Urteil des BSG vom 26.06.2001

BSG: vergewaltigung, arbeitsunfall, angriff, unfallversicherung, weisung, vollrente, erwerbsfähigkeit, wohnung, entziehen, abhängigkeit

Bundessozialgericht
Urteil vom 26.06.2001
Sozialgericht Münster
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Bundessozialgericht B 2 U 25/00 R
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 2000
und das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 28. April 1999 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind
nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente aufgrund einer Vergewaltigung, der die Klägerin zum Opfer gefallen und
deren Anerkennung als Arbeitsunfall zwischen den Beteiligten umstritten ist.
Die im Jahre 1974 geborene Klägerin begann im August 1990 bei der F. GmbH in Bo. eine Berufsausbildung zur
Chemielaborantin. Ab Anfang 1992 war sie im Ausbildungsbetrieb wiederholt sexuellen Belästigungen und
Zudringlichkeiten ihres Ausbilders, des chemisch-technischen Assistenten K. (K.), ausgesetzt. Auf Dauer widersetzte
sie sich nicht aktiv, weil K. ihr bei Abwehrversuchen immer wieder drohte, er werde als ihr Ausbilder dafür sorgen, daß
sie nicht - wie von ihr erstrebt - vorzeitig zur Abschlußprüfung zugelassen werde. Bei ihm gebe es nur Liebe oder Haß;
wenn sie sich nicht für die Liebe entscheide, werde er sie beim Ausbildungsleiter schlecht machen. Unter dem
Eindruck der Drohungen des K. stimmte sie gemeinsamen Unternehmungen in der Freizeit zu. So begleitete sie ihn in
eine Gemeinschaftssauna, zum Schwimmen, zum Essen und in den Zirkus. Am 15. April 1992 - einem gemeinsamen
Urlaubstag - stimmte die Klägerin auf Drängen des K. dem Besuch einer Kunstausstellung zu. K. überredete sie dabei
zu einem Frühstück in seiner Wohnung und schlug dort vor, "ins Bett kuscheln zu gehen". Die Klägerin lehnte dies ab,
woraufhin K. ihr erneut mit der Vereitelung der vorzeitigen Zulassung zur Abschlußprüfung drohte. Die völlig
verängstigte Klägerin ließ sich daraufhin von K. ausziehen und duldete nach der Versicherung des K., es sei ja nur
dieses eine Mal, den Geschlechtsverkehr mit ihm. Auch in der Folgezeit setzte K. seine sexuellen Übergriffe am
Arbeitsplatz fort.
Auf Drängen des K. erklärte sich die Klägerin dazu bereit, ihn am 22. Mai 1992 - einem weiteren gemeinsamen
Urlaubstag - zum Schwimmen zu begleiten. K. holte die Klägerin ab und gab vor, sie müßten zunächst noch einmal in
seine Wohnung, weil er sein Schwimmzeug vergessen habe. Die Klägerin vertraute der Versicherung des K., der
Vorfall vom 15. April 1992 werde sich nicht wiederholen. In seiner Wohnung vergewaltigte K. die Klägerin, die um
keinen Preis erneut Geschlechtsverkehr mit ihm haben wollte und sich deshalb diesmal heftig wehrte. Unter
Anwendung körperlicher Gewalt gelang es K. aber, ihren Widerstand zu brechen, in sie einzudringen und trotz ihres
Flehens, mit der Vergewaltigung aufzuhören, den Geschlechtsverkehr auszuführen. Anschließend flüchtete die
Klägerin in ein in der Nähe gelegenes Geschäft, von wo aus die Polizei alarmiert wurde.
Das Landgericht Bochum verurteilte den K. am 27. Dezember 1994 wegen Vergewaltigung und Nötigung der Klägerin
rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Nach den in der Hauptverhandlung
getroffenen Feststellungen habe K. sich am 15. April 1992 eines besonders schweren Falles der Nötigung und am 22.
Mai 1992 der Vergewaltigung schuldig gemacht. Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht zu Lasten des
K. ua, daß er die damals erst siebzehnjährige Klägerin schon seit Januar 1992 am Arbeitsplatz bedrängt und ihren
erkennbaren Wunsch, die Ausbildung vorzeitig mit Erfolg zu beenden, für seine Zwecke ausgenutzt habe. Bei den
Versuchen der Klägerin, sich ihm zu entziehen, habe K. seine Machtstellung als Ausbilder ausgenutzt, indem er ihr
berufliche Nachteile angedroht habe.
Das beigeladene Land bewilligte der Klägerin durch Bescheid vom 21. Mai 1996 eine Versorgungsrente nach dem
Opferentschädigungsgesetz (OEG). Es sah die Vergewaltigung vom 22. Mai 1992 als vorsätzlichen rechtswidrigen
tätlichen Angriff iS von § 1 OEG an und stellte fest, die Klägerin sei durch die Schädigungsfolge "posttraumatische
psychische Störungen" in ihrer Erwerbsfähigkeit um 30 vH gemindert. Unter Berücksichtigung eines später im
vorliegenden Verfahren vom Sozialgericht Münster (SG) eingeholten Sachverständigengutachtens hob der
Beigeladene die Bewilligung von Versorgungsrente durch Bescheid vom 20. August 1998 ab 1. Oktober 1998 mit der
Begründung auf, die als Schädigungsfolge anerkannte Gesundheitsstörung bedinge keine Minderung der
Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 25 vH mehr.
Auf Veranlassung des Beigeladenen beantragte die Klägerin am 30. November 1994 Entschädigungsleistungen aus
der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, die Klägerin habe keinen Unfall
erlitten, denn bei den Taten des K. handele es sich um eine Kette von Ereignissen, die sich über mehrere Monate
verteilt, also nicht in nur einer Arbeitsschicht ereignet hätten. Auch wenn man der Vergewaltigung vom 22. Mai 1992
eine eigenständige Bedeutung für die Schädigungsfolgen und damit Unfallcharakter zumesse, handele es sich bei
dieser Tat nicht um einen Arbeitsunfall, weil sie nicht auf einem betriebsbezogenen Motiv beruht habe (Bescheid vom
12. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 1996).
Das SG hat die Beklagte nach persönlicher Anhörung der Klägerin und Einholung eines Sachverständigengutachtens
des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. verurteilt, das Ereignis vom 22. Mai 1992 als Arbeitsunfall
anzuerkennen und der Klägerin ab Wiedereintritt ihrer Arbeitsfähigkeit eine Verletztenrente von 30 vH und ab 1.
Dezember 1997 eine solche in Höhe von 20 vH der Vollrente zu gewähren (Urteil vom 28. April 1999).
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Berufung der Beklagten nach Einholung eines weiteren
Sachverständigengutachtens von Dr. B. mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Klägerin unter Anrechnung der
vom Beigeladenen gezahlten Grundrente Verletztenrente von 30 vH der Vollrente bis zum 23. November 1997 und
danach bis zum 30. Juni 1998 eine solche in Höhe von 20 vH der Vollrente zu gewähren ist. Die Vergewaltigung durch
K. am 22. Mai 1992 erfülle die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls. Dieses katastrophenähnliche Ereignis hebe sich
derart aus der Kette der mehrere Monate lang andauernden sexuellen Belästigungen durch K. heraus, daß es nicht nur
als letzte von mehreren gleichwertigen Ursachen der psychischen Erkrankung der Klägerin erscheine. Dies sei dem
Gutachten des Dr. B. zu entnehmen.
Die Vergewaltigung der Klägerin durch K. sei ihrer gemäß § 539 Abs 1 Nr 1 Reichsversicherungsordnung (RVO)
versicherten Tätigkeit zuzurechnen, da sie in dem erforderlichen inneren Zusammenhang damit gestanden habe. Zu
diesem Vorfall wäre es nie gekommen, wenn sich die Klägerin nicht allein aufgrund ihrer sich aus dem
Ausbildungsverhältnis ergebenden persönlichen Abhängigkeit genötigt gesehen hätte, die Annäherungsversuche des
K. zu dulden. Daß sie am 22. Mai 1992 Urlaub gehabt und sich nicht im Ausbildungsbetrieb aufgehalten habe, stehe
nicht entgegen, da sie zum Unfallzeitpunkt nur deshalb in der Begleitung des K. gewesen sei, weil dieser sie mittels
Ausnutzung seiner Machtposition als Ausbilder dazu bestimmt gehabt habe. Dieses der Klägerin abgenötigte
Verhalten unterliege bei wertender Betrachtung ebenso dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung wie das
Tätigwerden eines Versicherten auf Weisung seines Dienstvorgesetzten, das auch dann der versicherten Tätigkeit
zuzurechnen sei, wenn private Angelegenheiten besorgt würden. Daß die Klägerin einem vorsätzlichen Angriff zum
Opfer gefallen sei, der nicht auf einem betrieblichen, sondern einem privaten Motiv beruht habe, schließe den inneren
Zusammenhang nicht aus, weil die Verhältnisse am Arbeitsplatz - die Machtposition des K. als Ausbilder - die Tat
vom 22. Mai 1992 wesentlich begünstigt, wenn nicht sogar erst ermöglicht hätten.
Der Arbeitsunfall der Klägerin vom 22. Mai 1992 habe bei ihr psychische Störungen iS einer posttraumatischen
Belastungsreaktion ausgelöst. Die dadurch bedingte MdE habe bis zum 23. November 1997 30 vH, dann bis zum 30.
Juni 1998 20 vH betragen. Da die Erwerbsfähigkeit der Klägerin anschließend nur noch um 10 vH gemindert sei, stehe
ihr vom 1. Juli 1998 an keine Verletztenrente mehr zu. Soweit die Klägerin von dem nachrangig verpflichteten
beigeladenen Land Versorgungsrente nach dem OEG erhalten habe, bestehe kein Anspruch der Klägerin auf
Verletztenrente.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision trägt die Beklagte vor, die Bejahung des inneren Zusammenhangs
zwischen der betrieblichen Tätigkeit der Klägerin und der Vergewaltigung verletze § 548 Abs 1 Satz 1 iVm § 539 Abs
1 Nr 1 RVO. Die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet habe, müsse nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) zumindest nach den subjektiven Vorstellungen des Versicherten dazu bestimmt
gewesen sein, den Zwecken des Unternehmens zu dienen. Auch bei weiter Auslegung könne nicht angenommen
werden, daß die gemeinsame Freizeitgestaltung der Klägerin mit ihrem Ausbilder den Unternehmensbelangen zu
dienen bestimmt gewesen sei. Das LSG stelle zwar zutreffend fest, daß der Angriff auf rein persönlichen Gründen
beruht habe, vernachlässige dann aber, daß die Klägerin zu diesem Zeitpunkt keine versicherte Tätigkeit verrichtet
habe. Bei einem aus persönlichen Motiven durchgeführten Angriff sei der innere Zusammenhang aber nur gegeben,
wenn der Angegriffene eine versicherte Tätigkeit ausgeübt und der Angriff erst durch die besonderen Umstände, unter
denen die versicherte Tätigkeit ausgeübt worden sei, ermöglicht oder wesentlich begünstigt worden sei. Dies bedinge
in aller Regel, daß sich der Angegriffene in seinem betrieblichen Tätigkeitsbereich bzw auf dem Weg von oder zu
diesem befinde. Halte sich der Versicherte dagegen im privaten Umfeld auf und verrichte keine versicherte Tätigkeit,
so liege der innere Zusammenhang nur ausnahmsweise und unter der Voraussetzung vor, daß der Angriff aus
betriebsbezogenen Gründen erfolge. Da die Klägerin indes Opfer eines persönlich motivierten Angriffs beim Verrichten
einer unversicherten Tätigkeit geworden sei, sei sie dabei unversichert gewesen.
Die hierarchiebedingte Abhängigkeit vom Ausbilder könne ohnehin nicht als ein den Angriff erleichternder betrieblicher
Umstand angesehen werden, weil darunter nur die räumlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen, unter denen die
Tätigkeit verrichtet werde, zu verstehen seien. Die der Klägerin von K. abgenötigte Freizeitgestaltung könne auch
keinesfalls einer privaten Verrichtung auf Weisung des Vorgesetzten gleichgesetzt werden, da nur eine auf diese
Weise während der Arbeitszeit verrichtete Tätigkeit im Einzelfall versichert sein könne. Die vom LSG vorgenommene
Auslegung der §§ 539, 548 RVO führe auch zu einer nicht systemgerechten Ausdehnung des Versicherungsschutzes,
weil
danach jeder Unfall bei einer so vermittelten privaten Aktivität im privaten Umfeld versichert wäre. Eine sinnvolle und
praktisch handhabbare Abgrenzung zwischen betrieblicher und persönlicher Sphäre wäre hier nicht mehr möglich.
Diese Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf einen weiten Teil der privaten Lebenssphäre widerspräche dem
Grundgedanken der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 2000 sowie das Urteil
des Sozialgerichts Münster vom 28. April 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung des
Ereignisses vom 22. Mai 1992 als Arbeitsunfall und damit auch nicht auf Gewährung von Verletztenrente. Die
angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche richten sich noch nach den Vorschriften der RVO, da der geltend
gemachte Arbeitsunfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997
eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).
Nach § 581 Abs 1 Nr 1 RVO wird dem Verletzten als Verletztenrente der Teil der Vollrente (§ 581 Abs 1 Nr 1 RVO)
gewährt, der dem Grade der MdE entspricht, solange seine Erwerbsfähigkeit infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens
ein Fünftel (20 vH) gemindert ist. Arbeitsunfall ist gemäß § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei
einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Dazu ist in
der Regel erforderlich, daß das Verhalten,
bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und daß diese Tätigkeit
andererseits den Unfall herbeigeführt hat (BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84; BSG Urteil vom 18. April
2000 - B 2 U 7/99 R - HVBG-Info 2000, 1846). Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz
genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sog innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende
Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (stRspr BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92; BSG SozR
2200 § 548 Nr 82, 95, 97; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 27; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 38; BSG Urteil vom 18. April
2000 aaO). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung
innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht
(BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84; BSG SozR 3-2200 § 548
Nr 32; BSG Urteil vom 18. April 2000 aaO). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle
Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muß der volle Beweis für
das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden (BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1
mwN). Es muß also sicher feststehen, daß im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSGE 61,
127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84 mwN). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit
des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund
(BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19). Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr
4 und Nr 17), so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 2200
§ 548 Nr 90).
Die Klägerin war aufgrund ihres betrieblichen Ausbildungsverhältnisses nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO gegen
Arbeitsunfall versichert. Die Vergewaltigung vom 22. Mai 1992, die hier allein als Arbeitsunfallereignis in Betracht
kommt, stand jedoch nicht im inneren Zusammenhang mit ihrer danach versicherten Tätigkeit und stellte daher keinen
Arbeitsunfall dar.
Der innere Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit und damit die Merkmale eines
Arbeitsunfalls sind zwar nicht ohne weiteres ausgeschlossen, wenn der Versicherte einem Überfall - als solcher stellt
sich auch eine Vergewaltigung dar (vgl BSG Urteil vom 29. Mai 1962 - 2 RU 209/61 - BG 1963, 254, 255) - zum Opfer
fällt. Vielmehr setzt der innere Zusammenhang bei einem solchen Ereignis zunächst regelmäßig voraus, daß die
Beweggründe des Angreifers in Umständen zu suchen sind, die in Verbindung mit der versicherten Tätigkeit des
Verletzten stehen; ist dies
nicht der Fall, fehlt es grundsätzlich an dem erforderlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit
(stRspr vgl BSGE 6, 164, 167; 13, 290, 291 = SozR Nr 34 zu § 542 RVO aF; 17, 75, 77 = SozR Nr 37 zu § 542 RVO
aF; BSG Urteil vom 23. April 1975 - 2 RU 211/74 - USK 7533; BSGE 78, 65, 67 = SozR 3-2200 § 548 Nr 28 mwN; s
auch Brackmann/Krasney, SGB VII, § 8 RdNr 171 zu "Überfall" mwN). Da die Vergewaltigung der Klägerin durch K.
nach den bindenden Feststellungen (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) des LSG auf rein persönlichen -
sexuell bestimmten -, also nicht mit der versicherten Tätigkeit der Klägerin als Auszubildende in Verbindung
stehenden Motiven beruhte, sind diese Voraussetzungen nicht gegeben.
Allerdings bedarf es nicht unbedingt eines betriebsbezogenen Tatmotivs, damit überhaupt der innere Zusammenhang
zwischen dem Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit hergestellt wird. Vielmehr kann ein innerer Zusammenhang
auch bei einem aus rein persönlichen Gründen unternommenen Angriff gegeben sein, wenn die besonderen
Umstände, unter denen die versicherte Tätigkeit ausgeübt wird, oder die Verhältnisse am Arbeitsplatz den Überfall
erst ermöglicht oder wesentlich begünstigt haben (BSGE 78, 65, 67 = SozR 3-2200 § 548 Nr 28 mwN). Voraussetzung
für eine solche zur Bejahung des inneren Zusammenhangs trotz nicht betriebsbezogenen Tatmotivs des Angreifers
führende besondere Fallgestaltung ist das Vorliegen von versicherter Tätigkeit zum Zeitpunkt des Überfalls bzw
jedenfalls unmittelbar davor (vgl BSG Urteil vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 37/99 R - = SozR 3-2200 § 548 Nr 41,
zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Daran mangelt es hier jedoch. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob -
wie die Klägerin meint - auch die psychischen Rahmenbedingungen bzw die hierarchiebedingte Abhängigkeit vom
Ausbilder zu den besonderen Umständen der Ausübung der versicherten Tätigkeit bzw den Verhältnissen am
Arbeitsplatz iS der genannten Rechtsprechung des BSG für die Annahme des inneren Zusammenhangs zählen.
Zum Zeitpunkt der Vergewaltigung durch K. ging die Klägerin nicht ihrer versicherten Tätigkeit als Auszubildende
nach. Sie hatte nach den Feststellungen des LSG an diesem Tage Urlaub und befand sich auch nicht in ihrem
Ausbildungsbetrieb. Aufgrund ihres Ausbildungsverhältnisses war sie nicht verpflichtet, ihren Ausbilder in der Freizeit
zu begleiten. Sie übte auch keine Tätigkeit aus, die dem Unternehmen zu dienen bestimmt war. Bei der Beurteilung,
ob diese Voraussetzung vorliegt, ist bedeutsam, ob sich der Betroffene wie auch bei den sonstigen versicherten
Tätigkeiten in seiner Zielsetzung sozial- wie auch arbeitsrechtlich norm- und vertragsgerecht verhält. Eine solche
Wertung nach dem Gesetz ist der Rechtsanwendung im Einzelfall vorbehalten (BSGE 78, 65, 66 = SozR 3-2200 §
548 Nr 28 mwN). Dabei ist es zwar nicht erforderlich, daß die Tätigkeit
dem Unternehmen tatsächlich dienlich war, sondern es reicht aus, daß der Versicherte von seinem Standpunkt aus
der Auffassung sein konnte, daß die Tätigkeit geeignet sei, den Interessen des Unternehmens wesentlich zu dienen
(vgl BSG SozR 2200 § 550 Nr 39). Aber auch dies war hier nicht der Fall. Aus den berufungsgerichtlichen
Feststellungen ergibt sich, daß die Klägerin am 22. Mai 1992 ihre Freizeit mit K. auf dessen Drängen verbracht hatte,
um keine beruflichen Nachteile dadurch zu erleiden, daß dieser im Falle ihrer Weigerung ihre vorzeitige Zulassung zur
Abschlußprüfung vereitelte. Dabei handelte es sich um ein privates Ziel, bei dem die Klägerin auch von ihrem
Standpunkt aus nicht davon ausgehen konnte, daß es ihrem Ausbildungsbetrieb wesentlich zu dienen geeignet sei.
Auch ihre erstmals im Revisionsverfahren vorgetragene Vorstellung, die vorzeitige Beendigung der Ausbildung hätte
zumindest mittelbar auch den Zwecken des Unternehmens gedient, wäre nicht geeignet, eine wesentliche
Betriebsdienlichkeit ihrer zur Erreichung dieses Ziels unternommenen Handlungen zu begründen. Denn es kann
bereits nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin dem Drängen des K. nicht nachgekommen wäre, wenn
dieser aus ihrer Sicht zumindest mittelbar betriebsdienliche Nutzen ihrer Handlung entfallen wäre, weil nach alledem
die Verfolgung ihres persönlichen beruflichen Nutzens im Vordergrund ihrer subjektiven Vorstellungen stand.
Ein innerer Zusammenhang zwischen dem von K. der Klägerin am 22. Mai 1992 abgenötigten Verhalten und ihrer
versicherten Tätigkeit kann entgegen der Ansicht des LSG auch nicht daraus abgeleitet werden, daß dieses dem
Besorgen privater Angelegenheiten des Vorgesetzten oder Unternehmers durch den Arbeitnehmer auf Weisung
gleichzustellen wäre. Unfallversicherungsschutz besteht für einen solchen Fall nach der Rechtsprechung des BSG
regelmäßig nur dann, wenn die privaten Angelegenheiten während der Arbeitszeit erledigt werden und der Untergebene
nach den bestehenden Gepflogenheiten zu Recht glauben konnte, daß er sich einer solchen Bitte nicht entziehen
könne (vgl BSG SozR Nr 71 zu § 542 RVO aF). Hiervon unterscheiden sich die Umstände des vorliegenden Falles
wesentlich, da die privaten Angelegenheiten des Vorgesetzten außerhalb der Arbeitszeit und des Betriebes zu
besorgen waren und nicht anzunehmen ist, daß die Klägerin nach den bestehenden Gepflogenheiten zu Recht glauben
konnte, sich einer solchen Bitte nicht entziehen zu können. Daß sie sich gleichwohl zu ihrem Verhalten bestimmen
ließ, beruhte nach den Feststellungen des LSG auf ihrer Befürchtung, sonst berufliche Nachteile zu erleiden.
Angesichts dieser erheblich anders gelagerten Fallgestaltung ist eine Gleichstellung hinsichtlich der Annahme eines
inneren Zusammenhangs und damit von Unfallversicherungsschutz hier nicht angezeigt, da sich eine so geartete
Tätigkeit weit mehr von der unfallversicherungsrechtlich im Vordergrund stehenden unmittelbaren betrieblichen
Tätigkeit am Arbeitsplatz abhebt als die Besorgung privater Angelegenheiten auf Weisung des Vorgesetzten iS der
genannten Rechtsprechung und damit bei wertender Betrachtung nicht mehr innerhalb der Grenzen liegt, bis zu
welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht.
Nach alledem waren die Urteile des LSG und des SG auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.