Urteil des BSG vom 19.05.2009

BSG (kläger, eltern, sozialhilfe, sgg, verwertung, angemessenheit, darlehen, härte, zuschuss, träger)

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 19.5.2009, B 8 SO 7/08 R
Sozialhilfe - Vermögenseinsatz - Zweifamilienhaus - Angemessenheit des
Hausgrundstücks - Wohnflächengrenze - Verwertbarkeit - dingliches lebenslanges
Wohnrecht der Eltern - Härte
Leitsätze
Zur Frage, wann ein Hausgrundstück verwertbar und die Gewährung von Sozialhilfe deshalb
ausgeschlossen ist.
Tatbestand
1 Im Streit ist die Gewährung von Sozialhilfe für die Zeit vom 26.4. bis 31.12.2004 als Zuschuss
statt als Darlehen.
2 Die Klägerin zu 2 ist Eigentümerin eines Zweifamilienhauses auf einem 888 qm großen
Grundstück. Die Wohnfläche des Hauses beträgt 219 qm; 130 qm entfallen auf die Wohnung
im Erdgeschoss. Die Kläger (geboren 1968 und 1969) wohnen mit ihren beiden Kindern
(geboren 1994 bzw 1999) im Erdgeschoss, die Eltern (geboren 1936 bzw 1945) der Klägerin
zu 2 im Obergeschoss des Hauses. Den Eltern ist mit notariellem Vertrag (vom 5.8.1999) ein
grundbuchrechtlich gesichertes Wohnungsrecht für sämtliche Räume des Obergeschosses
eingeräumt.
3 Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 (Eheleute) beantragten am 26.4.2004 bei dem
Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Nachdem der Beklagte ihnen
mitgeteilt hatte, dass das Hausgrundstück nicht als Schonvermögen anzusehen sei und die
Gewährung von Sozialhilfe deshalb nur als Darlehen in Betracht komme, schlossen die
Klägerin zu 2 und der Beklagte einen Darlehensvertrag über 34.000 Euro, gesichert durch
eine Höchstbetragshypothek. Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligte der Beklagte den Klägern
und ihren Kindern für die Zeit vom 26.4. bis 31.8.2004 als Darlehen (Bescheid vom 20.7.2004;
Widerspruchsbescheid vom 14.12.2005) . In der Folgezeit ergingen weitere Bescheide, und
zwar für August 2004 und die Folgemonate bis Ende 2004 (Bescheid vom 26.8.2004;
Bescheid vom 12.10.2004, Widerspruchsbescheid dazu vom 23.2.2005; Bescheid vom
30.11.2004; Bescheid vom 14.12.2004; zwei Bescheide über die Ablehnung bzw Bewilligung
von Einmalleistungen, vom 13.12.2004, Widerspruchsbescheid dazu vom 23.2.2005, bzw
Bescheid vom 23.3.2005).
4 Das Sozialgericht (SG) Aachen hat den Beklagten, nachdem die Kläger zunächst in einem
gesonderten Verfahren Untätigkeitsklage wegen der Nichtbescheidung des Widerspruchs
gegen den Bescheid vom 20.7.2004 erhoben hatten, im vorliegenden Verfahren unter
Aufhebung des Bescheides vom 20.7.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
14.12.2005 verurteilt, "die Leistungen nach dem BSHG als Beihilfe nach Maßgabe der
gesetzlichen Vorschriften zu zahlen" (Urteil vom 28.2.2007) . Auf die Berufung des Beklagten
hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW) das Urteil des SG "geändert
und die Klage abgewiesen" (Urteil vom 12.12.2007) . Zur Begründung seiner Entscheidung
hat das LSG ausgeführt, den Klägern stünden Sozialhilfeleistungen nicht zu, weil die Klägerin
zu 2 Vermögen in Form des Hausgrundstückes besitze; dieses Hausgrundstück sei kein
Schonvermögen. Zum einen überschreite die Gesamtwohnfläche von 219 qm die
angemessene Wohnflächengrenze für sechs Personen um 49 qm. Zum anderen sei auch das
Hausgrundstück mit 888 qm unangemessen groß; nach den Gepflogenheiten des öffentlich
geförderten Wohnungsbaus sei eine Grundstücksgröße lediglich bis zu 500 qm angemessen.
Dieses Vermögen sei auch rechtlich und tatsächlich verwertbar, und die Verwertung stelle
keine Härte im Sinne des § 88 Abs 2 Nr 7 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) dar.
5 Die Kläger rügen einen Verstoß gegen § 88 Abs 1 und Abs 2 Nr 7 BSHG. Soweit das LSG auf
die Gesamtwohnfläche von 219 qm abstelle, sei dies unzulässig. Mit 130 qm sei die ihnen
zustehende Wohnfläche ohne das von den Eltern bewohnte Obergeschoss jedenfalls
angemessen. Soweit das LSG eine maximale Grundstücksgröße von 500 qm angenommen
habe, sei diese Entscheidung überraschend, weil auf die Umstände des Einzelfalls
abzustellen sei. Das LSG habe ihnen (den Klägern) keine Gelegenheit gegeben, vorzutragen,
ob ein über die angemessene Grundstücksgröße hinausgehender Teil überhaupt
selbstständig verwertbar sei. Ohnedies sei das Grundstück schon deshalb nicht verwertbar -
zumindest sei die Verwertung eine Härte -, weil die im Grundbuch eingetragene
Höchstbetragshypothek zu einer Gefährdung des Wohnungsrechts der Eltern führen könne,
wenn sie (die Kläger) vor den Eltern verstürben.
6 Die Kläger beantragen,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG
zurückzuweisen.
7 Der Beklagte beantragt,
die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des LSG zurückzuweisen.
8 Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
9 Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung der LSG-Entscheidung und
Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz ) . Es fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen des LSG
(§ 163 SGG) für eine abschließende Entscheidung durch den Senat. Dies gilt insbesondere
für die Prüfung, ob das Hausgrundstück der Klägerin zu 2 unangemessen und - wenn dies
zu bejahen wäre -, rechtlich und tatsächlich verwertbar ist und ob bei Verwertbarkeit die
Verwertung eine Härte darstellen würde.
10 Gegenstand des Klage-, Berufungs- und Revisionsverfahrens ist zunächst der Bescheid des
Beklagten vom 20.7.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2005 (§ 95
SGG) , mit dem der Beklagte die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom
26.4. bis 31.8.2004 als Darlehen bewilligt und damit - gegenläufig - die Leistung als
Zuschuss abgelehnt hat. Dagegen wehren sich die Kläger mit kombinierten Anfechtungs-
und Verpflichtungsklagen nach § 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG (vgl BSG, Urteil vom
13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - RdNr 13; Urteil vom 27.1.2009 - B 14 AS 42/07 R - RdNr 16)
. Der Beklagte, der bereits gezahlt hat, kann nicht erneut zur Zahlung verurteilt werden;
lediglich der Rechtsgrund der Zahlung muss verändert werden (Zuschuss statt Darlehen).
Allerdings haben sowohl das SG als auch das LSG übersehen, dass der Beklagte nach dem
Bescheid vom 20.7.2004 weitere Bescheide erlassen hat, die (ganz oder teilweise)
Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gemäß § 86 SGG geworden sein können. Es
handelt sich hierbei um die Bescheide vom 26.8.2004 über die Gewährung von Hilfe zum
Lebensunterhalt für August und September 2004, vom 12.10.2004 über die Gewährung von
Hilfe zum Lebensunterhalt für Oktober 2004 (Widerspruchsbescheid dazu vom 23.2.2005),
vom 30.11.2004 über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für November und
Dezember 2004 sowie vom 14.12.2004 über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt
für Dezember 2004.
11 Darüber hinaus hat der Beklagte nach Aktenlage mit Bescheid vom 13.12.2004 (in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.2.2005) eine Einmalleistung abgelehnt und mit
Bescheid vom 23.3.2005 für die Zeit vor 2005 eine Einmalleistung in bestimmter Höhe
zugebilligt. Inwieweit all diese oder einzelne Bescheide Gegenstand des
Widerspruchsverfahrens betreffend den Bescheid vom 20.7.2004 geworden sind, wird das
LSG bei seiner erneuten Entscheidung zu prüfen haben. Der Senat hält eine eigene
Entscheidung hierüber für untunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) . Sollte sich indes bei einer
Prüfung ergeben, dass § 86 SGG - etwa im Hinblick darauf, dass es sich bei den
bezeichneten Bescheiden nicht um abändernde Bescheide gegenüber dem Bescheid vom
20.7.2004 handelt, weil sie ausschließlich Neubewilligungen für Folgezeiträume beinhalten
(vgl zu dieser Problematik im Zusammenhang mit § 96 SGG: BSG SozR 4-3500 § 21 Nr 1
RdNr 8) - keine Anwendung findet, müsste das LSG sein Augenmerk in besonderer Weise
auf die Frage richten, ob diese Bescheide, gegen die sich die Kläger nach ihrem Antrag in
der ersten Instanz und nach dem umfassenden Tenor des SG-Urteils gewandt haben, nicht
bereits bei Klageerhebung bestandskräftig waren bzw ob oder inwieweit die Klage
überhaupt innerhalb der Klagefrist des § 87 SGG erhoben worden ist. Ggf wird auch der
Erlass von Widerspruchsbescheiden abzuwarten seien.
12 In der Sache ist sowohl nach den Anträgen der Kläger als auch nach der Entscheidung des
SG, die durch die Revisionen wiederhergestellt werden soll, nicht über die Höhe der
Leistungen zu befinden, sondern lediglich darüber, dass die zugebilligten
Darlehensleistungen (vgl § 89 BSHG) als Zuschussleistungen hätten gewährt werden
müssen. Dabei wird das LSG jedoch, soweit es die oben bezeichneten Folgebescheide
betrifft, zu prüfen haben, ob die Leistungen nicht mit diesen Bescheiden ohnedies nach dem
Empfängerhorizont (vgl dazu: BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 8/07 R - RdNr 12) -
abweichend vom Bescheid vom 20.7.2004 - als Zuschüsse bewilligt worden sind, sodass
dem klägerischen Begehren ohnedies für einen bzw mehrere Teilzeiträume des Jahres 2004
Rechnung getragen, seine Klage jedoch insoweit mangels Beschwer unzulässig wäre (vgl
zu einer solchen Konstellation das Senatsurteil vom 17.6.2008, aaO) .
13 Zu Recht haben die Kläger von Anfang an ihre Klagen gegen den nach § 70 Nr 3 SGG
beteiligtenfähigen Bürgermeister der Gemeinde N, organisatorisch Behörde der Gemeinde,
funktional als Behörde des Kreises D handelnd, gerichtet. Träger der Sozialhilfe in Form der
Hilfe zum Lebensunterhalt ist vorliegend zwar der Kreis Düren (vgl §§ 9, 97 Abs 1, 96 Abs 1,
99 BSHG) . Allerdings sieht das nordhrein-westfälische Landesrecht in § 3 des Gesetzes zur
Ausführung des BSHG für das Land NRW vom 15.6.1999 (Gesetz- und Verordnungsblatt
NRW 393) vor, dass die Kreise als örtliche Träger der Sozialhilfe kreisangehörige
Gemeinden zur Durchführung der ihnen als Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben
durch Satzung heranziehen können. Grundlage einer solchen Heranziehung ist § 96 Abs 1
BSHG; dadurch verliert der örtliche Träger der Sozialhilfe jedoch nicht seine Zuständigkeit
(vgl dazu BSGE 99, 252 ff = SozR 4-3500 § 28 Nr 3, jeweils RdNr 11) . Vielmehr handelt es
sich um ein auftragsähnliches Verhältnis.
14 Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der Kreis D die Gemeinde N durch Satzung vom
16.4.2003 über die Durchführung der Sozialhilfe im Kreis D nach dem BSHG herangezogen,
die nach § 1 Abs 1 dieser Satzung insoweit in eigenem Namen handelt. Diese
Heranziehung wird nicht durch § 4 Abs 2 dieser und der ab 1.1.2005 geltenden Satzung vom
29.12.2004 dadurch rückgängig gemacht, dass der Träger der Sozialhilfe selbst im
Klageverfahren die Prozessvertretung der Städte und Gemeinden übernimmt. Bereits der
Wortlaut der Regelung verdeutlicht, dass Gegenstand dieser Norm lediglich die Vertretung
im Gerichtsverfahren ist, nicht die Rückgängigmachung der Heranziehung für die Zeit ab
Klageerhebung. Es verbleibt mithin bei der Zwitterstellung des Bürgermeisters auf der einen
Seite als Organ und Behörde der Gemeinde und auf der anderen Seite als Behörde, die
eigenverantwortlich Aufgaben des Kreises wahrnimmt.
15 Ob den Klägern nach § 11 Abs 1 iVm § 12 BSHG, §§ 21 bis 23 BSHG sowie den
Vorschriften der zu § 22 ergangenen Regelsatzverordnung die gewährten
Sozialhilfeleistungen statt als Darlehen als Zuschuss zustehen, kann der Senat nicht
beurteilen. Nach § 11 Abs 1 BSHG ist die Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der
seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und
Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. Dabei sind bei
nicht getrennt lebenden Ehegatten das Einkommen und das Vermögen beider Ehegatten zu
berücksichtigen (§ 11 Abs 1 Satz 2 BSHG) . Hierzu enthalten die §§ 76 ff BSHG
konkretisierende Vorschriften. Ausgehend von seiner Rechtsansicht hat das LSG keinerlei
tatsächliche Feststellungen dazu getroffen, ob bei den Klägern neben dem Hausgrundstück
der Klägerin zu 2 weiteres Einkommen bzw Vermögen vorhanden war. Ob andererseits - wie
vom LSG angenommen - die Gewährung der Leistungen als Zuschuss bereits daran
scheitert, dass das Hausgrundstück verwertbares Vermögen ist, vermag der Senat auf Grund
der unzureichenden tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht zu beurteilen.
16 Nach § 88 Abs 2 Nr 7 BSHG darf die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom
Einsatz oder von der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das vom
Hilfesuchenden oder einer anderen in den §§ 11, 28 genannten Personen allein oder
zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach seinem Tod
bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem
Wohnbedarf (zB Behinderter, Blinder oder Pflegebedürftiger), der Grundstücksgröße, der
Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des
Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes. Nach § 88 Abs 3 BSHG darf die Sozialhilfe
ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht
werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine
unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Bei seiner Entscheidung
hat sich das LSG indes ausschließlich mit der Wohnraum- und des Grundstücksgröße
befasst. Damit hat es nicht auf alle im Gesetz genannten Angemessenheitsfaktoren im Sinne
der vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entwickelten Kombinationstheorie (BVerwGE
59, 294, 301 f; 87, 278, 282 f; 89, 241, 243; 90, 252, 254 f) rekurriert und bei der Frage der
Verwertbarkeit nicht hinreichend das dingliche Wohnungsrecht der Eltern der Klägerin zu 2
und die sonstigen vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin zu 2 und ihren Eltern
ermittelt und berücksichtigt. Dies wird es bei seiner erneuten Entscheidung nachzuholen
haben.
17 Zur Prüfung der Angemessenheit des Hausgrundstücks iS des § 88 Abs 2 Nr 7 Satz 1 und 2
BSHG schließt sich der Senat der überzeugenden Rechtsprechung des BVerwG im Sinne
der Kombinationstheorie (s oben) an. Danach ist die Angemessenheit nach Maßgabe und
Würdigung aller in § 88 Abs 2 Nr 7 BSHG bezeichneten personen-, sach- und
wertbezogenen Kriterien zu beurteilen; soweit ein einzelnes Kriterium unangemessen ist,
führt dies also nicht automatisch zur Unangemessenheit des Hausgrundstücks. Insoweit ist
nicht ausschlaggebend, dass das LSG den Faktor Hausgröße richtig bewertet hat.
18 Ausgehend vom Alleineigentum der Klägerin zu 2 (vgl zur Notwendigkeit, auf die
Eigentumsverhältnisse abzustellen: BVerwGE 90, 252 ff; Brühl/Geiger in Lehr- und
Praxiskommentar SGB XII , 8. Aufl 2008, § 90 SGB XII RdNr 43) ist die
Angemessenheit für sechs Personen (Kläger und deren Kinder, zusätzlich die Eltern der
Klägerin zu 2) zu bestimmen. Schon nach Wortlaut und Systematik der Regelungen ist also
nicht nur auf die Größe der Wohnung im Erdgeschoss abzustellen. Andererseits sind die
Eltern der Klägerin Angehörige iS des § 16 Abs 5 Nr 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch -
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ), an dem sich die Auslegung
des Begriffs des Angehörigen orientieren kann (vgl dazu in anderem Zusammenhang BSGE
91, 221 ff = SozR 4-4300 § 147 Nr 1, jeweils RdNr 16) . Die fünf Personen (Kläger zu 1,
Kinder, Eltern) sollen auch nach dem Tod der Klägerin zu 2 das Haus bewohnen.
19 Soweit es die Beurteilung der angemessenen Hausgröße als solche betrifft, schließt sich der
Senat - auch aus Gründen der Harmonisierung (zur Notwendigkeit Coseriu in Bender/Eicher,
Sozialrecht - eine Terra incognita, 2009, 225, 255 f) den überzeugenden Ausführungen der
für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Sozialgesetzbuch Zweites Buch
) zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4
SGB II an (vgl: BSGE 97, 203 ff RdNr 21 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3; BSGE 98, 243 ff RdNr 22
= SozR 4-4200 § 9 Nr 7; Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 16 ) . Danach ist die
angemessene Größe eines selbst genutzten Hausgrundstücks nach den Vorgaben des
Zweiten Wohnungsbaugesetzes mit einem Grenzwert von 130 qm für einen Vier-Personen-
Haushalt zu bestimmen, der sich für jede weitere Person um 20 qm erhöht. Vorliegend ergibt
sich auf diese Weise ein angemessener Wohnraum von 170 qm. Zwar bedürfen diese
Größen je nach Umständen des Einzelfalles einer Anpassung nach oben (BSGE 97, 203 ff =
SozR 4-4200 § 12 Nr 3, jeweils RdNr 22; Knickrehm in Bender/Eicher, Sozialrecht - eine
Terra incognita, 2009, 193, 217) . Umstände des Einzelfalls sind indes nicht ersichtlich und
vom LSG nicht festgestellt. Die angemessene Größe von sechs Personen ist schließlich
auch dann noch überschritten, wenn man mit den für die Grundsicherung für Arbeitsuchende
zuständigen Senaten des BSG bei einer Überschreitung der Wohnflächenobergrenze um
nicht mehr als 10 vH mit Rücksicht auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch von einer
angemessenen Wohnfläche ausgeht (BSGE 97, 203 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, jeweils
RdNr 23) .
20 Ob andererseits die Größe des Hausgrundstücks - wie vom LSG angenommen -
unangemessen ist, kann ohne weitere tatsächliche Feststellungen bzw Ermittlungen nicht
beurteilt werden. Insoweit sind die in der Praxis angewandten Grenzwerte von 500 qm für ein
freistehendes Haus (vgl etwa Brühl/Geiger in LPK-SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 51) bzw für
den ländlichen Raum (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 90 SGB XII
RdNr 35) allenfalls Anhaltspunkte, die überschritten werden können, wenn sich die Größe
des betroffenen Hausgrundstücks im Rahmen der örtlichen Gegebenheiten hält (vgl zu
diesen Kriterien BVerwGE 87, 278, 282 f) . Dies wird das LSG bei seiner erneuten
Entscheidung im Rahmen der erforderlichen Individualisierung (§ 3 BSHG) ebenso zu
berücksichtigen haben wie die Anzahl der das Hausgrundstück nutzenden Personen. Ob
das Hausgrundstück andererseits bei entsprechender Größe teilbar ist, ist keine Frage der
Angemessenheit der Größe des Hausgrundstücks, sondern erst der Verwertbarkeit eines
unangemessenen Hausgrundstücks (vgl dazu BSGE 100, 186 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 10,
jeweils RdNr 29) .
21 Die Verwertbarkeit des Hausgrundstücks wird das LSG genauer unter rechtlichen und
tatsächlichen Aspekten (BSGE 100, 131 ff = SozR 4-3500 § 90 Nr 3, jeweils RdNr 15) zu
prüfen haben; Fragen der Zumutbarkeit der Verwertung sind erst bei der Prüfung des
Härtefalls zu berücksichtigen. Insbesondere sind die Vereinbarungen der Klägerin zu 2 mit
ihren Eltern zu beachten. Immerhin besteht eine Pflegepflicht gegenüber den Eltern, die
durchaus an das gemeinsame Wohnen in dem Haus gebunden sein könnte. Zwar würde
dies eine Verwertung im Sinne einer Beleihung rechtlich nicht verhindern; jedoch bedürfte es
insoweit einer genaueren Eruierung, ob die Immobilie überhaupt bei der vorhandenen
dinglichen Belastung mit dem Wohnungsrecht und der finanziellen Situation der Kläger
realisierbar ist. Dass zugunsten des Sozialhilfeträgers eine Höchstbetragshypothek
eingetragen worden ist, ist kein Beleg dafür, dass private Kreditinstitute bereit gewesen
wären, den Klägern Geld zur Verfügung zu stellen. Gerade die dingliche Belastung des
Hausgrundstücks bietet außerdem Anlass, die faktische Verwertbarkeit durch Verkauf nicht
einfach zu unterstellen. Entscheidungserheblich ist ggf auch, ob sich die Möglichkeit einer
Verwertung in einem zeitlich vorhersehbaren Rahmen bewegt (BSG, aaO, RdNr 15 und 18) .
Selbst wenn die Rechtsprechung des BSG zu § 12 Abs 1 SGB II (BSGE 99, 248 ff = SozR 4-
4200 § 12 Nr 6) nicht ohne weiteres übernommen werden kann, weil das SGB II normativ
davon ausgeht, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige innerhalb angemessener Zeit wieder in
den Arbeitsmarkt eingegliedert werden und ihnen deshalb Vermögenswerte unter
Umständen eher belassen werden müssen als auf Dauer Erwerbsunfähigen (vgl zu diesem
Ansatz BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 14 RdNr 15 f; Coseriu in Bender/Eicher, Sozialrecht - eine
Terra incognita, 2009, 225, 255 f) , ist vorliegend doch zu beachten, ob die (1968 bzw 1969
geborenen) Kläger ab 1.1.2005 nicht dem System des SGB II unterworfen waren, sodass die
Wertungen des SGB II für die Gewährung von Sozialhilfe nach dem BSHG in den letzten
Monaten vor Inkrafttreten des SGB II Vorwirkungen zeitigen müssen (s zu diesem
Rechtsgedanken in anderem Zusammenhang BSGE 94, 121 ff = SozR 4-4300 § 193 Nr 3,
jeweils RdNr 21) . Zudem waren die Eltern der Klägerin zu 2 im Jahre 2004 noch in keinem
so fortgeschrittenen Alter, dass abzusehen gewesen wäre, wann eine Veräußerung ohne
das bestehende dingliche Wohnrecht möglich würde.
22 Wäre eine Verwertung des Hausgrundstücks im vorbezeichneten Sinne rechtlich und
tatsächlich möglich, bliebe immer noch zu prüfen, ob die zulässige Verwertungsvariante eine
Härte bedeuten würde, dies vor allem wiederum im Hinblick auf die von der Klägerin zu 2
übernommene Verpflichtung zur Pflege ihrer Eltern. Die Härtefallregelung erfasst nämlich
atypische Fälle, bei denen auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls der
Vermögensansatz die Betroffenen ganz oder jedenfalls teilweise unbillig belasten und den
im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Leitvorstellungen des Gesetzgebers nicht gerecht
würde (BVerwGE 23, 149 ff; näher dazu Sartorius in Rothkegel, Sozialhilfe, 2005, Teil III Kap
14 RdNr 68 ff) . Ein Härtefall kann auch im Sozialhilferecht unter wirtschaftlichen Aspekten
vorliegen (BSGE 100, 131 ff = SozR 4-3500 § 90 Nr 3, jeweils RdNr 25) . All dies wird das
LSG ggf zu prüfen haben; bei seiner Kostenentscheidung hat es auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens zu befinden.