Urteil des BSG vom 12.11.2013

BSG: Krankenversicherung, Pflichtverletzung eines Krankenhauses gegenüber Krankenkasse, Schadensersatz, keine vertragsärztliche Arzneimittelversorgung während vollstationärer Behandlung

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 12.11.2013, B 1 KR 22/12 R
Krankenversicherung - Pflichtverletzung eines Krankenhauses gegenüber Krankenkasse -
Schadensersatz - keine vertragsärztliche Arzneimittelversorgung während vollstationärer
Behandlung
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen
vom 19. Januar 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten eines während stationärer
Behandlung verordneten Fertigarzneimittels.
2 Die R. Kliniken B. (Fachabteilung Psychiatrie und Psychotherapie) in Trägerschaft des
Beklagten behandelten die am 1974 geborene, bei der klagenden Krankenkasse (KK)
versicherte M. (im Folgenden: Versicherte) stationär wegen rezidivierender depressiver
Störung mit Suizidalität, posttraumatischer Belastungsstörung und dissoziativer Störung ua
vom 7.12.2004 bis 23.8.2005 und vom 7. bis 14.12.2005. Die Pneumologische Ambulanz
des beigeladenen Universitätsklinikums behandelte die Versicherte in dieser Zeit - nach
seinen Angaben im Rahmen konsiliarischer Vorstellungen - wegen einer gleichzeitig
bestehenden schweren pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH) am 6.1., 7.4., 9.5., 6.6.,
4.7., 3.8. und 12.12.2005. Sie verordnete der Versicherten vertragsärztlich - wie bereits auch
schon vor den stationären Behandlungen im Krankenhaus des Beklagten - das im
beschleunigten Verfahren europaweit für das Anwendungsgebiet PAH zugelassene
Fertigarzneimittel Tracleer (Wirkstoff: Bosentan). Es ist nach den Warnhinweisen in der
Fachinformation nur geeignet zur Behandlung in speziellen Kliniken, Instituten oder bei
niedergelassenen Fachärzten mit besonderen Erfahrungen. Die Klägerin zahlte für das
Arzneimittel den abgebenden Apotheken eine Vergütung in Höhe von 21 442,42 Euro. Der
Prüfungs- und der Beschwerdeausschuss der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein setzten
deswegen gegen den Beigeladenen für die Quartale 3 und 4/2005 einen Regress in Höhe
von 9740,48 Euro netto fest (Bescheid vom 7.3.2007; Widerspruchsbescheid vom 3.9.2007;
SG Düsseldorf - S 33 KA 187/07, Ruhensbeschluss vom 15.4.2008).
3 Das SG hat die auf Erstattung von 21 442,42 Euro gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom
9.12.2010). Das LSG hat auf die Berufung der Klägerin den Beklagten antragsgemäß zur
Zahlung verurteilt: Die Klägerin habe einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Der
Beklagte habe die Versorgung der Versicherten mit Tracleer, die über den vereinbarten
allgemeinen Pflegesatz abgegolten sei, durch einen Dritten veranlasst. Der Beklagte habe
dadurch Aufwendungen in Höhe der Vergütung erspart, die die Klägerin den das
Arzneimittel abgebenden Apothekern gezahlt habe. Er habe diese herauszugeben (Urteil
vom 19.1.2012).
4 Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung des § 2 Abs 2 S 1, § 2 Abs 2 S 2 Nr 2
und § 3 Abs 1 S 3 Bundespflegesatzverordnung (BPflV).
5 Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Januar 2012 aufzuheben
und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 9.
Dezember 2010 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Januar 2012 aufzuheben
und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht
zurückzuverweisen.
6 Die Klägerin und der Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
7 Sie halten die Entscheidung der Vorinstanz für zutreffend.
Entscheidungsgründe
8 Die zulässige Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung
an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2
SGG). Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben, denn es verletzt materielles Recht.
Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend über den
zulässigerweise mit der (echten) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) geltend gemachten
Anspruch auf Zahlung von 21 442,42 Euro zu entscheiden.
9 1. Rechtsgrundlage des Zahlungsanspruchs ist § 280 Abs 1 BGB in entsprechender
Anwendung. Nach § 69 S 1 bis 4 SGB V (hier anzuwenden idF durch Art 1 Nr 45 GKV-
Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190 mWv 1.1.2004) regeln das Vierte
Kapitel des SGB V sowie die §§ 63 und 64 SGB V abschließend die Rechtsbeziehungen
der KKn und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie
sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des
Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94
SGB V. Die Rechtsbeziehungen der KKn und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und
ihren Verbänden werden abschließend in diesem Kapitel, in den §§ 63, 64 SGB V und in
dem Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der
Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG), dem Gesetz über die
Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz -
KHEntgG) sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Für die
Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten im Übrigen die Vorschriften des BGB
entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben
und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Die Sätze 1 bis 3 gelten
auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.
10 Die Voraussetzungen des § 69 S 3 SGB V für die entsprechende Anwendung des § 280
Abs 1 BGB auf das Behandlungsverhältnis zwischen KK und zugelassenem Krankenhaus
bei Behandlung Versicherter sind erfüllt. Danach kann der Gläubiger, wenn der Schuldner
eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, Ersatz des hierdurch entstehenden
Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu
vertreten hat.
11 Erforderliche stationäre Behandlung Versicherter in einem zugelassenen Krankenhaus
begründet zwischen seinem Träger und der KK ein gesetzliches öffentlich-rechtliches
Schuldverhältnis, auf das § 280 Abs 1 BGB anzuwenden ist. Nach § 109 Abs 4 SGB V
(idF durch Art 1 Nr 3 Fallpauschalengesetz vom 23.4.2002, BGBl I 1412) wird mit
einem Versorgungsvertrag nach Absatz 1 das Krankenhaus für die Dauer des Vertrages
zur Krankenhausbehandlung der Versicherten zugelassen. Das zugelassene
Krankenhaus ist im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung (§
39 SGB V) der Versicherten gegen Vergütung verpflichtet. Die KKn sind verpflichtet, unter
Beachtung der Vorschriften des SGB V mit dem Krankenhausträger
Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des KHG (hier anzuwenden idF des Zweiten
Fallpauschalenänderungsgesetzes vom 15.12.2004, BGBl I 3429), des KHEntgG und der
BPflV zu führen. Nach § 39 Abs 1 S 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf
vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die
Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel
nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung
einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (vgl zB BSGE 104, 15 =
SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 14 mwN).
12 Die Folgen von Pflichtverletzungen aus dem aufgezeigten gesetzlichen Schuldverhältnis,
das bei stationärer Behandlung Versicherter in einem zugelassenen Krankenhaus besteht,
sind weder landesvertraglich noch landes- oder bundesrechtlich abschließend geregelt.
Das Vertragsrecht dürfte Schadensersatzansprüche der KK bei schuldhafter Schädigung
durch Krankenhäuser auch nicht ausschließen. Die Vorschriften des BGB über
Schadensersatz wegen Pflichtverletzung sind vielmehr entsprechend anwendbar. Sie sind
mit der Stellung der Krankenhäuser im Versorgungssystem des SGB V vereinbar. Dies
entspricht der Rechtsprechung für die entsprechende Anwendung der bürgerlich-
rechtlichen Verzugsvorschriften (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 14 mwN; BSGE
99, 208 = SozR 4-2500 § 69 Nr 3, RdNr 10 ff). Für Vorschriften über Schadensersatz
wegen Pflichtverletzung kann nichts anderes gelten (vgl zutreffend bereits Sächsisches
LSG Urteil vom 5.5.2010 - L 1 KR 29/08 - Juris RdNr 14 f).
13 2. Es steht nach den bisher getroffenen Feststellungen des LSG nicht fest, dass der
Beklagte eine Pflicht aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis bei Behandlung der
Versicherten verletzte, die seine Verpflichtung begründete, 21 442,42 Euro als Ersatz des
hierdurch entstehenden Schadens zu zahlen. Als eine solche Pflichtverletzung kommt in
Betracht, dass der Beklagte durch seine Klinik den Beigeladenen dazu veranlasste, der
Versicherten die während der stationären Behandlung für die PAH erforderlichen
Arzneimittel vertragsärztlich zu verschaffen. So liegt es insbesondere, wenn der Beklagte
den Beigeladenen hierzu aufforderte oder zB als gutgläubiges Werkzeug nutzte, indem er
ihm verschwieg, dass die Versicherte sich bei ihm in vollstationärer Behandlung befand.
Denn die vollstationäre Behandlung schließt eine vertragsärztliche Parallelbehandlung in
der Regel aus (dazu a). Dies ist dem Beklagten als professionellem Systembeteiligten
bekannt. Er muss bei Einschaltung Dritter in seine Leistungserbringung sicherstellen, dass
sie nicht irrig von abweichenden, unzutreffenden Annahmen ausgehen, die absehbar zu
Schäden bei den KKn führen. Verschweigt ein Krankenhaus bei Einbeziehung Dritter in
einen Leistungsfall, dass es vollstationär behandelt, sodass der Dritte vertragsärztlich
behandelt, hat es diese Pflichtverletzung zu vertreten (§ 276 BGB). Stellt das LSG eine
solche Pflichtverletzung fest, beruht der geltend gemachte Schaden auch hierauf (dazu b).
Legte der Beklagte bei Einbeziehung des Beigeladenen in die Behandlung der
Versicherten dagegen die vollstationäre Behandlung offen und forderte er ihn lediglich auf,
die Versicherte als für ihn leistender Dritter im Rahmen der stationären Behandlung des
Beklagten konsiliarisch auf Kosten des Beklagten zu betreuen, verstieß er gegen keine
Pflichten, die einen Schadensersatzanspruch der Klägerin begründen könnten. In diesem
Falle beruht der Schaden der Klägerin lediglich ggf auf dem schuldhaften Verhalten des
Beigeladenen. Sie kann ihren daraus erwachsenden Schadensersatzanspruch im
Rahmen des bereits anhängigen, ruhend gestellten Regressverfahrens verfolgen (dazu c).
14 a) Die Versicherte durfte, während sie sich in vollstationärer Behandlung befand, nicht zu
Lasten der Klägerin zusätzlich vertragsärztlich mit Arzneimitteln versorgt werden. Eine
gesondert zu vergütende vertragsärztliche Parallelpharmakotherapie war während ihrer
vollstationären Behandlung ausgeschlossen. Das folgt aus den für den Beklagten
geltenden Leistungs- und Vergütungsregelungen der BPflV (idF durch Art 4 FPG vom
23.4.2002, BGBl I 1412). Nach § 1 BPflV werden nach dieser Verordnung die
vollstationären und teilstationären Leistungen der Krankenhäuser oder
Krankenhausabteilungen vergütet, die nach § 17b Abs 1 S 1 zweiter Halbs KHG nicht in
das DRG-Vergütungssystem einbezogen sind. Das DRG-Vergütungssystem gilt danach
nicht für die Leistungen der in § 1 Abs 2 Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV vom
18.12.1990, BGBl I 2930) genannten Einrichtungen und der Einrichtungen für
Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, soweit in der BPflV (Verordnung nach
§ 16 S 1 Nr 1 KHG) nichts Abweichendes bestimmt wird. Das Krankenhaus des Beklagten
unterfiel in dem hier betroffenen Zeitraum den psychiatrischen Einrichtungen iS des § 1
Abs 2 Psych-PV. Die Anwendung der BPflV war nicht nach § 1 Abs 2 BPflV
ausgeschlossen.
15 Die BPflV trifft für die allgemeinen Krankenhausleistungen, zu denen die
Arzneimittelversorgung gehört, eine abschließende Vergütungsregelung: Mit dem Budget
(vgl näher § 12 BPflV) und den Pflegesätzen nach § 10 BPflV werden die allgemeinen
Krankenhausleistungen vergütet, soweit die Kosten nach dem KHG dem Grunde nach
pflegesatzfähig sind (§ 7 Abs 1 S 1 BPflV). Mit den Pflegesätzen werden alle für die
Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet (§
10 Abs 2 BPflV; vgl bereits zum früheren Recht BSGE 74, 263, 267 = SozR 3-2500 § 116
Nr 9 S 53; zum Parallelbereich der DRG-Krankenhäuser vgl zB BGHZ 187, 279, RdNr 14;
siehe auch Bofinger/Dietz, KHG, BPflV und Folgerecht, Bd 1, Stand März 2009, BPflV, §
10 Anm 5; E. Hauck, MedR 2010, 226, 228).
16 Die Versorgung der Versicherten mit Tracleer unterfiel den "allgemeinen
Krankenhausleistungen". Allgemeine Krankenhausleistungen sind die
Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des
Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch
zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind (§ 2 Abs 2 S 1
BPflV). Krankenhausleistungen nach § 1 Abs 1 BPflV sind insbesondere ärztliche
Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die
Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, sowie Unterkunft und Verpflegung; sie
umfassen allgemeine Krankenhausleistungen und Wahlleistungen (§ 2 Abs 1 S 1 BPflV).
Unerheblich ist insoweit, ob die Kosten der betroffenen Arzneimittelversorgung
ausdrücklich Gegenstand der Pflegesatzverhandlungen waren (vgl entsprechend BSGE
74, 263, 267 = SozR 3-2500 § 116 Nr 9 S 53). Das Krankenhaus, das einen Versicherten
zur vollstationären Behandlung aufgenommen hat, ist zu einer umfassenden und
einheitlichen Gesamtleistung verpflichtet und darf sich nicht etwa einzelnen Leistungen
aus Kostengründen entziehen (vgl auch Bofinger/Dietz, KHG, BPflV und Folgerecht, Bd 1,
Stand März 2013, BPflV, § 2 Anm II.1; E. Hauck, MedR 2010, 226, 228). Wenn und
solange das Krankenhaus die vollstationäre Versorgung durchführt, ist es auch zur
Erbringung solcher Leistungen im Rahmen der allgemeinen Krankenhausleistungen
verpflichtet, die es von vornherein nicht mit eigenen personellen und sächlichen Mitteln,
sondern nur durch Dritte (dazu sogleich) erbringen kann.
17 Eine Ausnahme vom Verbot vertragsärztlicher Parallelbehandlung bei vollstationärer
Krankenhausbehandlung besteht nur insoweit, als eine Dialyse nicht zu den
Krankenhausleistungen gehört (vgl § 2 Abs 2 S 3 BPflV). In diesem ausdrücklich
geregelten Ausnahmefall ist es möglich, dass neben der vollstationären
Krankenhausbehandlung bezüglich der Dialyse vertragsärztliche Behandlung erfolgt (vgl
zutreffend Bofinger/Dietz, KHG, BPflV und Folgerecht, Bd 1, Stand März 2013, BPflV, § 2
Anm II.12 aE). Eine weitere Ausnahme für solche Verordnungen, die nicht "für die
Versorgung im Krankenhaus notwendig sind", kommt dagegen nicht in Betracht. Die
Regelung eröffnet keinen weiteren Raum für eine Parallelbehandlung, sondern trifft -
abgesehen von der Dialyse - lediglich eine zeitliche Abgrenzung: Fälle, in denen sich der
Verordnungsbedarf auf einen Zeitraum außerhalb der vollstationären
Krankenhausbehandlung erstreckt, sind entsprechend den allgemeinen Grundsätzen
vorrangig vertragsärztlich zu behandeln (offengelassen in BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 31
RdNr 14; zutreffend Bofinger/Dietz, KHG, BPflV und Folgerecht, Bd 1, Stand März 2013,
BPflV, § 2 Anm II.8.2). Insoweit unterscheidet sich die voll- von der vor- und
nachstationären Behandlung (vgl § 115a Abs 2 S 5 SGB V und hierzu zB BSG SozR 4-
2500 § 115a Nr 2 RdNr 22, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG Urteil
vom 17.9.2013 - B 1 KR 21/12 R - RdNr 23, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR
vorgesehen). Vorliegend betrifft die Behandlung mit Tracleer demgegenüber den Zeitraum
der vollstationären Krankenhausbehandlung der Versicherten.
18 Sowohl für die Leistungspflicht wie auch für die Vergütungsansprüche des Krankenhauses
ist es ohne Belang, ob das Krankenhaus die Leistungen durch eigene Beschäftigte oder
Dritte erbringt. Unter den Voraussetzungen des § 2 Abs 2 S 1 BPflV gehören zu den
allgemeinen Krankenhausleistungen nämlich auch die vom Krankenhaus veranlassten
Leistungen Dritter (vgl § 2 Abs 2 S 2 Nr 2 BPflV; ebenso für den Bereich der
Fallpauschalen § 2 Abs 2 S 2 Nr 2 KHEntgG). Die Leistungen des Dritten werden im
Leistungs- wie Leistungserbringerverhältnis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
durch den tagesgleichen Pflegesatz des Krankenhauses abgegolten, beim
pauschalierenden DRG-Vergütungssystem durch die mittels Groupierung anzusteuernde
Fallpauschale. Drittleistungen können lediglich Vergütungsansprüche des Dritten im
Innenverhältnis zum veranlassenden Krankenhaus begründen. Dementsprechend sind
Dritte - unabhängig von der Zulässigkeit ihrer Beauftragung durch das Krankenhaus im
Übrigen - abgesehen von Dialysen und den aufgezeigten Zeitgrenzen in keinem Falle
dazu befugt, während der vollstationären Krankenhausbehandlung eines Versicherten
diesen vertragsärztlich zu Lasten der KK mit Arzneimitteln zu versorgen. Es bedarf
insoweit keiner Vertiefung, wie der Begriff der Leistungen Dritter iS von § 2 Abs 2 S 2 Nr 2
BPflV im Leistungszeitpunkt zu verstehen war und welche Grenzen für Leistungen Dritter
im Übrigen zu ziehen waren (vgl zur Rechtsentwicklung zB Sächsisches LSG Urteil vom
30.4.2008 - L 1 KR 103/07 - GesR 2008, 548; Clemens, MedR 2011, 770; Seiler, NZS
2011, 410; Art 2 Nr 3 und Art 3 Nr 1 Psych-Entgeltgesetz vom 21.7.2012, BGBl I 1613;
Makoski, jurisPR-MedizinR 9/2013 Anm 3).
19 b) Stellt das LSG eine von dem Beklagten zu vertretende Pflichtverletzung bei der
Einschaltung des Beigeladenen zum Zwecke der Arzneimittelversorgung der Versicherten
im dargelegten Sinne fest, hat es davon auszugehen, dass diese kausal zu einem
Schaden der Klägerin im Umfang der an die abgebenden Apotheken gezahlten Vergütung
in Höhe von 21 442,42 Euro führte. Die Apotheken waren aufgrund der zwischen ihnen
und der Klägerin geltenden vertraglichen Regelungen verpflichtet, das vertragsärztlich
verordnete Arzneimittel Tracleer zugunsten der Versicherten abzugeben (vgl
entsprechend zB BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr 6, RdNr 13). Der
Vergütungsanspruch der Apotheker entstand mit der Abgabe kraft Gesetzes (§ 129 SGB V;
vgl BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr 6, RdNr 13 mwN). Es liegt nichts dafür vor,
dass den Apotheken ein zur Retaxierung berechtigender Verstoß gegen vertragliche
Verpflichtungen unterlief (vgl hierzu zB BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr 6, RdNr
17 ff).
20 c) Lässt sich eine Pflichtverletzung des Beklagten bei der Einschaltung des Beigeladenen
zum Zwecke der Arzneimittelversorgung der Versicherten nicht feststellen, kommt für die
Klägerin der Regress gegen den Beigeladenen in Betracht. Die von ihr angerufenen
Prüfgremien sind dafür zuständig, "sonstige Schäden" festzustellen (vgl § 48 Abs 1
Bundesmantelvertrag-Ärzte). Diese Regelung betrifft generalisierend die "unzulässige
Verordnung von Leistungen", ohne zwischen formalen und inhaltlichen Fehlern zu
unterscheiden (vgl zB BSG SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 18). Hierzu gehören auch
Regressverlangen wegen einer schuldhaften Verordnung von Arzneimitteln für einen
Patienten während dessen Krankenhausaufenthalts (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr
28 RdNr 25; SozR 4-2500 § 106 Nr 31 RdNr 13 f). Vollstationäre Krankenhausbehandlung
schließt für ihre Dauer - wie dargelegt - abgesehen von der Ausnahme der Dialyse
vertragsärztliche Arzneimittelversorgung aus. Der Regress gegen den Beigeladenen
wegen zu vertretender Verordnung von Arzneimitteln für die Zeit stationärer Behandlung
ist indes Gegenstand des ruhenden Verfahrens vor dem SG Düsseldorf - S 33 KA 187/07.
21 3. Der streitige Zahlungsanspruch erweist sich auf der Grundlage der bisher getroffenen
Feststellungen des LSG nicht aus anderen Gründen als begründet. Insbesondere ist es
ausgeschlossen, ihn mit dem LSG durch eine Aufwendungskondiktion als öffentlich-
rechtlichen Erstattungsanspruch zu begründen. Dem stehen die aufgezeigten vorrangigen
Regelungen der Leistungsbeziehungen zwischen KK und Krankenhaus bei Behandlung
Versicherter und zwischen Krankenhaus und von ihm einbezogenem Dritten entgegen.
22 Der im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung seit langem anerkannte
öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist aus allgemeinen Grundsätzen des
Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, herzuleiten. Er
setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne
rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen
vorgenommen worden sind (stRspr, vgl zum Ganzen nur BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 §
17b Nr 2, RdNr 11 mwN). Erfolgt eine Vermögensverschiebung durch Leistung, also
aufgrund bewusster und zweckgerichteter Vermehrung fremden Vermögens, ist auch bei
einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Vorrang der Leistungsbeziehung zu
beachten: Wer etwas einem anderen rechtsgrundlos leistet, kann grundsätzlich nur vom
Leistungsempfänger Herausgabe des Erlangten verlangen, nicht von einem Dritten wegen
dessen Bereicherung in sonstiger Weise (vgl BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2,
RdNr 27 mwN). Die vom LSG befürwortete Aufwendungskondiktion würde im GKV-
System die Leistungsbeziehungen und die spezifischen Steuerungsmechanismen
missachten. Die Rechtsprechung des BSG hat solche Ansätze - auch von Versicherten
(vgl zB BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 15 mwN) - stets aus den
genannten Gründen abgelehnt (vgl zB BSG Urteil vom 2.7.2013 - B 1 KR 49/12 R - zur
Veröffentlichung in SozR vorgesehen, Juris RdNr 25 ff mwN).
23 4. Das LSG wird nunmehr zu ermitteln haben, aufgrund welcher Umstände der
Beigeladene der Versicherten in der betroffenen Zeit der vollstationären
Krankenhausbehandlung das Arzneimittel Tracleer vertragsärztlich verordnete, was der
Beklagte hierzu veranlasste und was er vom Vorgang wusste.
24 5. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.