Urteil des BSG vom 06.02.2003
BSG: wichtiger grund, treu und glauben, beseitigung der missstände, versuch, anfechtbare verfügung, neues recht, anspruchsdauer, minderung, kündigung, arbeitslosigkeit
Bundessozialgericht
Urteil vom 06.02.2003
Sozialgericht Koblenz S 11 Ar 151/97
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 1 AL 35/00
Bundessozialgericht B 7 AL 72/01 R
Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. Oktober 2000 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Im Streit ist die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. Januar bis 25. März 1997, das die Beklagte
wegen Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit abgelehnt hat, und die Verfügung der Beklagten, dass die Dauer des
Anspruchs auf Alg um 104 Tage gemindert sei.
Der 1943 geborene Kläger war vom 1. April bis 14. Juni 1994 als LKW-Fahrer bei der Firma S. und vom 15. Juni 1994
bis 31. Dezember 1996 als Fahrer bei einem Fruchtimporteur, der Firma A. GmbH, in K. tätig. Das Arbeitsverhältnis
endete durch Kündigung des Klägers am 2. Dezember 1996 zum Ende des Jahres 1996.
Der Kläger meldete sich am 2. Januar 1997 arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte ihm Alg ab 26. März
1997 für 312 Tage (Bescheid vom 6. März 1997) und verwies in diesem Bescheid auf einen noch ausstehenden
"Sperrzeitbescheid". Gegen den Bewilligungsbescheid hat der Kläger wegen der Ablehnung von Alg für die Zeit vor
dem 26. März 1997 und der Anspruchsdauer (312 Tage) Widerspruch eingelegt. Daraufhin hat die Beklagte dem
Kläger mitgeteilt, dass für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis 25. März 1997 eine Sperrzeit eingetreten sei, während der
der Anspruch auf Alg ruhe, und dass sich die Dauer des Alg-Anspruchs (von ursprünglich 416 Tagen) um 104 Tage
(auf 312 Tage) mindere (Bescheid vom 18. März 1997; Widerspruchsbescheid vom 19. März 1997).
Mit der am 21. April 1997 (Montag) erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Auswirkungen des Bescheides
betreffend die Sperrzeit gewandt und gleichzeitig einen Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht. Seine Klage
hat er ua darauf gestützt, sein Arbeitgeber habe ständig gegen zwingende Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes und
gegen EG-Richtlinien bezüglich der zulässigen Lenkzeiten für LKW-Fahrer verstoßen; das Arbeitsverhältnis habe er
auch beendet, weil die Beklagte unzulässigerweise Lohnpfändungen durchgeführt habe. Die Klage hatte weder
erstinstanzlich noch zweitinstanzlich Erfolg (Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 6. Dezember 1999; Beschluss des
Landessozialgerichts (LSG) vom 9. Oktober 2000). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die
Beklagte müsse für die Zeit vor dem 26. März 1997 kein Alg zahlen, weil der Alg-Anspruch wegen Eintritts einer
Sperrzeit geruht habe. Es könne dahinstehen, ob die Arbeitgeberin des Klägers in erheblichem Umfang gegen
zwingende Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten für LKW-Fahrer verstoßen habe. Selbst wenn man unterstelle,
dass die Vorwürfe des Klägers zutreffend seien und damit ein wichtiger Grund für die Lösung des
Beschäftigungsverhältnisses iS des § 119 Abs 1 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vorgelegen habe, könne sich
der Kläger hierauf nicht berufen. Denn er hätte das Arbeitsverhältnis nicht kündigen dürfen, ohne zuvor einen Versuch
unternommen zu haben, auf das Unterlassen eines arbeitsvertragswidrigen Verhaltens hinzuwirken. Wegen des
Eintritts einer Regelsperrzeit von zwölf Wochen mindere sich die Dauer des Alg-Anspruchs von 416 Tagen auf 312
Tage. Der Kläger habe schließlich keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil ein Fehlverhalten der Beklagten bei der
Feststellung der Sperrzeit nicht vorliege.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 119 Abs 1 Nr 1, 119a AFG. Er ist der Ansicht, ihm sei es nicht
zumutbar gewesen, an seine Arbeitgeberin mit dem Ansinnen heranzutreten, dass die Lenk- und Ruhezeiten
eingehalten würden. Es widerspreche Treu und Glauben, von ihm einen solchen Versuch zu erwarten, wenn dieser
von vornherein zwecklos sei, weil die Arbeitgeberin die Überschreitung der Lenkzeiten gekannt und diese - wie im
Fernverkehr üblich - in Kauf genommen bzw geduldet habe. Es spiele keine Rolle, ob die Verstöße gegen die
Lenkzeiten von der Arbeitgeberin veranlasst worden seien.
Er beantragt sinngemäß, den Beschluss des LSG und das Urteil des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.
März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 1997 aufzuheben und die Beklagte unter
Abänderung des Bescheids vom 6. März 1997 zu verurteilen, für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis 25. März 1997 Alg
nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist auf die ihres Erachtens zutreffenden Gründe der LSG-Entscheidung.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 6. März 1997, soweit dieser für die vor dem
26. März 1997 liegende Zeit die Gewährung von Alg ablehnt, im Zusammenhang mit dem sog "Sperrzeitbescheid"
vom 18. März 1997, mit dem er nach der Rechtsprechung des Senats eine Einheit bildet (BSGE 84, 225, 227 = SozR
3-4100 § 119 Nr 17; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15 S 63 mwN), in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.
März 1997. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist mit Rücksicht auf den in der Revisionsbegründungsschrift
gestellten Antrag aber auch die Verfügung der Beklagten über die Minderung der Anspruchsdauer um 104 Tage
(Bescheid vom 18. März 1997, ebenfalls in der Gestalt des Widerspruchsbescheids). Dieser Teil des sog
Sperrzeitbescheids enthält eine gesondert anfechtbare Verfügung (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2002 - B 7 AL 136/01
R -, und BSGE 89, 243, 245 = SozR 3-4300 § 144 Nr 8). Zwar hat sich der Kläger mit seiner Klage zunächst wohl
auch gegen die im Bewilligungsbescheid vom 6. März 1997 enthaltenen Verfügung über die Gesamtdauer des
Anspruchs (312 Tage) gewandt; jedoch enthält die Revisionsbegründung hierzu keinerlei Ausführungen. Zudem macht
der gestellte Antrag deutlich, dass der Kläger sich jedenfalls im Revisionsverfahren nur noch gegen die Minderung der
Anspruchsdauer um 104 Tage wehrt. Das Gleiche gilt für den noch beim LSG geltend gemachten
Schadensersatzanspruch, der im Revisionsverfahren nicht mehr weiterverfolgt wird. Im Übrigen wäre ohnedies eine
Klage gegen die im Bewilligungsbescheid vom 6. März 1997 enthaltene Verfügung über die Anspruchsdauer (312
Tage) mittlerweile unzulässig geworden, weil sich diese Verfügung erledigt hat (§ 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch -
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X)); denn mit Bescheid vom 7. Mai 1997 in der Gestalt des
Abhilfebescheids vom 26. Juni 1997 hat die Beklagte dem Kläger nach einer Beschäftigung (vom 3. März bis 14.
März 1997) erneut Alg für die Zeit nach der Sperrzeit für 312 Tage bewilligt. Dieser Bescheid hat mithin den Bescheid
vom 6. März 1997, soweit er die Dauer des Alg-Anspruchs betrifft, in vollem Umfang ersetzt. Aber auch über diesen
Bescheid bzw über nachfolgende Bescheide betreffend die Dauer des Alg-Anspruchs hat der Senat im
Revisionsverfahren nicht zu befinden; selbst wenn sie Gegenstand des Gerichtsverfahrens gemäß § 96 SGG
geworden sein sollten, hätte die Nichtbeachtung dieser Bescheide durch das LSG im Revisionsverfahren gerügt
werden müssen (vgl nur: BSG SozR 3-2500 § 5 Nr 26; SozR 3-2500 § 57 Nr 4; SozR 3-4100 § 249e Nr 5).
Soweit der Kläger erstmals in der Revisionsinstanz eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen
beansprucht, steht dem § 168 SGG nicht entgegen. Denn bei dem Anspruch auf Zinsen (§ 44 Sozialgesetzbuch -
Allgemeiner Teil - (SGB I)) handelt es sich um Nebenforderungen iS des § 99 Abs 3 Nr 2 SGG, sodass in der
Geltendmachung dieser Nebenforderung keine Klageänderung zu sehen ist; die Entscheidung über diesen
Streitgegenstand erfordert auch keine zusätzlichen Sachverhaltsfeststellungen bzw Ermittlungen (vgl dazu BSGE 84,
80, 83 = SozR 3-1300 § 104 Nr 15; BSGE 18, 12, 14).
Das Begehren des Klägers auf Zahlung von Alg für die vor dem 26. März 1997 liegende Zeit beurteilt sich nach §§ 119
Abs 1 Nr 1, 119a AFG in der bis 31. Dezember 1997 geltenden Fassung. Danach tritt eine Sperrzeit von zwölf
Wochen ein (Regelsperrzeit), wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder
grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Der
Senat hat bereits entschieden, dass das neue Recht des Sozialgesetzbuchs - Arbeitsförderung - (SGB III) bereits mit
seinem Inkrafttreten zum 1. Januar 1998 maßgeblich sein und die Anwendbarkeit des früheren AFG nur in
Ausnahmefällen erfolgen soll (BSGE 87, 262, 263 mwN = SozR 3-4300 § 196 Nr 1); das SGB III findet grundsätzlich
also auch auf laufende Verfahren Anwendung (Ansprüche, die bereits vor dem 1. Januar 1998 entstanden sind),
soweit nicht eine Ausnahme von der Anwendung neuen Rechts im Einzelnen vorgesehen ist (vgl BSG, Urteil vom 17.
Oktober 2002 - B 7 AL 136/01 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Insoweit gilt anstelle des Leistungsfallprinzips
bzw des Versicherungsfallprinzips der Grundsatz, dass neues Recht immer schon (aber auch noch) den Sachverhalt
erfasst, wenn die maßgeblichen Rechtsfolgen in den zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechts fallen
(Geltungszeitraumprinzip). Bereits vor dem 1. Januar 1998 eingetretene Rechtswirkungen (Rechtsfolgen) werden
deshalb grundsätzlich mit Inkrafttreten des SGB III ab 1. Januar 1998 nicht mehr erfasst (vgl in anderem
Zusammenhang BSG SozR 3-2600 § 300 Nr 10 S 39 mwN). Denn eine derartige - generell rückwirkende - Erstreckung
auf solche Rechtswirkungen bezweckt das Gesetz nicht. Im vorliegenden Fall war die Sperrzeit bereits vor dem 1.
Januar 1998 eingetreten und abgelaufen (1. Januar bis 25. März 1997), und auch die Minderung der Anspruchsdauer
als solche, also die Rechtsfolge des § 110 Satz 1 Nr 2 AFG in der bis 31. Dezember 1997 geltenden Fassung, ist
ebenfalls bereits im Jahre 1997 eingetreten, sodass die Anwendung der Vorschriften des SGB III auf diese vor dem 1.
Januar 1998 eingetretenen Rechtsfolgen nicht möglich ist.
Im Rahmen des § 119 Abs 1 AFG stellt sich ernsthaft nur die Frage danach, ob der Kläger für sein Verhalten, also die
Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum Ende Dezember 1996 und die dadurch vorsätzlich herbeigeführte
Arbeitslosigkeit, einen wichtigen Grund hatte. Insoweit beruft sich der Kläger im Revisionsverfahren nur noch auf eine
ständige Überschreitung von Lenk- und Ruhezeiten. Soweit der Kläger noch im Berufungsverfahren geltend gemacht
hat, zur Kündigung berechtigt gewesen zu sein, weil unzulässige Lohnpfändungen vorgenommen worden seien, wird
auf die zutreffenden Ausführungen im Beschluss des LSG verwiesen. Danach können derartige Umstände keine
wichtigen Gründe für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses und damit die Lösung eines
Beschäftigungsverhältnisses sein. Vielmehr hätte sich der Kläger, falls es sich um rechtswidrige Pfändungen
gehandelt haben sollte, gegen diese Pfändungen wehren können und müssen. Für sonstige wichtige Gründe sind
keine Anhaltspunkte vorhanden.
Über das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 119 Abs 1 Satz 1 AFG ist unter Berücksichtigung des
Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden: Die Versichertengemeinschaft soll sich gegen Risikofälle wehren, deren
Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft (vgl nur: BSGE
66, 94, 97 = SozR 4100 § 119 Nr 36; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 12; SozR 3-4100 § 119 Nr 14 und 15). Eine
Sperrzeit tritt deshalb nur dann ein, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls
und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten
zugemutet werden kann (BSGE 66, 94, 97 = SozR 4100 § 119 Nr 36; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 12; SozR 3-4100 §
119 Nr 14 und 15). Insoweit muss der wichtige Grund nicht nur die Auflösung des Arbeitsverhältnisses überhaupt,
sondern zusätzlich den konkreten Zeitpunkt der Auflösung decken (vgl: BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 12; SozR 3-4100
§ 119 Nr 14 und 15). Es ist deshalb auch zu prüfen, ob dem Arbeitslosen die Aufgabe seiner Beschäftigung zu einem
späteren Zeitpunkt zumutbar war (BSG SozR 4100 § 119 Nr 29 und 34). Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass
ein wichtiger Grund für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses nur angenommen werden kann, wenn der
Arbeitslose vor der Lösung erfolglos einen zumutbaren Versuch unternommen hat, diesen Grund auf andere Weise zu
beseitigen (BSG SozR 4100 § 119 Nr 34 S 170 und Nr 30 S 145).
Schon nach § 80 Abs 1 Satz 2 des vor dem AFG geltenden Gesetzes über Arbeitsvermittlung und
Arbeitslosenversicherung (AVAVG) stand es nämlich der unberechtigten Aufgabe einer Arbeit gleich, wenn der
Arbeitslose seine Arbeitsstelle aus einem berechtigten Grund aufgegeben hat, ohne zuvor zu dessen Beseitigung
einen zumutbaren Versuch unternommen zu haben. Diese Regelung des § 80 Abs 1 Satz 2 AVAVG ist zwar im AFG
nicht ausdrücklich enthalten geblieben, wird jedoch von dem Rechtsbegriff des wichtigen Grundes mit umfasst
(Schönefelder/Kranz/Wanka, AFG, § 119 RdNr 2, Stand August 1972). Auch bei Anwendung des § 119 AFG können
mithin Umstände, zu deren Beseitigung durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber ein zumutbarer Versuch möglich ist,
als wichtiger Grund nur anerkannt werden, wenn dieser Versuch unternommen wurde (BSG SozR 4100 § 119 Nr 34 S
170 mwN; SozR 4100 § 119 Nr 30 S 145).
Dem Kläger ist deshalb vorzuwerfen, dass er sich vor der Kündigung nicht mit seiner Arbeitgeberin in Verbindung
gesetzt hat, um die arbeitsrechtliche Situation zu bereinigen. Nach den Feststellungen des LSG, die sich mit dem
eigenen Vortrag des Klägers decken, hat der Kläger dies zu keinem Zeitpunkt getan; die Revisionsbegründung
bestätigt das, wenn ausgeführt wird, dass es wegen der wesentlichen Überschreitungen der Lenk- bzw
Unterschreitungen der Ruhezeiten - auch vor dem Hintergrund einer Branchenüblichkeit - nicht zumutbar gewesen sei,
einen solchen Versuch zu unternehmen. Ob die Verstöße gegen die Lenkzeiten von der Arbeitgeberin veranlasst
worden seien, sei unerheblich. Dieser Ansicht des Klägers kann jedoch nicht gefolgt werden. Es ist nicht ersichtlich,
wieso der Umstand der Wesentlichkeit von Lenkzeitüberschreitungen bzw der Branchenüblichkeit die Annahme einer
Unzumutbarkeit eines Versuches rechtfertigen würde, diese Missstände zwischen dem jeweiligen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer abzustellen. Selbst wenn die überwiegende Mehrzahl der Arbeitgeber in der Branche tatsächlich
Lenkzeitüberschreitungen verlangen würde, so ist doch nicht von vornherein anzunehmen, dass sich gerade die
Arbeitgeberin des Klägers gänzlich einer Problemlösung im Rahmen eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses
verschließen würde. Indem der Kläger meint, einen Abhilfeversuch unterlassen zu können, verzichtet er von sich aus
auf die Möglichkeit, eine für die Solidargemeinschaft verträglichere Lösung zu finden als die Herbeiführung der
Arbeitslosigkeit mit den sich daraus ergebenden Leistungsansprüchen.
Ein Versuch zur Beseitigung der Missstände kann nur dann nicht erwartet werden, wenn der Kläger auf Grund
individueller Umstände, zB eines entsprechenden Verhaltens seiner Arbeitgeberin, das über das bloße Dulden bzw
Akzeptieren von Lenkzeitüberschreitungen hinausgeht, annehmen durfte, dass ein Lösungsversuch im Rahmen des
bestehenden Arbeitsverhältnisses keine Aussicht auf Erfolg haben werde. Insoweit führt der Senat seine
Rechtsprechung zu § 80 Abs 1 Satz 2 AVAVG (SozR Nr 1 zu § 80 AVAVG) fort, wonach ein Versuch zur Beseitigung
des berechtigten Grundes unzumutbar ist, wenn er von vornherein aussichtslos ist. Entscheidend ist allerdings nicht,
ob der Arbeitgeber dem Ansinnen Rechnung getragen hätte, sondern ob die Umstände des Einzelfalls, hier also
insbesondere das Verhalten des Arbeitgebers, die Annahme rechtfertigte, eine Vorsprache habe keinerlei Aussicht auf
Erfolg. Nur dann wäre der Versuch zur Behebung des Missstands dem Arbeitnehmer unzumutbar und eine reine
Förmelei. Für derartige Umstände sind keine Anhaltspunkte gegeben; selbst der Kläger hat dies nicht vorgetragen.
Da mithin eine Sperrzeit, und zwar wegen des Nichtvorliegens einer besonderen Härte bzw der sonstigen
Voraussetzungen des § 119 Abs 2 AFG eine Regelsperrzeit von zwölf Wochen, eingetreten ist, hat die Beklagte zu
Recht auch eine Minderung der Alg-Dauer gemäß § 110 Satz 1 Nr 2 AFG in der bis 31. Dezember 1997 geltenden
Fassung verfügt. Dabei ist sie - im Hinblick auf die Anspruchsdauer (§ 106 in der bis 31. März 1997 geltenden
Fassung; vgl § 242x Abs 3 AFG) - jedenfalls nicht zu Ungunsten des Klägers von einer Minderung in Höhe von 104
Tagen ausgegangen. Da der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Alg für den geltend gemachten Zeitraum
besitzt, besteht auch kein Anspruch auf Zinsen gemäß § 44 SGB I.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.