Urteil des BSG vom 05.02.2008

BSG: meldepflicht, berufsberatung, rechtliches gehör, arbeitsunfall, unfallversicherung, anerkennung, versicherungsschutz, beendigung, abberufung, arbeitsvermittlung

Bundessozialgericht
Urteil vom 05.02.2008
Sozialgericht Chemnitz S 8 U 128/02
Sächsisches Landessozialgericht L 2 U 95/04
Bundessozialgericht B 2 U 25/06 R
Die Revision der Beklagten zu 1 gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 13. Juli 2006 wird
zurückgewiesen. Die Beklagte zu 1 hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
1
Streitig ist, ob es sich bei dem Verkehrsunfall der Klägerin vom 21. August 2001 um einen Arbeitsunfall handelt.
2
Die im Jahre 1977 geborene Klägerin war nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit mit Bezug von Arbeitslosenhilfe (Alhi)
vom 12. März 2001 bis zum 31. August 2001 für den C e.V. tätig. Laut Arbeitsvertrag vom 12. März 2001 war ihre
Einstellung als Teilnehmerin nach den §§ 91 ff des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) gemäß dem
Bewilligungsbescheid der Maßnahme zur Arbeitsbeschaffung (ABM) Nr 49035/00 erfolgt. Das Arbeitsverhältnis,
dessen Befristung dem Zuweisungszeitraum entsprach, sollte mit dessen Ende beendet sein, ohne dass es einer
Kündigung bedurfte; bei Beendigung der ABM durch die Arbeitsverwaltung zu einem früheren Zeitpunkt sollte dies
entsprechend gelten. Laut ABM-Bewilligungsbescheid waren zugewiesene Arbeitnehmer für die erforderliche Zeit der
Berufsberatung oder der Vorstellung bei einem anderen Arbeitgeber unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts
freizustellen.
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Das zuständige Arbeitsamt R (ArbA) lud die Klägerin und drei weitere Teilnehmerinnen dieser ABM telefonisch zu
einer Informationsveranstaltung am 21. August 2001 in den Räumen des ArbA ein; dort sollten neue Arbeitsstellen in
den alten Bundesländern angeboten, Arbeitslosmeldungen entgegengenommen sowie Auskunft und Rat zur
Entwicklung des Arbeitsmarktes gegeben werden. Ein Mitarbeiter des C e.V. fuhr die vier eingeladenen
Teilnehmerinnen der ABM mit einem Kleinbus zum ArbA. Dabei kam es auf der Hinfahrt zum Zusammenstoß mit
einem Pkw. Ausweislich des Durchgangsarztberichtes vom 22. August 2001 sowie des Entlassungsberichtes des
Diakoniekrankenhauses H , bei dem sich die Klägerin erheblich verletzte.
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Die Berufsgenossenschaft (BG) für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Beklagte zu 2), der der C e.V. den Unfall
angezeigt hatte, gab das Verfahren an die Unfallkasse des Bundes (Beklagte zu 1) ab. Diese lehnte die Anerkennung
des Unfallereignisses vom 21. August 2001 als Arbeitsunfall ab. Die Klägerin habe nicht zum versicherten
Personenkreis des § 2 Abs 1 Nr 14 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) gehört, weil sie während der
Teilnahme an der ABM keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) oder Alhi erhoben und daher nicht - wie erforderlich
- der allgemeinen Meldepflicht nach den Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) unterlegen habe
(Bescheid vom 28. Januar 2002). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17. April
2002). Auch die Beklagte zu 2 lehnte nunmehr die Anerkennung des Unfallereignisses vom 21. August 2001 als
Arbeitsunfall ab (Bescheid vom 2. Juli 2002, Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2002).
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Die Klägerin hat sowohl gegen die Beklagte zu 1 als auch gegen die Beklagte zu 2 jeweils Klage vor dem
Sozialgericht Chemnitz (SG) auf Anerkennung des Unfalls vom 21. August 2001 als Arbeitsunfall erhoben. Das SG
hat die beiden Verfahren verbunden und entsprechend dem Hauptantrag der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides
der Beklagten zu 1 vom 28. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2002 festgestellt,
dass es sich bei dem Ereignis vom 21. August 2001 um einen Arbeitsunfall gehandelt habe; es hat die Beklagte zu 1
verurteilt, der Klägerin wegen der Folgen dieses Unfalls Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung nach
Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Für die Klägerin als ABM-Teilnehmerin habe eine mit einer
Abberufungsmöglichkeit sanktionierte und durch eine konkrete Aufforderung konkretisierte Meldepflicht nach § 269
Abs 2 SGB III und damit Unfallversicherungsschutz gemäß § 2 Abs 1 Nr 14 SGB VII bestanden.
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Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hat die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten zu 1 zurückgewiesen
(Urteil vom 13. Juli 2006). Zwar habe die Klägerin zum Unfallzeitpunkt nicht der allgemeinen Meldepflicht nach § 309
SGB III unterlegen, da sie keinen Anspruch auf Alg gehabt und ein solcher auch nicht während der ABM-Teilnahme
geruht habe. Die Meldepflicht iS des § 2 Abs 1 Nr 14 SGB VII beschränke sich nach ihrem Sinn und Zweck jedoch
nicht auf diese allgemeine Meldepflicht, sondern umfasse alle Meldepflichten des SGB III, aus denen persönliche
Kontakte zum ArbA im Interesse einer geordneten Arbeitsvermittlung resultierten. § 269 Abs 2 Satz 3 SGB VII
statuiere eine Meldeaufforderung nach § 309 Abs 2 Nr 1 SGB III und sei nicht anders als diese einzustufen. Mit dieser
Meldeaufforderung werde eine Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers konkretisiert, wobei sich diese aus der
Einbeziehung der in einer ABM Beschäftigten als Arbeitssuchende in die Vermittlung ergebe. Die Einladung zur
Berufsberatung sei demnach eine - sanktionsbewehrte - Meldeaufforderung, die eine Meldepflicht darstelle und auch
das Ziel der Herstellung persönlicher Kontakte im Interesse einer geordneten Arbeitsvermittlung verfolge, dabei aber
wegen der Abberufungsmöglichkeit des ArbA nicht etwa mit einer als eigenwirtschaftlich zu qualifizierenden
frühzeitigen Meldung oder einer ersten Arbeitslosmeldung vergleichbar sei. Die Klägerin sei auch am Unfalltage einer
besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit
nachgekommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Nach den aktenkundigen und für den Senat nicht in
Zweifel zu ziehenden Darstellungen sowohl des C e.V. im Telefonat mit der Beklagten zu 1 vom 4. September 2001
als auch des ArbA in den Schreiben an die Beklagte zu 1 vom 11. Juli 2001 und vom 4. Dezember 2001 sowie an die
Beklagte zu 2 vom 13. September 2001, wonach die Klägerin sowie drei weitere ABM-Teilnehmerinnen vom ArbA
aufgefordert worden seien, an einer Berufsberatung in den Räumlichkeiten des ArbA teilzunehmen, liege eine solche
Aufforderung vor. Die Informationsveranstaltung sei nach dem Schreiben des ArbA eine Berufsberatung gewesen, bei
der Jugendlichen Auskunft und Rat zur Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes sowie zur Berufs- und
Arbeitsplatzsuche erteilt werden sollte. Der Unfall habe sich auf dem unmittelbaren Weg nach dem Ort der
versicherten Tätigkeit ereignet und habe auch zu einem Gesundheitsschaden der Klägerin geführt. Zuständiger
Versicherungsträger sei die Beklagte zu 1, weil die Klägerin zum Unfallzeitpunkt als Meldepflichtige nach dem SGB III
versichert gewesen sei.
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Mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision macht die Beklagte zu 1 eine Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 14 SGB VII
geltend. Die Meldepflicht als unabdingbare Voraussetzung des Versicherungsschutzes nach dieser Vorschrift beginne
nach herrschender Meinung mit Abgabe des Antrags auf Alg bzw werde als Meldepflicht "des Arbeitslosen"
bezeichnet. Eine Meldepflicht bestehe nach dem SGB III oder dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nur für
Antragsteller und Bezieher von Alg bzw weiteren Sozialleistungen. Eine Meldepflicht als Hintergrund einer
Meldeaufforderung zum Zwecke der Berufsberatung gemäß § 309 Abs 2 Nr 1 SGB III bestehe daher nur bei Vorliegen
der Voraussetzungen des § 309 Abs 1 SGB III für Arbeitslose bzw während des Ruhens des Anspruchs auf Alg.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sei die nach § 2 Abs 1 Nr 14 SGB VII erforderliche Meldepflicht auf die
Meldepflicht nach § 309 SGB III beschränkt. Der Hinweis auf die nach der Rechtsprechung des BSG auch von § 2
Abs 1 Nr 14 SGB VII erfassten Meldepflichten für Bezieher von Unterhalts-, Kurzarbeiter- oder Schlechtwettergeld
übersehe, dass die Bezieher dieser Leistungen zusätzlich zu ihrem Arbeitseinkommen auch Empfänger von
aufstockenden Sozialleistungen seien, was bei den in einem Arbeitsverhältnis stehenden ABM-Teilnehmern nicht der
Fall sei; die Förderung sei eine Leistung der Arbeitsverwaltung an den Träger der Maßnahme, keine Sozialleistung. Im
Falle der Nichtteilnahme von ABM-Teilnehmern an vom ArbA benannten Terminen komme als Rechtsfolge der
Abberufung durch das ArbA nur ein besonderes Kündigungsrecht des Arbeitgebers in Betracht, dem der ABM-
Teilnehmer arbeitsrechtlich entgegentreten könne. Einer teleologisch-extensiven Auslegung des § 2 Abs 1 Nr 14 SGB
VII stehe der Wille des Gesetzgebers entgegen, den Unfallversicherungsschutz von Arbeitslosen auf einen engen
Ausschnitt der möglichen Sachverhalte zu beschränken. § 269 SGB III sei auf die Meldepflicht nach § 309 SGB III
nicht anwendbar, weil sich diese Vorschrift nicht an Arbeitslose, sondern an Arbeitnehmer richte und eine
entsprechende Verweisung im Gesetz fehle.
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Da das Verfahren des LSG fehlerhaft sei, werde hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht
beantragt: Zum einen habe das LSG das Vorliegen einer besonderen, im Einzelfall an die Klägerin gerichteten
Aufforderung zu einer Berufsberatung vorausgesetzt und hierzu zwei Schreiben des ArbA R an sie, die Beklagte zu 1,
vom 7. November 2001 und vom 4. Dezember 2001 zitiert. In dem erstgenannten Schreiben lege das ArbA dar, die
Einladung habe sich auf eine Informationsveranstaltung bezogen, die eine Berufsberatung gewesen sei und demnach
eine Meldepflicht nach sich ziehe; in dem weiteren Schreiben führe das ArbA hierzu aus, die Unfallopfer hätten
während der ABM einer Meldeaufforderung gemäß § 269 Abs 3 SGB III nachzukommen. Für den Unfalltag habe das
ArbA keine näheren Ausführungen insbesondere zum Inhalt der Informationsveranstaltung gemacht. Die Qualität
dieser Einladung als besondere, im Einzelfall an die Klägerin gerichtete Aufforderung, ihrer Meldepflicht
nachzukommen, sei weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren weiter ermittelt worden. Gerade die fehlende
Rechtsbehelfsbelehrung bei Nichtteilnahme an dieser Maßnahme sowie die Freistellung vom Dienst beim ABM-Träger
ließen indes auf die Freiwilligkeit der Teilnahme schließen. Hierzu seien weitere Ermittlungen des Berufungsgerichts
oder eine Entscheidung erforderlich, die den Tatbestand des § 2 Abs 1 Nr 14 SGB VII belegten.
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Zum anderen habe das LSG ihr nicht das rechtliche Gehör gewährt. Es hätte Gelegenheit zur Stellungnahme
hinsichtlich des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs 1 Nr 14 SGB VII geben müssen; die Qualität der
Aufforderung in Bezug auf den Meldezweck sei nicht angesprochen worden, obwohl gerade die Abgrenzung zwischen
der eigenwirtschaftlichen Arbeitssuche und der Aufforderung gemäß § 309 Abs 2 Nr 1 SGB III für die Entscheidung
über die Versicherungspflicht von Bedeutung sei. Sie habe das rechtliche Gehör im Berufungsverfahren nicht
wahrnehmen oder einfordern können, weil das LSG alle entscheidungserheblichen Unterlagen erst kurz vor der am 15.
Juni 2006 überraschend vorgenommenen Terminierung der mündlichen Verhandlung angefordert bzw erhalten habe,
nachdem zuvor alle Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt hätten.
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Die Beklagte zu 1 beantragt, die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 13. Juli 2006 und des
Sozialgerichts Chemnitz vom 19. Mai 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, wie ihrem Schriftsatz vom 4. Februar 2008 zu entnehmen ist, die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
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Die Beklagte zu 2 beantragt, die Revision zurückzuweisen.
14
Sie trägt vor, in jedem Falle sei bei Bejahung eines Arbeitsunfalls die Zuständigkeit der Beklagten zu 1 gegeben, da
kein Zusammenhang zwischen dem Weg zum ArbA und der Tätigkeit der Klägerin bei dem C e.V. vorgelegen habe.
II
15
Die Revision der Beklagten zu 1 ist unbegründet. Der Unfall der Klägerin vom 21. August 2001 war ein Arbeitsunfall,
wie SG und LSG zutreffend entschieden haben.
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Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit; versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das
Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der
Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit
des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), dass diese
Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt
hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten
verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).
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Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§
163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) tatsächlichen Feststellungen des LSG erlitt die Klägerin auf dem direkten
Weg zum ArbA, dem Ort der Tätigkeit, einen Verkehrsunfall, bei dem sie erheblich verletzt wurde. Dabei stand sie
auch unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
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Nach § 2 Abs 1 Nr 14 SGB VII in der seit dem 1. Januar 1998 geltenden Fassung des Arbeitsförderungs-
Reformgesetzes vom 24. März 1997 (AFRG, BGBl I 594), die hier Anwendung findet, sind in der Unfallversicherung
kraft Gesetzes Personen versichert, die nach den Vorschriften des SGB III oder des Bundessozialhilfegesetzes
(BSHG) der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer
Dienststelle der BA nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Diese Bestimmung übernimmt
inhaltlich die Regelung über den Versicherungsschutz von Arbeitslosen nach der Vorgängervorschrift des § 539 Abs 1
Nr 4 Buchst b der Reichsversicherungsordnung (RVO), wobei nach der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf
eines Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (BT-Drucks
13/2204 S 75) die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Aufforderung durch das ArbA "präzisiert" worden sind. Die
weitere Änderung der Vorschrift durch Art 7 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom
24. Dezember 2003 (BGBl I 2954), die hier wegen des vor Inkrafttreten dieser Änderung eingetretenen Unfalls ohnehin
nicht anzuwenden ist, hat lediglich wegen der Einführung des Arbeitslosengeldes II (Alg II) im SGB II die Meldepflicht
danach an die Stelle der Meldepflicht nach dem BSHG gesetzt. Wie der Senat bereits entschieden hat (stellvertretend
BSG SozR 3-2700 § 2 Nr 3), kann die zur Auslegung des § 539 Abs 1 Nr 4 Buchst b RVO ergangene Rechtsprechung
grundsätzlich weiterhin herangezogen werden, jedenfalls soweit es nicht spezifische Änderungen betrifft.
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Voraussetzung für das Bestehen von Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 14 SGB VII ist demnach
zunächst, dass der Betroffene der Meldepflicht nach einem der darin genannten Gesetze unterliegt, und weiter, dass
er den unfallbringenden Weg unternommen hat, weil er einer "Aufforderung" des ArbA hierzu nachkam. Beide
Voraussetzungen sind hier erfüllt.
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Die Klägerin unterlag der Meldepflicht nach dem SGB III, wovon auch das ArbA ausging (Schreiben vom 7. November
2001 an die Beklagte zu 1). Zwar galt für sie nicht die allgemeine Meldepflicht nach § 309 Abs 1 Satz 1 SGB III, weil
sie aufgrund ihres Beschäftigungsverhältnisses mit dem C e.V. nicht arbeitslos war, für diesen Zeitraum auch keinen
Anspruch auf Alg erhoben hatte und auch nicht über einen entsprechenden ruhenden Anspruch verfügte.
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Meldepflicht bestand für die Klägerin aber nach § 269 Abs 2 Satz 3 SGB III in der Fassung vom 24. März 1997 (BGBl
I 594), die am 1. Januar 1998 in Kraft getreten war und hier Anwendung findet. Danach kann das ArbA einen (im
Rahmen einer ABM) zugewiesenen Arbeitnehmer auch abberufen, wenn dieser einer Einladung zur Berufsberatung
trotz Belehrung über die Rechtsfolgen ohne wichtigen Grund nicht nachkommt. Auch diese Pflicht eines ABM-
Teilnehmers stellt eine Meldepflicht nach den Vorschriften des SGB III dar und wird damit vom Versicherungsschutz
nach § 2 Abs 1 Nr 14 SGB VII umfasst. Dass unter Meldepflicht "nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten
Buches" nicht allein - soweit es das SGB III betrifft - die nach § 309 Abs 1 Satz 1 SGB III bestehende "allgemeine
Meldepflicht" (Legaldefinition, vgl § 309 Abs 1 Satz 1 SGB III), die nur Arbeitslose, die einen Leistungsanspruch
geltend machen, betrifft, zu verstehen sein muss, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 2 Abs 1 Nr 14 SGB VII,
der keine Einschränkung etwa auf die allgemeine Meldepflicht enthält und so offen lässt, welche Vorschriften des
SGB III eine Meldepflicht iS dieser Vorschrift betreffen. Daraus und aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift, einem
Personenkreis Unfallversicherungsschutz zu gewähren, der sich aufgrund eines bestehenden öffentlich-rechtlichen
Rechtsverhältnisses nicht ohne rechtliche Nachteile einer konkreten Meldepflicht entziehen kann, die eine Beziehung
zum Arbeitsleben aufweist (vgl Ricke in Kasseler Komm, Stand Dezember 2004, § 2 SGB VII, RdNr 78; Kater/Leube,
SGB VII, 1997, § 2 RdNr 340), folgt, dass alle so beschaffenen Meldepflichten von dieser Norm erfasst werden sollen.
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§ 269 Abs 2 Satz 3 SGB III begründet für den Teilnehmer an einer ABM für den Fall einer Einladung durch das ArbA
zu einer Berufsberatung eine Pflicht zum Erscheinen, deren Missachtung als Sanktion die Abberufung, also die
Beendigung der Förderung und damit die Kündigung gemäß § 270 SGB III zur Folge haben kann. Die Vorschrift ist
damit ähnlich konzipiert wie die des § 309 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Nr 1 SGB III. Dass in der letzteren Vorschrift von
"Aufforderung" die Rede ist, während in § 269 Abs 2 Satz 3 SGB III von "Einladung" gesprochen wird, bedeutet
inhaltlich keinen Unterschied. Nach der Rechtsprechung des Senats kann selbst eine mit einer Bitte oder Empfehlung
umschriebene Äußerung des ArbA eine Aufforderung darstellen, sofern der Eindruck vermittelt wird, dass das
Erscheinen notwendig sei und erwartet werde (stellvertretend Urteil des Senats vom 11. September 2001 - B 2 U 5/01
R = SozR 3-2700 § 2 Nr 3) mwN); der Begriff der "Einladung" entspricht dieser verbindlicheren Form der schroffen
"Aufforderung". Unterschiedlich hinsichtlich ihres gegenwärtigen Status, aber nicht ihrer grundsätzlichen Lage im
Arbeitsleben sind die betroffenen Personen und die vom Gesetz vorgesehene Sanktion für den Fall der Missachtung.
Dem entspricht auch die Intention des Gesetzgebers, der eine "ABM-typische Situation" für den Fall schaffen wollte,
dass Mitwirkungspflichten in besonderer Weise verletzt werden (BT-Drucks 12/5502 S 33 zu § 93 des
Arbeitsförderungsgesetzes, der Vorgängervorschrift des § 269 SGB III). Eine Gleichstellung der (besonderen)
Meldepflicht des ABM-Teilnehmers mit der des Arbeitslosen nach § 309 Abs 1 Satz 1 SGB III erscheint daher
angezeigt (vgl Düe in Niesel, SGB III, 4. Aufl 2007, § 269 RdNr 6; Schmidt-De Caluwe in
Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III Arbeitsförderung, 2. Aufl, § 269 RdNr 25; Kaltenstein in
Hauck/Noftz, SGB III, K § 269 RdNr 30). Dem Einwand der Beklagten zu 1, entscheidend für die Gewährung des
Unfallversicherungsschutzes nach § 2 Abs 1 Nr 14 SGB VII für den Personenkreis des § 309 SGB III sei der
Leistungsbezug, der bei den Teilnehmern an einer ABM gerade nicht gegeben sei, fehlt die innere Begründung: Zwar
stellt die ABM-Förderung gemäß § 3 Abs 3 SGB III eine Leistung an den Träger der ABM, nicht aber an den
Teilnehmer an der ABM, dar. Diese Förderung kommt indes letztlich im Wesentlichen dem Teilnehmer an der ABM
materiell zugute, sodass jedenfalls wirtschaftlich ein Bezug von Leistungen nach dem SGB III besteht.
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Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG war die Klägerin dem C e.V. zum Unfallzeitpunkt im Rahmen einer
ABM zugewiesen und vom ArbA ua zur Berufsberatung am Unfalltag aufgefordert worden; dabei befand sie sich auf
dem unmittelbaren Weg zum Ort dieser Tätigkeit. Der Senat ist an diese Feststellungen des LSG gebunden, weil
gegen sie keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht worden sind (§ 163 SGG). Die Beklagte zu
1 hat zwar gerügt, das LSG habe die - insoweit nicht bestrittene - Einladung der Klägerin durch das ArbA "hinsichtlich
ihrer Qualität" nicht weiter ermittelt; damit hat sie indes keine zulässige und begründete Rüge am Verfahren des
Berufungsgerichts angebracht, sondern lediglich dessen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG) gerügt. Eine solche
Rüge ist indes nur mit der Begründung zulässig, dass das Tatsachengericht die Grenzen der freien Beweiswürdigung
verfahrensfehlerhaft nicht beachtet, insbesondere gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen hat
(vgl BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19 mwN). Einen solchen Verstoß hat die Beklagte zu 1 nicht dargelegt. Rechtlich ist
insbesondere die Annahme des LSG, dass hier eine "Einladung" des ArbA zur Berufsberatung vorlag, nicht zu
beanstanden. Es gelten hier die gleichen Grundsätze wie für das Vorliegen einer Aufforderung nach § 309 Abs 1 Satz
1 SGB III, die das LSG unter Hinweis auf das - oben bereits erwähnte - Urteil des Senats vom 11. September 2001
(aaO) zutreffend dargelegt und angewandt hat.
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Soweit die Beklagte zu 1 eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Artikel 103 Abs 1 des
Grundgesetzes) rügt, weil ihr das LSG keine Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich des Vorliegens der
Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs 1 Nr 14 SGB VII gegeben habe, kann sie damit bereits deshalb nicht gehört
werden, weil sie weder vorträgt, in der mündlichen Verhandlung alles getan zu haben, um das Gehör zu erlangen,
noch dass das Gericht eine entsprechende Hinweispflicht gehabt hätte, weil ein mit der Rechts- und Sachlage
vertrauter, gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen
nicht mit der entscheidungserheblichen Auffassung des Gerichts hätte zu rechnen brauchen. Soweit sie in diesem
Zusammenhang vorträgt, sie habe das rechtliche Gehör im Berufungsverfahren nicht wahrnehmen oder einfordern
können, weil das LSG offenbar erst kurz vor der Terminierung der mündlichen Verhandlung alle
entscheidungserheblichen Unterlagen angefordert bzw erhalten habe, stellt dies keine zulässige Verfahrensrüge dar.
Die Beklagte zu 1 hätte hierzu vortragen müssen, dass ihr eine Stellungnahme weder in der Zeit zwischen Erhalt der
Ladung zum Termin am 16. Juni 2006 und dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. Juli 2006 noch in der
mündlichen Verhandlung möglich gewesen sei und dass sie ggf - vergeblich - einen Antrag auf Vertagung der Sache
zwecks Prüfung der "entscheidungserheblichen Unterlagen" und Abgabe einer Stellungnahme gestellt hat; daran
mangelt es.
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Die Revision der Beklagten zu 1 war daher zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.