Urteil des BSG vom 10.10.2002

BSG: anschluss, systematische auslegung, arbeitslosigkeit, vorrang, krankengeld, beendigung, umschulung, unfallversicherung, rehabilitation, gesetzesmaterialien

Bundessozialgericht
Urteil vom 10.10.2002
Sozialgericht Dortmund
Bundessozialgericht B 2 U 2/02 R
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19. November 2001 aufgehoben. Die
Klage wird abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Auslagen für das an die Versicherte S. W.
(V.) in der Zeit vom 23. Januar bis zum 9. Februar 1999 gezahlte Arbeitslosengeld (Alg) und für
Sozialversicherungsbeiträge (insgesamt 868,41 DM = 444,01 Euro) streitig.
Die im Jahre 1965 geborene und damals als Zahnarzthelferin beschäftigte V. war seit dem 17. Januar 1996 wegen
einer Hauterkrankung arbeitsunfähig. Sie beendete ihr Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 1996 und bezog vom 5. Juli
1996 an Alg. Die Beklagte gewährte der V. mit Bescheid vom 23. Mai 1997 als Maßnahme der Berufshilfe eine
Umschulung zur Reiseverkehrskauffrau in der Zeit von Mai 1997 bis Mitte Januar 1999, um die Gefahr des
Entstehens einer Berufskrankheit aus der beruflich bedingten Erkrankung zu verhindern. Zugleich bewilligte sie ihr
Übergangsgeld (Übg), welches V. bis zu ihrer am 22. Januar 1999 erfolgreich abgelegten mündlichen Prüfung bezog.
Noch vor Abschluss der Maßnahme meldete sich V. beim Arbeitsamt (ArbA) für die Zeit nach der mündlichen Prüfung
arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Am 10. Februar 1999 nahm sie eine Beschäftigung im
Umschulungsberuf auf, wobei die Beklagte Eingliederungshilfe gewährte.
Die Klägerin weigerte sich zunächst, V. für die Zwischenzeit Alg zu gewähren, weil vorrangig ein Anspruch auf
Anschluss-Übg bestehe. Anfang März 1999 bewilligte sie der V. dann aber doch aus einem Restanspruch von 46
Kalendertagen für die Zeit vom 23. Januar bis zum 9. Februar 1999 Alg (18 Kalendertage à 39,22 DM = 705,96 DM).
Diesen Betrag sowie die Beiträge von 143,92 DM für Krankenversicherung und von 18,53 DM für Pflegeversicherung,
insgesamt 868,41 DM, machte die Klägerin gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 8. Juni 1999 geltend. Zur
Begründung verwies sie auf den Erlass des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 5. März 1999,
wonach der jeweilige Rehabilitationsträger im Anschluss an eine abgeschlossene Berufsförderung das Übg zunächst
weiterzahle, es sei denn, es bestehe ein Anspruch auf Alg von mindestens drei Monaten. Die Beklagte widersprach
dem unter Hinweis auf eine Information des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) vom
16. Januar 1998 (HVBG-Info 1998, 232), wonach der Anspruch auf Anschluss-Übg gegenüber einem Alg-Anspruch
nachrangig sei.
Auf die von der Klägerin erhobene Leistungsklage hat das Sozialgericht Dortmund (SG) die Beklagte verurteilt, an die
Klägerin 868,41 DM zu zahlen (Urteil vom 19. November 2001). Die Beklagte sei als vorrangig verpflichteter
Leistungsträger gemäß § 104 Abs 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gegenüber der
nachrangig verpflichteten Klägerin erstattungspflichtig. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung aus § 50 Abs 2 Nr 2 des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) in der bis zum Inkrafttreten des Neunten Buches Sozialgesetzbuch
(SGB IX) am 1. Juli 2001 geltenden, hier maßgeblichen Fassung (SGB VII aF) zur Gewährung von Anschluss-Übg
nicht nachgekommen. Alg und Anschluss-Übg seien gleichartige Leistungen. Die Nachrangigkeit des Alg-Anspruchs
gegenüber demjenigen auf Anschluss-Übg ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut des § 50 Abs 2 Nr 2 SGB VII aF
("weitergezahlt") als auch aus der Systematik bzw dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach bestehe für
Rehabilitanden ein Anspruch auf Anschluss-Übg bis zu drei Monaten (90 Kalendertage) bei Vorliegen einer sich der
Maßnahme unmittelbar anschließenden Arbeitslosmeldung, sofern sie auf keinen Anspruch auf Verletzten- oder
Krankengeld zurückgreifen könnten, was bei V. nicht der Fall gewesen sei. Soweit sich die Beklagte zur Begründung
auf § 50 Abs 2 Nr 2 Halbs 2 SGB VII aF beziehe, wonach sich der höchstens auf bis zu 90 Kalendertage
erstreckende Anspruch auf Anschluss-Übg um die Anzahl von Tagen mit Anspruch auf Alg vermindere, sei schon aus
systematischen Gründen die darin geregelte Beschränkungswirkung nicht geeignet, einen Vorrang des Alg-Anspruchs
von weniger als 90 Kalendertagen zu begründen. Dies könnte allenfalls gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber den
zweiten Halbs vorgezogen und die Regelung im ersten Halbs an den Schluss gesetzt hätte.
Ferner spreche das "Veranlassungsprinzip" für einen Vorrang des Anschluss-Übg. Entweder sei aus unfall- bzw
berufskrankheitsbedingten Gründen eine berufliche Umschulung erfolgt oder im Versorgungs-, Rentenversicherungs-
und Arbeitsförderungsrecht liegende Ursachen seien Anlass für die Maßnahme gewesen. Dann sei es aber
folgerichtig, dass der jeweils verantwortliche Leistungsträger für die Übergangszeit zwischen erfolgreicher beruflicher
Neuorientierung und Erlangung eines entsprechenden Arbeitsplatzes Leistungen erbringe. Das Argument der
Beklagten, die arbeitsmarktlichen Risiken seien von denen der Unfallversicherung zu unterscheiden, sodass die
Klägerin vorrangig leistungsverpflichtet sei, solange ein entsprechender Arbeitsplatz nicht vermittelt werden könne,
missachte die vom Gesetzgeber beabsichtigte, bis zu drei Monaten dauernde Verantwortung in Bezug auf
Lohnersatzleistungen des Leistungsträgers der beruflichen Rehabilitation. Der Gesetzgeber habe nur eine Begrenzung
des Anschluss-Übg auf drei Monate nach erfolgreicher beruflicher Umschulung bzw einen Leistungsanspruch allein
gegen die Arbeitsverwaltung begründen wollen, wenn ein Alg-Anspruch von mehr als 90 Kalendertagen geltend
gemacht werden könne. Dies werde dadurch bestätigt, dass die Beklagte ohnehin im Rahmen der nachgehenden
Berufshilfe die V. durch Bewilligung von Eingliederungshilfe gemäß § 36 SGB VII aF an das neue
Beschäftigungsunternehmen bei der Erlangung eines "leidensgerechten" Arbeitsplatzes habe begleiten müssen. Im
Rahmen der vom Gesetzgeber gewollten endgültigen Eingliederung von beruflichen Rehabilitanden ergänzten sich die
Gewährung von Eingliederungshilfe und von Anschluss-Übg.
Mit der - vom SG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte, das SG habe einen Erstattungsanspruch der Klägerin
nach § 104 Abs 1 SGB X zu Unrecht bejaht. Nicht sie, sondern die Klägerin sei die vorrangig verpflichtete
Leistungsträgerin. § 50 Abs 2 Nr 2 SGB VII aF lege gegenüber seiner (bis zum 31. Dezember 1997 geltenden)
Vorgängernorm auch unter bestimmten Voraussetzungen eine Leistungspflicht des ArbA (Anspruch auf Alg) fest. Dies
werde besonders deutlich durch den zweiten Halbs des § 50 Abs 2 Nr 2 SGB VII aF, wonach sich der
Leistungszeitraum von drei Monaten um die Anzahl von Tagen reduziere, für die der Versicherte im Anschluss an die
berufsfördernde Leistung einen Anspruch auf Alg geltend machen könne. Es liege auf der Hand, dass das ArbA und
nicht der Unfallversicherungsträger diesen Anspruch zu erfüllen habe. Der Unfallversicherungsträger sei zu Lasten des
ArbA insoweit von der Zahlung des Anschluss-Übg befreit. Jedenfalls könne der Vorschrift des § 50 Abs 2 Nr 2 SGB
VII aF keine Vorrangigkeit des Unfallversicherungsträgers zur Zahlung von Anschluss-Übg entnommen werden. Der
Hinweis auf die "Weiterzahlung" in § 50 Abs 2 SGB VII aF besage lediglich, dass Übg bereits gewährt worden sei,
ohne dass damit eine Wertung über die Vorrangigkeit oder Nachrangigkeit im Sinne des § 104 Abs 1 SGB X getroffen
werde. Daher greife auch die vom SG erwähnte systematische Auslegung nicht. Zwar seien die gesetzlichen
Formulierungen in § 50 Abs 2 Nr 2 Halbs 1 SGB VII aF "Übg wird weitergezahlt bis zu 3 Monaten" und im Halbs 2 "der
Zeitraum von 3 Monaten vermindert sich ..." unpräzise. Dies ändere aber nichts daran, dass aus dem Wortlaut und
der systematischen Auslegung keine Vorrangigkeit des Unfallversicherungsträgers iS des § 104 Abs 1 SGB X folge.
Besser hätte es unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Intention auch in Halbs 2 heißen müssen: "Der
Zeitraum von bis zu 3 Monaten vermindert sich ...". Denn auch im Halbs 2 könne nur der Zeitraum leistungsrechtlich
relevant sein, in dem überhaupt die Grundvoraussetzung für die Leistung, mithin die Arbeitslosigkeit, bestanden habe.
Eine Vorrangigkeit des Unfallversicherungs- bzw Rehabilitationsträgers lasse sich auch nicht aus dem
"Veranlassungsprinzip" herleiten. Dieses Prinzip spreche eher dafür, eine Vorrangigkeit des ArbA anzunehmen, denn
§ 50 Abs 2 Nr 2 SGB VII aF knüpfe primär an die nicht in der Sphäre des Rehabilitationsträgers liegende
Arbeitslosigkeit an und stelle auf die Arbeitslosmeldung des Versicherten bzw dessen Anspruch auf Alg ab. Im
Übrigen sei der arbeitslose Versicherte häufig bereits vor oder während der Rehabilitationsmaßnahme arbeitslos
gewesen und habe - wie hier - Alg bezogen, sodass bei der Berechnung des Alg nur noch der "Restanspruch" zum
Tragen komme, bei dem es offensichtlich sei, diesen (vorrangig) beim ArbA anzusiedeln. Es wäre für den
Rehabilitations- bzw Unfallversicherungsträger zudem nicht praktikabel, nach § 50 Abs 2 Nr 2 Halbs 2 SGB VII aF
festzustellen, für welche Tage der Versicherte im Anschluss an die berufsfördernde Leistung einen Anspruch auf Alg
habe bzw welcher "Restanspruch" bestehe. Unter dem Aspekt des verantwortlichen Leistungsträgers sei es dem
gemäß nahe liegend, auf die (vorrangige) Verantwortung des ArbA abzustellen. Verfehlt sei es hingegen, da insoweit
die Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte böten, eine Verantwortung des Rehabilitationsträgers für
Lohnersatzleistungen anzunehmen. Die Auffassung, der Gesetzgeber habe nach erfolgreicher Umschulung einen
Leistungsanspruch nur gegen die Arbeitsverwaltung begründen wollen, wenn ein längerer Alg-Anspruch als 90
Kalendertage geltend gemacht werden könne, lasse sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Motiven
ableiten. Dass vorliegend Eingliederungshilfe nach § 36 SGB VII aF gewährt worden sei, könne eine Vorrangigkeit des
Rehabilitations- bzw Unfallversicherungsträgers nicht stützen, weil in der Regel nach erfolgreicher
Rehabilitationsmaßnahme keine Eingliederungshilfe gewährt werde und eine nachgehende Berufshilfe die Ausnahme
sei. Ferner sei gegen das angefochtene Urteil einzuwenden, dass aus dem Wegfall der Beitragspflicht zur
Arbeitslosenversicherung während einer Maßnahme der beruflichen Rehabilitation durch das Inkrafttreten des Dritten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) zu schließen sei, dass das allgemeine Arbeitsmarktrisiko einerseits und die
unfallversicherungsrechtliche Verpflichtung zur Wiedereingliederung Versicherter andererseits deutlicher als zuvor
voneinander getrennt worden seien. In diesen Zusammenhang passe es, wenn man § 50 Abs 2 Nr 2 SGB VII aF als
Fortsetzung dieser Trennung in der Weise verstehe, dass diese Vorschrift das Risiko der Arbeitslosigkeit im
Anschluss an die berufliche Rehabilitation primär der Arbeitsverwaltung zuordne.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Dortmund vom 19. November 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung ihrer
Aufwendungen für V. in der Zeit vom 23. Januar bis zum 9. Februar 1999.
Nach der hier allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Vorschrift des § 104 Abs 1 SGB X ist, wenn ein
nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103
Abs 1 SGB X vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch
hat oder hatte, soweit dieser Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen
Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (Satz 1). Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei
rechtzeitiger Erfüllung der Leistungspflicht eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet wäre
(Satz 2). Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei
Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen (Satz 3). § 104 SGB X geht also von
nebeneinander bestehenden Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger aus, wobei die Verpflichtung
eines dieser Leistungsträger wegen System- oder Einzelanspruchssubsidiarität der Leistungspflicht des anderen
nachgeht (BSGE 58, 119, 123 = SozR 1300 § 104 Nr 7; BSGE 70, 186, 194 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4; BSGE 74, 36,
38 = SozR 3-1300 § 104 Nr 8; BSG SozR 3-2600 § 13 Nr 2).
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier nicht erfüllt. Es mangelt insbesondere an der Nachrangigkeit der
Leistungsverpflichtung der Klägerin zur Leistung von Alg an V. Diese wäre dann gegeben, wenn V. gegenüber der
Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Übg ("Anschluss-Übg") für den Zeitraum vom 23. Januar bis zum 9. Februar
1999 vor Zahlung von Alg zugestanden hätte. Dabei ist als Anspruchsgrundlage auf § 50 Abs 2 Nr 2 SGB VII in der
Fassung des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594 (§ 50 Abs 2 Nr 2 SGB VII aF) abzustellen und nicht auf die
zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits geltende, inhaltlich gleiche Regelung des § 51 Abs 4 Satz 1
SGB IX iVm § 50 SGB VII idF des Gesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl I 1046). Dies ergibt sich aus Art 67 Abs 1 des
Gesetzes vom 19. Juni 2001, demzufolge auf Leistungen zur Teilhabe bis zum Ende der Maßnahme die Vorschriften
in der vor dem 1. Juli 2001 geltenden Fassung anzuwenden sind, wenn der Anspruch vor diesem Tag entstanden ist
(vgl Schütze in Hauck/Noftz, SGB IX, K § 51 RdNr 30; Lauterbach/Köllner, UV-SGB VII, Stand 10/01, § 50 RdNr
129).
Nach § 50 Abs 2 Nr 2 SGB VII aF wird Übg weitergezahlt bis zu drei Monaten in dem Zeitraum, in dem Versicherte im
Anschluss an eine abgeschlossene berufsfördernde Leistung arbeitslos sind, wenn sie sich beim ArbA arbeitslos
gemeldet haben und einen Anspruch auf Alg von mindestens drei Monaten nicht geltend machen können und keinen
Anspruch auf Verletzten- oder Krankengeld haben (Halbs 1); der Zeitraum von drei Monaten vermindert sich um die
Anzahl von Tagen, für welche die Versicherten im Anschluss an die berufsfördernde Leistung einen Anspruch auf Alg
geltend machen können (Halbs 2).
Die Vorschrift des § 50 Abs 2 SGB VII aF soll, wie entsprechend ihre Vorgängernormen (§ 568a Abs 3 der
Reichsversicherungsordnung (RVO) und § 50 Abs 2 SGB VII idF des Gesetzes vom 7. August 1996 (BGBl I 1254)),
den Anspruch auf Übg während einer berufsfördernden Maßnahme auf die Zeit nach deren Ende ausdehnen, um die
wirtschaftliche Sicherung des Rehabilitanden - falls erforderlich - noch für eine angemessene Phase der
Umorientierung zu Gewähr leisten und soziale Härten abzufedern (vgl Römer in Hauck, SGB VII, Stand Juni 1998, K §
50 RdNr 8). Sie differenziert vorweg im Hinblick auf die Höchstdauer des Anspruchs auf Übg danach, ob der
Versicherte die Maßnahme aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen (vorzeitig) beendet (Nr 1) oder sie (wie geplant)
abgeschlossen hat (Nr 2). Durch § 50 Abs 2 Nr 2 Halbs 1 SGB VII aF - wie auch die Nachfolgeregelung des § 51 Abs
4 Halbs 1 SGB IX - soll grundsätzlich allen Versicherten, welche die zum Übg nach Abs 1 berechtigende Maßnahme
erfolgreich abschließen und dann arbeitslos sind, ein auf drei Monate befristeter Anspruch auf eine - allerdings
gegenüber dem eigentlichen Übg verminderte und dem Niveau des Alg angepasste - Lohnersatzleistung (vgl § 51 Abs
4 SGB VII aF; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Anhang zu § 50 SGB VII - § 51 SGB IX RdNr 16) gegeben
werden. Für diesen dem Grunde nach entstehenden Anspruch (vgl Schütze in Hauck/Noftz, SGB IX, K § 51 RdNr 28)
ist weiter erforderlich, dass sich der Rehabilitand beim ArbA arbeitslos gemeldet hat, einen Anspruch auf Alg von
mindestens drei Monaten nicht geltend machen kann und auch keinen Anspruch auf Verletzten- oder Krankengeld hat.
Nach den bindenden Feststellungen des SG im angefochtenen Urteil (§ 163 SGG) liegen hier sämtliche
Anspruchsvoraussetzungen vor, sodass das Bestehen eines Anspruchs auf Anschluss-Übg dem Grunde nach
anzunehmen ist. V. hat die ihr von der Beklagten gewährte berufsfördernde Maßnahme in der vorgesehenen Form am
22. Januar 1999 abgeschlossen und sich für die Zeit nach Beendigung der Maßnahme arbeitslos gemeldet; sie kann
mit einem Restanspruch von nur 46 Kalendertagen keinen Anspruch auf Alg für mindestens drei Monate geltend
machen und hat auch für die Zeit nach der Maßnahme keine Ansprüche auf Verletzten- oder Krankengeld.
Allerdings vermindert sich nach § 50 Abs 2 Nr 2 Halbs 2 SGB VII aF die Höchstdauer des dem Grunde nach
entstandenen Anspruchs auf Anschluss-Übg von drei Monaten um die Anzahl der Tage, für die der Versicherte im
Anschluss an die berufsfördernde Maßnahme einen Anspruch auf Alg geltend machen kann. Ein Anspruch auf
Anschluss-Übg kann demnach niemals drei Monate (90 Tage) währen, solange der Versicherte noch einen Anspruch
auf Alg von bis zu 90 Tagen hat. Die beiden nebeneinander bestehenden Ansprüche auf Anschluss-Übg zum einen
und auf Alg zum anderen sind demnach hinsichtlich ihrer Anspruchsdauer zeitlich so aufeinander abzustimmen, dass
bis zu einer angenommenen Gesamtdauer des Bezuges von Anschluss-Übg von längstens drei Monaten jedenfalls
die Tage nicht mitzuzählen sind, für die der Versicherte einen Anspruch auf Alg geltend machen kann.
Dafür, dass - entgegen der Auffassung des SG - der Anspruch auf Alg bei einer solchen Konstellation vorrangig
gegenüber der Weiterzahlung von Anschluss-Übg durch einen Unfallversicherungsträger ist, gibt der Wortlaut des § 50
Abs 2 Nr 2 Halbs 2 SGB VII aF zumindest einen deutlichen Hinweis (vgl Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung,
Anhang zu § 50 SGB VII - § 51 SGB IX RdNr 15), wenn gerade an dieser Stelle davon die Rede ist, der Versicherte
müsse "im Anschluss an die berufsfördernde Leistung einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend machen können".
Ausschlaggebend für diese Auffassung ist der Zusammenhang, in dem die Formulierung "im Anschluss an die
berufsfördernde Leistung" steht. § 50 Abs 2 Nr 2 Halbs 2 SGB VII aF regelt insgesamt die Frage der Begrenzung des
Anspruchs auf Anschluss-Übg in Form einer Abstimmung nebeneinander bestehender Ansprüche. Eine solche
Anspruchsabstimmung bedarf aber gerade bei der zeitlichen Begrenztheit, denen der Anspruch auf Anschluss-Übg
nach § 50 Abs 2 Nr 2 Halbs 1 SGB VII aF unterliegt, notwendigerweise einer Regelung der Reihenfolge der
Anspruchsrealisierung. Demzufolge ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch die in diesem
Zusammenhang gewählte Formulierung "im Anschluss an die berufsfördernde Leistung einen Anspruch auf
Arbeitslosengeld" auch auf die zeitliche Reihenfolge der Leistungen in der Weise hinweisen wollte, dass zuerst
Ansprüche des Versicherten gegen die Arbeitsverwaltung zum Zuge kommen sollen, bevor für die restliche Zeit der
längstens drei Monate währenden Frist nach Beendigung der berufsfördernden Leistung noch eine Zahlung von
Anschluss-Übg in Betracht kommt.
Einer solchen Auslegung entgegenstehende Anhaltspunkte sind den Gesetzesmaterialien jedenfalls nicht zu
entnehmen (vgl BR-Drucks 550/96 S 251; BT-Drucks 13/6845 S 361). Sie steht auch nicht im Widerspruch zum
übrigen Wortlaut des § 50 Abs 2 SGB VII aF. So ist der Vorrang des Anspruchs auf Alg entgegen der Auffassung des
SG auch mit der Formulierung, Übg werde "weitergezahlt", in Einklang zu bringen. Durch diese sich an die
Vorgängerregelungen ("weitergewährt" in § 568a Abs 3 RVO; "weitergezahlt" in § 50 Abs 2 SGB VII idF des Gesetzes
vom 7. August 1996, BGBl I 1254) anlehnende Wortwahl des Gesetzgebers wird zwar nahe gelegt, dass die Zahlung
des Übg auch nach dem Ende der berufsfördernden Maßnahme bei Vorliegen der im Gesetz genannten
Voraussetzungen (ununterbrochen) fortgesetzt werden kann. Gleichwohl schließt der Begriff "weitergezahlt" nicht von
vornherein eine jegliche Unterbrechung der Zahlung aus, die - wie dargelegt - ebenfalls im Wortlaut der Norm, nämlich
in § 50 Abs 2 Nr 2 Halbs 2 SGB VII aF begründet ist. In der Zusammenschau des hier gewählten Begriffs des
"Weiterzahlens" mit den anderen Formulierungen des Gesetzes ist die Systematik zu erkennen, dass eine
ununterbrochene Weiterzahlung von Übg bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen den gesetzlichen
Regelfall darstellt und das Vorhandensein bestimmter (Rest-)Ansprüche auf Alg lediglich eine Abweichung hiervon
darstellt. Aus der Gliederung des § 50 Abs 2 Nr 2 SGB VII aF in einen 1. und einen 2. Halbs und deren Stellung
zueinander lässt sich entgegen der Auffassung des SG nicht auf eine Vorrangstellung des Anspruchs auf Anschluss-
Übg im Falle des Zusammentreffens mit einem Anspruch auf Alg schließen. Gerade das Aufeinanderfolgen von Halbs
1 und Halbs 2 bringt - wie oben dargelegt - zum einen das Entstehen des Anspruchs dem Grunde nach und zum
anderen als nähere Konkretisierung dessen Begrenzung hinsichtlich Dauer und Höhe zum Ausdruck; eine solche
Gestaltung von Rechtssätzen entspricht einer bei der Gesetzgebung üblichen Methode (vgl Larenz/Canaris,
Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl, 80 f).
Die Annahme einer Vorrangigkeit des Anspruchs auf Alg vor dem auf Anschluss-Übg in § 50 Abs 2 Nr 2 SGB VII aF
steht auch im Einklang mit der gesetzlichen Systematik. Insbesondere widerspricht sie nicht der allgemeinen Risiko-,
Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung für die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung. In einem Fall wie dem
vorliegenden ist der Versicherte nach der Beendigung der Maßnahme tatsächlich arbeitslos iS des § 118 SGB III, hat
eine entsprechende Meldung beim ArbA erstattet und kann darüber hinaus einen - wenngleich zeitlich beschränkten -
Anspruch auf Alg geltend machen. Es ist folgerichtig, wegen des Vorliegens der Arbeitslosigkeit und des Anspruchs
auf Alg dann auch für die Leistung in diesem Übergangszeitraum in erster Linie die Arbeitsverwaltung einstehen zu
lassen. Der Auffassung des SG, der Rehabilitationsträger habe aus Gründen des "Veranlassungsprinzips" auch für die
sich im Anschluss an die Maßnahme ergebende Arbeitslosigkeit einzutreten, vermag sich der Senat nicht
anzuschließen. Es kann nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass die Arbeitslosigkeit eines Versicherten
im Anschluss an eine berufsfördernde Maßnahme regelmäßig ihren Grund in dem zur Gewährung einer
Rehabilitationsmaßnahme führenden Umstand hat. Wäre die Argumentation des SG zutreffend, wäre eine Realisierung
von Ansprüchen gegen die Arbeitsverwaltung, wie sie § 50 Abs 2 Nr 2 SGB VII aF - unabhängig von einer Vor- oder
Nachrangigkeit - vorsieht, im Anschluss an eine berufsfördernde Maßnahme auch nicht erklärbar; ein
beschäftigungsloser Versicherter wäre nämlich nach einem Auslaufen des Anschluss-Übg dann ohnehin auf die
Inanspruchnahme von Alg oä angewiesen. Die Regelung in § 50 Abs 2 Nr 2 SGB VII aF mit den konkurrierenden
Ansprüchen würde so praktisch leer laufen, da ohnehin stets nur der eine oder der andere zum Tragen käme.
Bei Behandlung der hier gegebenen "Anspruchskonkurrenz" ist auch zu berücksichtigen, dass durch § 50 Abs 2 Nr 2
SGB VII aF erstmalig - dh im Gegensatz zu den oben genannten Vorgängervorschriften - der Anspruch auf
Anschluss-Übg in Abhängigkeit zu einem Anspruch auf Alg statuiert wird. Auch dies gibt einen deutlichen Hinweis
darauf, dass - in Abkehr vom bisherigen Regelungsprinzip - im Falle von Arbeitslosigkeit und des Bestehens eines
(Rest-)Anspruchs auf Alg zunächst der hierfür zuständige Versicherungsträger einzustehen hat und der
Unfallversicherungsträger nur subsidiär zur Erbringung von Lohnersatzleistungen berufen sein soll. Die einschlägigen
Gesetzesmaterialien, die zunächst noch eine entsprechende Änderung des § 568a RVO und erst später eine
Änderung des § 50 SGB VII idF des Gesetzes vom 7. August 1996 zum Gegenstand haben, behandeln die Frage der
Anspruchskonkurrenz zwischen Anschluss-Übg und Alg nicht; in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur
Reform der Arbeitsförderung (AFRG) ist nur allgemein die Rede davon, dass eine soziale Sicherung durch Anschluss-
Übg bei Nichtbestehen eines mindestens dreimonatigen Anspruchs auf Alg erfolgen soll, "da durch den Bezug von
Übg bei berufsfördernden Leistungen ein Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitsförderung nicht begründet" werde
(BR-Drucks 550/96 S 251 zu Art 65 Nr 4; BT-Drucks 13/6845 S 262, 361 zu Art 6a Nr 5).
In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass mit § 160 Abs 2 Nr 2 SGB III aF und in der Neufassung des §
25 Abs 3 Nr 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zum selben Zeitpunkt wie dem der Neufassung des
§ 50 Abs 2 Nr 2 SGB VII aF gesetzliche Vorschriften geschaffen worden sind, in denen nahezu wortgleich mit § 50
Abs 2 Nr 2 SGB VII aF das Zusammentreffen von Ansprüchen auf Anschluss-Übg und Alg geregelt wird. In der
amtlichen Begründung zur gesamten Regelung des § 160 SGB III heißt es, das Übg sei als besondere Leistung
gegenüber den allgemeinen Leistungen nachrangig; die Anspruchsdauer für das Übg sei auf drei Monate ausgedehnt
worden, soweit nicht ein Anspruch auf Alg bestehe (BT-Drucks 13/4941 S 183; vgl auch die amtliche Begründung zur
Änderung des § 25 Abs 3 Nr 3 SGB VI, BT-Drucks 13/4941 S 235). Aus den Ausführungen insbesondere zu § 160
Abs 2 Nr 2 SGB III (vgl dazu Großmann in Hauck/Noftz, SGB III, Stand August 1998, K § 160 RdNr 52), die eindeutig
in einem Fall wie dem vorliegenden dem Anspruch auf Alg den Vorrang einräumen, lässt sich der Schluss ableiten,
dass der Gesetzgeber auch im Hinblick auf die Regelung in § 50 Abs 2 Nr 2 Halbs 2 SGB VII aF die gesamte
Tragweite der Änderung des bisherigen Systems erkannt hat. Es ist davon auszugehen, dass auch im
Unfallversicherungsrecht im Gleichklang mit den anderen Zweigen der Sozialversicherung insoweit ein einheitliches
Prinzip der Anspruchssubsidiarität verwirklicht werden sollte. Auch dass - wie hier - nach Beendigung einer
berufsfördernden Leistung durch einen Unfallversicherungsträger noch Leistungen an den Arbeitgeber des
Versicherten nach § 36 SGB VII aF in Form von Eingliederungshilfe erbracht wurden bzw dass die abstrakte
Möglichkeit dazu besteht, spricht aus systematischen Gründen nicht gegen den sich aus § 50 Abs 2 Nr 2 SGB VII aF
ergebenden Vorrang des Anspruchs auf Alg gegenüber dem Anspruch auf Anschluss-Übg.
Die entgegen stehenden Ausführungen des SG, die offensichtlich davon ausgehen, Alg und Eingliederungshilfe
schlössen einander aus, vermögen nicht zu überzeugen; im Gesetz findet sich für diese Ansicht jedenfalls keine
Stütze. Denn auch bei Nachrangigkeit des Anspruchs auf Alg gegenüber demjenigen auf Anschluss-Übg wäre es
denkbar, dass ein Versicherter im Anschluss an Übg noch Alg bezieht. In einem solchen Fall aber den Versicherten
bzw den künftigen Arbeitgeber von der Gewährung von Eingliederungshilfe auszuschließen, wäre weder mit dem
Gesetzeswortlaut noch mit dem Zweck der Regelungen in § 36 SGB VII aF vereinbar.
Nach alledem war das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.