Urteil des BSG vom 17.06.2010

BSG: treu und glauben, operation, vergütung, versorgung, krankenkasse, abrechnung, rückzahlung, öffentlich, gsg, krankenversicherung

Bundessozialgericht
Urteil vom 17.06.2010
Sozialgericht Köln S 26 KR 260/02
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 16 KR 242/06
Bundessozialgericht B 3 KR 4/09 R
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Januar 2009
geändert und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 9. Dezember 2003 in vollem
Umfang zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten in allen
Rechtszügen.
Gründe:
I
1
Die Beklagte ist Trägerin eines zur Versorgung von Versicherten der GKV zugelassenen Krankenhauses, in dem die
bei der Klägerin gesetzlich krankenversicherte L. M. (im Folgenden: Versicherte) am 4.7.1997 nach Aufnahme am
Vortage wegen eines Tumors am linken Eierstock operiert und bis zum 16.7.1997 stationär versorgt worden ist. Die
Operation umfasste die Eröffnung der Bauchdecke mit linksseitiger Rest-Adnektomie (Entfernung des Eierstocks)
sowie linksseitiger pelviner Lymphadenektomie (Entfernung von Lymphknoten). Nach Rechnungslegung der Beklagten
zahlte die Klägerin am 4.8.1997 die geltend gemachte Vergütung in Höhe von 10 116,22 DM (5172,34 Euro) zunächst
ohne Abzug, wobei sich der Rechnungsbetrag wie folgt zusammensetzte:
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Basispflegesatz vollstationär 13 Tage 1324,18 DM Abteilungspflegesatz Gynäkologie 3293,29 DM 20% Abschlag bei
Sonderentgelt./. 658,71 DM Sonderentgelt 11.01 "Retroperitoneale Lymphadenektomie" 4288,88 DM Sonderentgelt
15.03 "Ovarektomie und/oder Salpingektomie einseitig" 1868,58 DM.
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Im November 2001 forderte die Klägerin von der Beklagten eine Teilerstattung der vereinnahmten Vergütung in Höhe
von 1868,58 DM (955,39 Euro). Zuzüglich der tagesgleichen Pflegesätze sei nur das höherwertige Sonderentgelt
11.01, nicht aber zusätzlich das geringere Sonderentgelt 15.03 abrechenbar gewesen, da beide Eingriffe an
demselben Tag und über denselben operativen Zugang erfolgt seien. Mit den Sonderentgelten werde ein Teil der
allgemeinen Krankenhausleistungen für einen bestimmten Leistungskomplex eines Behandlungsfalles vergütet.
Voraussetzung für die Abrechenbarkeit der Sonderentgelte sei daher grundsätzlich, dass der jeweilige
Leistungskomplex auch vollständig erbracht worden sei.
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Das SG hat die am 27.12.2001 erhobene Zahlungsklage abgewiesen, weil die Beklagte wirksam die Einrede der
Verjährung erhoben habe (Urteil vom 9.12.2003). Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte
antragsgemäß - bis auf einen geringen Zinsbetrag - zur Zahlung verurteilt (Urteil vom 29.1.2009): Der
Erstattungsanspruch sei begründet, weil die Sonderentgelte nach § 11 Abs 2 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) für
das Jahr 1997 nicht nebeneinander abrechenbar seien, wenn - wie hier - zwei Eingriffe im Rahmen einer einzigen
Operation und in demselben Operationsgebiet erfolgten. Der Rückabwicklung stünden weder ein
Rückforderungsausschluss noch die Verjährungseinrede oder eine Verwirkung der Forderung entgegen. Insbesondere
verstoße es nicht gegen Treu und Glauben, wenn die Klägerin ihre Forderung erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist
von vier Jahren geltend mache.
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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Die §§ 11 ff BPflV 1997 enthielten eine
Konkurrenzregelung für die Abrechnung mehrerer Sonderentgelte nicht. Ferner seien die zivilrechtlichen Vorschriften
zum Bereicherungsrecht sowie von Treu und Glauben verletzt. Das Krankenhaus werde durch die Erstattung auf
Individualebene doppelt belastet, da diese Erstattung auf Budgetebene im Rahmen der Pflegesatz- und
Entgeltvereinbarungen nachträglich keine Berücksichtigung mehr finde.
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Die Beklagte beantragt, das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.1.2009 zu ändern und die Berufung der
Klägerin gegen das Urteil des SG Köln vom 9.12.2003 in vollem Umfang zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II
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Die Revision ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG entschieden, dass das Sonderentgelt 15.03 nicht angefallen und
die Beklagte deshalb zur Teil-Rückzahlung von 955,39 Euro verpflichtet ist. Nach den Abrechungsbestimmungen für
das Jahr 1997 bestanden parallele Vergütungsansprüche nach den Sonderentgelten 11.01 und 15.03 auch dann, wenn
die Operation innerhalb desselben Operationsgebiets durchgeführt worden ist. Deshalb war das im Ergebnis
zutreffende Urteil des SG wiederherzustellen, ohne dass es auf die Verjährungseinrede und die Grundsätze von Treu
und Glauben ankommt.
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1. Die von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere ist die Klage als
(echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG zulässig, denn es geht auch bei einer auf Rückzahlung von
Behandlungskosten gerichteten Klage einer Krankenkasse gegen ein Krankenhaus um einen Parteienstreit im
Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl BSGE 86, 166,
167 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 2; BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 2 RdNr 13; BSGE 101, 33 = SozR 4-2500 § 109 Nr 9,
RdNr 15). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.
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2. Rechtsgrundlage des Rückzahlungsbegehrens ist ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Dieses aus den
allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines
öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose
Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zwar besteht hier ein
solches Rechtsverhältnis, weil die Rechtsbeziehungen zwischen der Krankenkasse und dem Krankenhaus öffentlich-
rechtlicher Natur sind. Das ergibt sich seit der entsprechenden Änderung der Vorschrift durch das GKV-
Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999 (BGBl I 2626) explizit aus § 69 SGB V (in der aktuellen Fassung von
Art 1 Buchst 1e des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen
Krankenversicherung - GKV-OrgWG - vom 15.12.2008, BGBl I 2426, vgl § 69 Abs 1 Satz 2 SGB V), galt aber nach
der Rechtsprechung des erkennenden Senats auch ohne ausdrückliche Anordnung bereits für die vorangegangene
Zeit (vgl BSGE 97, 125 = SozR 4-1500 § 92 Nr 3, RdNr 9 mwN). Jedoch hat die Beklagte die Vergütung für die
stationäre Versorgung der Versicherten nicht ohne Rechtsgrund erhalten, weil sie neben dem Sonderentgelt 11.01
auch einen Anspruch auf das Sonderentgelt 15.03 erworben hatte (dazu im Einzelnen unter 4.).
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3. Rechtsgrundlage des von der Klägerin zu Recht erfüllten Vergütungsanspruchs der Beklagten ist § 109 Abs 4 Satz
3 SGB V iVm §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) (hier jeweils idF des Gesetzes zur Sicherung und
Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung - Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) - vom 21.12.1992,
BGBl I 2266) und der auf dieser Grundlage erlassenen BPflV (hier idF der Vierten Änderungsverordnung vom
17.4.1996, BGBl I 619, der Verordnung zur Neuordnung des Pflegesatzrechts vom 26.9.1994, BGBl I 2750 – im
Folgenden: BPflV 1994) sowie dem Vertrag nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V für das Land Nordrhein-Westfalen vom
6.12.1996 über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung (Sicherstellungsvertrag) zwischen der
Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der
Ersatzkassen. Demgemäß entsteht die Zahlungsverpflichtung einer gesetzlichen Krankenkasse unabhängig von einer
Kostenzusage ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den
bei ihr versicherten Patienten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von
§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (vgl nur BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 3; BSGE 90, 1, 2 =
SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15). Ausgestaltet ist diese
Zahlungsverpflichtung gemäß § 16 Satz 1 Nr 1 KHG durch die BPflV, eine Rechtsverordnung der Bundesregierung mit
Zustimmung des Bundesrats über die Krankenhauspflegesätze. In ihr sind ua Fallpauschalen und pauschalierte
Sonderentgelte mit Vorgabe bundeseinheitlicher Bewertungsrelationen bestimmt, die der Abrechnung von
Krankenhausleistungen spätestens seit dem 1.1.1996 zugrunde zu legen sind (§ 17 Abs 2a Satz 1 KHG idF des
GSG). Maßgebend ist für den hier streitigen Leistungszeitraum die BPflV 1994 mit den Regelungen über die
Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ua durch Fallpauschalen (§ 11 Abs 1 BPflV 1994) und
Sonderentgelte (§ 11 Abs 2 BPflV 1994). Letztere dienen gemäß § 11 Abs 2 Satz 1, § 14 Abs 3 Satz 1 BPflV 1994
der Vergütung eines Teils der allgemeinen Krankenhausleistungen für die Leistungskomplexe eines
Behandlungsfalles, die ua in dem von der Bundesregierung als Verordnungsgeber durch Anlage 2 zu § 11 Abs 2 BPflV
1994 festgelegten Entgeltkatalog aufgeführt sind (im Folgenden: Sonderentgelt-Katalog 1994).
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4. Aufgrund des Sonderentgelt-Katalogs 1994 hat die Beklagte nach den insoweit maßgeblichen
Auslegungsgrundsätzen durch die Versorgung der Versicherten neben dem Sonderentgelt 11.01 auch Anspruch auf
das Sonderentgelt 15.03 erworben. Das gilt entgegen der Auffassung des LSG und der Klägerin - anders als nach den
seit 1998 geltenden Fassungen - auch für einen einheitlichen Operationsvorgang innerhalb nur eines
Operationsgebiets.
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a) Das Sonderentgelt 15.03 ist in Anlage 2 zum Sonderentgelt-Katalog 1994 in der Gruppe 15 (Operationen an den
weiblichen Geschlechtsorganen) definiert als "Ovarektomie und/oder Salpingektomie, einseitig", das Sonderentgelt
11.01 in der Gruppe 11 (Operationen am hämatopoetischen und Lymphgefäßsystem) umschrieben als
"Retroperitoneale Lymphadenektomie, ggf. einschl. Entfernung der iliacalen Lymphknoten". Danach besteht ein
entsprechender Vergütungsanspruch nach Maßgabe der jeweiligen Bewertungsrelationen, sofern die Leistung erstens
- von Notfällen abgesehen - in den Versorgungsauftrag des Krankenhauses fällt (§ 14 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 BPflV
1994) und zweitens in medizinischer Hinsicht den Tatbestand des betreffenden Sonderentgelts erfüllt. Beides ist hier
der Fall. Nach den unangegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG wurden
bei der Behandlung der Versicherten nach Eröffnung der Bauchdecke sowohl die linksseitig im Becken gelegenen
Lymphknoten als auch der linke Eierstock operativ entfernt. Damit hat die Beklagte im Rahmen ihres
Versorgungsauftrages - was auch die Klägerin nicht in Frage stellt - dem Tatbestand nach den Leistungskomplex
beider Sonderentgelte erbracht.
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b) Das ist nach dem Sonderentgelt-Katalog 1994 nicht deswegen partiell unbeachtlich, weil für die Operation nur ein
Operationszugang erforderlich war. Zwar mag deshalb die Vergütung im Vergleich zu anderen Entgelten überbewertet
erscheinen. Mangels ausdrücklicher Kollisionsregeln (dazu sogleich unter c) ist für solche Erwägungen hier aber kein
Raum. Ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge kann eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige
Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng
nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für
weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem
Wortlaut und allenfalls ergänzend nach systematischem Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und
Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (so bereits BSG SozR 3-5565 § 14 Nr 2 S 15; BSG SozR 3-5565 § 15 Nr
1 S 6; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18). Sofern sich in der Praxis erweist, dass es dabei zu
Bewertungsunstimmigkeiten und sonstigen Ungereimtheiten kommt, war es Aufgabe der Vertragspartner, die
zwischenzeitlich dafür zuständig geworden sind, dies durch Weiterentwicklung der Fallpauschalen- bzw Sonderentgelt-
Kataloge und der Abrechnungsbestimmungen zu beheben (vgl § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BPflV in der seit der Fünften
Verordnung zur Änderung der BPflV vom 9.12.1997, BGBl I 2874 geltenden Fassung – im Folgenden: BPflV 1998).
Kommt es dabei zu keiner Einigung, ist zunächst die Schiedsstelle nach § 18a Abs 6 KHG anzurufen (vgl § 15 Abs 4
BPflV idF von Art 6 Nr 4 Buchst b des Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der GKV - GKV-
Solidaritätsstärkungsgesetz (GKV-SolG) - vom 19.12.1998, BGBl I 3853), bevor sich die Gerichte mit Fragen der
Angemessenheit von Vergütungen befassen können. Dabei sind die Entscheidungen der Schiedsstelle nur beschränkt
überprüfbar (vgl BSGE 20, 73, 76 ff = SozR Nr 1 zu § 368h RVO Aa 2 ff; BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr
1 S 5). Dies entspricht auch der Zurückhaltung der Rechtsprechung bei der Auslegung von
Abrechnungsbestimmungen im vertragsärztlichen Bereich (stRspr, aus jüngerer Zeit vgl etwa BSG SozR 4-2500 §
106a Nr 4 RdNr 12 mwN).
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c) Eine in diesem Sinne ausdrückliche und für die Abrechnungspraxis unzweifelhaft handhabbare Konkurrenzregel für
das Zusammentreffen mehrerer Sonderentgelttatbestände bei Operationen in nur einem Operationsgebiet enthielt die
BPflV 1994 jedenfalls für die hier streitige Versorgung nicht. Der Wortlaut des § 14 Abs 3 Satz 1 und 2 BPflV 1994 mit
den Wendungen "Sonderentgelte werden" und "werden zusätzlich" setzt sprachlich ausdrücklich voraus, dass auch
bei nur einer Operation mehrere Sonderentgelte berechnet werden können, und knüpft allein daran an, dass der im
Sonderentgeltkatalog beschriebene Leistungskomplex vorliegt. Anders als für das Zusammentreffen von
Fallpauschalen und Sonderentgelten - was nach § 14 Abs 1 Satz 3 Halbs 1 BPflV 1994 grundsätzlich ausgeschlossen
und nach § 14 Abs 6 Nr 1 BPflV 1994 lediglich ausnahmsweise zugelassen wurde - trifft die BPflV 1994 keine
allgemeine Regelung für das Nebeneinander mehrerer Sonderentgelttatbestände. Auch die Vorgaben des
Sonderentgeltkatalogs 1994 geben dafür weder allgemein noch in Bezug auf die hier im Streit stehenden
Leistungskomplexe explizit etwas vor; jedenfalls Gegenstand ausdrücklicher Regelung ist diese Frage im
Abrechnungswerk der BPflV 1994 nicht geworden.
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d) Nichts anderes folgt aus der mit der BPflV 1998 zum 1.1.1998 eingefügten Neuregelung des § 14 Abs 6 Satz 2 Nr 1
BPflV 1998; sie bestätigt im Gegenteil die hier vorgenommene Auslegung. Danach galt nunmehr: "Zusätzlich zu
einem Sonderentgelt darf berechnet werden: 1. ein weiteres Sonderentgelt in den Fällen, in denen dies in den
Entgeltkatalogen nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 und § 16 Abs. 2 zugelassen ist, sowie bei der Behandlung von Blutern (§ 11
Abs. 2 Satz 3), 2 ..." Im Gefolge dessen wurde auch der Sonderentgelt-Katalog entsprechend geändert und in Ziffer 3
der erstmals vorangestellten Abrechnungsbestimmungen ein Korrektiv für das Zusammentreffen mehrerer
Sonderentgelte eingefügt. Dort hieß es nun: "Zusätzlich zu einer Fallpauschale oder zu einem Sonderentgelt für
Operationen (Kapitel I) darf ein weiteres Sonderentgelt nur berechnet werden bei - einer Operation an einem anderen
Operationstermin, - einer Operation an demselben Operationstermin, wenn der Eingriff in einem anderen
Operationsgebiet über einen gesonderten Operationszugang vorgenommen wird, - einer Rezidiv-Operation
(Wiederkehren der ursprünglichen Erkrankung; nicht bei Komplikationen) während desselben Krankenhausaufenthalts,
- Leistungen, bei denen dies aus der Leistungsdefinition hervorgeht." Hierdurch sollte die bis dahin geltende
Abrechnungslage beim Zusammentreffen mehrerer Sonderentgelte ausdrücklich "geändert" werden, weil die häufig nur
relativ geringen zusätzlichen Operationskosten die Berechnung eines weiteren Sonderentgelts nicht rechtfertigten.
Deshalb sollte ein zweites Sonderentgelt ua nur bei einem zusätzlichen Operationszugang anfallen. Weniger
aufwändige Eingriffe sollte das Krankenhaus deshalb ohne zusätzliche Abrechnung durchführen müssen (so
ausdrücklich die Begründung zur BPflV 1998, BR-Drucks 802/97 S 61 f). Auch dies belegt, dass vor der Neuregelung
in der BPflV ein Anspruch auf mehrere Sonderentgelte bestehen konnte, selbst wenn - wie möglicherweise hier - der
zusätzliche operative Aufwand für den weiteren Leistungskomplex sehr gering war.
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e) Etwas anderes folgt vor diesem Hintergrund entgegen der Auffassung des LSG auch nicht aus der Regelung des §
11 Abs 2 Satz 2 BPflV 1994, wonach die Sonderentgelte "im Rahmen der Leistungsabgrenzung insbesondere die
Kostenarten nach den Nummern 1 bis 4 und 14 in Blatt K 1 der Leistungs- und Kalkulationsaufstellung" umfassen.
Ohnehin hat diese Regelung primär nur Bedeutung für die Aufstellung des Sonderentgelt-Katalogs und weniger für
dessen Auslegung. Aus ihr kann jedenfalls nicht gefolgert werden, dass das Sonderentgelt 15.03 vorliegend entfallen
müsste. Zwar erlaubt die Vorschrift Rückschlüsse auf die mit einem Sonderentgelt abzudeckenden Kostenarten. Das
ist hier jedoch ohne Bedeutung, weil diese Kosten durch den operativen Eingriff der Art nach zu beiden
Leistungskomplexen vollständig angefallen sind. Allerdings sind sie der Höhe nach mutmaßlich nicht so entstanden,
wie es bei jeweils isolierter Leistungserbringung der Fall gewesen wäre. Welche Folgen dies hat, kann entgegen der
Ansicht des LSG einer allein auf die Kostenart beschränkten Regelung nicht entnommen werden. Die Entscheidung
hierüber erfordert vielmehr - wie nicht zuletzt die Regelung in der Anlage zur BPflV 1998 erweist (dazu oben unter 4 d)
- differenzierte Wertungen, die nur im Wege der Rechtsetzung - so hier für die BPflV 1994 durch die Bundesregierung
als Verordnungsgeberin - oder der Vereinbarung - so seit der Übertragung auf die Vertragspartner durch die BPflV
1998 - getroffen und nicht durch Auslegung einer ausschließlich auf die Art der Kostenentstehung ausgerichteten
Vorschrift ermittelt werden kann.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG in der hier noch anwendbaren Fassung vor der
Rechtsänderung zum 2.1.2002, da die Klage vor dem 2.1.2002 erhoben worden ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr
24).