Urteil des BSG vom 14.03.2017

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BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 26.6.2007, B 1 KR 8/07 R
Krankenversicherung - Krankengeld - Anspruchsberechtigung - Rentner - Bezug von
Regelentgelt aus einer neben dem Rentenbezug ausgeübten Tätigkeit - kein
nachgehender Versicherungsschutz in der KVdR
Leitsätze
1. Als Rentner Versicherte haben nur dann Anspruch auf Krankengeld, wenn sie im Zeitpunkt
der in Betracht kommenden Anspruchsentstehung Regelentgelt aus einer neben dem
Rentenbezug ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt haben.
2. Versicherungsschutz in der Krankenversicherung der Rentner schließt nachgehenden
Versicherungsschutz gemäß § 19 Abs 2 SGB 5 aus.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld (Krg).
2 Der 1958 geborene Kläger, der an Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule leidet und seit
1997 laufend Rente wegen Berufsunfähigkeit bezieht, war vom 1.7.2002 bis 31.5.2003 bei
einem Pflegedienst versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der Rechtsvorgängerin der
beklagten Krankenkasse. Der Neurologe und Psychiater Dr. H. bescheinigte ihm
Arbeitsunfähigkeit (AU) vom 22.4. bis Samstag, 31.5.2003 (Diagnosen:
Somatisierungsstörungen, Radikulopathie), weswegen der Kläger Entgeltfortzahlung seines
Arbeitgebers bis 31.5.2003 erhielt. Nach seiner Einlassung bemühte sich der Kläger am
30.5.2003 (Freitag) bei Dr. H. um eine Verlängerung der Krankschreibung, erhielt jedoch
keinen zeitnahen Termin. Am 2.6.2003 (Montag) attestierte ihm der Nervenarzt S. rückwirkend
ab 1.6.2003 AU (Diagnose: Spinalkanalstenose). AU-Folgebescheinigungen reichen bis
5.12.2003.
3 Die Beklagte lehnte die vom Kläger begehrte Krg-Gewährung ab 1.6.2003 ab, weil seine
ursprüngliche AU mit dem 31.5.2003 geendet habe und die danach festgestellte AU ein neuer
Leistungsfall sei. Am 1.6.2003 sei er wegen seines Rentenbezugs Mitglied in der
Krankenversicherung der Rentner (KVdR) gewesen, welche kein Krg umfasse (Schreiben
vom 11.6.2003; Bescheid vom 11.7.2003; Widerspruchsbescheid vom 14.10.2003).
4 Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen: Ein neuer Krg-Anspruch des Klägers hätte
erst wieder am 3.6.2003 entstehen können, sodass seine Mitgliedschaft als Beschäftigter nicht
am 1. und 2.6.2003 erhalten geblieben sei (§ 46 Satz 1 Nr 2, § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V) .
Ansprüche aus § 19 Abs 2 SGB V seien gegenüber der KVdR nachrangig (Urteil vom
4.2.2005).
5 Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte demgegenüber
verurteilt, ihm Krg vom 1.6. bis 5.12.2003 zu gewähren: Seine Mitgliedschaft als Beschäftigter
sei nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V erhalten geblieben, weil er seit 22.4.2003 ununterbrochen
Anspruch auf Krg gehabt habe. Die AU ab 1.6.2003 habe - wie näher ausgeführt wird -
entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf einer neuen Krankheit, sondern auf demselben
Wirbelsäulenleiden beruht. Bei Fortdauer einer solchen bereits festgestellten AU finde die
Karenztagsregelung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V keine Anwendung, zumal der Kläger in
seinem Verantwortungsbereich alles unternommen habe, um die Krankschreibung rechtzeitig
zu verlängern. Für das Fortbestehen des Krg-Anspruchs sei - übereinstimmend mit den AU-
Richtlinien - die ärztliche Bestätigung der weiteren AU am Montag, dem 2.6.2003 ausreichend
gewesen, da die vorherige AU-Feststellung an einem Samstag geendet habe (Urteil vom
2.3.2007).
6 Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 103 SGG
sowie von § 46 Satz 1 Nr 2 und § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V. Das LSG habe verfahrensfehlerhaft
ohne medizinische Sachkunde "ein" durchgehendes Rückenleiden des Klägers bejaht; eine
Begutachtung hätte aber das Vorliegen einer neuen Erkrankung ab 1.6.2003 ergeben. Zu
dieser Zeit sei der Kläger als Mitglied der KVdR nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert
gewesen. Er habe auch nicht alles in seiner Macht stehende getan, um seinen Krg-Anspruch
zu wahren, weil er seinen behandelnden Arzt nicht vor Ablauf der bis 31.5.2003 attestierten
AU aufgesucht habe. Da der Arzt S. keine AU vor dem 1.6.2003 festgestellt habe, liege auch
kein Fall einer sich nachträglich herausstellenden AU-Fehlbeurteilung vor.
7 Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. März 2007 aufzuheben und
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Februar 2005
zurückzuweisen.
8 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
9 Er hält das LSG-Urteil für verfahrensfehlerfrei und materiell-rechtlich zutreffend.
Entscheidungsgründe
10 Die zulässige Revision der beklagten Krankenkasse ist begründet.
11 Das LSG-Urteil, mit dem die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger vom 1.6. bis
5.12.2003 Krg zu gewähren, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Die
Beklagte und das SG haben zutreffend entschieden, dass er in dieser Zeit nicht mit Anspruch
auf Krg versichert war. Daher musste das LSG-Urteil aufgehoben und die Berufung des
Klägers gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen werden.
12 1. Der Kläger ist seit dem 1.6.2003 in den maßgeblichen Zeitpunkten (dazu a) nicht mehr mit
Anspruch auf Krg versichert. Sein Versicherungsschutz als Beschäftigter endete am
31.5.2003 (dazu b). Seitdem war er allein aufgrund seiner Eigenschaft als Bezieher einer
Rente wegen Berufsunfähigkeit ohne Anspruch auf Krg versichert (dazu c). Nachgehende
Krg-Ansprüche aus der Beschäftigtenversicherung über § 19 Abs 2 SGB V standen ihm nicht
zu (dazu d).
13 a) Das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt,
wer in welchem Umfang als "Versicherter" Anspruch auf Krg hat (stRspr, vgl zuletzt zB
Bundessozialgericht , Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 9/06 R - RdNr 10, zur
Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 19/06 R -
RdNr 9 mwN) . Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V haben "Versicherte" Anspruch auf Krg,
wenn - abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig
macht. Dabei ist für den geltend gemachten Krg-Anspruch an den jeweils in Betracht
kommenden Entstehenstatbestand anzuknüpfen, hier also an § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V für die
nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V Versicherten ( vgl im Übrigen zB § 45 Abs 1 Satz 1; § 46 Satz 1
Nr 1, Satz 2 und 3, § 47b Abs 1 Satz 2 SGB V ). Wie der Senat bereits entschieden und
ausführlich begründet hat (BSGE 90, 72, 81 ff = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 39 ff; BSG SozR
4-2500 § 44 Nr 2 RdNr 11, 12, zuletzt - die Rechtsprechung gegen Einwände verteidigend -
Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 37/06 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 13 ff
), bietet das Gesetz keinen Anhalt für das Verständnis des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V als bloßer
Zahlungsvorschrift und für ein Entstehen des Krg-Anspruchs aus § 44 SGB V schon bei
Eintritt der AU. Deshalb ist aus dem vom LSG hervorgehobenen Gesichtspunkt, dass es die
AU-Richtlinien zulassen, die ärztliche Bestätigung der weiteren AU am folgenden Montag
nachzuholen, wenn die AU des Versicherten an einem Samstag endet (vgl Nr 16 der hier
noch einschlägigen Fassung vom 3.9.1991 bzw § 5 Abs 4 der ab
1.1.2004 geltenden Fassung vom 1.12.2003 ), nichts Abweichendes
herzuleiten.
14 b) Der Kläger war nur bis 31.5.2003 mit Anspruch auf Krg versichert.
15 Er gehörte ursprünglich in seiner Eigenschaft als versicherungspflichtig Beschäftigter gemäß
§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V zum Kreis der Versicherungspflichtigen. Wegen der Versicherung als
Beschäftigter war er nicht aufgrund seines Rechts auf Rente wegen Berufsunfähigkeit in der
KVdR versichert ( § 5 Abs 8 Satz 1 iVm Abs 1 Nr 11 SGB V ). Dieser Versicherungsschutz
endete mit dem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis am 31.5.2003. Die aus der
Beschäftigtenversicherung resultierende Pflichtmitgliedschaft bestand entgegen der Ansicht
des LSG nicht gemäß § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V über den 31.5.2003 hinaus fort, weil es an
einem Tatbestand fehlt, der die Mitgliedschaft verlängerte.
16 Nach seinem eindeutigen Wortlaut fordert § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V für den Erhalt der
Mitgliedschaft, dass ein Krg-Anspruch besteht oder Krg tatsächlich bezogen wird ( ebenso
zB: BSG, Beschluss vom 16.12.2003 - B 1 KR 24/02 B; Berchtold, Krankengeld, 2004, RdNr
454; Just in: Wannagat, SGB V, Stand: Dezember 2005, § 46 RdNr 9 ). Der Kläger bezog
aber ab 1.6.2003 weder Krg noch hatte er - ausgehend von der bisherigen Mitgliedschaft - für
diesen Tag Anspruch auf Krg. Sein Krg-Anspruch war entsprechend dem Attest von Dr. H.
bis zum 31.5.2003 befristet. Die Voraussetzungen des Krg-Anspruchs müssen bei zeitlich
befristeter AU-Feststellung und dementsprechender Krg-Gewährung für jeden
Bewilligungsabschnitt erneut festgestellt werden (stRspr, vgl BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 2
RdNr 8 mwN; BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6, jeweils RdNr 23 f mwN). Für den
neuen, nächsten Bewilligungsabschnitt ab 1.6.2003 fehlte es an der Aufrechterhaltung der
Mitgliedschaft. Erst am 2.6.2003 stellte der Nervenarzt S.rückwirkend zum 1.6.2003 erneut
AU fest (zur Unerheblichkeit rückwirkender Attestierung für das Entstehen eines Krg-
Anspruchs vgl BSG, Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 37/06 R - RdNr 15 mwN) . Seit dem
1.6.2003 bestand jedoch lediglich Versicherungsschutz des Klägers in der KVdR ohne Krg-
Anspruch. AU hätte nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aber frühestens ab 3.6.2003 einen Krg-
Anspruch auslösen können. Entgegen der Auffassung des LSG findet die Regelung nämlich
aus den genannten Gründen auch uneingeschränkt Anwendung, wenn es um eine Folge-AU
aufgrund derselben Krankheit geht (ebenso: Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung -
Krankengeld - Mutterschaftsgeld, 7. Aufl, Stand: Februar 2007, § 46 SGB V RdNr 19 f;
Gerlach in: K. Hauck/Noftz, SGB V, Stand: April 2007, SGB V, K § 46 RdNr 13;
Fastabend/Schneider, Das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung, 2004,
RdNr 293 S 302; R. Schmidt, in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand:
Februar 2007, § 46 SGB V RdNr 38; vgl auch BSGE 85, 271, 275 f = SozR 3-2500 § 49 Nr 4
mwN zur Notwendigkeit einer jeweils neuen Meldung nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V).
17 Ein Ausnahmefall, in dem die unterbliebene ärztliche Feststellung der AU ausnahmsweise -
rückwirkend - nachgeholt werden kann (vgl dazu zuletzt zusammenfassend BSGE 95, 219 =
SozR 4-2500 § 46 Nr 1, jeweils RdNr 18 ff) , liegt auf der Grundlage der unangegriffenen und
damit bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht vor. Es gibt keine Hinweise
darauf, dass der Kläger gehindert gewesen sein könnte, alles in seinem
Verantwortungsbereich Mögliche zu unternehmen, um vor Ablauf des
Arbeitsunfähigkeitszeitraums eine rechtzeitige Verlängerung seiner AU-Feststellung über
den 31.5.2003 hinaus zu erlangen. Anhaltspunkte dafür, dass er daran wegen Geschäfts-
oder Handlungsunfähigkeit gehindert gewesen sein könnte ( vgl dazu allgemein BSGE 25,
76, 77 f = SozR Nr 18 zu § 182 RVO ), bestehen nicht. Soweit er vorträgt, er habe bei Dr. H.
nicht rechtzeitig einen Termin erhalten können, ist schon nicht ersichtlich, weshalb er - bei
einer sich offenbar schon abzeichnenden fortbestehenden AU - den Nervenarzt S. nicht
schon am Freitag, dem 30.5., sondern erst am Montag, dem 2.6.2003 aufgesucht hat.
18 c) Der Kläger war seit dem 1.6.2003 als Mitglied der KVdR nur ohne Anspruch auf Krg
versichert.
19 Zwar sind Rentner - ebenso wie Rentenantragsteller - nicht generell von Krg-Ansprüchen
ausgeschlossen. Vielmehr bestimmt § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V nur, dass die nach § 5 Abs 1
Nr 2a, 5, 6, 9 oder 10 SGB V sowie die nach § 10 SGB V Versicherten keinen Anspruch auf
Krg haben; dies gilt nicht für die nach § 5 Abs 1 Nr 6 SGB V Versicherten, wenn sie
Anspruch auf Übergangsgeld haben. Rentner (§ 5 Abs 1 Nr 11, 11a, 12 und Abs 2 SGB V)
sowie Rentenantragsteller (§ 189 SGB V) sind dort gerade nicht erwähnt. Nur in besonderen
Fällen, etwa bei Bezug einer Vollrente wegen Alters, ist ein Anspruch auf Krg für diesen
Personenkreis ausgeschlossen (vgl § 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V und hierzu BSG, Urteil
vom 30.5.2006 - B 1 KR 14/05 R - RdNr 9 ff, USK 2006-11 mwN). Darum geht es hier nicht.
20 Rentner sind aber nur dann mit Anspruch auf Krg versichert, wenn sie bei Entstehen des
Krg-Anspruchs aus einer neben dem Rentenbezug ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit
Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, das der Beitragsberechnung unterlag
(vgl dazu bereits BSG SozR 2200 § 183 Nr 45 S 130 ff zum Recht der
Reichsversicherungsordnung ; R. Schmidt in: aaO, § 44 SGB V RdNr 31) . Das folgt
aus der Regelung über die Höhe und Berechnung des Krg. Nach § 47 Abs 1 Satz 1 SGB V
beträgt das Krg nämlich 70 vH des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und
Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). An einem
solchen Regelentgelt fehlte es für die Zeit der begehrten Leistungsgewährung ab 1.6.2003.
Zur Ermittlung des Regelentgelts bedurfte es einer Schätzung bei vorausschauender
Betrachtungsweise (vgl dazu allgemein BSG, Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 19/06 R - RdNr
9 mwN; BSG SozR 3-2500 § 6 Nr 15 S 47; BSG SozR 2200 § 165 Nr 65; BSG SozR 3-2200
§ 165 Nr 9; K. Peters in: Kasseler Kommentar, Stand: 1.3.2007, § 6 SGB V RdNr 11) . Der
Kläger schickte sich aber nicht an, ab 1.6.2003 Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu
erzielen. Vielmehr hatte er sich am 3.4.2003 mit Wirkung vom 1.6.2003 arbeitslos gemeldet,
erhielt aber mangels Verfügbarkeit kein Arbeitslosengeld (vgl Bescheid der Bundesanstalt
für Arbeit vom 14.7.2003). Zu erwartendes und deshalb durch Gewährung von Krg zu
berücksichtigendes (vgl näher BSG SozR 4-2500 § 47 Nr 4, zur Veröffentlichung auch in
BSGE vorgesehen; BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 11/06 R - zur Veröffentlichung in
BSGE und SozR vorgesehen), der Beitragsberechnung unterliegendes Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen des Klägers fehlte damit für die hier maßgebliche Zeit ab 1.6.2003.
21 d) Der Kläger hat auch keine nachgehenden Krg-Ansprüche begrenzt auf die Dauer eines
Monats nach dem 31.5.2003. Denn seine Versicherung in der KVdR geht dem
nachwirkenden Versicherungsschutz nach § 19 Abs 2 SGB V vor.
22 Nach der Rechtsprechung des Senats ist der aus der früheren Mitgliedschaft abgeleitete
Versicherungsschutz gegenüber Ansprüchen aus einem aktuellen Versicherungsverhältnis
nachrangig, auch wenn das im Wortlaut des § 19 Abs 2 SGB V unmittelbar nicht zum
Ausdruck kommt (BSGE 89, 254, 255 f = SozR 3-2500 § 19 Nr 5 mwN ). Zu der früheren
Regelung in § 214 Abs 1 RVO hatte dies bereits das Reichsversicherungsamt (RVA)
entschieden und sich insbesondere auf den Ausnahmecharakter und den begrenzten Zweck
der Vorschrift berufen (RVA GE Nr 3435 - AN 1929, 215; GE Nr 5554 - AN 1944, 83) . Das
BSG ist dem unter Geltung der RVO in ständiger Rechtsprechung gefolgt (BSGE 14, 278 =
SozR Nr 4 zu § 182 RVO; Urteil vom 30.11.1965 - 3 RK 19/63 - DOK 1966, 469; BSG SozR
Nr 4 zu § 214 RVO, jeweils zum Vorrang der KVdR; BSG SozR 2200 § 214 Nr 2 zum
Vorrang einer freiwilligen Weiterversicherung) . Mit der Überführung des
Krankenversicherungsrechts in das SGB V hat sich die insoweit maßgebliche Rechtslage
nicht geändert. Die für die Subsidiarität des nachwirkenden Versicherungsschutzes
angeführten Erwägungen haben weiterhin Bestand. § 19 Abs 2 SGB V ist eine
Ausnahmevorschrift zur Vermeidung sozialer Härten. Sie soll - wie zuvor § 214 Abs 1 RVO -
verhindern, dass Betroffene bei kurzzeitigen Beschäftigungslücken, zB wegen eines
Arbeitsplatzwechsels, vorübergehend keinen Krankenversicherungsschutz haben ( vgl
Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur
Strukturreform im Gesundheitswesen - GRG, BT-Drucks 11/2237 S 166 zu § 19 Abs 2;
BSGE 89, 254, 256 = SozR 3-2500 § 19 Nr 5 mwN ). Die Schutzbedürftigkeit und damit der
gesetzgeberische Grund für die Gewährung eines über das Mitgliedschaftsende
hinausreichenden, begrenzten beitragsfreien Versicherungsschutzes entfällt, wenn es keine
Sicherungslücke (mehr) gibt, weil entweder unmittelbar im Anschluss an die bisherige
Pflichtmitgliedschaft oder zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der Monatsfrist des § 19
Abs 2 SGB V ein neues Versicherungsverhältnis begründet wird (ebenso: Noftz in: aaO, K §
19 RdNr 60; Höfler in: Kasseler Kommentar, aaO, § 19 SGB V RdNr 27; Leitherer in: Schulin,
Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1, 1994, § 19 RdNr 283; kritisch: Töns, WzS
1990, 33, 43 ff) .
23 Soweit Teile der Literatur eine Ausnahme für Leistungen machen wollen, die - wie das Krg -
in der vorrangigen Versicherung nicht vorgesehen sind (so die sog Überlagerungslehre; vgl
Noftz, aaO, K § 19 RdNr 61; Höfler, aaO, § 19 SGB V RdNr 28 ff; Heinze in:
Gesamtkommentar zum SGB, Stand: Dezember 2005, § 19 SGB V Anm 6d), ist dem nicht zu
folgen. Dass die von ihr angeführten, vor allem verfassungsrechtlichen Argumente nicht
durchgreifen, weil der nachwirkende Schutz nur zeitlich auf einen Monat begrenzt ist, die
vorrangige Versicherung dagegen nicht in gleicher Weise befristet ist, hat das BSG bereits
früher eingehend dargelegt (vgl BSG SozR 2200 § 214 Nr 2 S 4 f) . Daran hat sich seither
substanziell nichts Wesentliches geändert. Zudem besteht schon im Ansatz nicht die
Situation einer Doppelversicherung, mit der die Literatur zum Teil argumentiert: § 19 Abs 2
SGB V gelangt nicht zur Anwendung, sondern wird durch eine vorrangige aktuelle
Versicherung verdrängt. Soweit - wie hier - die Versicherung als Rentner eingreift, bedeutet
dies zugleich, dass darin nicht einmal grundsätzlich Krg-Ansprüche ausgeschlossen sein
müssen (vgl oben). Nur wenn es zu solchen Ansprüchen deshalb nicht kommt, weil es
überhaupt an durch AU als entfallend geltendem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen fehlt,
das der Beitragsberechnung unterliegt, könnte nachgehender Versicherungsschutz -
punktuell - günstiger wirken. An einer inneren Rechtfertigung für den Vorrang eines
derartigen Versicherungsschutzes fehlt es. Vielmehr liegt es näher, nicht in systemwidriger
Weise an vereinzelte Begünstigungen anzuknüpfen. Entscheidend ist insoweit, dass
Versicherte nach der ständigen Rechtsprechung des Senats Krg grundsätzlich nur als Ersatz
für diejenigen Einkünfte beanspruchen können, die sie vor Eintritt der AU bzw vor Beginn
einer stationären Behandlung als Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen haben und
die wegen der Erkrankung entfallen (vgl BSGE 92, 260 = SozR 4-2500 § 47 Nr 1, jeweils
RdNr 6; BSG SozR 4-2500 § 47 Nr 4 RdNr 20 mwN; zuletzt BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B
1 KR 11/06 R - RdNr 12, zur Veröffentlichung vorgesehen) .
24 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.