Urteil des BSG vom 18.12.2008

BSG: altersrente, öffentliche aufgabe, registrierte vorsorgeeinrichtung, gleichstellung, vergleichbare leistung, ruhe, zusicherung, leistungsanspruch, minderung, versicherung

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Kassel, den 11. Dezember 2008
Terminvorschau Nr. 66/08
Der 11. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 18. Dezember 2008 nach
mündlicher Verhandlung über drei Revisionen aus dem Aufgabengebiet der
Bundesagentur
für Arbeit
1) 9.30 Uhr - B 11 AL 47/07 R - S. ./. BA
Der Kläger begehrt die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen gemäß § 2 Abs 3
Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX).
Der 1969 geborene Kläger ist ausgebildeter Schreiner und war zuletzt bis Februar 2004 bei
einem Möbelmarkt versicherungspflichtig beschäftigt. Ab März 2004 war er arbeitslos und
bezog Arbeitslosengeld (Alg). Seit Mai 2005 betreibt er selbständig einen Montageservice,
will aber nach seinen Angaben möglichst wieder Arbeitnehmer werden.
Im Oktober 2004 beantragte der Kläger, bei dem zuletzt ein Grad der Behinderung (GdB) von
40 festgestellt worden war, bei der Beklagten die Gleichstellung mit schwerbehinderten
Menschen und gab zur Begründung an, er verspreche sich davon eine Verbesserung der
Vermittlungsaussichten/Förderungsmöglichkeiten für zukünftige Arbeitgeber. Die Beklagte
erteilte daraufhin dem Kläger eine "Zusicherung", wonach die Gleichstellung für den Fall
erfolgen werde, dass im Zuge der Vermittlungsbemühungen bzw der eigenen Bemühungen
des Klägers zur Erlangung eines Arbeitsplatzes der Arbeitgeber die Einstellung von einer
Gleichstellung abhängig mache.
Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Das LSG hat ausgeführt, die
Entscheidung der Beklagten, zu Gunsten des Klägers nicht bereits eine Gleichstellung
auszusprechen, sondern diese nur zuzusichern, sei rechtmäßig. Der Kläger erfülle zwar die
persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für eine Gleichstellung, die Beklagte habe
aber von dem gesetzlich eingeräumten Ermessen (vgl § 2 Abs 3 SGB IX) sachgerecht und
dem Zweck der Ermächtigung entsprechend Gebrauch gemacht. Es sei nicht zu
beanstanden, dass die Beklagte bei ihrer Ermessensausübung sowohl dem Umstand, dass
der Kläger aktuell selbständig tätig sei, als auch der Arbeitsmarktsituation, die sich für einen
gleichgestellten Arbeitnehmer nicht automatisch verbessere, Bedeutung beigemessen habe.
Die von der Beklagten gewählte Zusicherung biete unter Berücksichtigung der Umstände des
Einzelfalles eine wesentlich bessere Möglichkeit, eine Reintegration des Klägers in das
Erwerbsleben zu erreichen, als eine (sofortige) Gleichstellung.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht
ua geltend, das LSG gehe selbst davon aus, dass er die persönlichen und sachlichen
Voraussetzungen für eine Gleichstellung mit Schwerbehinderten erfülle. Damit sei das
Ermessen der Beklagten "auf Null" reduziert, denn ein so genannter atypischer Fall sei bei
ihm weder festgestellt noch liege er tatsächlich vor.
SG Fulda - S 1 AL 102/05 -
Hessisches LSG - L 7 AL 61/06 -
2) 10.30 Uhr - B 11 AL 48/07 R - J. ./. BA
Die Klägerin begehrt Unterhaltsgeld (Uhg) ab 14.2.2003.
Die 1960 geborene, verheiratete Klägerin bezog im Anschluss an ihre bis Januar 2002
ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung ab Februar 2002 Alg bis zur Erschöpfung
des Anspruchs am 31.1.2003 in Höhe von zuletzt 109,34 Euro wöchentlich. Im November
2002 beantragte sie bei der Beklagten die Förderung der Teilnahme an einer beruflichen
Weiterbildungsmaßnahme.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin Uhg dem Grunde nach, führte aber zugleich aus, der
Höhe nach ergebe sich kein Auszahlungsbetrag, da sie keinen Antrag auf Zahlung von
Arbeitslosenhilfe (Alhi) gestellt habe und somit nicht geprüft werden könne, ob ihr Alhi zu
zahlen sei. Den darauf von der Klägerin im November 2003 gestellten Antrag auf Alhi lehnte
die Beklagte mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht bedürftig, da das anzurechnende
Einkommen ihres Ehemannes den Leistungssatz übersteige, der ihr ohne diese Anrechnung
zugestanden hätte.
Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das LSG hat im Wesentlichen
ausgeführt, anzuwenden sei § 158 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in
der ab 1.1.2003 geltenden Fassung, wonach Uhg an Arbeitnehmer in Höhe des Betrages zu
leisten sei, den diese zuletzt als Alhi bezogen hätten. Die Voraussetzungen für die
Anknüpfung an die Höhe der fiktiven Alhi lägen vor. Zwar betreffe der Wortlaut des § 158
Abs 1 Satz 2 SGB III nur den Bezug von Alhi; über den Wortlaut hinaus erfasst sei jedoch
auch der Fall, dass mangels Bedürftigkeit keine Alhi zu zahlen sei. Dies folge aus dem Sinn
und Zweck der Vorschrift und sei auch verfassungsrechtlich geboten. In diesem Sinn habe
sich auch bereits der 7. Senat des BSG - wenn auch für seine Entscheidung nicht tragend -
geäußert (Urteil vom 1.6.2006 - B 7a AL 6/05 R - SozR 4-4300 § 158 Nr 3).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
SG Dessau - S 7 AL 78/04 -
LSG Sachsen-Anhalt - L 2 AL 169/04 -
3) 11.15 Uhr - B 11 AL 32/07 R - F. ./. BA
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch des Klägers auf Alg wegen des Bezugs von
Altersleistungen nach dem Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge (BVG) der Schweiz ruht.
Der 1943 geborene Kläger war bis Oktober 2004 in der Schweiz beschäftigt. Seit 1.11.2004
erhält er von der Personalvorsorgestiftung seiner Arbeitgeberin eine Altersrente von
monatlich 5.782 SFr (= 3.786,42 Euro). Seinen Antrag auf Alg lehnte die Beklagte ab, da der
Leistungsanspruch ruhe. Er erhalte wegen seines Ausscheidens aus dem Erwerbsleben eine
Pensions- bzw Rentenleistung, die mehr als 65 % seines Bemessungsentgeltes betrage und
somit nach § 142 Abs 4 SGB III zum Ruhen des Leistungsanspruchs führe.
Die Klage hatte vor dem SG Erfolg. Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten die
erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat im
Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch des Klägers ruhe nach § 142 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB
III iVm § 142 Abs 3 SGB III, da der Kläger ab 1.11.2004 eine der Altersrente aus der
deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Leistung eines schweizerischen
Trägers erhalte. Dem stehe insbesondere nicht entgegen, dass die nach den Vorschriften
des BVG registrierte Vorsorgeeinrichtung der früheren Arbeitgeberin des Klägers in der
Rechtsform einer Stiftung nach dem schweizerischen bürgerlichen Recht geführt werde.
Denn die Vorsorgeeinrichtung sei Träger einer gesetzlich angeordneten obligatorischen
Versicherung und erfülle nach dem BVG eine öffentliche Aufgabe. Auch weise die dem
Kläger gewährte Altersrente die gleichen und typischen Strukturen wie eine Altersrente der
gesetzlichen Rentenversicherung nach deutschem Recht auf.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts.
Er macht insbesondere geltend, das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass die
ihm gewährte Altersrente in Höhe von monatlich 5.782 SFr sich aus einer Altersrente und
einer so genannten Vorschussrente in Höhe von monatlich 2.110 SFr zusammensetze. Die
Vorschussrente sei befristet bis zum 31.10.2008 (Vollendung des 65. Lebensjahres) und
führe zu einer entsprechenden Minderung der ihm ab Vollendung des 65. Lebensjahres
zustehenden Altersrente. Die reguläre Altersrente betrage dann monatlich nur noch 5.107
SFr. Bei der vor Vollendung des 65. Lebensjahres gezahlten Rente handele es sich um
überobligatorische Zahlungen auf Grund einer rein privatrechtlichen Vereinbarung zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer und liege folglich keine Vergleichbarkeit zu einer aus der
deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gezahlten Altersrente vor.
SG Freiburg - S 8 AL 379/05 -
LSG Baden-Württemberg - L 8 AL 158/06 -