Abs
1, 2 RVO erhoben wurden (BSGE 38, 213 = SozR 2200 § 28 Nr 1 und SozR 4230 § 3 Nr 1 S 1). Durch Art 2 § 4 des
Gesetzes über das Konkursausfallgeld (3. AFG-ÄndG) vom 17. Juli 1974 (BGBl I 1481) wurde § 28 Abs 3 RVO
geändert. Nunmehr wurden Rückstände für die letzten sechs Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens zu
Masseschulden iS des § 59 Abs 1 Nr 3 KO heraufgestuft, soweit sie nicht nach § 141n Satz 3 iVm § 141m Abs 1
AFG auf die BA übergegangen waren. Wenn Rückstände Konkursforderungen waren, bestimmte sich ihr Rang
weiterhin nach § 61 Abs 1 Nr 1 KO. § 28 Abs 3 und § 397a RVO wurden durch Art II § 1 Nr 1 Buchst a und Buchst b
SGB IV gestrichen. Zugleich mit der Streichung von § 28 Abs 3 RVO wurde durch Art II § 10 Nr 1 Buchst a und Nr 2
SGB IV in § 59 Abs 1 Nr 3 KO und § 61 Abs 1 Nr 1 KO jeweils der Buchst e angefügt, der nunmehr für Beiträge
einschließlich Säumniszuschlägen bestimmte, unter welchen Voraussetzungen sie Masseschulden oder
Konkursforderungen sind. Eine sachliche Änderung, soweit es um Säumniszuschläge für die Zeit vor oder nach
Konkurseröffnung ging, war jedoch weder mit der Änderung des § 28 Abs 3 RVO durch das 3. AFG-ÄndG noch mit
der Regelung des Konkursvorrechts von Beiträgen und Säumniszuschlägen in der KO durch das SGB IV verbunden
(vgl schon BSG SozR 4230 § 3 Nr 1 S 4). Auch der Zusammenhang zwischen § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO und § 61
Abs 1 Nr 1 Buchst e KO, den § 59 Abs 2 KO herstellt, spricht dafür, daß in beiden Vorschriften auch die nach
Konkurseröffnung anfallenden Säumniszuschläge erfaßt sind. Nach § 59 Abs 2 KO werden die Ansprüche der Träger
der Sozialversicherung und der BA auf Beiträge nach der Erstattung gemäß § 141n Abs 1 AFG, die zunächst den
Vorrang des § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO haben, als Konkursforderungen mit dem Rang des § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst
e KO berichtigt. Darauf beruht auch das hier geltend gemachte Konkursvorrecht. Die bereits angefallenen
Säumniszuschläge gehören zu diesen zu berichtigenden Forderungen (BSG, Urteil vom 14. Juni 1984 - 10 RAr 9/83 in
USK 8482). Es wäre nicht zu erklären, warum Säumniszuschläge als Masseschulden für die Zeit nach
Konkurseröffnung erhoben werden dürfen, nach Berichtigung und Herabstufung der Grundforderung zur
Konkursforderung aber entfallen sollen.
Die Funktion der Säumniszuschläge, jedenfalls einen gesetzlich standardisierten Mindestschadensausgleich zu
gewährleisten, entfällt während des Konkurses nicht, soweit Säumniszuschläge auf Konkursforderungen erhoben
werden. Unerheblich ist, daß hier die Beklagte als Krankenkasse keinen Schaden hat, sondern dieser bei der BA
eintritt, die aus der Konkursumlage (vgl §§ 186b ff AFG) die Beiträge vorgeleistet hat. Säumniszuschläge dienen dem
Schadensausgleich bei allen betroffenen Versicherungsträgern und der BA und werden von der Beklagten als
Einzugsstelle für diese geltend gemacht. Die Druckfunktion, die Säumniszuschläge ebenfalls haben und die
grundsätzlich auch während des Konkursverfahrens gegenüber dem Konkursverwalter zum Tragen kommen kann
(BSGE 63, 67, 70 = SozR 2100 § 24 Nr 5 für Säumniszuschläge auf Masseschulden), ist für Konkursforderungen, die
zur Konkurstabelle beim Konkursgericht anzumelden sind, allerdings gering, da hier der Konkursverwalter ohne
vorherige Entscheidungen des Konkursgerichts keine Zahlungen leisten darf. Die grundsätzliche Berechtigung von
Säumniszuschlägen wird dadurch aber nicht ausgeschlossen.
Entgegen der Ansicht des Klägers bestehen keine durchgreifenden Einwendungen gegen die Erhebung von
Säumniszuschlägen nach Konkurseröffnung, weil die Gesamthöhe der laufend anfallenden Säumniszuschläge erst bei
Abschluß des Konkursverfahrens genau ermittelt werden kann. Gewisse Unsicherheiten über die Höhe der Forderung
bestehen auch bei noch schwebenden Rechtsstreitigkeiten und aufschiebend bedingten Forderungen. Sie werden im
Konkursverfahren in Kauf genommen (vgl §§ 168, 67 KO). Die hier bestehenden Unsicherheiten sind nicht größer. Die
Summe der Säumniszuschläge ist jedenfalls durch die Zeit bis zur Entscheidung des Konkursgerichts bestimmt.
Schließlich kann die Summierung der Säumniszuschläge im Laufe eines länger dauernden Konkursverfahrens ihre
Erhebung als standardisierter Schadensausgleich nicht von vornherein ausschließen. Verfassungsrechtliche
Bedenken gegen das Konkursvorrecht bestehen nicht (BVerfG SozR 7910 § 61 Nr 9).
Die Beschränkung der Erhebung von Säumniszuschlägen im Steuerrecht gilt für das Sozialversicherungsrecht nicht.
Soweit ein Konkursvorrecht von Steuersäumniszuschlägen nicht besteht (vgl BFHE 110, 318, 320), beruht dies
maßgeblich darauf, daß es für sie im Gesetz nicht vorgesehen ist (§ 61 Abs 1 Nrn 2 und 3 KO). Säumniszuschläge
zu Beiträgen sind demgegenüber in § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst e KO ausdrücklich erwähnt.
Die Höhe der festgesetzten Säumniszuschläge ist vom Kläger nicht beanstandet worden und liegt unter monatlich 1
vH der zur Tabelle angemeldeten Beitragsforderung. Ob die Beklagte die festgestellten Säumniszuschläge nach
Maßgabe des § 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV jedenfalls zum Teil zu erlassen hat, weil die Druckfunktion der
Säumniszuschläge hier weitgehend entfällt, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Darüber wäre
vielmehr auf Antrag durch die Beklagte gesondert zu entscheiden.
4. Die vom Kläger neben der Anfechtungsklage erhobene negative Feststellungsklage, daß die Beklagte nicht befugt
ist, die umstrittenen Säumniszuschläge zu erheben, ist zulässig. Dem Kläger kann nicht entgegengehalten werden,
das Rechtsschutzinteresse fehle, weil die Anfechtungsklage genüge (vgl dazu BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 17 S 114).
Hier bestand für die Feststellungsklage ein Rechtsschutzinteresse, weil zweifelhaft war, ob die Beklagte durch
Verwaltungsakt entscheiden durfte und eine Aufhebung des Verwaltungsaktes deshalb nicht notwendigerweise das
gleiche Ergebnis hat wie die negative Feststellungsklage. Die Fallgestaltung ist insoweit derjenigen vergleichbar, in
der das Rechtsschutzinteresse bejaht worden ist, weil die Anfechtungsklage durch Prozeßurteil rechtskräftig
abgewiesen wurde (BSG SozR 3-2200 § 1402 Nr 1). Die Feststellungsklage ist jedoch ebenso unbegründet wie die
Anfechtungsklage. Die Beklagte ist aus den unter 3. genannten Gründen berechtigt, Säumniszuschläge auf
Konkursforderungen auch für die Zeit nach Eröffnung des Konkurses zu erheben.
5. Hiernach war auf die Revision der Beklagten das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die
Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.