Urteil des BSG vom 29.01.2009

BSG (unterkunft und verpflegung, vergütung, gestehungskosten, vergleich, verhältnis zu, pflegeheim, betriebsführung, schiedsspruch, verpflegung, schiedsstelle)

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 29.1.2009, B 3 P 9/07 R
Parallelentscheidung zu dem BSG-Urteil vom 29.1.2009 - B 3 P 7/08 R.
Tatbestand
1 Streitig ist ein Schiedsspruch der beklagten Schiedsstelle vom 5.8.2002 über die
leistungsgerechte Vergütung für allgemeine Pflegeleistungen und über ein angemessenes
Entgelt für Unterkunft und Verpflegung bei stationärer Pflege für die Zeit vom 1.8.2002 bis
zum 31.3.2003.
2 Das Pflegeheim der Klägerin hat 44 stationäre Heimplätze und verfügt über einen
Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI. Eine Tarifbindung besteht nicht. In der Zeit vom
1.2.2001 bis zum 31.7.2002 galt pro Pflegetag folgende Vergütungsregelung:
3 Pflegeklasse I 62,74 DM = 32,08 Euro,
Pflegeklasse II 80,75 DM = 41,29 Euro,
Pflegeklasse III 98,92 DM = 50,58 Euro,
Unterkunft/Verpflegung 28,78 DM = 14,71 Euro.
4 Dem lag folgender Pflegepersonalschlüssel (PPS) zugrunde:
Pflegestufe I 1 : 4,34
Pflegestufe II 1 : 2,89
Pflegestufe III 1 : 2,16.
Eine Leistungs- und Qualitätsvereinbarung nach § 80a SGB XI gab es nicht.
5 Nachdem Einigungsversuche über eine neue Vergütungsregelung erfolglos geblieben
waren, beantragte die Klägerin am 11.1.2002 die Einleitung eines Schiedsverfahrens. Dort
beantragte die Klägerin zuletzt Vergütungen mit einem etwas veränderten PPS, nämlich:
Pflegeklasse I 34,62 Euro, PPS 1 : 4,50
Pflegeklasse II 45,05 Euro, PPS 1 : 3,00
Pflegeklasse III 55,66 Euro, PPS 1 : 2,25
Unterkunft/Verpflegung 15,33 Euro.
6 Die Beigeladenen boten eine gegenüber der bestehenden Regelung leicht verbesserte
Vergütung an, beharrten aber auf dem bisherigen, für die Heimbewohner günstigeren PPS.
7 Die Beklagte setzte auf der Basis eines externen Vergleichs mit 16 Pflegeheimen aus dem
Landkreis L. unter Zugrundelegung eines vergleichbaren PPS, einer Fachkraftquote von
über 50 % und mindestens 20 Pflegeplätzen durch Schiedsspruch vom 29.7./5.8.2002 für die
Zeit vom 1.8.2002 bis zum 31.3.2003 die Vergütungen wie folgt fest:
Pflegeklasse I 34,06 Euro (Vergleichsgruppe 33,50 Euro)
Pflegeklasse II 44,27 Euro (Vergleichsgruppe 43,48 Euro)
Pflegeklasse III 54,66 Euro (Vergleichsgruppe 53,50 Euro)
Unterkunft/Verpflegung 15,20 Euro (Vergleichsgruppe 14,94 Euro).
Die von der Klägerin gewünschte Veränderung des PPS lehnte die Beklagte ab.
8 Bis zum 30.11.2005 galt - bei weiterhin unverändertem PPS - folgende Vergütungsregelung
(Schiedsspruch vom 11.12.2003):
Pflegeklasse I 34,14 Euro
Pflegeklasse II 44,67 Euro
Pflegeklasse III 55,02 Euro
Unterkunft/Verpflegung 15,20 Euro.
Eine Veränderung des PPS konnte die Klägerin erst zum 1.12.2005 erreichen (1 : 4,40, 1 :
2,90, 1 : 2,20).
9 Im Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte habe nicht hinreichend
berücksichtigt, dass ihr Angebot auf einem veränderten PPS basiere. Unter Zugrundelegung
des alten PPS, den die Beklagte mit dem Schiedsspruch fortgeschrieben habe, hätte sie nur
ein entsprechend höheres Angebot unterbreiten können (33,42 Euro, 46,26 Euro, 57,42
Euro, 15,33 Euro). Die im Schiedsspruch festgelegten Pflegesätze seien mit Blick auf den
alten PPS unzureichend, obwohl ihre Kosten - objektiv gesehen - nicht hoch seien. Die
Beschränkung des externen Vergleichs auf den Landkreis L. sei verfehlt, weil 18 von derzeit
42 Bewohnern aus dem benachbarten Landkreis H. kämen, in dem es allgemein ein höheres
Pflegesatzniveau gebe. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass im Landkreis L. aufgrund
historischer Entwicklungen mehrere Pflegeheime mit für die Pflegebedürftigen
ungünstigerem PPS, also schlechterer Personalausstattung, am oberen Ende der
Bandbreite der Pflegesätze lägen, was dem gesetzlichen Gebot einer leistungsgerechten
Vergütung widerspreche.
10 Das Sozialgericht (SG) hat die auf Neubescheidung des Antrags der Klägerin vom 11.1.2002
gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 8.7.2004). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf
die Berufung der Klägerin das Urteil des SG geändert und die Beklagte zur Neubescheidung
des Antrags unter Beachtung seiner Rechtsauffassung verurteilt (Urteil vom 15.2.2007). Es
hat ausgeführt, sowohl die Prüfmethode (externer Vergleich gemäß den Grundsätzen der
Urteile des Bundessozialgerichts vom 14.12.2000) als auch die angewandten
Prüfkriterien seien nicht zu beanstanden. Die Prüfkriterien lägen innerhalb des weiten
Beurteilungsspielraums, der den Schiedsstellen eröffnet sei. Der Hinweis auf eine
widersprüchliche Pflegesatzstruktur sei nicht tragfähig, weil nur Pflegeheime mit
vergleichbarem PPS in den Vergleich einbezogen worden seien. Die Tarifbindung mancher
Heime könne den ermittelten Durchschnittswert der Pflegesätze der 16 Heime allenfalls
erhöht, sich also zugunsten der Klägerin ausgewirkt haben. Zudem habe die Klägerin nicht
nachgewiesen, dass die festgesetzten Pflegesätze für eine kostendeckende
Leistungserbringung im fraglichen Zeitraum nicht ausreichten. Ihre Kostenkalkulationen bzw
Gewinn- und Verlustrechnungen stützten ihre gegenteilige Behauptung nicht. Der
Schiedsspruch habe allein deshalb keinen Bestand haben können, weil in den externen
Vergleich das Pflegeheim W. einbezogen worden sei, das nur über 18 Plätze verfüge.
11 Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das
LSG habe den Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt und Beweisanträge übergangen.
Die von der Beklagten und den Beigeladenen praktizierte Form des externen Vergleichs
sichere nicht das gesetzliche Gebot der leistungsgerechten Vergütung, weil der Aspekt der
bei wirtschaftlicher Betriebsführung tatsächlich anfallenden Kosten ausgeblendet werde.
12 Mit ihrer Anschlussrevision strebt die Beigeladene zu 2. die Wiederherstellung des
erstinstanzlichen Urteils an. Sie trägt vor, das Pflegeheim W. in D. verfüge seit dem
24.5.2002 über 22 Pflegeplätze, habe also - entgegen der Annahme des LSG - in den
externen Vergleich einbezogen werden dürfen. Ansonsten sei das Berufungsurteil
zutreffend.
13 Die Klägerin rügt das neue Vorbringen der Beigeladenen zu 2. als verspätet und beantragt,
die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 15.2.2007 und des SG Lüneburg vom
8.7.2004 zu ändern, den Schiedsspruch der Beklagten vom 5.8.2002 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, über die Anträge auf Festsetzung der Pflegevergütung sowie der
Vergütung für Unterkunft und Verpflegung unter Beachtung der Rechtsauffassung des
erkennenden Senats erneut zu entscheiden und die Anschlussrevision der Beigeladenen zu
2. zurückzuweisen.
14 Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 15.2.2007 zu ändern und die Berufung der
Klägerin gegen das Urteil des SG Lüneburg vom 8.7.2004 zurückzuweisen.
15 Die Beklagte und die anderen Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
16 Die Revision der Klägerin ist begründet. Der angefochtene Schiedsspruch vom 5.8.2002
verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Das LSG hat daher zu Recht das die Klage
abweisende Urteil des SG vom 8.7.2004 sowie den Schiedsspruch aufgehoben. Die
Auffassung des LSG, der Schiedsspruch sei aber nur insoweit rechtswidrig, als das
Pflegeheim W. in den externen Vergleich einbezogen worden sei, trifft jedoch nicht zu.
Deshalb war das Berufungsurteil mit der Maßgabe zu ändern, dass die Beklagte bei ihrer
erneuten Schiedsentscheidung die Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten
hat. Die auf die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils gerichtete Anschlussrevision
der Beigeladenen zu 2. war dementsprechend zurückzuweisen.
17 1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung in formeller Hinsicht sind § 76 SGB XI
iVm § 85 Abs 5 Satz 1 und § 87 Satz 3 Halbsatz 1 SGB XI - jeweils idF des PflegeVG vom
26.5.1994 (BGBl I 1014) . Danach setzt die Schiedsstelle mit der Mehrheit ihrer Mitglieder (§
76 Abs 3 Satz 4 SGB XI) die Pflegesätze bzw die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung
auf Antrag einer Vertragspartei unverzüglich fest, wenn eine Vereinbarung darüber innerhalb
von sechs Wochen nach schriftlicher Aufforderung zur Verhandlung nicht zustande
gekommen ist. Angestrebt wird damit eine zügige Konfliktlösung, soweit sich die
Vertragsparteien über die Pflegesätze und die Vergütung für Unterkunft und Verpflegung in
der Pflegeeinrichtung nicht verständigen können (vgl BT-Drucks 12/5262 S 146 zu § 94 Abs
5) . Verfahrensziel ist ein weitgehender Interessenausgleich zwischen Leistungserbringern
sowie Leistungsverpflichteten und Pflegeheimbewohnern. Auf der einen Seite hat die
Schiedsstelle dem Interesse der Leistungserbringer an der angemessenen Vergütung ihrer
Leistungen und damit mittelbar auch dem öffentlichen Interesse an einer ausreichenden
Versorgung mit Pflegeeinrichtungen Rechnung zu tragen. Auf der anderen Seite trägt sie die
Verantwortung für eine kostengünstige Leistungserbringung; dies betrifft neben der
Solidargemeinschaft aller Beitragszahler insbesondere auch die Heimbewohner, die den
von der sozialen Pflegeversicherung mit den Pauschalbeträgen nach § 43 SGB XI nicht
abgedeckten Anteil der Pflegevergütung sowie das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung (§
82 Abs 1 Satz 4 SGB XI) selbst zu tragen haben. Dies sind erhebliche Belastungen, die etwa
im Jahr 2007 zusammen mit den ebenfalls auf die Pflegebedürftigen entfallenden
Investitionskostenanteilen (§ 82 Abs 3 Satz 1 SGB XI) durchschnittlich pro Monat von 1.244
Euro in Pflegestufe I bis zu 1.647 Euro in Pflegestufe III betragen haben (vgl Statistisches
Bundesamt, Pflegestatistik 2007, Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung, 4. Bericht
Ländervergleich: Pflegeheime, S 15 und Rothgang/Borchert/Müller/Unger, GEK-Pflegereport
2008, S 75 mit FN 26) . Mittelbar ist auch das Interesse von Angehörigen und
Sozialhilfeträgern betroffen, soweit Heimbewohner die Lasten nicht tragen können; alleine
für die öffentliche Hand ist dadurch im Jahre 2006 eine Nettobelastung von 1.929 Mrd Euro
entstanden (vgl Statistisches Bundesamt, Fachserie 13 Reihe 2, Sozialhilfe, Ausgabe 2006,
S 1257) .
18 2. Materielle Grundlage der angefochtenen Entscheidung ist § 84 Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI
iVm § 82 Abs 1 und 2 sowie § 85 Abs 3 SGB XI - jeweils in der bis zum Jahresende 2005
gültigen Fassung. Nach diesen Vorschriften hat sich das Vergütungsregime für stationäre
Pflegeleistungen bis zum heutigen Stand wie folgt entwickelt:
19 a) Dem Grundkonzept nach ist das Vergütungsrecht für Pflegeeinrichtungen seit Einführung
des SGB XI durch das PflegeVG vom 26.5.1994 (BGBl I 1014) maßgeblich von der
Erwartung bestimmt, durch eine Wettbewerbsorientierung Anreize für möglichst
kostengünstige Leistungen setzen zu können. Grundlage hierfür ist die mit dem Ersten SGB
XI-Änderungsgesetz vom 14.6.1996 (BGBl I 830) eingefügte Regelung des § 85 Abs 2 Satz
2 SGB XI, wonach - anders als im kollektivvertraglichen System der vertragsärztlichen
Versorgung (vgl § 82 Abs 2 SGB V) - für jedes zugelassene Pflegeheim die Vergütung
gesondert festzulegen ist. Hierdurch soll anstelle einer für alle Einrichtungen einheitlichen
Preisgestaltung eine im Preiswettbewerb ausdifferenzierte Preisbildung befördert werden
(vgl BT-Drucks 13/3696 S 16 zu § 85) . Getragen ist dies von der Erwartung, dass die
Einrichtungen ihre Leistungen in einer Wettbewerbssituation aus eigenem Interesse
möglichst kostengünstig anbieten werden (dieser Einschätzung ist auch der Senat in seinen
Entscheidungen vom 14.12.2000 zum bis dahin erreichten Rechtsstand gefolgt, vgl BSGE
87, 199, 203 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6; dazu näher unter 3.) . Dies wird weiter dadurch
unterstützt, dass nach Maßgabe des Bundesrechts die Zulassung ua zur stationären
Pflegeversorgung - anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) die
Versorgung durch Vertragsärzte (vgl §§ 99 ff SGB V) und durch Krankenhäuser (vgl § 109
SGB V) - gemäß § 72 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB XI unabhängig vom Versorgungsbedarf
zu erfolgen hat. Deshalb ist - von den faktischen Zugangsschranken aufgrund der
Investitionsförderung auf Landesebene nach § 9 SGB XI einmal abgesehen (vgl § 82 Abs 3
Satz 1 SGB XI) - ungeachtet des tatsächlichen Bedarfs jede Pflegeeinrichtung durch
Versorgungsvertrag zur Erbringung von Pflegeleistungen zuzulassen, wenn sie nur den
inhaltlichen Anforderungen nach § 72 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB XI genügt. Ausdrücklich
soll hierdurch ein geschlossener Markt von Pflegeeinrichtungen verhindert und neuen
innovativen Leistungsanbietern der Zugang zum Pflegemarkt offen gehalten und so der
Wettbewerb unter den Pflegeeinrichtungen gefördert werden (vgl BT-Drucks 12/5262 S 136
zu § 81 Abs 3) . Als flankierende Maßnahme hat der Gesetzgeber die Pflegekassen durch
das Erste SGB XI-Änderungsgesetz vom 14.6.1996 ( BGBl I 830 ) schließlich zusätzlich
verpflichtet, den Versicherten bei Inanspruchnahme von Pflegeleistungen eine Leistungs-
und Preisvergleichsliste zur Verfügung zu stellen (vgl § 72 Abs 5 SGB XI idF des Ersten
SGB XI-Änderungsgesetzes; seit dem 1.1.2002 geregelt in § 7 Abs 3 SGB XI idF des Pflege-
Qualitätssicherungsgesetzes - PQsG - vom 9.9.2001, BGBl I 2320; zu den Motiven vgl BT-
Drucks 13/3696 S 15) . Auch das zielte auf die Verstärkung des Wettbewerbs unter den
Einrichtungen.
20 b) Von diesem Wettbewerbskonzept ist auch das Vergütungsregime des SGB XI für die
stationäre Pflege maßgeblich geprägt. Schon nach der Ursprungsfassung des § 82 Abs 1
Satz 1 SGB XI hatten zugelassene Pflegeheime und Pflegedienste Anspruch auf eine
"leistungsgerechte Vergütung" der allgemeinen Pflegeleistungen (Pflegevergütung) und bei
stationärer Pflege auf ein "angemessenes Entgelt" für Unterkunft und Verpflegung;
dementsprechend müssen die Pflegesätze zur Vergütung der Pflegeleistungen
"leistungsgerecht" sein (§ 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI) und das Entgelt für Unterkunft und
Verpflegung "in einem angemessenen Verhältnis zu den Leistungen" stehen (§ 87 Satz 2
SGB XI) . Vorbild hierfür waren entsprechende Regelungen zur Vergütung von
Krankenhäusern und von Einrichtungen nach dem BSHG. In beiden Bereichen war der
Gesetzgeber vor der Verabschiedung des PflegeVG von dem dort bis dahin geltenden
Kostendeckungsprinzip (vgl § 4 Satz 2 KHG in der bis zum 31.12.1992 geltenden Fassung;
dies ausformend § 17 Abs 1 Satz 1 KHG und § 93 Abs 2 Satz 1 BSHG in der bis zum
31.12.1993 geltenden Fassung) abgerückt und hatte ähnliche Vergütungsvorschriften wie in
§ 84 Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI eingeführt (vgl § 17 Abs 1 Satz 3 KHG in der bis zum
29.4.2002 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes - GSG - vom 21.12.1992
, nunmehr inhaltlich im Wesentlichen gleichlautend § 17 Abs 2 Satz 1 KHG
idF des Fallpauschalengesetzes vom 23.4.2002 ; vgl auch § 93 Abs 2 Satz 2
BSHG idF von Art 1 Nr 9 des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs-
und Wachstumsprogramms - 2. SKWPG - vom 21.12.1993 ) . Leitend dafür
war die Einschätzung des damaligen Gesetzgebers, dass sich das Kostendeckungsprinzip
nicht bewährt habe und einer wirtschaftlichen Leistungserbringung entgegenstehe. Die bis
dahin geltende Selbstkostendeckungsgarantie habe eine "grundsätzliche Fehlsteuerung"
bewirkt; sie habe die Erstattung nachgewiesener Betriebskosten zur nahezu automatischen
Folge und biete keinen Anreiz für eine wirtschaftliche Betriebsführung. In Zukunft müssten
deshalb nicht die Kosten, sondern die Leistungen maßgeblich sein (vgl BT-Drucks 12/3608
S 130 ff zum GSG; ähnlich BT-Drucks 12/5510 S 10 ff zu § 93 BSHG) . Diese Einschätzung
hat sich auch der Gesetzgeber des PflegeVG ausdrücklich zu eigen gemacht. Seine
Vorgabe der leistungsgerechten Vergütung bedeutet deshalb eine "klare Absage an jegliche
Form der Kostenerstattung" (vgl BT-Drucks 12/5262 S 144 zu § 93 Abs 2) .
21 c) Diese Intention des Gesetzgebers zur Vergütung von stationären Pflegeleistungen wird
durch Mitwirkungspflichten der jeweiligen Pflegeheime nach § 85 Abs 3 SGB XI ergänzt.
Deren Obliegenheiten waren in der ursprünglichen Fassung vor allem auf Nachweise zum
Leistungsinhalt konzentriert; erforderlich waren Angaben zu "Art, Inhalt und Umfang der
Leistungen" unter Einschluss der personellen und sachlichen Ausstattung des Pflegeheimes
(vgl § 85 Abs 3 Satz 2 und 3 SGB XI idF des PflegeVG) . Durch das Erste SGB XI-
Änderungsgesetz wurden diese Nachweisobliegenheiten nach Inhalt und der Form
ausgeweitet. In dieser - inhaltlich seither im Wesentlichen unveränderten - Fassung lautet §
85 Abs 3 Satz 2 bis 4 SGB XI: "Das Pflegeheim hat Art, Inhalt, Umfang und Kosten der
Leistungen, für die es eine Vergütung beansprucht, durch Pflegedokumentationen und
andere geeignete Nachweise rechtzeitig vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen
darzulegen. Soweit dies zur Beurteilung seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im
Einzelfall erforderlich ist, hat das Pflegeheim auf Verlangen einer Vertragspartei zusätzliche
Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Hierzu gehören auch pflegesatzerhebliche
Angaben zum Jahresabschluss nach der Pflege-Buchführungsverordnung, zur personellen
und sachlichen Ausstattung des Pflegeheims einschließlich der Kosten sowie zur
tatsächlichen Stellenbesetzung und Eingruppierung." Damit sollten die Nachweispflichten
über die Personalbesetzung und Personaleingruppierung im Hinblick auf den hohen Anteil
der Personalkosten an den Pflegesätzen erhöht werden (vgl BT-Drucks 13/4091 S 42 zu Nr
28).
22 d) Diese Grundsätze zur Vergütung von stationären Pflegeleistungen hat der Gesetzgeber in
der Folgezeit noch mehrfach modifiziert. Im ersten Schritt hat er zunächst durch das PQsG
mit Wirkung zum 1.1.2002 als § 80a SGB XI das Instrument der Leistungs- und
Qualitätsvereinbarung (LQV) eingefügt, die nunmehr gemäß § 84 Abs 5 SGB XI idF des
Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes - PflegeWEG - vom 28.5.2008 (BGBl S 874) Bestandteil
der Pflegesatzvereinbarung selbst geworden ist. In dieser letzten Fassung gilt nunmehr,
dass die Pflegesatzvereinbarung die wesentlichen Leistungs- und Qualitätsmerkmale einer
Einrichtung festzulegen hat. Hierzu gehören insbesondere (§ 84 Abs 5 Satz 2 SGB XI idF
des PflegeWEG)
"1. die Zuordnung des voraussichtlich zu versorgenden Personenkreises sowie Art, Inhalt
und Umfang der Leistungen, die von der Einrichtung während des nächsten
Pflegesatzzeitraums erwartet werden,
2. die von der Einrichtung für den voraussichtlich zu versorgenden Personenkreis individuell
vorzuhaltende personelle Ausstattung, gegliedert nach Berufsgruppen, sowie
3. Art und Umfang der Ausstattung der Einrichtung mit Verbrauchsgütern (§ 82 Abs 2 Nr 1)."
Durch diese gesetzliche Differenzierung ist die bis dahin in den Pflegesatzverhandlungen -
jedenfalls formal - in einem Schritt zusammengefasste Festlegung der Leistungsinhalte und
der Vergütung auf zwei Teilelemente aufgeteilt und die Festlegung der von dem Pflegeheim
erwarteten Leistung verselbstständigt worden. Motiv für die Modifizierungen des PQsG war
zum einen das Ziel, die Vorhaltung des erforderlichen Personals überprüfbar zu machen und
dadurch die Situation der Pflegebedürftigen zu verbessern. Zum anderen zielte die
Neuregelung auf Korrekturen bei der Vergütungsfindung: Maßgebend war für den
Gesetzgeber die Einschätzung, dass sich die Kostenträger entgegen der gesetzlichen
Intention häufig an einem "Durchschnittswertemodell" orientieren und auf Vergütungen zu
durchschnittlichen Vergütungssätzen hinwirkten. Dies laufe dem Anspruch der Heime auf
eine leistungsgerechte Vergütung zuwider und sei zudem Kosten treibend. Denn wenn nur
Durchschnittswerte maßgebend seien, könne nach der systemimmanenten Logik auch
günstigen Einrichtungen die Anpassung an das arithmetische Mittel nicht verwehrt werden.
Deshalb sei ein Vergleich mit solchen Einrichtungen geboten, die in ihren individuellen
Leistungen konkret vergleichbar seien - ua als Grundlage dafür würden separate LQV
benötigt (vgl BT-Drucks 14/5395 S 20) .
23 e) Diese kritische Bewertung der Vergütung stationärer Pflegeleistungen nur anhand von
Durchschnittswerten hat den Gesetzgeber zuletzt auch bei der Änderung der
Vergütungsregelungen durch das PflegeWEG geleitet. Demzufolge können bei der
Bemessung der Pflegesätze nun diejenigen Pflegeeinrichtungen "angemessen
berücksichtigt werden, die nach Art und Größe sowie hinsichtlich der in § 84 Abs 5 SGB XI
genannten Leistungs- und Qualitätsmerkmale im Wesentlichen gleichartig sind" (so § 84 Abs
2 Satz 7 SGB XI idF des PflegeWEG) . Bezweckt wurde damit die Klarstellung, dass für den
Vergleich von Pflegeeinrichtungen im Hinblick auf die Bemessung der Pflegesätze nur die in
den wesentlichen Vergleichskriterien gleichartigen und nicht auch die wesensfremden
Einrichtungen herangezogen werden können. Dies bedeute - so der Gesetzgeber - eine
Einschränkung der Rechtsprechung des erkennenden Senats vom 14.12.2000 (Hinweis auf
BSGE 87, 199 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1, dazu nachfolgend 3.) . Die dort entwickelten
Grundsätze und Maßstäbe dürften "nicht gegen den Willen einer Vertragspartei, sondern nur
noch auf gemeinsamen Wunsch aller Vertragsparteien zur Anwendung kommen" (vgl BT-
Drucks 16/7439 S 71 zu Nr 50 Buchstabe a bb) .
24 3. Mit Urteilen vom 14.12.2000 (vgl BSGE 87, 199 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1) hatte der
erkennende Senat auf der Grundlage der damaligen Gesetzeslage entschieden, dass als
leistungsgerechte Vergütung iS von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI in erster Linie der für
vergleichbare Leistungen verlangte Marktpreis anzusehen ist. Den Gestehungskosten hatte
er dagegen Bedeutung nur für den Fall beigemessen, dass ein üblicher Marktpreis nicht
ermittelt werden kann, weil entweder eine hinreichend große Zahl von vergleichbaren
Angeboten nicht vorliegt oder weil die zu vergleichenden Einrichtungen Unterschiede der
Qualität nach aufweisen. Leitend dafür war die Einschätzung, dass der Gesetzgeber des
PflegeVG einen freien Wettbewerb der Einrichtungen angestrebt habe. Dies sei zwar nicht
konsequent durchgehalten; insbesondere hätten die Kassen eine starke
Verhandlungsposition. Der Wettbewerb zwischen den Pflegeeinrichtungen und das
natürliche Gewinnstreben der Unternehmer würden jedoch dafür sorgen, dass die
Pflegeleistungen unter dem Blickwinkel ihrer Gestehungskosten möglichst kostengünstig
angeboten würden. Kontrollinteressen der Kassen könnten nur dahin bestehen, dass die
erbrachten Leistungen dem Angebot und den zu stellenden Qualitätsanforderungen
entsprächen. Regelmäßig sei es deshalb ausreichend, zur Bestimmung der
leistungsgerechten Vergütung den jeweiligen Marktpreis zu ermitteln (BSGE 87, 199, 203 =
SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6) .
25 4. In der Literatur ist diese Rechtsprechung auf Kritik gestoßen. Methodisch richtet sie sich
vor allem gegen die Annahme, dass Pflegevergütungen unter Wettbewerbsbedingungen
zustande kommen. Ein funktionierender Pflegemarkt bestehe nicht, deshalb könne die
Vergütung nicht nach Angebot und Nachfrage bestimmt werden (vgl zB Igl in: Igl/Klie ,
Pflegeversicherung auf dem Prüfstand, 2000, S 29, 54; Pezina, PKR 2002, 23, 25; Riege,
SozVers 2001, 292, 293; Bröcheler in: Köbl/Brünner, Die Vergütung von Einrichtungen und
Diensten nach SGB XI und BSHG, 2001, S 61, 72 f). Dem stehe bereits das
Kräfteungleichgewicht zwischen Pflegeeinrichtungen und Pflegekassen entgegen (so
Neumann, SGb 2007, 521, 524 f; ferner Brünner, Vergütungsvereinbarungen für
Pflegeeinrichtungen nach SGB XI, 2001, S 166 f; skeptisch auch Vogel/Schmäing in:
Klie/Krahmer, SGB XI, 3. Aufl 2009, § 84 RdNr 9) . Unvereinbar mit der Annahme eines rein
wirtschaftlich agierenden Pflegemarkts seien auch die weitgehende Ermächtigung der
Pflegekassen zu Wirtschaftlichkeitsprüfungen (§ 79 SGB XI) und zur Einholung von
Kostennachweisen (§ 85 Abs 3 SGB XI) sowie die Kartellierung der Pflegekassen beim
Vertragsabschluss (§ 85 Abs 2 Satz 1 SGB XI; vgl dazu Mayer, NZS 2008, 639, 642;
Neumann, SGb 2001, 405, 409 und 2007, 521, 524 f; ders in: Köbl/Brünner, aaO, S 25, 33 ff;
Neumann/Bieritz-Harder, Die leistungsgerechte Pflegevergütung, 2002, 33 f; Brünner, aaO,
S 167; Riege, ZfS 2001, 268, 273; zurückhaltender Udsching in: Schnapp, Handbuch des
sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2004, S 171 f RdNr 417) . Offen sei des Weiteren,
welches die leistungsbezogenen Vergleichsmerkmale sein sollen (Plantholz, Sozialrecht
aktuell 2008, 163, 164 f) . Problematisch sei schließlich auch noch die Bewertung von
Tarifbindungen: Insoweit könnte sich eine Schere zwischen Gestehungskosten und
Refinanzierung öffnen, die existenzgefährdend sei; entsprechende Streitigkeiten würden auf
dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen (Mayer, NZS 2008, 639, 644 f; Plantholz, aaO, 163
ff; Bröcheler in: Köbl/Brünner, aaO, 61, 72 f; ähnlich Philipp, Sozialrecht aktuell 2008, 112;
Riege, aaO, 268, 270 f; Brünner, aaO, S 178 ff) .
26 5. Die mit den Urteilen vom 14.12.2000 (BSGE 87, 199 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1)
begründete Rechtsprechung führt der erkennende Senat nur noch teilweise fort. Allerdings
hält er daran fest, dass ausschließlich auf Gestehungskosten gestützte
Vergütungsansprüche im geltenden Recht keine Grundlage finden. Jedoch gibt er die
Auffassung auf, dass sich die Vergütung im Allgemeinen ausschließlich nach Marktpreisen
bestimmt und die kalkulatorischen Gestehungskosten regelmäßig außer Betracht bleiben.
27 a) Im Ausgangspunkt hält der Senat daran fest, dass die Pflegevergütung auf einem
marktorientierten Versorgungskonzept beruhen muss und Ansprüche nach einem reinen
Selbstkostendeckungsprinzip nicht bestehen. Das belegen Wortlaut, Systematik und
Entstehungsgeschichte des § 84 Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI, wonach die Pflegesätze
leistungsgerecht sein und es einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung
ermöglichen müssen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen. Schon nach dem Wortlaut
dieser Vorschrift besteht kein Anspruch auf eine ausschließlich nach den Gestehungskosten
bemessene Vergütung. Maßgeblich ist vielmehr, welche Leistungen die Einrichtung erbringt
und welcher Aufwand "einem" Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung dafür "im
Allgemeinen" entsteht. Ein Abstellen allein auf die voraussichtlichen Kosten des jeweiligen
Trägers reicht dazu nicht aus, wie sich zudem aus Systematik und Entstehungsgeschichte
der Norm ergibt. Die Anlehnung an die Neufassung des § 17 Abs 1 Satz 3 KHG idF des
GSG (dazu oben unter 2.b) besagt nämlich, dass die Pflegevergütung nicht schlechterdings
auf die Erstattung nachgewiesener Selbstkosten gerichtet sein darf (Knittel in: Krauskopf,
Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand November 2008, § 84 RdNr 4;
Mühlenbruch in: Hauck/Noftz, SGB XI, Stand August 2008, K § 84 RdNr 14; Vogel/Schmäing
in: Klie/Krahmer, aaO, § 84 RdNr 8; Wigge in: Wannagat, SGB XI, Stand Dezember 2003, §
84 RdNr 9; Udsching, SGB XI, 2. Aufl 2000, § 84 RdNr 5) . Dies belegen schließlich auch die
Gesetzesmaterialien mit dem Hinweis, dass die Regelung eine "klare Absage" an jegliche
Form der Kostenerstattung bedeute (vgl BT-Drucks 12/5262 S 144 zu § 93 Abs 2) . Diese
Systementscheidung des Gesetzgebers wäre missachtet, würde § 84 Abs 2 Satz 1 und 4
SGB XI als Grundlage für Vergütungsansprüche auf Kostendeckungsbasis verstanden.
28 b) Der Senat hält aber nicht daran fest, dass die Höhe der Gestehungskosten für die zu
vereinbarende Vergütung grundsätzlich bedeutungslos ist und es regelmäßig nur auf die
"Feststellung von Marktpreisen" ankommt (so die Urteile vom 14.12.2000, vgl BSGE 87, 199,
203 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6) . Dem stehen die Regelungen des § 85 Abs 3 Satz 2 bis 4
SGB XI für das Pflegesatzverfahren entgegen, wonach das Pflegeheim vor Beginn der
Pflegesatzverhandlungen geeignete Nachweise für Art, Inhalt, Umfang und Kosten der
Leistungen, für die eine Vergütung beansprucht wird, darzulegen hat, ggf ergänzt durch
zusätzliche Unterlagen bis hin zum Jahresabschluss nach der Pflege-
Buchführungsverordnung. Diese Verpflichtung galt zwar im Kern nach Ergänzung des § 85
Abs 3 SGB XI durch das Erste SGB XI-Änderungsgesetz (vgl dazu oben 2.c) bereits zum
Zeitpunkt der Senatsentscheidungen vom 14.12.2000. Ihr musste aus damaliger Sicht
jedoch noch keine solch entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Für die Urteile
vom 14.12.2000 war vielmehr die Einschätzung des Senats maßgebend, dass
Pflegeleistungen weitgehend standardisiert sind und ein Einrichtungsträger aus Gründen
des Wettbewerbs nur daran interessiert sein kann, seine Leistungen möglichst kostengünstig
anzubieten (vgl BSGE 87, 199, 203 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6) . Den voraussichtlichen
Gestehungskosten hat der Senat damals hingegen keine wesentlich eigenständige
Bedeutung zugemessen, weil die am Markt durchsetzbare Vergütung als Korrektiv für
überhöhte Kosten gesehen wurde und deshalb wohl nicht vorhersehbar war, dass
Einrichtungen zB auch bei unterdurchschnittlichen Gestehungskosten eine durchschnittliche
Vergütung beanspruchen würden. Dem entsprechend schien auch dem Gesetzgeber
ursprünglich der Nachweis der voraussichtlichen Gestehungskosten als entbehrlich (vgl BT-
Drucks 12/5262 S 145 zu § 94 Abs 3) .
29 Diese Erwartungen haben sich im weiteren Verlauf so nicht bestätigt. In der Literatur sind sie
ohnehin skeptisch beurteilt worden (dazu oben unter 4.). Auch ist nicht zu übersehen, dass
die Anwendung des externen Vergleichs in der Schiedsstellenpraxis erhebliche
Umsetzungsprobleme bereitet hat (Griep, PflR 2008, 153, 162). Vor allem haben sich die
dem Pflegevergütungsrecht zu Grunde liegenden Einschätzungen des Gesetzgebers seither
gewandelt. Zunächst hat er sich bei Einführung der LQV durch das PQsG zum 1.1.2002
(dazu oben unter 2.d) von der Erkenntnis leiten lassen, dass das bisherige
Vergütungsregime in der Praxis der stationären Pflege nicht zu der erwarteten
wettbewerbsorientierten Ausdifferenzierung geführt, sondern nur Kosten treibend gewirkt und
eine unerwünschte Vereinheitlichung der Pflegesätze befördert hat. Zudem wurde
festgestellt, dass Heimbewohnern Pflegesätze und Entgelte in Rechnung gestellt wurden,
denen keine entsprechende Personalausstattung zu Grunde lag (vgl BT-Drucks 14/5395 S
19 f zu 4 c und 6). Eine ähnlichkritische Wertung des Gesetzgebers liegt den gesetzlichen
Modifizierungen im PflegeWEG zu Grunde (dazu oben unter 2.b; vgl auch BT-Drucks
16/7439 S 71 zu Nr 50 Buchstabe a bb). Hierin kommt zum Ausdruck, dass sich die
ursprünglichen Erwartungen des Gesetzgebers an ein wettbewerbsorientiertes
Leistungserbringungsrecht nicht wie gewünscht bestätigt haben. Unter diesen Umständen
kann auch der Senat nicht unverändert von der - früheren - Einschätzung ausgehen, dass
der Markt überhöhten Vergütungsforderungen und mangelhafter Pflegequalität hinreichend
entgegenwirken wird und es deshalb - ohne Berücksichtigung der prognostischen
Gestehungskosten nach Maßgabe von § 85 Abs 3 Satz 2 bis 4 SGB XI - in erster Linie auf
die Feststellung von Marktpreisen ankommen kann.
30 6. Die spätestens mit Inkrafttreten des PQsG zum 1.1.2002 in das geltende Recht
eingeführten Ansätze zu stärker ausdifferenzierten Pflegevergütungen geben dem Senat
Anlass, seine Rechtsprechung zu modifizieren. Grundlage hierfür sind die Regelung des
Pflegesatzverfahrens in § 85 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1, Satz 3 und 4 SGB XI sowie die
Bemessungsgrundsätze des § 84 Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI, jeweils idF des PflegeWEG,
die der Sache nach aber auch schon für den hier streitigen Vergütungszeitraum von
November 2004 bis Dezember 2005 entsprechend galten. Grundsätzlich sind
Pflegesatzverhandlungen und evtl nachfolgende Schiedsstellenverfahren nach einem
zweigliedrigen Prüfungsmuster durchzuführen: Grundlage der Verhandlung über Pflegesätze
und Entgelte ist zunächst die Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der in der
Einrichtung erbrachten Leistungen nach § 85 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 SGB XI
(Prognose - näher dazu unter 7.). Daran schließt sich in einem zweiten Schritt die Prüfung
der Leistungsgerechtigkeit nach § 84 Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI an. Maßgebend hierfür sind
die Kostenansätze vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen (externer Vergleich -
näher dazu unter 8.). Im Ergebnis sind Pflegesätze und Entgelte dann leistungsgerecht iS
von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI, wenn erstens die voraussichtlichen Gestehungskosten der
Einrichtung nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden und sie zweitens in einer
angemessenen und nachprüfbaren Relation zu den Sätzen anderer Einrichtungen für
vergleichbare Leistungen stehen. Geltend gemachte Pflegesätze und Entgelte sind dann
nicht angemessen, wenn Kostenansätze und erwartete Kostensteigerungen nicht plausibel
erklärt werden können oder wenn die begehrten Sätze im Verhältnis zu anderen stationären
Pflegeeinrichtungen unangemessen sind.
31 7. Zunächst ist - im ersten Prüfungsschritt - die Plausibilität der einzelnen Kostenansätze
festzustellen. Die Vergütungsforderung einer Einrichtung ist nicht ausreichend belegt, wenn
sie nicht auf einer plausiblen und nachvollziehbaren Darlegung der voraussichtlichen
Gestehungskosten beruht.
32 a) Wie bereits dargestellt, sollen sich die Pflegesätze und Entgelte trotz ihrer
Wettbewerbsorientierung nicht nur an der marktüblichen Vergütung für solche Leistungen
orientieren, sondern auch an den voraussichtlichen Gestehungskosten. Eine Vergütung für
stationäre Pflegeleistungen ist deshalb im Grundsatz erst dann leistungsgerecht (zur
wirtschaftlichen Betriebsführung vgl unten unter 8.), wenn sie die Kosten einer Einrichtung
hinsichtlich der voraussichtlichen Gestehungskosten unter Zuschlag einer angemessenen
Vergütung ihres Unternehmerrisikos und eines etwaigen zusätzlichen persönlichen
Arbeitseinsatzes sowie einer angemessenen Verzinsung ihres Eigenkapitals deckt.
33 Die voraussichtlichen Gestehungskosten müssen plausibel und nachvollziehbar sein, also
die Kostenstruktur des Pflegeheims erkennen lassen und eine Beurteilung seiner
Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall zulassen (§ 85 Abs 3 Satz 2 Halbsatz
1 und Satz 3 SGB XI) . Deshalb hat das Pflegeheim zunächst geeignete Nachweise
beizubringen; die Vorlage einer reinen Kostenkalkulation ohne weitere Angaben reicht in
aller Regel nicht aus. Die Kostenkalkulation ist vielmehr hinreichend zu belegen und muss
tatsächlich nachvollziehbar sein. Diesem Plausibilitätserfordernis wird etwa genügt, wenn
Kostensteigerungen zB auf erhöhte Energiekosten zurückzuführen sind oder im
Personalbereich auf die normale Lohnsteigerungsrate begrenzt bzw durch Veränderungen
im Personalschlüssel oder bei der Fachkraftquote bedingt sind. Nicht von vornherein als
unplausibel ausgeschlossen ist auch die Erhöhung von Kostenansätzen, die in den
Vorjahren aufgrund fehlerhafter Kalkulation oder sogar bewusst - etwa um Marktsegmente zu
erobern - zu niedrig angesetzt worden sind; im letzteren Fall besteht allerdings eine
besonders substanziierte Begründungspflicht des Pflegeheims. Für eine erfolgreiche
Plausibilitätsprüfung ist es indes nicht ausreichend, wenn zB eine erhebliche und nicht durch
konkrete Fakten belegte Erhöhung der Personalkosten mit der Begründung begehrt wird,
diese Beträge seien an dem durchschnittlichen tariflichen Arbeitgeberaufwand pro
Vollzeitstelle orientiert, den die Schiedsstelle ohne Nachweis der konkreten
Gestehungskosten regelmäßig anerkenne.
34 Reichen die Angaben des Pflegeheims für eine abschließende Plausibilitätskontrolle der
Kostenansätze nicht aus, sind nach § 85 Abs 3 Satz 3 und 4 SGB XI zusätzliche Unterlagen
vorzulegen und/oder Auskünfte zu erteilen. Dies kann von der weiteren Konkretisierung der
zu erwartenden Kostenlast über die Angabe von Stellenbesetzungen und Eingruppierungen
bis zu pflegesatzerheblichen Auskünften zum Jahresabschluss entsprechend den
Grundsätzen ordnungsgemäßer Pflegebuchführung reichen und besteht auf Verlangen einer
Vertragspartei (dazu unten unter 9.), soweit dies zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und
Leistungsfähigkeit eines Pflegeheims im Einzelfall erforderlich ist. Aber auch insoweit kommt
es nur auf eine Plausibilitätsprüfung an, selbst im Hinblick auf die am 1.1.1996 in Kraft
getretene und zuletzt durch das Achte Euro-Einführungsgesetz vom 23.10.2001 (BGBl I
2702) geändertePflege-Buchführungsverordnung vom 22.11.1995 (BGBl I 1528) .Nach
deren § 7 Satz 1 und 2 haben die zugelassenen Pflegeeinrichtungen eine Kosten- und
Leistungsrechnung zu führen, die ua die Ermittlung und Abgrenzung der Kosten der
jeweiligen Betriebszweige sowie die Erstellung der Leistungsnachweise nach den
Vorschriften des Achten Kapitels des SGB XI ermöglichen muss. Bei Zweifeln über die
voraussichtlichen künftigen Gestehungskosten kann die Nachweispflicht der Einrichtung
deshalb bis zum Nachweis der in der Vergangenheit angefallenen Kosten reichen. Dies folgt
mittelbar auch aus der Schutznorm des § 85 Abs 3 Satz 5 SGB XI, wonach
personenbezogene Daten zu anonymisieren sind; die Pflegeeinrichtung kann also im
Zweifelsfall zu einer weitgehenden Offenlegung ihrer betriebswirtschaftlichen
Berechnungsgrundlagen verpflichtet sein. Zusammengefasst folgt daraus, dass das
Pflegeheim seine Vergütungsforderung in tatsächlicher Hinsicht so zu belegen hat, dass die
für die Zukunft geltend gemachte Entwicklung seiner Gestehungskosten plausibel und
nachvollziehbar ist.
35 b) Diese Anforderungen an die Plausibilitätsprüfung stehen nicht im Widerspruch zu dem
wettbewerbsorientierten Vergütungsregime des SGB XI. Sie sind vielmehr Rechtfertigung
dafür, dass im Pflegesatzverfahren mit der Mehrheit der Kostenträger (§ 85 Abs 4 Satz 1
SGB XI) bzw der Schiedsstellenmitglieder (§ 76 Abs 3 Satz 4 SGB XI) gemäß § 85 Abs 6
Satz 1 SGB XI verbindliche Entscheidungen zu Lasten der Heimbewohner und aller
Kostenträger getroffen werden können. Dies setzt eine hinreichende Tatsachengrundlage für
die Einschätzung voraus, dass die von der Einrichtung geltend gemachten Pflegesätze und
Entgelte angemessen und den Heimbewohnern sowie der Versichertengemeinschaft bzw
der Allgemeinheit deshalb entsprechende Zahlungen zuzumuten sind. Dass der
Gesetzgeber die dafür erforderliche Vergewisserung gemäß § 85 Abs 3 Satz 2 bis 4 SGB XI
an die nachvollziehbare Darlegung der voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung
geknüpft hat, ist nicht zu beanstanden. Im Gegenteil liegt eine solche Vorgehensweise nahe,
weil die Pflegesatzvereinbarungen gemäß § 85 Abs 2 Satz 2 SGB XI einrichtungsindividuell
auszuhandeln sind und das Vergütungsregime des SGB XI damit - im Interesse von
Kostenträgern und Einrichtungen gleichermaßen - auf möglichst ausdifferenzierte und den
Einrichtungsbesonderheiten Rechnung tragende Vergütungen zielt. Soweit danach
Angaben über Kostenstrukturen und betriebswirtschaftliche Kennzahlen verlangt werden, die
im allgemeinen Geschäftsverkehr üblicherweise nicht zu offenbaren sind, hält der Senat dies
wegen der sozialrechtlichen Bindung aller Beteiligter (§ 1 SGB XI) für hinnehmbar. Zu
beachten ist jedoch, dass die Anforderung solch weitgehender Auskünfte durch die
Pflegekassen bzw die Schiedsstellen einen besonders intensiven Eingriff in die
Rechtssphäre einer Pflegeeinrichtung darstellt und deshalb auf Ausnahmen zu beschränken
ist, in denen die prognostische Angemessenheit der geltend gemachten Kostenansätze
anders nicht ermittelbar ist.
36 8. Auch nachvollziehbare prognostische Gestehungskosten rechtfertigen den geltend
gemachten Vergütungsanspruch nur, soweit er - im zweiten Prüfungsschritt - dem
Vergütungsvergleich mit anderen Einrichtungen standhält und sich insoweit als
leistungsgerecht iS von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI erweist. Das folgt aus § 84 Abs 2 Satz 4
und Satz 7 SGB XI idF des PflegeWEG (vgl oben unter 2.d und e) , wonach die Pflegesätze
wirtschaftlicher Betriebsführung entsprechen müssen und hierbei die Pflegesätze derjenigen
Einrichtungen angemessen berücksichtigt werden können, die im Wesentlichen gleichartig
sind; diese Grundsätze galten auch schon in dem hier streitbefangenen Zeitraum August
2002 bis März 2003. Wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht der Vergütungsanspruch
danach regelmäßig ohne weitere Prüfung, wenn der geforderte Pflegesatz nebst Entgelt für
Unterkunft und Verpflegung im unteren Drittel der zum Vergleich herangezogenen
Pflegevergütungen liegt. Ist dies nicht der Fall, sind die von der Einrichtung geltend
gemachten Gründe auf ihre wirtschaftliche Angemessenheit zu überprüfen. Die Einhaltung
der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter sind dabei immer als wirtschaftlich
angemessen zu werten.
37 a) Obergrenze der Vergütungsforderung ist - auch bei nachvollziehbar prognostischen
Gestehungskosten - das Maß des auch im Vergleich mit der Vergütung anderer
Einrichtungen wirtschaftlich Angemessenen. Das folgt insbesondere aus § 84 Abs 2 Satz 4
und 7 SGB XI, mit dem der Gesetzgeber die Pflegevergütung in Abkehr vom
Selbstkostendeckungsprinzip am Leitbild der Leistungsgerechtigkeit (§ 84 Abs 2 Satz 1 SGB
XI) ausgerichtet hat. Leistungsgerecht sind die Pflegesätze danach, soweit sie es einem
Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seinen Versorgungsauftrag zu
erfüllen (§ 84 Abs 2 Satz 4 SGB XI) . Insoweit sind Pflegesätze und Entgelte einerseits an
den individuellen Besonderheiten des Pflegeheims auszurichten, als es um "seinen
Versorgungsauftrag" geht; Bezugspunkt hierfür ist der einrichtungsindividuelle
Versorgungsauftrag, wie er sich aus dem Versorgungsvertrag und weiteren Vereinbarungen
- insbesondere den LQV nach § 84 Abs 5 SGB XI idF des PflegeWEG - im Einzelfall ergibt.
Maßstab der Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung ist andererseits nicht der im Einzelfall,
sondern der dazu allgemein erforderliche Betriebsaufwand. Augenfälliger Ausdruck dessen
ist zunächst, dass die Pflegesätze nach § 84 Abs 2 Satz 4 SGB XI "einem" Pflegeheim bei
wirtschaftlicher Betriebsführung die Erfüllung seines Versorgungsvertrages ermöglichen
müssen. Zum Maßstab erhoben ist dadurch der generalisierte Vergütungsbedarf eines
idealtypischen und wirtschaftlich operierenden Pflegeheimes (ebenso BVerwGE 108, 47, 55
zur inhaltsgleichen Klausel des § 93 Abs 2 Satz 2 BSHG idF des 2. SKWPG) . Bestätigt
wurde dies zuletzt durch die mit dem PflegeWEG eingefügte Regelung des § 84 Abs 2 Satz
7 SGB XI, wonach bei Bemessung der Pflegevergütung die Pflegesätze derjenigen
Pflegeeinrichtungen angemessen berücksichtigt werden können, die nach Art und Größe
sowie hinsichtlich der Leistungs- und Qualitätsmerkmale im Wesentlichen gleichartig sind.
Das zielt zwar einerseits auf eine Korrektur der Urteile des erkennenden Senats vom
14.12.2000 (vgl BT-Drucks 16/7439 S 71 zu Nr 50 Buchstabe a bb) ; andererseits drückt sich
darin aber auch aus, dass die Leistungsgerechtigkeit der Pflegesatzforderung nicht alleine
nach einrichtungsindividuellen Kosten zu beurteilen ist, sondern dazu auch ein Vergleich mit
anderen Einrichtungen erforderlich ist. Diese Wertung lag den Vergütungsregelungen des
SGB XI schon vor der Verabschiedung des PflegeWEG zu Grunde (vgl nur BT-Drucks
14/5395 S 20 zu § 80a SGB XI idF des PQsG) .
38 b) Methode der Wahl zur Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit einer Vergütungsforderung
für stationäre Pflegeleistungen ist weiterhin, wie vom Senat bereits mit den Urteilen vom
14.12.2000 entschieden (BSGE 87, 199, 203 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6 f) , der externe
Vergleich mit anderen Einrichtungen; allerdings nach dem modifizierten Prüfungsansatz des
Senats nunmehr mit anderer Grundlage und Zielrichtung (dazu unten unter c).
Rechtsgrundlage hierfür ist seit dem Inkrafttreten des PflegeWEG am 1.7.2008 die Regelung
des § 84 Abs 2 Satz 7 SGB XI. Für den Zeitraum davor (hier: August 2002 bis März 2003) gilt
dies entsprechend; von der Notwendigkeit des Vergleichs mit den Pflegesätzen anderer
Einrichtungen war der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit dem Regelungskonzept einer
leistungsgerechten Vergütung schon zuvor ausgegangen (vgl BT-Drucks 14/5395 S 20 zu §
80a SGB XI idF des PQsG) .Dem können sich die Einrichtungsträger auch nicht unter
Verweis auf die Gesetzesmaterialien deshalb entziehen, weil die Grundsätze der
Senatsentscheidungen vom 14.12.2000 "nicht gegen den Willen einer Vertragspartei,
sondern nur noch auf gemeinsamen Wunsch aller Vertragsparteien zur Anwendung kommen
dürfen" (so BT-Drucks 16/7439 S 71 zu Nr 50 Buchstabe a bb) . Damit ist lediglich zum
Ausdruck gebracht, dass die in den Urteilen vom 14.12.2000 herausgestellte Orientierung an
durchschnittlichen Marktpreisen nur mit Zustimmung auch der Kostenträger zur Grundlage
der Pflegesatzbemessung erhoben werden darf; an der gegenteiligen Meinung hält der
Senat indes - wie dargelegt - ohnehin nicht fest. Nicht frei sind Einrichtungs- und
Kostenträger hingegen, ob die Pflegesatzforderung auf wirtschaftliche Angemessenheit
überprüft und insoweit auch einem Fremdvergleich unterzogen wird; das ist nach dem
Vergütungskonzept des SGB XI mit den Vorgaben insbesondere des § 84 Abs 2 Satz 1 und
4 SGB XI vielmehr rechtlich geboten (zu den daraus resultierenden
Darlegungsanforderungen vgl unten 9.). Insoweit unterscheidet sich die vorstehende
Regelung in ihren rechtlichen Wirkungen nicht von der vergleichbaren Norm des § 17 Abs 2
Satz 2 KHG, wonach bei der Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität die
Vergütungen vergleichbarer Krankenhäuser angemessen zu berücksichtigen sind. Zu einer
entsprechenden Pflicht verdichtet sich das nach § 84 Abs 2 Satz 7 SGB XI eingeräumte
Ermessen, weil anders nicht zu beurteilen ist, ob die beanspruchte Vergütung den
Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht.
39 c) Allerdings bestimmt das Ergebnis des externen Vergleichs die angemessene
Pflegevergütung nicht abschließend. Davon war der Senat noch in den Urteilen vom
14.12.2000 ausgegangen. Danach sollte auf diesem Weg der - durchschnittliche - Marktpreis
als regelmäßig verbindliche Richtgröße der leistungsgerechten Vergütung ermittelt werden,
soweit ein solcher Marktpreis feststellbar und er nicht aus Gründen mangelnder
Pflegequalität unverwertbar war (vgl BSGE 87, 199, 203 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6 f) .
Diese rechtlich verbindliche Wirkung kann dem externen Vergleich im Rahmen der
modifizierten Senatsrechtsprechung zur leistungsgerechten Pflegevergütung heute nicht
mehr zukommen. Leistungsgerecht ist eine Pflegevergütung - wie dargelegt - nur dann, wenn
sie erstens mit nachvollziehbaren prognostischen Gestehungskosten unterlegt ist und sich
zweitens im Hinblick auf die Vergütung anderer Einrichtungen nicht als unwirtschaftlich
erweist. Die Pflegesätze anderer Einrichtungen können demzufolge nur eine
Vergleichsgröße im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nach § 84 Abs 2 Satz 4 und 7
SGB XI darstellen, nicht aber eine unmittelbar verbindliche Bemessungsgröße für Pflegesatz
und Entgelt sein. Insoweit ist der externe Vergleich kein Ersatz für die von den
Pflegesatzparteien und ggf der Schiedsstelle vorzunehmende Bewertung der
Pflegesatzforderung auf ihre wirtschaftliche Angemessenheit, sondern Grundlage dieser
Bewertung.
40 d) Materieller Maßstab der auf der Grundlage des externen Vergleichs vorzunehmenden
Bewertung ist § 84 Abs 2 Satz 4 SGB XI. Danach ist die Pflegesatzforderung
leistungsgerecht iS von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI, wenn der von der Vergütung
abzudeckende - und hinreichend nachvollziehbare - Aufwand der Einrichtung den
Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht. Das ist dann nicht der Fall, wenn
der Aufwand zur Erfüllung des Versorgungsauftrages gerade dieser Einrichtung und nach
Maßgabe der Kriterien des § 84 Abs 2 Satz 7 SGB XI im Vergleich zu den Pflegesätzen
anderer Einrichtungen als unwirtschaftlich anzusehen ist. Insoweit sind drei Fallgruppen zu
unterscheiden:
41 (1) Stets als leistungsgerecht anzusehen sind Pflegesätze und Entgelte für Unterkunft und
Verpflegung, die über die günstigsten Eckwerte vergleichbarer Einrichtungen nicht
hinausreichen. Insoweit ist mit dem niedrigsten Pflegesatz/Entgelt derjenige Betrag
bezeichnet, der zur Erfüllung des Versorgungsauftrages als noch ausreichend angesehen
wird. Entspricht die Pflegesatzforderung dem günstigsten Pflegesatz vergleichbarer
Einrichtungen oder bleibt sie gar darunter, kann der Einrichtung eine unwirtschaftliche
Betriebsführung deshalb schon im Ansatz nicht entgegengehalten werden. Weitere
Prüfungen im Hinblick auf die wirtschaftliche Betriebsführung und die Leistungsgerechtigkeit
der Vergütung sind in diesem Fall entbehrlich.
42 (2) Ebenfalls regelmäßig ohne weitere Prüfung als leistungsgerecht anzusehen sind
Pflegesatz- und Entgeltforderungen im unteren Drittel der vergleichsweise ermittelten
Pflegesätze/Entgelte. Das entnimmt der Senat dem Rechtsgedanken des § 35 Abs 5 Satz 4
SGB V idF von Art 1 Nr 23 Buchstabe d des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom
14.11.2003 (BGBl I 2190) . Danach soll der Festbetrag für Arzneimittel in einer der
Festbetragsgruppen nach § 35 Abs 1 Satz 2 SGB V "den höchsten Abgabepreis des unteren
Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis einer
Standardpackung nicht übersteigen". Ziel ist es, hierdurch Wirtschaftlichkeitsreserven
auszuschöpfen, einen wirksamen Preiswettbewerb auszulösen und sich an möglichst
preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten (§ 35 Abs 5 Satz 2 Halbsatz 1 SGB
V idF von Art 1 Nr 6 des GKV-Solidaritätsstärkungsgesetzes - GKV-SolG - vom 19.12.1998
) und dabei zugleich eine im Allgemeinen ausreichende, zweckmäßige und
wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung zu gewährleisten (§ 35 Abs 5
Satz 1 SGB V idF des Gesundheitsreformgesetzes - GRG - vom 20.12.1988 ) .
Insoweit ist mit der auf das GKV-SolG zurückgehenden Drittel-Regelung die bis dahin
geltende Maßgabe ersetzt worden, wonach die Festbetragsfestsetzung an den
preisgünstigen Apothekenabgabepreisen auszurichten war (§ 35 Abs 5 Satz 3 Halbsatz 1
SGB V idF des GRG) . Nach der hierfür maßgeblichen Einschätzung erschien das
Tatbestandsmerkmal "preisgünstig" als nicht hinreichend konkret und deshalb als Hindernis
bei der praktischen Umsetzung der Festbetragsregelung (vgl BT-Drucks 14/24 S 17 zu Nr 6)
. Getragen ist die Drittel-Regelung danach von der gesetzlichen Wertung, dass eine
Versorgung - dort: mit Arzneimitteln - im unteren Drittel des Preissegments als "preisgünstig"
und damit als hinreichend wirtschaftlich anzusehen ist. Weder Versicherte noch
Leistungserbringer sind danach insoweit - anders hingegen nunmehr etwa bei der
Hilfsmittelversorgung nach § 127 Abs 1 Satz 1 SGB V idF des GKV-OrgWG vom 15.12.2008
(BGBl I 2426) - darauf verwiesen, notwendig die preisgünstigste Versorgung zu wählen bzw
anzubieten, solange sie nur im unteren Drittel des relevanten Preissegments bleiben.
43 Dieser Rechtsgedanke ist nach Interessenlage und Systematik auf die Beurteilung von
Pflegesatzforderungen übertragbar. Einerseits zielt das Vergütungsrecht des SGB XI mit
dem Maßstab der wirtschaftlichen Betriebsführung auf eine möglichst kostengünstige und
Wirtschaftlichkeitsreserven ausschöpfende Versorgung. Das entspricht auch den Interessen
von Heimbewohnern und Kostenträgern. Deshalb ist ein höherer Pflegesatz bei
vergleichbarer Pflegeleistung stets der Rechtfertigung bedürftig und nach § 84 Abs 2 Satz 4
SGB XI nur dann leistungsgerecht iS von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI, wenn sich der von der
Vergütung abgedeckte Aufwand der Einrichtung im Rahmen des wirtschaftlich
Angemessenen hält. Andererseits ist es den Heimträgern innerhalb dieses Rahmens auch
nicht verwehrt, ihre Pflegeleistungen zu höheren Pflegesätzen anzubieten. Zudem sind
zuletzt in das SGB XI eingefügte Regelungen von dem Bestreben getragen, eine
Vergütungsspirale nach unten zu Lasten der Pflegequalität und auf Kosten einer unter das
ortsübliche Maß abgesunkenen Arbeitsvergütung zu vermeiden (vgl §§ 72 Abs 3 Satz 1 Nr 2,
84 Abs 2 Satz 7 SGB XI und hierzu BT-Drucks 16/7439 S 67 zu Nr 40 Buchstabe c aa sowie
S 71 zu Nr 50 Buchstabe a bb) . Wie bei der Arzneimittelversorgung unter dem Regime von
Festbetragsregelungen nach § 35 SGB V - anders indes bei Rabattverträgen gemäß § 130a
Abs 8 SGB V idF von Art 1 Nr 97 Buchstabe i) des GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) -
lässt das Recht der stationären Pflegevergütung sonach eine Bandbreite von
Pflegevergütungen zu, innerhalb derer sich wirtschaftlich angemessene Pflegesätze
ausbilden können und die jeweils - iS von § 35 Abs 5 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V - als
hinreichend kostengünstig anzusehen sind. Dies rechtfertigt es, die Pflegesätze analog § 35
Abs 5 Satz 4 SGB V jedenfalls im unteren Drittel des beim externen Vergleich ermittelten
Vergütungsbereichs in aller Regel ohne weitere Prüfung als wirtschaftlich angemessen und
deshalb leistungsgerecht anzusehen.
44 (3) Auch oberhalb des unteren Drittels vergleichbarer Pflegevergütungen kann sich eine
Forderung als leistungsgerecht erweisen, sofern sie auf einem - zuvor nachvollziehbar
prognostizierten - höheren Aufwand der Pflegeeinrichtung beruht und dieser nach Prüfung
im Einzelfall wirtschaftlich angemessen ist. Das ist der Fall, soweit die Einrichtung Gründe
für einen höheren Pflegesatz oder ein höheres Entgelt für Unterkunft und Verpflegung
aufzeigt und diese den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entsprechen. Gründe
für einen in diesem Sinne als wirtschaftlich angemessen anzusehenden höheren Aufwand
können sich insbesondere aus Besonderheiten im Versorgungsauftrag der Einrichtung
ergeben, etwa aus besonders personalintensiven Betreuungserfordernissen, aus
besonderen Leistungsangeboten zugunsten der Heimbewohner oder einem in der
Pflegequalität zum Ausdruck kommenden höheren Personalschlüssel (vgl BT-Drucks
16/7439 S 71 zu Nr 50 Buchstabe a bb) . Rechtfertigende Gründe für einen höheren
Pflegesatz können auch aus Lage und Größe einer Einrichtung folgen, wenn sich daraus
wirtschaftliche Nachteile gegenüber der Lage oder dem Zuschnitt anderer Einrichtungen
ergeben und der Sicherstellungsauftrag der Pflegekassen (vgl § 69 Satz 1 SGB XI idF des
PflegeVG) ohne die vergleichsweise teure Einrichtung nicht erfüllt werden kann. Schließlich
genügen auch die Einhaltung einer Tarifbindung und ein deswegen höherer
Personalkostenaufwand stets den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung; dies ergibt
sich nunmehr als ausdrückliche Folge der Regelung des § 72 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB XI idF
des Art 1 Nr 40 Buchstabe c aa des PflegeWEG, galt aber - als Rechtfertigung für eine
höhere Vergütungsforderung - entsprechend schon zuvor, wenn die Tarifbindung einen
höheren Personalkostenaufwand der Einrichtung bedingte. An der auf anderer Grundlage
beruhenden Einschränkung in den Urteilen vom 14.12.2000 (BSGE 87, 199, 203 f = SozR 3-
3300 § 85 Nr 1 S 6 f) hält der Senat nicht mehr fest. Entscheidend kommt es jeweils in der
Gesamtbewertung darauf an, ob der von der Einrichtung geforderte Vergütungssatz im
Vergleich mit günstigeren Pflegesätzen und Entgelten anderer Einrichtungen im Hinblick auf
die Leistungen der Einrichtung und die Gründe für ihren höheren Kostenaufwand (dennoch)
als insgesamt angemessen und deshalb leistungsgerecht iS von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI
anzusehen ist. Ist diese Frage zu bejahen, dann sind Pflegesatz- und Entgeltforderungen
auch oberhalb des unteren Vergleichsdrittels wirtschaftlich angemessen.
45 e) Der Senat geht davon aus, dass in diesen neu strukturierten externen Vergleich
grundsätzlich alle Pflegeeinrichtungen eines bestimmten Bezirks - Stadt, Landkreis oä -
einzubeziehen sind, ohne dass es auf deren Größe oder sonstige äußere Beschaffenheit
ankommt. Er lässt aber ausdrücklich offen, ob sich nicht im Einzelfall abweichende Kriterien
ergeben können, die die Vergleichbarkeit lokal oder regional benachbarter Einrichtungen
gleichwohl beeinträchtigen und denen durch Differenzierungen Rechnung zu tragen ist. Dies
könnten etwa Besonderheiten im Versorgungsauftrag einer Einrichtung sein, aber auch sehr
personalintensive Betreuungserfordernisse oder besondere Leistungsangebote; fehlende
oder bestehende Tarifbindungen, die religiöse, weltanschauliche und sozialpolitische
Ausrichtung der Trägerinstitutionen oder deren Organisationsform gehören jedenfalls nicht
dazu.
46 9. Grundlage der Vergütung von stationären Pflegeeinrichtungen sind die von den Betreibern
beizubringenden Angaben über die voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung
einerseits und ihrer Einordnung im Vergütungsgefüge der übrigen Einrichtungen
andererseits. Hieraus ergeben sich wechselseitige Darlegungslasten auf beiden Ebenen der
vorstehend skizzierten Prüfung:
47 a) Für die 1. Prüfungsstufe - Nachvollziehbarkeit der prognostizierten Kostenansätze (vgl
oben unter 7.) - hat zunächst die Einrichtung ihre voraussichtlichen Gestehungskosten zu
benennen und ggf durch Unterlagen zu belegen. Daraus erwächst für die Pflegekassen aus
der im Rechtsverhältnis zu den Versicherten bestehenden Treuhänderstellung (vgl BSGE
87, 199, 201 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4) bereits auf dieser ersten Prüfungsstufe die
Rechtspflicht, die von der Einrichtung vorgelegte Kalkulation in sich und ggf auch im
Vergleich mit den Werten anderer Einrichtungen auf Schlüssigkeit und Plausibilität in dem
Sinne zu überprüfen, ob diese Kostenkalkulation eine nachvollziehbare Grundlage für die
vergleichende Bewertung auf der zweiten Prüfungsstufe sein kann. Ist das nicht der Fall,
haben die Pflegekassen den Einrichtungsträger bereits in dieser Phase der Prüfung
substanziiert auf Unschlüssigkeiten im eigenen Vorbringen hinzuweisen oder durch
geeignete Unterlagen anderer Einrichtungen mit Verweis auf deren Kostenstruktur konkret
darzulegen, dass die aufgestellte Kalkulation der voraussichtlichen Gestehungskosten nicht
plausibel erscheint. Wird die Kostenprognose der Einrichtung durch ein solch
substanziiertes Bestreiten der Kostenträger erschüttert, muss die Einrichtung wiederum im
Nachweisverfahren nach § 85 Abs 3 Satz 3 und 4 SGB XI weitere Belege dafür beibringen,
dass ihre Vergütungsforderung auf einer plausiblen Kalkulation der voraussichtlichen
Gestehungskosten beruht. Entsprechendes gilt für das Schiedsstellenverfahren (vgl unten
unter 10.).
48 b) Für die 2. Prüfungsstufe - externer Vergütungsvergleich (vgl oben unter 8.) - haben
zunächst die Kostenträger dem Pflegeheim und - soweit die Schiedsstelle angerufen ist -
dieser alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen, die einen Vergleich der von
der Einrichtung geforderten Vergütung mit den Pflegesätzen anderer Einrichtungen nach den
vorstehend dargelegten Kriterien erlaubt. Dazu sind die Pflegekassen im Rahmen ihrer
Sachwalterstellung im Verhältnis zu den Versicherten verpflichtet, weil die notwendige
Kenntnis über die Pflegevergütungen der vergleichbaren Einrichtungen ausschließlich bei
ihnen anfällt und die Angaben unschwer von ihnen aufbereitet werden können. Zu
erstrecken haben sich die Angaben auf Pflegesätze und Entgelte aller Einrichtungen in dem
einschlägigen räumlichen Markt, also ohne Unterscheidung nach der Tarifbindung. Diese
hat für den Vergleich von Pflegevergütungen als solche keine rechtliche Relevanz;
Bedeutung kann der Tarifbindung nur zukommen, soweit dies höhere Gestehungskosten
bedingt und im Rahmen der Angemessenheitskontrolle einen Pflegesatz auch oberhalb des
unteren Preisdrittels rechtfertigen kann (vgl oben unter 8.d - 3. Fallgruppe). Besteht hiernach
- auf der Grundlage des externen Vergleichs - Rechtfertigungsbedarf für einen Pflegesatz
und/oder Entgelte oberhalb des unteren Vergleichsdrittels, so hat zunächst die Einrichtung
die Gründe anzugeben und nachvollziehbar zu belegen, die - aus ihrer Sicht - die höhere
Pflegesatzforderung angemessen erscheinen lassen. Dazu haben wiederum die
Kostenträger nach Maßgabe ihrer - notfalls noch zu beschaffenden - Marktkenntnis Stellung
zu nehmen, sodass sowohl dem Einrichtungsträger als auch - bei ihrer Anrufung - der
Schiedsstelle eine sachgerechte Beurteilung der Pflegesatzforderung möglich ist.
49 10. Im Hinblick auf den im Prüfverfahren bestehenden Beurteilungsspielraum der
Schiedsstelle sind die Vorinstanzen im Anschluss an die Urteile des Senats vom 14.12.2000
(aaO) zutreffend von einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrollmöglichkeit des
Schiedsspruchs ausgegangen. Der Schiedsspruch stellt seiner Natur nach einen
Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium dar. Insbesondere
mit der paritätischen Zusammensetzung, dem Mehrheitsprinzip und der fachlichen
Weisungsfreiheit (§ 76 Abs 4 SGB XI) will der Gesetzgeber die Fähigkeit dieses
Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und zu
einer Entscheidungsfindung nutzen, die nicht immer die einzig sachlich vertretbare ist und
häufig Kompromisscharakter aufweist. Gleichwohl haben die Schiedsstellen eine
umfassende Aufklärungspflicht und dürfen Aufklärungsermittlungen auf beiden Seiten
durchführen. Sie müssen aber das Beschleunigungsgebot beachten (§ 85 Abs 5 Satz 1 SGB
XI) und sollten Auflagen zur Sachverhaltsklärung möglichst schon mit der Ladung zum
Schiedstermin verbinden. Die Möglichkeit zum Erlass von sog Beweislastentscheidungen ist
nicht ausgeschlossen, falls eine der Schiedsparteien den gemachten Auflagen nicht oder
nicht rechtzeitig nachkommt, in der Praxis aber durch den Umstand beschränkt, dass ein
Schiedsspruch auch unmittelbare Wirkung für die am Verfahren nicht direkt beteiligten
Heimbewohner besitzt (§ 85 Abs 6 Satz 1 SGB XI) und sie nicht "Opfer" von
Beweislastentscheidungen werden dürfen. Den Abschluss des Verfahrens bildet bei
fehlender Einigung der Schiedsspruch, der mit einer hinreichenden Begründung zu
versehen ist (vgl BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5 mwN) .
50 Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze und des Entscheidungsspielraums der
Schiedsstelle ist gerichtlich ausschließlich zu überprüfen, ob die Ermittlung des
Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist, ob
zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende Beurteilungsspielraum
eingehalten worden ist. Dies setzt voraus, dass die gefundene Abwägung durch die
Schiedsstelle Eingang in die Begründung des Schiedsspruchs gefunden hat. Die
Anforderungen hieran dürfen im Hinblick auf Stellung und Funktion der Schiedsstelle jedoch
nicht überspannt werden. Die Schiedsstelle unterhält - jedenfalls im Wesentlichen - keinen
eigenen Verwaltungsunterbau und ist deshalb in besonderer Weise auf die Mitwirkung der
Beteiligten angewiesen. Es ist deshalb in der Regel nicht zu beanstanden, wenn sich die
Schiedsstellenbegründung auf die in diesem Rahmen vorgebrachten Angaben der
Beteiligten oder von ihren Mitgliedern selbst eingeführte Hinweise bezieht. Dies kann auch
in knapper Form erfolgen, soweit dies für die Beteiligten verständlich ist und sich nicht auf
Tatsachen bezieht, die in der Schiedsstellenverhandlung selbst in Zweifel gezogen worden
sind.
51 11. Hiervon ausgehend erweist sich der angefochtene Schiedsspruch als rechtswidrig. Er
war aufzuheben und die Beklagte zur Neubescheidung des Schiedsantrages zu verurteilen.
Dies hat das LSG allerdings nur im Ergebnis richtig entschieden, sodass sein Urteil mit der
Maßgabe zu ändern war, dass die Beklagte bei der neuen Schiedsentscheidung die
Rechtsauffassung des erkennenden Senats (statt derjenigen des LSG) zu beachten hat.
52 Die Beklagte hat sich bei der Ermittlung der Grundlagen ihres Schiedsspruchs vom 5.8.2002
an der Rechtsprechung des erkennenden Senats vom 14.12.2000 orientiert und deshalb
darauf verzichtet, im Einzelnen nachzuprüfen, ob die von der Klägerin zuletzt geforderten
Pflegesätze und Entgelte auf Grundlage der kalkulierten Gestehungskosten plausibel
dargelegt worden sind. Insbesondere war zu prüfen, ob die von der Klägerin gewünschte
Änderung des PPS, den sie zum 1.12.2005 schließlich auch im Wesentlichen erreicht hat, im
Vergleich zum PPS anderer konkurrierender Pflegeheime mit gleichem Versorgungsauftrag
ohne nachhaltige Beeinträchtigung der Pflegequalität gerechtfertigt war, und zwar unter
Einbeziehung des Einwandes der Klägerin, mehrere Pflegeheime mit für die
Pflegebedürftigen ungünstigerem PPS lägen bei den Pflegesätzen - wohl mit Blick auf die
Tarifbindung - im oberen Bereich der zuerkannten Pflegevergütungen. Nicht zu beanstanden
ist hingegen die Beschränkung des externen Vergleichs auf Pflegeheime gleicher Art, die -
wie das Pflegeheim der Klägerin - im Landkreis L. liegen. Die Beschränkung des
Vergleiches auf das Gebiet einer kreisfreien Gemeinde bzw eines Landkreises ist bereits im
Gesetz angelegt; denn nach § 86 Abs 2 Satz 1 SGB XI kann die Pflegekommission für
Pflegeheime, die in derselben kreisfreien Gemeinde oder in demselben Landkreis liegen, mit
Zustimmung der betroffenen Pflegeheimträger für die gleichen Leistungen einheitliche
Pflegesätze vereinbaren. Auch die Einbeziehung des Pflegeheimes W. in den externen
Vergleich begegnet keinen Bedenken, und zwar unabhängig davon, ob es im Zeitpunkt des
Erlasses des angefochtenen Schiedsspruchs über 18 oder - so die Behauptung der
Beigeladenen zu 2. - bereits über 22 Pflegeplätze verfügte. Die seinerzeit von der Beklagten
selbst gewählte Vergleichsgrenze von 20 Pflegesätzen findet im Gesetz keine Stütze.
53 Außerdem ist bei dem erneuten Schiedsspruch darauf zu achten, dass in den externen
Vergleich - 2. Prüfungsstufe - nur solche Pflegesätze und Entgelte anderer Pflegeheime
einfließen, die noch aktuell sind; nur auf dieser Basis sind die leistungsgerechten,
angemessenen Vergütungen für den in der Zukunft liegenden Pflegesatzzeitraum (§ 85 Abs
6 SGB XI) zu ermitteln. Unzulässig ist dabei eine Differenzierung nach tarifgebundenen und
nicht tarifgebundenen Pflegeheimen. Schließlich hat die Beklagte auch nicht festgestellt, bei
welchen rechnerischen Beträgen sich die Grenze des unteren Pflegesatz-Drittels befindet,
die für die Angemessenheitskontrolle der geforderten Vergütungen maßgeblich ist.
54 Soweit die Beklagte das tägliche Entgelt für Unterkunft und Verpflegung im fraglichen
Zeitraum auf 15,20 Euro festgesetzt hat, ist festzustellen, dass dieser Betrag unverändert
auch für den Folgezeitraum (1.9.2003 bis 30.11.2005) galt, für den es den bestandskräftigen
Schiedsspruch vom 11.12.2003 gibt. Dies und der Umstand, dass die Klägerin im
Revisionsverfahren keine Argumente gegen die Rechtswidrigkeit der Festsetzung des
Entgelts auf 15,20 Euro vorgetragen hat, erlaubt es der Beklagten, bei der Neubescheidung
des Schiedsantrages an diesem Betrag festzuhalten, sofern im erneuten Schiedsverfahren
dazu keine neuen Tatsachen geltend gemacht werden.
55 12. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2
Verwaltungsgerichtsordnung, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und
§ 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz. Der Senat folgt der Streitwertberechnung des LSG, die
sich an der Differenz der von der Klägerin geforderten Vergütungen zu den im
angefochtenen Schiedsspruch zuerkannten Vergütungen und deren Auswirkungen auf das
wirtschaftliche Ergebnis des Pflegeheimes im streitigen Zeitraum orientiert.