Urteil des BSG vom 13.03.2017

BSG (einkommen, kläger, verpflegung, höhe, rechtsgrundlage, vorbehalt des gesetzes, wert, verordnung, krankenhaus, buch)

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 18.6.2008, B 14 AS 22/07 R
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - freie Verpflegung
während Krankenhausaufenthalt vor dem 1.1.2008
Leitsätze
Bis zum 31.12.2007 fehlte es an einer Rechtsgrundlage dafür, anderweitig bereit gestellte
Vollverpflegung (hier Verköstigung während eines stationären Krankenhausaufenthalts) als
Einkommen des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu berücksichtigen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten darum, ob die dem Kläger gewährte Verpflegung während
eines stationären Krankenhausaufenthalts als Einkommen zu berücksichtigen ist.
2
Der im Jahre 1954 geborene Kläger ist geschieden. Seit dem 1. Januar 2005 steht er
im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff
Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Die
Beklagte bewilligte dem Kläger zuletzt durch Bescheid vom 7. Dezember 2005
Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006 in Höhe von 479,43 Euro
(345 Euro Regelleistung gemäß § 20 Abs 2 SGB II und 134,43 Euro Kosten der
Unterkunft gemäß § 22 Abs 1 SGB II).
3
Der Kläger teilte der Beklagten im Januar 2006 mit, dass er am 12. Januar 2006 einen
Krankenhausaufenthalt antrete. Die Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 17.
Januar 2006 den Bescheid vom 7. Dezember 2005 teilweise wegen Eintritts einer
wesentlichen Änderung auf. Durch die Verpflegung des Klägers im Krankenhaus
werde sein Bedarf zum Teil gedeckt, weshalb die Regelleistung anteilig um 35 vH
(120,75 Euro pro Monat) zu kürzen sei. Da ein Entlassungstermin aus der Klinik nicht
feststehe, stünden dem Kläger ab 1. Februar 2006 Leistungen nur in Höhe von 358,68
Euro monatlich zu (für Januar 2006 anteilig in Höhe von 398,93 Euro). Am 16. Februar
2006 beendete der Kläger den Klinikaufenthalt. Die Beklagte erließ daraufhin den
Änderungsbescheid vom 21. Februar 2006. Darin wurden dem Kläger ab 1. März 2006
wieder - wie im ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 7. Dezember 2005 -
Leistungen in Höhe von 479,43 Euro bewilligt. Für Februar 2006 wurde der Zahlbetrag
wegen des Krankenhausaufenthaltes mit 415,03 Euro festgesetzt. Den Widerspruch
wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2006 zurück.
4
Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat auf die Klage durch Urteil vom 13. September
2006 die Änderungsbescheide geändert und den Widerspruchsbescheid aufgehoben
sowie die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für Januar und Februar 2006 die
ungekürzte Regelleistung in Höhe von 345 Euro zu bewilligen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, zwar handele es sich bei der kostenlos gewährten
Krankenhausverpflegung um Einnahmen iS des § 11 SGB II. Allerdings habe der
Kläger pro Krankenhaustag eine Zuzahlung von 10 Euro zu leisten gehabt. Diese
Zuzahlung sei als mit der Erzielung von Einkünften notwendig verbundene Ausgabe
vom Einkommen wieder abzuziehen, sodass im Ergebnis kein
berücksichtigungsfähiges Einkommen erzielt worden sei.
5
Auf die Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch
Urteil vom 19. Juni 2007 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, das SG habe die Beklagte bereits nicht nochmals
zur Leistung verpflichten dürfen, weil mit einer Aufhebung der Änderungsbescheide
der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 7. Dezember 2005 wiederaufgelebt sei.
Die angefochtenen Bescheide vom 17. Januar und 21. Februar 2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 erwiesen sich jedoch als rechtmäßig.
Die in der Zeit des Klinikaufenthalts vom 12. Januar bis 16. Februar 2006 geleistete
Vollverpflegung sei als Einkommen zu berücksichtigen. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB
II stelle die Verpflegung eine Einnahme in Geldeswert dar, denn der Kläger habe sich
die Sachleistung Verpflegung durch seine Krankenversicherungsbeiträge erkaufen
müssen. Es stünde ihm auch frei, diese Sachleistung an Dritte weiterzugeben, so er
einen Abnehmer finde. Der Wert der Sachleistung sei nach § 13 Satz 1 Nr 1 2.
Halbsatz SGB II iVm §§ 2b, 2 Arbeitslosengeld II-Verordnung (in der ab 1.
Oktober 2005 geltenden Fassung) zu ermitteln. Der Wert der Verpflegung sei mithin
gemäß § 1 der Verordnung über den Wert der Sachbezüge in der Sozialversicherung -
Sachbezugsverordnung - vom 19. Dezember 1994, zuletzt geändert durch Art 1 der
Verordnung vom 16. Dezember 2005 (BGBl I 3493) festzusetzen. Hieraus ergebe sich
der monatliche Wert des Sachbezugs Vollverpflegung von 202,70 Euro, von dem nach
§ 3 Alg II-V ein Pauschbetrag von 30 Euro abzuziehen sei. Gehe man mithin von
einem zu berücksichtigenden Wert der Verpflegung in Höhe von monatlich 172,20
Euro aus, so werde der von der Beklagten angesetzte Wert (35 vH der Regelleistung)
in jedem Falle überschritten, weshalb die Bescheide auch hinsichtlich der
festgestellten Höhe der Einnahmen gemäß § 11 SGB II nicht zu beanstanden seien.
Da es sich bei der Verpflegung bereits um Einkommen iS des § 11 SGB II gehandelt
habe, könne auch offen bleiben, inwieweit die Regelleistung gemäß § 20 Abs 2 SGB II
überhaupt gekürzt werden dürfe, weil das SGB II grundsätzlich keine individuelle
Bedarfsermittlung - anders als § 28 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch -
(SGB XII) zulasse.
6
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er rügt eine Verletzung der §
11 Abs 1 Satz 1 und § 20 Abs 2 SGB II. Zunächst handele es sich bei der kostenlosen
Verpflegung eines Leistungsberechtigten nach dem SGB II während eines stationären
Krankenhausaufenthalts nicht um Einnahmen mit Geldeswert. Die Verpflegung habe
keinen Marktwert, weil sie nicht jederzeit in Geld getauscht werden könne. Die
Auffassung des LSG, der Kläger habe die Möglichkeit gehabt, für seine
Krankenhausverpflegung einen Abnehmer zu finden, sei lebensfremd. Vielmehr werde
hier von der Beklagten eine Kürzung der Regelleistung gemäß § 20 Abs 2 SGB II
wegen anderweitiger Bedarfsdeckung vorgenommen. Eine solche Kürzung der
Regelleistung sei nach dem System des SGB II aber gerade nicht vorgesehen. Anders
als nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII könnten im SGB II keine abweichenden Bedarfe
festgestellt und bewilligt werden. Die Pauschalierung der Regelleistung habe gerade
die Eigenverantwortlichkeit der Hilfeempfänger stärken sollen. Folglich habe es der
Gesetzgeber auch in Kauf genommen, dass der Bedarf des Leistungsempfängers im
Einzelfall niedriger als die Regelleistung sein könne.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Juni 2007 aufzuheben und
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.
September 2006 zurückzuweisen.
8
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
9
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
10
Die Revision des Klägers ist begründet. Zu Unrecht sind das LSG und die Beklagte
davon ausgegangen, dass die dem Kläger während seines Krankenhausaufenthaltes
im Januar und Februar 2006 zur Verfügung gestellte Krankenhauskost als Einkommen
gemäß § 11 SGB II berücksichtigt werden durfte. Zu diesem Zeitpunkt fehlte es in der
auf der Grundlage des § 13 SGB II erlassenen Alg II-V (in der hier maßgeblichen, ab 1.
Oktober 2005 in Kraft getretenen Fassung der 1. Verordnung zur Änderung der Alg II-V
vom 22. August 2005 - BGBl I 2499) an einer hinreichend klaren und bestimmten
Rechtsgrundlage für eine Berücksichtigung der im Krankenhaus gewährten
Verpflegung als Einkommen (hierzu unter 1.). Auch bei rückwirkender Anwendung der
ab 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Neuregelung in § 2 Abs 5 Alg II-V iVm § 4 Alg II-V
(in der Fassung vom 12. Dezember 2007 - BGBl I 2942) würde sich wegen der dann
notwendigen Berücksichtigung von Freibeträgen an diesem Ergebnis nichts ändern (vgl
unter 2.). Von daher kann hier auch dahinstehen, ob nach der Gesetzessystematik des
SGB II die Grundbestandteile der Regelleistung gemäß § 20 Abs 1 SGB II überhaupt
bedarfsmindernd berücksichtigt werden dürfen oder ob die ab 1. Januar 2008 in Kraft
getretene Alg II-V in § 2 Abs 5 insoweit eine von § 13 SGB II nicht mehr gedeckte
abweichende Regelung der Bedarfe enthält, wie sie das SGB II - anders als § 28 Abs 1
Satz 2 SGB XII - gerade nicht vorsieht (unter 3.).
11
Dem Kläger waren durch Bescheid vom 7. Dezember 2005 bereits Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 479,43 Euro monatlich bewilligt worden.
Durch den hier angefochtenen Bescheid vom 17. Januar 2006 (Änderungsbescheid
vom 21. Februar 2006; in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006)
war dieser Bescheid wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse gemäß § 48
Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren (SGB X) iVm §
40 Abs 1 SGB II - Erzielung von Einkommen durch Gewährleistung von
Krankenhauskost - abgeändert worden. Das SG hat bei seiner Tenorierung verkannt,
dass mit einer Aufhebung dieser Änderungsbescheide der ursprüngliche
Bewilligungsbescheid wiederauflebt. Eine zusätzliche Verurteilung zur Leistung, die
der Kläger so auch nicht beantragt hatte, war daher nicht zulässig (vgl
Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kap IV
RdNr 7).
12
Die Beklagte ist weiterhin beteiligtenfähig. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat
zwar mittlerweile durch Urteil vom 20. Dezember 2007 (2 BvR 2433/04 und 2 BvR
2434/04) § 44b SGB II als mit Art 28 und 83 Grundgesetz (GG) unvereinbar erklärt. Die
gemäß § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaften können jedoch für eine
Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2010 auf der bisherigen Rechtsgrundlage
weiterhin tätig werden (BVerfG aaO RdNr 207).
13
1. Dem Kläger steht auch in den Monaten Januar und Februar 2006 die Regelleistung
gemäß § 20 SGB II in ungekürzter Höhe zu. Die Beklagte war nicht befugt, die dem
Kläger während seines Krankenhausaufenthalts vom 12. Januar bis 16. Februar 2006
gewährte Krankenhauskost (als Einkommen) bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Von
daher ist keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten, die die
Beklagte gemäß § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X zu einer Aufhebung
des ursprünglichen Bewilligungsbescheides berechtigt hätte.
14
Die Beklagte ist in ihrem Änderungsbescheid vom 17. Januar 2006 davon
ausgegangen, dass durch die Verpflegung im Krankenhaus der Bedarf des Klägers
zum Teil gedeckt werde, sodass die Regelleistung um 35 vH, also 120,75 Euro anteilig
zu kürzen sei. Für ein entsprechendes Vorgehen der Beklagten enthält die Alg II-V in
der ab 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen, hier maßgebenden Fassung vom 22. August
2005 (aaO) keine Rechtsgrundlage. § 13 SGB II bestimmt in Abs 1 Satz 1 Nr 1, dass
durch Verordnung bestimmt werden kann "welche weiteren Einnahmen nicht als
Einkommen zu berücksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu
berechnen ist". Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Gewährung von
Verpflegung eine Einnahme in Geldeswert gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II darstellt, so
ist auf Grund des Wortlauts und der Struktur des § 13 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II
jedenfalls zu fordern, dass in der Alg II-V selbst ausdrücklich geregelt wird, "wie das
Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist". Wäre diese Voraussetzung erfüllt, müsste
sodann die Frage geklärt werden, ob diese Einnahme in Geldeswert einen "Marktwert"
hat bzw haben muss (vgl einerseits SG Freiburg, 24. Oktober 2006 - S 9 AS 1557/06;
SG Osnabrück, 20. Juni 2007 - S 24 AS 189/07; und andererseits LSG Niedersachsen-
Bremen, 29. Januar 2007, L 13 AS 14/06 ER; LSG Rheinland-Pfalz, 19. Juni 2007 - L 3
ER 144/07 AS). Fraglich könnte dann weiterhin sein, ob die gewährte Verpflegung
insgesamt als zweckgebundene Einnahme iS des § 11 Abs 3 SGB II nicht bei der
Einkommensberechnung unberücksichtigt bleiben muss (hierzu mit beachtlichen
Argumenten LSG Baden-Württemberg, 26. Oktober 2007 - L 8 AS 4065/07 - in Revision
unter B 14 AS 58/07 R). Schließlich würde sich immer noch die Frage stellen, ob die
Krankenhausverpflegung unter Berücksichtigung der Pauschalierung der Regelleistung
normativ überhaupt als Einkommen geregelt werden darf (hierzu unter 3.). Für den
konkreten Rechenschritt, die Regelleistung um 35 vH zu kürzen, enthielt die Alg II-V im
streitigen Zeitraum jedoch keinerlei Rechtsgrundlage oder auch nur interpretatorischen
Anhalt. Nach § 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) dürfen
Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuches nur
begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es
vorschreibt oder zulässt (Vorbehalt des Gesetzes). Der belastende Verwaltungsakt -
Kürzung der Regelleistung durch ersparte Aufwendungen in Höhe von 35 vH der
Regelleistung - bedarf mithin einer hinreichend bestimmten gesetzlichen
Ermächtigungsgrundlage. Für das Vorgehen der Beklagten jedenfalls im Jahre 2006 ist
eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich, die den Anforderungen des § 31 SGB I genügen
könnte. Dies dürfte für den Verordnungsgeber Anlass gewesen sein, mit Wirkung zum
1. Januar 2008 in § 2 Abs 5 Alg II-V eine Rechtsgrundlage für ein solches Vorgehen
erstmals zu schaffen (vgl unter 2.)
15
Auch der Ansatz des LSG, das auf § 2b Alg II-V iVm der Sachbezugsverordnung
(SachbezV) vom 19. Dezember 1994 (BGBl I 3849), zuletzt geändert durch die
Verordnung vom 16. Dezember 2005 (BGBl I 3493) als Rechtsgrundlage für die
Berücksichtigung von Krankenhausverpflegung als Einkommen abgestellt hat, ist nicht
tragfähig. Nach § 1 Satz 1 SachbezV wird der Wert der als Sachbezug zur Verfügung
gestellten Verpflegung auf monatlich 202,70 Euro festgesetzt. Die SachbezV ist jedoch
nicht auf die Gewährung von Krankenhauskost bzw die kostenlose
Zurverfügungstellung von Nahrung durch Verwandte, Eltern etc anzuwenden. Dies folgt
zunächst daraus, dass die SachbezV lediglich über § 2 Abs 4 Alg II-V in Bezug
genommen wird. § 2 Alg II-V regelt die Berechnung des Einkommens aus
nichtselbständiger Arbeit. Gemäß § 2 Abs 1 Alg II-V ist bei der Berechnung des
Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit (§ 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch
- Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung ) von den
Bruttoeinnahmen auszugehen. Nach § 2 Abs 4 Alg II-V sind Sachleistungen nach der
SachbezV in der jeweils geltenden Fassung zu bewerten. Diese Regelungen der Alg II-
V gelten ausdrücklich für die Bestimmung der Höhe von Einkommen aus
nichtselbständiger Arbeit. In diesem Kontext der Berücksichtigung von
Erwerbseinkommen bzw von Nebeneinkünften gemäß §§ 11, 30 SGB II ist es
systemgerecht, vom jeweiligen Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Sachleistungen zu
bewerten, um dem erwerbsfähigen Grundsicherungsempfänger als Sachleistung
verkappt gewährten Lohn sachgerecht bewerten zu können. Dementsprechend ist es
Hauptziel der Sachbezugsverordnung, Lohnbestandteile möglichst weitgehend der
Sozialversicherungspflicht zu unterwerfen. Es kann hier aber dahinstehen, inwieweit
bei einem Grundsicherungsempfänger, der abhängig beschäftigt ist, und als sog
"Aufstocker" ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II bezieht, in natura geleistete Lohnbestandteile nach § 2 Alg II-V bewertet werden
können.
16
Denn im vorliegenden Kontext geht es nicht um die Erzielung von Einnahmen aus
abhängiger Beschäftigung und die Gewährung von Lohnbestandteilen in natura (als
Verpflegung oder Deputate oä).
17
Konsequenter Weise ermöglicht § 2b Alg II-V auch nur eine "entsprechende
Anwendung" des § 2 Alg II-V für die Berechnung des Einkommens. Die
Berücksichtigung von im Krankenhaus oder von Verwandten gewährter kostenloser
Nahrung kann aber nicht "entsprechend" bewertet werden wie die innerhalb einer
abhängigen Beschäftigung (als Lohnbestandteil) gewährte kostenfreie Ernährung.
Jedenfalls deckt der Wortlaut des § 2b Alg II-V nicht einen so weitgehenden Eingriff in
die Struktur der Regelleistung wie er mit einer anteiligen Kürzung verbunden ist (vgl
noch unter 3.). Zu Recht hat das LSG Niedersachsen in diesem Zusammenhang darauf
hingewiesen, dass die Berücksichtigung von Sachbezügen damit über den Betrag
hinausgeht, der in der gewährten Regelleistung für die Verpflegung angesetzt ist (vgl
LSG Celle, Beschluss vom 29. Januar 2007, L 13 AS 14/06 ER = FEVS 58, 543, vgl
auch Peters, NDV 2007, 425, 428 f). Geht man wie die Beklagte von einem
Regelleistungsanteil von 35 vH für Nahrung aus, so entsprach dies zum damaligen
Zeitpunkt (Regelleistung 345 Euro) einem Betrag von 120,75 Euro. Bei Anwendung der
§ 2 Abs 4 Satz 1, § 2b Alg II-V iVm § 1 SachbezV wäre der Wert der Verpflegung im
streitigen Zeitraum mit 202,70 Euro monatlich anzusetzen. Mithin könnte diese
Regelung auch dazu führen, dass dem Grundsicherungsempfänger der Wert der
gewährten Krankenhauskost mit einem deutlich höheren Betrag in Ansatz gebracht
würde, als ihm in der Regelleistung für Ernährung überhaupt zugestanden wird. Geht
man weiterhin davon aus, dass auch bei Kindern, die sich im Krankenhaus aufhalten,
eine entsprechende Berücksichtigung des Essens nach der SachbezV vorzunehmen
wäre, so würde sich die zum damaligen Zeitpunkt für unter 14-jährige Kinder auf 207
Euro belaufende Regelleistung auf Grund der ersparten Aufwendungen für Essen in
einem Krankenhaus um 202,70 Euro monatlich reduzieren. Auch dies zeigt, dass § 2b
Alg II-V keine Rechtsgrundlage dafür sein kann, über die Sachbezugsverordnung in die
Struktur der Regelleistung einzugreifen. § 2 Abs 4 Alg II-V iVm der SachbezV ist mithin
nicht über § 2b Alg II-V "entsprechend" anwendbar.
18
2. Etwas anderes folgt für den vorliegend zu entscheidenden streitigen Zeitraum auch
nicht aus den Neuregelungen in § 2 Abs 5 Alg II-V iVm § 4 Alg II-V idF der Verordnung
vom 17. Dezember 2007 (BGBl I 2942). Hiernach ist bereitgestellte Vollverpflegung
pauschal in Höhe von monatlich 35 vH der nach § 20 SGB II maßgebenden
monatlichen Regelleistung als Einkommen zu berücksichtigen (Satz 1). § 2 Abs 5 Satz
1 SGB II enthält nunmehr (iVm § 4 Alg II-V) eine § 31 SGB I genügende, hinreichend
bestimmte Rechtsgrundlage, wie bereitgestellte Vollverpflegung als Einkommen zu
berücksichtigen ist (vgl § 13 Abs 1 Satz 1 SGB II). Allerdings trat diese Fassung der
Verordnung nach § 10 Alg II-V erst am 1. Januar 2008 in Kraft und misst sich keinerlei
Rückwirkung bei.
19
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass mit der Neuregelung in § 2 Abs 5 Alg II-
V lediglich eine Klarstellung erfolgt ist, mit der ein bereits immer schon vorhandener
Regelungswille des Gesetz- und Verordnungsgebers deklaratorisch (und ggf auch mit
Wirkung für die Vergangenheit) Ausdruck gefunden hat, würde auch bei einer
entsprechenden Anwendung der Rechtsgedanken aus § 2 Abs 5 Alg II-V nF mit
Wirkung für die Vergangenheit im vorliegenden Fall kein anderes Ergebnis folgen. § 2
Abs 5 Satz 3 Alg II-V bestimmt: "Übersteigt das Einkommen nach den Sätzen 1 und 2 in
einem Monat den sich nach § 62 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch als
Belastungsgrenze für nicht chronisch Kranke mit ganzjährigem Bezug von Leistungen
zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ergebenden Betrag
nicht, so bleibt es als Einkommen unberücksichtigt." Nach der Begründung zu § 2 Abs 5
Satz 3 Alg II-V enthält dieser Satz eine Bagatellgrenze (vgl hierzu Eicher/Spellbrink,
SGB II, 2. Aufl 2008, Anhang S 1274). Eine Berücksichtigung der Einnahmen aus
Nahrungsgewährung erfolgt also nur dann, wenn die Einnahmen die Belastungsgrenze
von derzeit 83,28 Euro übersteigen. Geht man davon aus, dass § 2 Abs 5 Satz 3 Alg II-
V so zu lesen ist, dass bei bereitgestellter Vollverpflegung ein monatlicher Freibetrag
von 83,28 Euro anzuwenden ist, so würde der Kläger hier auch bei rückwirkender
Anwendung dieser Grenze unter diesem Freibetrag liegen. Da auf den jeweiligen
Kalendermonat abzustellen ist, wäre ihm sowohl im Januar wie auch im Februar 2006
Krankenhausnahrung im Wert eines unter dieser Freibetragsgrenze liegenden Betrags
gewährt worden. Auch nach § 2 Abs 5 Alg II-V in der ab 1. Januar 2008 geltenden
Fassung wäre mithin eine Berücksichtigung des Einkommens nicht möglich gewesen.
20
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass bei einer zulässigen, ermächtigungskonformen
Berücksichtigung (hierzu noch unter 3.) von Vollverpflegung als Einkommen auch § 6
der Alg II-V in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung Anwendung finden muss.
Gemäß § 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V wäre dann von dem "Einkommen" in Gestalt der
Krankenhausernährung jeweils ein Pauschbetrag von 30 Euro abzusetzen. Geht man
weiterhin davon aus, dass 35 vH der Regelleistungen von gegenwärtig 347 Euro
121,45 Euro betragen, so wären also, wenn lediglich Krankenhausverpflegung als
Einkommen zur Verfügung steht, nur 91,45 Euro (121,45 abzüglich der Pauschale von
30 Euro) zu berücksichtigen. Geht man weiterhin davon aus, dass nach § 2 Abs 5 Satz
3 Alg II-V ein Freibetrag von 83,28 Euro vorgesehen ist, so würde nach der Logik dieser
Norm eine Berücksichtigung von Einkommen nur dann erfolgen, wenn der Wert der
monatlichen Krankenhauskost zwischen 83,28 Euro und 91,45 Euro liegen würde.
Schon dieses Ergebnis begründet erhebliche Zweifel an der Sachgerechtigkeit der
Neuregelung in § 2 Abs 5 Alg II-V. Ob in einem solchen Fall allerdings der gesamte
Betrag von 91,45 Euro als Einkommen zu berücksichtigen ist oder nur derjenige, der
den Freibetrag in Höhe von 83,28 Euro übersteigt, ist dem Wortlaut des § 2 Abs 5 Alg II-
V ebenfalls nicht zu entnehmen. Letztlich kann dies hier jedoch dahinstehen, weil diese
Norm - wie bereits ausgeführt - nicht mit Wirkung für die Vergangenheit anwendbar ist
bzw bei einer Anwendung ihrer Grundgedanken ("Freibetrag von 83,28 Euro") dazu
führen würde, dass die im Januar und Februar 2006 gewährte Krankenhausnahrung
nicht als Einkommen zu berücksichtigen gewesen wäre.
21
Dahinstehen kann schließlich auch, inwieweit nicht im vorliegenden Falle dem SG
beizupflichten wäre, das in seiner Entscheidung davon ausgegangen ist, die vom
Kläger gemäß § 39 Abs 4 iVm § 61 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -
Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) kalendertäglich für den Aufenthalt im
Krankenhaus zu entrichtenden 10 Euro seien als mit der Erzielung des Einkommens
verbundene notwendige Ausgabe iS des § 11 Abs 2 Nr 5 SGB II von dem Einkommen
wieder abzuziehen. Geht man davon aus, dass gewährte Nahrung grundsätzlich eine
Einnahme iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II darstellen kann und findet sich eine
entsprechende Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung und Berechnung dieses
Einkommens (wie sie jetzt § 2 Abs 5 Alg II-V enthält), so ist in der Konsequenz dieses
Einkommen auch wie jedes andere Einkommen iS des SGB II zu behandeln. Folglich
müssen auch Aufwendungen, die getätigt werden, um dieses Einkommen erzielen zu
können, ihrerseits gemäß § 11 Abs 2 Nr 5 SGB II einkommensmindernd
Berücksichtigung finden. Der Hinweis darauf, die für die Zuzahlung nach § 61 Satz 2
SGB V erforderlichen Mittel seien bereits in der Regelleistung enthalten, vermag hieran
nichts zu ändern (vgl hierzu auch Bundessozialgericht , Urteil vom 22. April
2008 - B 1 KR 10/07 R). Denn auch in diesem Fall wäre der Hilfebedürftige gezwungen,
aus den für die Sicherung seines Lebensunterhalts insgesamt zur Verfügung stehenden
Mittel die Krankenhausverpflegung über die Zuzahlung von 10 Euro täglich mit zu
finanzieren.
22
3. Hiernach kann offen bleiben, ob § 2 Alg II-V in der ab 1. Januar 2008 geltenden Form
von der Ermächtigungsgrundlage in § 13 SGB II gedeckt ist. Nach dem
Leistungssystem des SGB II ist eine individuelle Bedarfsermittlung bzw abweichende
Bestimmung der Höhe der Regelleistung gesetzlich nicht vorgesehen. Dies gilt sowohl
zu Gunsten wie auch zu Lasten des Grundsicherungsempfängers. Bei der Gewährung
von Essen handelt es sich um einen Grundbedarf, der von der Regelleistung des § 20
Abs 1 SGB II gedeckt werden soll. Nach § 20 Abs 1 SGB II umfasst die Regelleistung
zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege,
Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch
Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben (§ 20 Abs 1 Satz 1
SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom
24. Dezember 2003 ). § 20 Abs 2 SGB II geht nach dem
Regelungskonzept des SGB II davon aus, dass die in § 20 Abs 1 SGB II genannten
Bedarfe mittels der Regelleistung in Höhe von 345 Euro abschließend und pauschaliert
gedeckt werden können. Den bedarfsdeckenden und pauschalierenden Charakter der
Regelleistung nach dem SGB II hat der Gesetzgeber des Fortentwicklungsgesetzes
vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706) nunmehr nochmals ausdrücklich unterstrichen. In § 3
Abs 3 Satz 1 SGB II hat er einen auch für die Interpretation des § 20 SGB II
bedeutsamen Halbsatz angefügt: "Die nach diesem Buch vorgesehenen Leistungen
decken den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in
Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen." § 3 Abs 3 Satz 2 SGB II lautet nunmehr:
"Eine davon abweichende Festlegung der Bedarfe ist ausgeschlossen." Ergänzend
wurde in § 23 Abs 1 Satz 4 SGB II geregelt: "Weitergehende Leistungen sind
ausgeschlossen." Mit diesen Regelungen wollte der Gesetzgeber nochmals betonen,
dass er die pauschalierten Leistungen des SGB II als bedarfsdeckend ansieht (vgl
hierzu schon BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 19 ff; LSG Nordrhein-Westfalen, 3.
Dezember 2007 - L 20 AS 2/07; SG Osnabrück, 20. Juni 2007 - S 24 AS 189/07). Dem
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen des SGB II ist auch ein Rückgriff auf Leistungen der
Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII verwehrt. Dies folgt
aus § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II und § 21 SGB XII, wonach das Bestehen eines Anspruchs
auf Leistungen nach dem SGB II dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen
nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ausschließt (vgl hierzu Knickrehm, Sozialrecht
aktuell, 2006, 159). Das BSG hat hieraus bereits geschlossen, dass eine Erhöhung der
Regelleistung in § 20 SGB II anders als in § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII nicht möglich ist
(BSG, SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 19 ff).
23
Demgegenüber geht das Recht der Sozialhilfe nach dem SGB XII von einer
individualisierten Berücksichtigung der Bedarfslagen aus. So ist in § 9 SGB XII
weiterhin der Individualisierungsgrundsatz normiert, nach dem sich die Leistungen der
Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des
Bedarfs richten. § 28 Abs 1 Satz 2 SGB II ermöglicht eine abweichende Festlegung des
Bedarfs, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder
unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf
abweicht. Während der Gesetzgeber des SGB II (vgl Entwurfsbegründung BT-Drucks
15/1516, S 56) deutlich machte, dass die Regelleistung des § 20 Abs 2 die in § 20 Abs
1 SGB II genannten Bedarfe in pauschalierter Form abschließend umfasst, enthält die
Begründung des Gesetzentwurfs zum SGB XII (vom 5. September 2003, BT-Drucks
15/1514, S 59) den Hinweis, dass nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII ebenso wie nach §
22 Abs 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) die Regelsätze abweichend
bemessen werden können. Wörtlich heißt es dort: "Ein Bedarf ist zB anderweitig
gedeckt, wenn der Leistungsberechtigte einzelne Leistung von dritter Seite erhält, zB
unentgeltliches Essen." Dementsprechend wurden im früheren Recht der Sozialhilfe in
der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung unentgeltliche Einnahmen außerhalb
von Beschäftigungen, wie beispielsweise kostenlose Verpflegung, in der Regel nicht
als Einkommen iS des § 76 Abs 1 BSHG, sondern als abweichender Bedarf nach § 22
Abs 1 Satz 2 BSHG behandelt, der dort zur Kürzung des sozialhilferechtlichen
Regelsatzes berechtigte (Bundesverwaltungsgericht , Beschluss vom 30.
Dezember 1996 - 5 B 47/96 - FEVS 47, 337 zur unentgeltlichen Kfz-Nutzung; BVerwG
Urteil vom 16. Januar 1986 - 5 C 72/84 - BVerwGE 72, 354). Ebenso hat der 8. Senat
des BSG in seinem Urteil vom 11. Dezember 2007 die einem Sozialhilfeempfänger in
einer Werkstatt für behinderte Menschen gewährte kostenlose Mittagsverpflegung unter
dem Gesichtspunkt der Minderung des Regelbedarfs iS des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII
abgehandelt (Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 21/06 R - RdNr 19 ff).
Dementsprechend ist es inhaltlich nicht zutreffend, wenn die Bundesregierung in ihrer
Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Fraktion Die Linke am 16. Juni 2006
darauf verwies, dass Grundlage für die Kürzung der Regelleistung bei Gewährung von
Krankenhauskost im SGB II das Bedarfsdeckungsprinzip sei, wonach die Regelleistung
dann zu mindern sei, wenn der Bedarf anderweitig gedeckt ist (BT-Drucks 16/1838; vgl
auch Peters, NDV 2007, 425, 426; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 3. Dezember
2007 - L 20 AS 2/07, RdNr 39 ff; vgl auch Hammel, ZfSH/SGB 2007, 331, 336 ff).
Vielmehr ist es geradezu konstitutiver Bestandteil des Systems des SGB II, eine
abweichende Festsetzung der Bedarfe, wie sie § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII zulässt,
gerade nicht vorzusehen (hierzu bereits frühzeitig unter verfassungsrechtlichem Aspekt
Mrozynski, ZfSH/SGB 2004, 198, 214, 218). Folglich gestattet es das SGB II nicht,
worauf auch der Kläger zutreffend hinweist, mit dem Krankenhausaufenthalt
verbundene zusätzliche Bedarfe - wie etwa den Erwerb von Kleidung oder erhöhte
Fahrtkosten - bedarfserhöhend geltend zu machen. Dementsprechend könnte - im
Umkehrschluss - auch eine abweichende (niedrigere) Bestimmung des Bedarfs durch
die Grundsicherungsträger ausgeschlossen sein. Eine solche Sicht wird insbesondere
durch den ab 1. August 2006 geltenden § 3 Abs 3 Satz 2 SGB II nahegelegt, der
grundsätzlich eine abweichende Festlegung der Bedarfe ausschließt.
24
Der Verzicht auf eine individuelle Bedarfsbestimmung entspricht im Übrigen auch dem
Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit einer Pauschalierung der Regelleistung im
SGB II verband. Die pauschalierte Regelleistung sollte gerade die Selbstverantwortung
und Eigenständigkeit der Hilfeempfänger fördern. Diese sind darauf angewiesen, mit
dem in der Regelleistung pauschaliert enthaltenen Betrag ihre grundlegenden
Bedürfnisse zu decken. Außerhalb der gemäß § 21 SGB II gewährten Mehrbedarfe und
der gemäß § 23 Abs 3 SGB II gewährten einmaligen Leistungen sind monetäre
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht denkbar. Im
Umkehrschluss ist es dann aber auch nicht möglich, einem bedürfnislosen oder einem
geschickt oder wirtschaftlich handelnden Grundsicherungsempfänger Teile der
Regelleistung wieder zu entziehen. Jedenfalls im Rahmen der durch § 20 Abs 1 SGB II
genannten Grundbedürfnisse erscheint es mit dem Sinn und Zweck der Pauschalierung
kaum vereinbar, in einem verwaltungsaufwändigen Einzelfallverfahren doch eine
individuelle Bedarfsprüfung vorzunehmen. Dies hätte zur Konsequenz, dass etwa
regelmäßig zur Verfügung gestellte Kinderkleidung, die Nahrungsbeschaffung bei einer
"Tafel", ein Freiabonnement einer Tageszeitung oder ggf sogar die Tatsache des
Nichtrauchens oder Nichtalkoholkonsums jeweils bedarfsmindernd bei der
Regelleistung zu berücksichtigen wäre. Eine solche Individualisierung des Bedarfs
sieht allenfalls § 9 SGB XII iVm § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII vor. Entsprechende
Regelungen fehlen hingegen im SGB II.
25
Der Senat kann offen lassen, inwieweit aus dem soeben aufgezeigten
Regelungszusammenhang des SGB II für den Verordnungsgeber des § 13 SGB II ein
grundsätzliches Verbot folgt, die in § 20 Abs 1 SGB II genannten Grundbestandteile der
Regelleistung als Einnahmen individuell bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Für den
vorliegend zu entscheidenden Fall kann dies dahinstehen, weil jedenfalls im Jahre
2006 die Alg II-V iVm § 13 SGB II keine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage für
eine entsprechende Berücksichtigung der Krankenhauskost als Einkommen enthielt
(oben 1.) und auch bei rückwirkender Anwendung der ab 1. Januar 2008 geltenden Alg
II-V kein anderes Ergebnis folgt (2.).
26
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.