Urteil des BSG vom 29.08.2012

BSG: Rentenversicherung, Versicherungspflicht selbständig Tätiger

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 29.8.2012, B 12 R 7/10 R
Rentenversicherung - Versicherungspflicht selbständig Tätiger - Entfallen der
Rentenversicherungspflicht bei Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch mehrere Selbständige
in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - Beschäftigung in versicherungspflichtigem Umfang
nach Aufteilung des erzielten Arbeitsentgelts
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11.
August 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Dozent im EDV-
Bereich als selbstständiger Lehrer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung unterlag.
2 Der Kläger ist Energieelektroniker "Betriebstechnik" und übte ab 23.4.2002 das
angemeldete Gewerbe "Schulung und Programmierung; Dozententätigkeit" aus; insoweit
war er bei Firmenschulungen, Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen als Dozent
im EDV-Bereich selbstständig tätig. Er war in dieser Tätigkeit nicht wegen Unterschreitens
der Geringfügigkeitsgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei.
Mit Bescheid vom 20.1.2003 stellte die Rechtsvorgängerin des beklagten
Rentenversicherungsträgers (im Folgenden: Beklagte) fest, dass der Kläger in seiner
Dozententätigkeit ab deren Aufnahme nach § 2 S 1 Nr 1 bis 3 SGB VI in der gesetzlichen
Rentenversicherung versicherungspflichtig sei, und setzte Beiträge fest. In der Folgezeit
entrichtete der Kläger bis einschließlich Februar 2004 monatliche
Rentenversicherungsbeiträge in Höhe des halben Regelbeitrags.
3 Nachdem Kläger und Beklagte einen Schriftwechsel darüber geführt hatten, wie sich die
Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und/oder die Beschäftigung eines
versicherungspflichtigen Arbeitnehmers auf die in seiner selbstständigen Tätigkeit als
Dozent bestehende Rentenversicherungspflicht auswirken würde(n), schloss sich der
Kläger am 13.1.2004 mit Frau G. als Mitunternehmerin und Mitgesellschafterin zu gleichen
Anteilen zu einer auf den gemeinsamen Betrieb eines EDV-Dienstleistungsunternehmens
gerichteten GbR unter der Bezeichnung "C., G. und G. GbR" zusammen und meldete sein
bisheriges Gewerbe entsprechend um. Als Grund für die Ummeldung gab er einen
Wechsel der Rechtsform an; seine selbstständige Tätigkeit als Dozent führte er jedoch
unverändert fort. Ab 1.3.2004 war die Ehefrau des Klägers aufgrund eines mit der GbR
geschlossenen Arbeitsvertrags für diese als Bürokraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit
von 40,5 Stunden und einer regelmäßigen Bruttovergütung von 405 Euro monatlich tätig.
4 Mit Schreiben vom 3.2. und 9.9.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich an ihrer
Beurteilung des Bestehens seiner Rentenversicherungspflicht in der selbstständigen
Tätigkeit als Dozent durch diese Entwicklungen nichts geändert habe. Im November 2004
beantragte der Kläger daraufhin bei der Beklagten, ihn "von der Versicherungspflicht
rückwirkend zu befreien" und den Bescheid vom 20.1.2003 (insoweit) aufzuheben. Die
Beklagte sah den Antrag ua als solchen auf Rücknahme des genannten Bescheides
(insoweit) nach § 44 Abs 1 SGB X an und lehnte ihn mit der Begründung ab, dass der
Kläger auch ab 1.3.2004 keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftige. Bei
einem Zusammenschluss mehrerer Selbstständiger, etwa zu einer GbR, könne deren
Rentenversicherungspflicht nur dann entfallen, wenn die Anzahl der
versicherungspflichtigen Arbeitnehmer der Anzahl der Selbstständigen entspreche. Werde
- wie hier - nur eine einzige Arbeitnehmerin beschäftigt, müsse diese auf die beiden
Gesellschafter "aufgeteilt" werden und "stehe" diesen somit wirtschaftlich jeweils "nur zur
Hälfte zur Verfügung". Weil deren Arbeitsentgelt auch 405 Euro monatlich nicht
übersteige, könne nicht davon ausgegangen werden, jeder der beiden Gesellschafter
beschäftige die Arbeitnehmerin mehr als (nur) geringfügig. Eine Befreiung des Klägers von
der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 6 SGB VI komme nicht in Betracht
(Bescheid vom 29.11.2004; Widerspruchsbescheid vom 22.9.2005).
5 Nachdem Frau G. ab 1.1.2005 aus der GbR ausgeschieden war, stellte die Beklagte -
noch während des Widerspruchsverfahrens - mit Bescheid vom 7.4.2005 fest, dass die
Rentenversicherungspflicht des Klägers zum 31.12.2004 geendet habe, weil er die
versicherungspflichtige Arbeitnehmerin nunmehr allein beschäftige.
6 Der Kläger hat Klage erhoben mit den Anträgen, den Bescheid der Beklagten vom
29.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.9.2005 aufzuheben, die
Beklagte zur Rücknahme des Bescheides vom 20.1.2003 zu verurteilen und festzustellen,
dass er seit 23.4.2002 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung unterliege. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom
13.12.2007). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom
11.8.2010). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das SG habe die
angefochtenen Bescheide im Ergebnis zutreffend als rechtmäßig angesehen. Weder
könne der Kläger eine Rücknahme des Bescheides vom 20.1.2003 nach § 44 SGB X noch
dessen Aufhebung ab 13.1.2004 oder 1.3.2004 nach § 48 SGB X verlangen. Als
selbstständig tätiger Lehrer sei er im streitigen Zeitraum nach § 2 S 1 Nr 1 SGB VI
rentenversicherungspflichtig gewesen. Der Wechsel in die Rechtsform der GbR ab
13.1.2004 habe an der bestehenden Rentenversicherungspflicht nichts geändert, weil der
Kläger weiterhin als selbstständiger Lehrer gearbeitet habe. Ebenso wenig führe die
Beschäftigung seiner Ehefrau ab 1.3.2004 durch die GbR zu einer für ihn günstigeren
Beurteilung. Zwar habe der Gesetzgeber in § 2 S 4 Nr 3, § 229 Abs 3 SGB VI angeordnet,
dass als Arbeitnehmer iS des § 2 S 1 Nr 1 SGB VI für Gesellschafter auch die
Arbeitnehmer der Gesellschaft gelten, und damit auf die Außenverhältnisse der
Gesellschaft abgestellt. § 2 S 4 Nr 3 SGB VI sei jedoch unter Berücksichtigung des
Schutzzwecks des § 2 S 1 Nr 1 SGB VI einschränkend dahin auszulegen, dass nur solche
Arbeitnehmer der Gesellschaft die Rentenversicherungspflicht des einzelnen
Gesellschafters ausschließen könnten, deren Arbeitsentgelt auch nach einer "Aufteilung"
auf die Gesellschafter noch zur Versicherungspflicht des Arbeitnehmers führe. Der Kläger
könne auch nicht mit Erfolg - zur Abwendung der Rentenversicherungspflicht - einen
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen eines Beratungsfehlers der Beklagten
geltend machen, weil ein in der Anstellung eines Arbeitnehmers mit einem regelmäßigen
monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von mehr als 800 Euro liegendes tatsächliches Verhalten
über diesen Anspruch nicht "fingiert" werden könne.
7 Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung von § 2 S 1 Nr 1 SGB VI, vor allem
von § 2 S 4 Nr 3 und § 229 Abs 3 SGB VI. Für die Zeit vom 1.3. bis 31.12.2004 sei das
Bestehen seiner Rentenversicherungspflicht zu verneinen, weil nach dem klaren Wortlaut
des § 2 S 4 Nr 3 SGB VI seine Ehefrau als Arbeitnehmerin der Gesellschaft auch für ihn
als (Mit)Gesellschafter der GbR als Arbeitnehmerin gelte. Für die Zeit vom 23.4.2002 bis
29.2.2004 habe das LSG deshalb fehlerhaft Rentenversicherungspflicht in der
selbstständigen Dozententätigkeit angenommen, weil die Beklagte ihre ihm (dem Kläger)
gegenüber bestehenden Beratungspflichten verletzt und das Berufungsgericht zu Unrecht
die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verneint habe. Die
Beklagte habe ihn darauf hinweisen müssen, dass erst die Beschäftigung eines
Arbeitnehmers mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von mehr als 800 Euro dazu
geführt hätte, dass Rentenversicherungspflicht nicht bestehe. Dieser Beratungsfehler
lasse sich im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs über die Annahme,
der Arbeitnehmerin seien tatsächlich mehr als 800 Euro monatlich gezahlt worden,
korrigieren.
8 Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. August 2010 und des
Sozialgerichts Koblenz vom 13. Dezember 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom
29. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2005
aufzuheben, die Beklagte zur Aufhebung ihres Bescheides vom 20. Januar 2003 zu
verpflichten und festzustellen, dass er vom 23. April 2002 bis 31. Dezember 2004 nicht als
selbstständig tätiger Lehrer der Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 1 SGB VI unterlag.
9 Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
10 Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. § 2 S 4 Nr 3 SGB VI regele nicht, dass
Arbeitnehmer der Gesellschaft für die einzelnen Gesellschafter als versicherungspflichtige
Arbeitnehmer iS von § 2 S 1 Nr 1 SGB VI zu gelten hätten.
Entscheidungsgründe
11 Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat seine Berufung gegen
das die Klage abweisende Urteil des SG zutreffend zurückgewiesen.
12 Der den Gegenstand des Rechtsstreits bildende (dazu 1.) Bescheid der
Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (im Folgenden: Beklagte)
vom 29.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.9.2005 ist
rechtmäßig. Weder kann der Kläger eine Rücknahme ihres Bescheides vom 20.1.2003
nach § 44 SGB X noch dessen teilweise Aufhebung wegen einer wesentlichen Änderung
der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nach § 48 SGB X verlangen (dazu 2.).
Auch führt die Geltendmachung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu keinem
anderen Ergebnis (dazu 3.).
13 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - wie bereits im Klage- und
Berufungsverfahren - das zulässig mit einer kombinierten Anfechtungs- und
Verpflichtungsklage verfolgte Begehren des Klägers nach Aufhebung des unanfechtbaren
Bescheides der Beklagten vom 20.1.2003, soweit darin seine Rentenversicherungspflicht
als selbstständig tätiger Lehrer festgestellt wird, und sein weiteres Begehren nach
gerichtlicher Feststellung, dass in der Zeit vom 23.4.2002 bis 31.12.2004 keine
Rentenversicherungspflicht in dieser Tätigkeit bestanden habe. Keiner Überprüfung bedarf
demgegenüber, ob der Kläger in dieser Zeit in anderen sozialversicherungsrechtlich
(möglicherweise) relevanten Tätigkeiten der Rentenversicherungspflicht unterlag; darüber
hat die Beklagte nicht entschieden und eine dahingehende gerichtliche Beurteilung hat
der Kläger auch nicht verlangt. Nicht zu überprüfen ist im Übrigen das vom LSG als
"Bescheid" beurteilte Schreiben der Beklagten vom 9.9.2004. Der Kläger hat seine
Anfechtungsklage im Revisionsverfahren entsprechend beschränkt. Nicht zu befinden ist
ferner über das Bestehen eines Anspruchs des Klägers, ihn von einer bestehenden
Rentenversicherungspflicht als selbstständig tätiger Lehrer zu befreien. Ein darauf
gerichtetes Begehren hat der Kläger bereits im Widerspruchsverfahren nicht weiterverfolgt.
14 2. In Bezug auf die vorstehend genannten Bescheide liegen weder die tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 44 Abs 1 S 1 noch diejenigen des § 48 Abs 1 S 1 SGB X vor.
15 a) Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar
geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im
Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem
Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb
Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Diese Vorschrift kommt als Rechtsgrundlage für eine vom Kläger beantragte Rücknahme
des Bescheides vom 20.1.2003 in Betracht, weil er außer der Feststellung von
Rentenversicherungspflicht auch die Erhebung entsprechender Beiträge zum Gegenstand
hatte. Gemäß § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung
für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die
bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach Satz 2 Nr 1
des § 48 Abs 1 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung
der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen
erfolgt.
16 Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 20.1.2003 im Umfang der
darin enthaltenen - hier allein zu überprüfenden - Feststellung der
Rentenversicherungspflicht des Klägers als selbstständig tätiger Lehrer liegen nicht vor.
Die Beklagte hatte das Recht bei Erlass des Bescheides nicht iS von § 44 Abs 1 S 1 SGB
X unrichtig angewandt. Ebenso wenig kann der Kläger insoweit wegen einer wesentlichen
Änderung der tatsächlichen Verhältnisse die teilweise Aufhebung des Bescheides vom
20.1.2003 für die Zukunft oder vom Zeitpunkt der Änderung an nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X
beanspruchen. Der Kläger wurde mit Aufnahme seiner Dozententätigkeit am 23.4.2002 als
selbstständig tätiger Lehrer rentenversicherungspflichtig und blieb dies bis zum
31.12.2004 (dazu b). Daran änderte sich in der Zeit vom 1.3. bis 31.12.2004 nichts;
entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung beschäftigte er auch in diesem Zeitraum
im Zusammenhang mit seiner selbstständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen
Arbeitnehmer (dazu c).
17 b) Nach § 2 S 1 Nr 1 SGB VI in der in den Jahren 2002 bis 2004 maßgebenden Fassung
sind selbstständig tätige Lehrer und Erzieher in der gesetzlichen Rentenversicherung
versicherungspflichtig, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit
keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Der Kläger war ausgehend
von den hierzu im angegriffenen Urteil getroffenen Feststellungen, an die der Senat
gebunden ist (§ 163 SGG), im streitigen Zeitraum vom 23.4.2002 bis 31.12.2004 bei
Firmenschulungen, Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen als Dozent im EDV-
Bereich und insoweit als selbstständiger Lehrer in diesem Sinne tätig. An dem Charakter
seiner Lehrtätigkeit als selbstständiger Tätigkeit hat sich nach dem Zusammenschluss des
Klägers mit Frau G. zu einer auf den gemeinsamen Betrieb eines EDV-
Dienstleistungsunternehmens gerichteten GbR am 13.1.2004 nichts geändert, weil es sich
insoweit um einen Zusammenschluss Selbstständiger handelte und der Kläger - wie das
Berufungsgericht festgestellt hat - seine selbstständige Tätigkeit als Dozent nach der
Gesellschaftsgründung unverändert fortgeführt hat. Der Kläger war in dieser Zeit nicht -
auch nicht ab 1.3.2004 (dazu c) - ausnahmsweise von der Rentenversicherungspflicht als
selbstständig tätiger Lehrer ausgenommen, weil er im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit
einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigte. Diese (negative)
Voraussetzung war erst ab 1.1.2005 erfüllt, nachdem Frau G. aus der GbR ausgeschieden
war und der Kläger die zwischenzeitlich angestellte versicherungspflichtige
Arbeitnehmerin allein beschäftigte. Entsprechend hat die Beklagte mit Bescheid vom
7.4.2005 das Ende der Rentenversicherungspflicht des Klägers zum 31.12.2004
festgestellt. Schließlich bestand für den Kläger auch nicht ausnahmsweise
Versicherungsfreiheit (vgl § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI), weil die Voraussetzungen einer
geringfügigen selbstständigen Tätigkeit im streitigen Zeitraum nicht vorlagen.
18 c) Der Kläger war in der Zeit vom 1.3. bis 31.12.2004 nicht deshalb von der
Rentenversicherungspflicht als selbstständiger Lehrer ausgenommen, weil er im
Zusammenhang mit dieser Tätigkeit einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer
beschäftigte. Zwar war die Ehefrau des Klägers in dieser Zeit bei der GbR als
Arbeitnehmerin beschäftigt und im Hinblick auf ihr regelmäßiges monatliches
Arbeitsentgelt in Höhe von 405 Euro auch versicherungspflichtig (vgl § 8 Abs 1 Nr 1 SGB
IV in seiner ab 1.4.2003 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4621). Die
Rentenversicherungspflicht eines selbstständig tätigen Lehrers entfällt jedoch unabhängig
von der konkret bestehenden Versicherungspflicht eines im Zusammenhang mit seiner
Tätigkeit beschäftigten Arbeitnehmers dann nicht, wenn der Lehrer die Tätigkeit als
Mitunternehmer und Mitgesellschafter in einer GbR ausübt und sich bei einer Aufteilung
des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers auf die Gesellschafter ergibt, dass der Lehrer den
Arbeitnehmer in einem Umfang "beschäftigt", der die Grenze des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV
unterschreitet. Das war hier der Fall.
19 Die vom Kläger befürwortete - entgegenstehende - Auslegung des § 2 S 1 Nr 1 SGB VI,
die sich auf den Wortlaut des § 2 S 4 Nr 3 SGB IV stützt, trägt dem sich aus der
Entstehungsgeschichte ergebenden Zweck dieses Versicherungspflichttatbestandes, eine
soziale Absicherung solcher selbstständigen Lehrer zu schaffen, die auf die Ausnutzung
ihrer eigenen Arbeitskraft angewiesen sind, nicht hinreichend Rechnung.
20 aa) Nach Nummer 3 des § 2 S 4 SGB VI, die durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006
(HBeglG 2006, BGBl I 1402; dort Art 11 Nr 1 Buchst b) mit Wirkung zum 1.7.2006 eingefügt
worden und nach der Neufassung des § 229 Abs 3 SGB VI durch dasselbe Gesetz (dort
Art 11 Nr 6) auch (schon) auf Tätigkeiten in der Zeit vom 1.1.1999 bis zum 1.7.2006
anzuwenden ist, gelten als Arbeitnehmer iS des § 2 S 1 Nr 1, 2, 7 und 9 SGB VI für
Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft. Die Ergänzung des § 2 S 4 SGB
VI um Nummer 3 stand im Zusammenhang mit der Ergänzung des § 2 S 1 Nr 9 Buchst b
SGB VI, mit der der Gesetzgeber auf ein insoweit abweichendes Urteil des 12. Senats des
BSG vom 24.11.2005 - B 12 RA 1/04 R - zur Rentenversicherungspflicht von
"Alleingesellschafter-Geschäftsführern" einer GmbH (BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 7) reagiert
hat. Mit der Einfügung der Nummer 3 in § 2 S 4 SGB VI sollte für die in § 2 S 1 Nr 1, 2, 7
und 9 SGB VI geregelten Versicherungspflichttatbestände klargestellt werden, dass für
den Ausschluss der Versicherungspflicht nicht die Beschäftigung von Arbeitnehmern
durch den Gesellschafter (als natürliche Person) erforderlich, vielmehr auch hier
maßgebend ist, ob von der Gesellschaft sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer
beschäftigt werden. Somit seien auch in diesem Zusammenhang die (Außen)Verhältnisse
der Gesellschaft entscheidend (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des
Haushaltsausschusses <8. Ausschuss> zum Entwurf des HBeglG 2006, BT-Drucks
16/1525 S 28 zu Art 11 Nr 1).
21 bb) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, welche Bedeutung der Fiktion des § 2 S 4 Nr
3 SGB VI für die Beurteilung der Rentenversicherungspflicht Selbstständiger überhaupt
beigemessen werden kann, wenn diese - wie der Kläger - ihre selbstständige Tätigkeit als
Gesellschafter einer GbR und damit einer Personengesellschaft ausüben. Zwar ist
arbeitsrechtlich mittlerweile anerkannt, dass eine als Außengesellschaft verselbstständigte
GbR Arbeitnehmer anstellen, also Arbeitgeber sein kann (vgl BAGE 113, 50 = BAG AP Nr
14 zu § 50 ZPO; zu dieser Entscheidung siehe zB Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 14.
Aufl 2011, § 16 RdNr 8). Ob eine GbR jedoch für den hier zu prüfenden
sozialversicherungsrechtlichen Kontext - Beschäftigung eines versicherungspflichtigen
Arbeitnehmers als Voraussetzung der Rentenversicherungspflicht des (einzelnen)
Gesellschafters in seiner selbstständigen Tätigkeit - als von der natürlichen Person des
Gesellschafters rechtlich und sachlich zu unterscheidende "Person" mit eigener
Rechtssubjektivität und deshalb als eigenständiger Arbeitgeber anzusehen ist (vgl
allgemein zum Begriff des Arbeitgebers im sozialversicherungsrechtlichen Sinne zuletzt
BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17 f), ist offen. Der Senat hat eine solche eigene
Rechtssubjektivität von Gesellschaften bisher nur im Verhältnis selbstständiger
Gesellschafter-Geschäftsführer zu einer GmbH als juristischer Person und dort auch nur im
Zusammenhang mit der Prüfung angenommen, wer iS des § 2 S 1 Nr 9 Buchst b SGB VI
Auftraggeber des selbstständigen Gesellschafter-Geschäftsführers ist (vgl BSGE 95, 275 =
SozR 4-2600 § 2 Nr 7 RdNr 15 ff, 21 ff). Hierauf hat der Gesetzgeber mit der Ergänzung
des § 2 S 1 Nr 9 Buchst b SGB VI und des § 2 S 4 SGB VI im HBeglG 2006 reagiert und
angeordnet, dass bei (selbstständig tätigen geschäftsführenden) Gesellschaftern (einer
juristischen Person, insbesondere von Kapitalgesellschaften) als Auftraggeber und
Arbeitnehmer (auch) die Auftraggeber und Arbeitnehmer der Gesellschaft gelten und damit
nicht das Innenverhältnis zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft, sondern die
(Außen)Verhältnisse der Gesellschaft maßgebend sind (vgl Beschlussempfehlung und
Bericht des Haushaltsausschusses, aaO, BT-Drucks 16/1525 S 28 zu Art 11 Nr 1). Soweit
es hingegen um die Rentenversicherungspflicht Selbstständiger als Gesellschafter von
Personengesellschaften geht, scheint eine Beurteilung, die zwischen Außen- und
Innenverhältnissen der Gesellschaft differenziert, nach Auffassung selbst der
Entwurfsverfasser des HBeglG 2006 zweifelhaft. Schon sie gehen nämlich davon aus,
dass Personengesellschaften im Verhältnis zu den sie begründenden natürlichen
Personen sozialversicherungsrechtlich (gerade) keine eigenständigen Rechtssubjekte
und die in diesem Sinne "eigenen" Personengesellschaften damit auch nicht Auftraggeber
der jeweils selbstständig tätigen Personen nach § 2 S 1 Nr 9 Buchst b SGB VI sein
können (vgl BT-Drucks 16/1525, ebenda).
22 cc) Unabhängig davon, ob § 2 S 4 Nr 3 SGB VI mit seiner Fiktion die Verhältnisse
zwischen Gesellschaftern einer GbR und der Gesellschaft in diesem Sinne (lediglich)
klarstellt (so Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses, aaO, BT-
Drucks 16/1525 S 28 zu Art 11 Nr 1) oder Beschäftigungen bei einer GbR ihren
Gesellschaftern als "eigene" sozialversicherungsrechtlich relevant zuordnet, regelt diese
Vorschrift jedenfalls nicht, dass nach ihrem tatsächlichen Status versicherungspflichtige
Arbeitnehmer einer GbR für die Beurteilung der Rentenversicherungspflicht des einzelnen
Gesellschafters in seiner selbstständigen Tätigkeit nach § 2 S 1 Nr 1, 2, 7 und 9 SGB VI -
im Sinne dieser Vorschriften - ebenfalls als "versicherungspflichtig" zu gelten haben mit
der Folge, dass jener wie auch jeder andere Gesellschafter der GbR von der
Rentenversicherungspflicht ausgenommen ist. Ob Rentenversicherungspflicht besteht
oder wegen der Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers nicht
besteht, bestimmt sich in Fällen wie dem Vorliegenden vielmehr - entsprechend dem für §
2 S 1 Nr 1 SGB VI vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Sicherungsbedürfnis der
selbstständigen Lehrer - nach dem Umfang der Beschäftigung des Arbeitnehmers, in dem
er dem zu beurteilenden selbstständig tätigen Gesellschafter wirtschaftlich jeweils
zuzurechnen ist.
23 Der Senat hat im Zusammenhang mit der in § 2 S 1 Nr 1 SGB VI und § 2 S 1 Nr 9 Buchst a
SGB VI geregelten Voraussetzung der (regelmäßigen) Beschäftigung eines
versicherungspflichtigen Arbeitnehmers ausgeführt, dass dieser vom Gesetz eine
Indizwirkung für die wirtschaftliche Lage des selbstständig Tätigen beigelegt wird, und
darauf hingewiesen, dass die Anknüpfung an die wirtschaftliche Lage des Selbstständigen
als Parameter der sozialen Schutzbedürftigkeit zulässig ist (vgl BSGE 105, 46 = SozR 4-
2600 § 2 Nr 12 RdNr 24, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 8 RdNr 22). Wer
ohne versicherungspflichtigen Arbeitnehmer selbstständig tätig wird, ist typischerweise
nicht in der Lage, so erhebliche Verdienste zu erzielen, dass er sich außerhalb der
gesetzlichen Rentenversicherung absichern könnte, und damit typischerweise sozial
schutzbedürftig (zur Indizwirkung der Beschäftigung von Hilfskräften für die wirtschaftliche
Lage des Selbstständigen als Parameter der sozialen Schutzbedürftigkeit in der früheren,
zur Rechtslage bis zum Inkrafttreten des SGB VI ergangenen Rechtsprechung des BSG
vgl die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 8 RdNr 22). Hiervon ausgehend hat der
Senat zu § 2 S 1 Nr 1 SGB VI (vgl BSG SozR 4-2600 § 231 Nr 1 RdNr 23; ferner Urteil
vom 23.11.2005 - B 12 RA 5/04 R - juris RdNr 13 ff) und zu § 2 S 1 Nr 9 SGB VI (vgl BSGE
95, 238 = SozR 4-2600 § 2 Nr 5, RdNr 16, 18 f) entschieden, dass eine
Rentenversicherungspflicht des selbstständig Tätigen unabhängig von der konkret
bestehenden Versicherungspflicht des von ihm beschäftigten Arbeitnehmers auch dann
nicht besteht, wenn er im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit regelmäßig (mehrere)
Arbeitnehmer in einem Umfang beschäftigt, dass bei Zusammenrechnung ihrer
Arbeitsentgelte die Grenze des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV überschritten wird.
24 Ist der Fall nun umgekehrt gelagert und wird ein (einziger) nach seinem tatsächlichen
Status versicherungspflichtiger Arbeitnehmer für mehrere in einer GbR
zusammengeschlossene Selbstständige tätig, so kann unter dem Blickwinkel des
Sicherungsbedürfnisses bei der Auslegung nichts anderes gelten. Der
versicherungspflichtige Arbeitnehmer wird von diesen iS des § 2 S 1 Nr 1, 2, 7 und 9 SGB
VI nur in dem ihnen wirtschaftlich jeweils zuzurechnenden Umfang "beschäftigt".
Entsprechend entfällt die Rentenversicherungspflicht eines selbstständigen Lehrers, der
seine Tätigkeit als Mitunternehmer und Mitgesellschafter in einer GbR ausübt, nur dann,
wenn sich bei einer Aufteilung des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers ergibt, dass auch
mit diesem Entgeltanteil die Grenze des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV überschritten wird (vgl
hierzu bereits BSG Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 5/04 R - juris RdNr 17
Arbeitsentgelts mehrerer Arbeitnehmerinnen auf zwei selbstständige Fahrlehrer, die als
Mitunternehmer gemeinsam eine Fahrschule betrieben>). Diese Auslegung trägt dem
Schutzzweck des § 2 S 1 Nr 1 SGB VI hinreichend Rechnung, der das
Sicherungsbedürfnis der dort genannten Selbstständigen davon abhängig macht, ob diese
allein wirtschaftlich dazu in der Lage wären, einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer
zu beschäftigen.
25 dd) Ausgehend von diesen Grundsätzen erweisen sich die Bescheide der Beklagten auch
für die Zeit vom 1.3. bis 31.12.2004 als rechtmäßig.
26 Nach den Feststellungen des LSG war der Kläger in der GbR, in der er seine
selbstständige Tätigkeit als Lehrer ab 1.3.2004 fortsetzte, neben Frau G. Mitunternehmer
und Mitgesellschafter zu gleichen Anteilen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das
Berufungsgericht im Hinblick hierauf und auf das von der bei der GbR angestellten
Ehefrau des Klägers erzielte monatliche Arbeitsentgelt von (lediglich) 405 Euro deren
"Beschäftigung" der selbstständigen Tätigkeit des Klägers wirtschaftlich vom Umfang her
mit einem Entgeltanteil zugeordnet hat, der (jedenfalls) unterhalb der Grenze des § 8 Abs
1 Nr 1 SGB IV lag (vgl BSG Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 5/04 R - juris RdNr 17
Mitunternehmer mit gleichen Anteilen - mindestens - zur Hälfte>).
27 3. Der Kläger kann sich zur "Abwendung" seiner Rentenversicherungspflicht als
selbstständig tätiger Lehrer - im Rahmen seines Begehrens nach Aufhebung des
Bescheides vom 20.1.2003 vom Zeitpunkt seines Erlasses oder einem späteren Zeitpunkt
an oder im Rahmen seines Begehrens nach gerichtlicher Feststellung, dass er nicht der
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag - auch nicht
erfolgreich auf einen ihm möglicherweise zustehenden sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch berufen. Zutreffend hat das Berufungsgericht insoweit entschieden,
dass die vom Kläger begehrte Rechtsfolge schon allgemein nicht Inhalt eines solchen
Herstellungsanspruchs sein kann.
28 Der vom BSG richterrechtlich entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch knüpft an
die Verletzung behördlicher Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten als
Nebenpflichten im Sozialrechtsverhältnis zwar einen Anspruch auf (eine Art von)
Naturalrestitution (vgl BSGE 89, 50, 53 ff = SozR 3-3300 § 12 Nr 1 S 6). Er ist auf die
Vornahme einer zulässigen Amts- bzw Rechtshandlung zur Herstellung desjenigen
Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem
Sozialrechtsverhältnis erwachsenden Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen
hätte (vgl zB BSGE 65, 21, 26 = SozR 4100 § 137 Nr 12 S 16, jeweils mwN; zuletzt BSG
Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 166/11 R - juris RdNr 27, zur Veröffentlichung in SozR 4
vorgesehen). Ein Herstellungsanspruch kann indessen nicht dazu führen, dass eine
gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung "umgangen" wird, die der Bürger durch ein
tatsächliches Verhalten selbst zu erfüllen hat (vgl BSGE 60, 43, 48 ff = SozR 4100 § 105
Nr 2 S 6 ff ). Unterstellt,
das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs käme hier (überhaupt) zur
Anwendung und seine Voraussetzungen lägen vor, könnte der Kläger hierüber daher
jedenfalls nicht erreichen, auf der Rechtsfolgenseite so gestellt zu werden, als hätte die
GbR mit seiner Ehefrau tatsächlich ein monatliches Arbeitsentgelt in einer Größenordnung
vereinbart (und gezahlt), die bewirkte, dass seiner selbstständigen Tätigkeit als Lehrer ein
Entgeltanteil zugeordnet werden könnte, der auch nach einer Aufteilung des
Arbeitsentgelts auf die beiden Mitunternehmer noch die Grenze des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV
überstieg.
29 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.