Urteil des BSG vom 29.04.2004

BSG: Bayerisches Landessozialgericht L 10 AL 392/98 Bundessozialgericht B 11 AL 65/03 R   Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. Juli 2000, eugh

Bundessozialgericht
Urteil vom 29.04.2004
Sozialgericht Nürnberg S 5 AL 673/97
Bayerisches Landessozialgericht L 10 AL 392/98
Bundessozialgericht B 11 AL 65/03 R
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. Juli 2000 - L 10 AL
392/98 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht
zurückverwiesen.
Gründe:
I
Die Kläger sind türkische Staatsangehörige, wohnen in der Türkei und sind als Kraftfahrer im grenzüberschreitenden
Güterverkehr tätig. Sie sind angestellt bei dem türkischen Unternehmen "B. Ltd Sti" (B. Ltd), einem "Zweigbetrieb" der
in S. ansässigen deutschen B. GmbH. Die B. Ltd bzw die B. GmbH importieren Obst und Gemüse nach Deutschland.
Die Ware wird mittels Lastkraftwagen (LKW), die auf die B. GmbH in Deutschland zugelassen sind und (ua) von den
Klägern gefahren werden, von der Türkei nach Deutschland transportiert.
Die Beklagte, die den Klägern jeweils bis einschließlich 30. September 1996 befristete Arbeitserlaubnisse erteilt hatte,
lehnte für die Zeit danach die Erteilung von Arbeitserlaubnissen ab (Bescheide vom 30. Oktober 1996,
Widerspruchsbescheide vom 17. Juli 1997). Auf die dagegen erhobenen Klagen hin hat das Sozialgericht jeweils
festgestellt, dass die Kläger, die auf den LKW der B. GmbH im grenzüberschreitenden Güterverkehr tätig sind, keiner
Arbeitserlaubnis bedürfen (Urteile vom 27. Oktober 1998).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Verfahren miteinander verbunden und die Berufungen der Beklagten
zurückgewiesen (Urteil vom 25. Juli 2000). Das LSG hat ua ausgeführt: Die Kläger benötigten (auch) zukünftig keine
Arbeitserlaubnis bei ihrer Tätigkeit im grenzüberschreitenden Verkehr für die in Deutschland zurückgelegten Strecken.
Dies folge aus der Stillhalteklausel des Art 13 des Beschlusses Nr 1/80 des Assoziationsrates über die Entwicklung
der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 19. September 1980 (ARB
Nr 1/80). Die Stillhalteklausel erfasse auch die streitrelevante Beschäftigung türkischer Fahrer. Der Schutz des
inländischen Arbeitsmarktes, der in Fällen wie dem vorliegenden nur marginal berührt werde, erlaube keine restriktive
Interpretation. Die auf die deutschen Teilstrecken entfallenden Beschäftigungen der Kläger seien ursprünglich
ordnungsgemäß iS des Art 13 ARB Nr 1/80 gewesen; denn sie hätten nach § 9 Nr 2 der Arbeitserlaubnisverordnung
(ArbErlaubV) in der ursprünglichen und auch in der ab 1. September 1993 geltenden Fassung als fahrendes Personal
im grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr keiner Arbeitserlaubnis bedurft. Mit der Neufassung des § 9 Nr
2 ArbErlaubV zum 10. Oktober 1996 und mit der ab 25. September 1998 geltenden inhaltsgleichen Regelung des § 9
Nr 3a der Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) sei unter Verstoß gegen Art 13 ARB Nr 1/80 eine wesentliche
Beschränkung des Zugangs der in Rede stehenden türkischen Kraftfahrer zum deutschen Arbeitsmarkt eingetreten.
Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Der Senat hat das Verfahren zunächst ausgesetzt
und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit Beschluss vom 20. Juni 2001 Fragen zur Auslegung des Art 13 ARB
Nr 1/80 und des Art 41 des Zusatzprotokolls vom 23. November 1970 zu dem Abkommen zur Gründung einer
Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vorgelegt. Nach dem Urteil des
EuGH vom 21. Oktober 2003 (C-317/01 sowie C-369/01) ist das Verfahren fortgeführt worden.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 9 Nr 2 ArbErlaubV bzw des § 9 Nr 3a ArGV. Es fehle schon
an einer Beschränkung für die Freiheit der Dienstleistungserbringung, die durch das deutsche
Arbeitsgenehmigungsrecht verursacht sein könnte, denn die Fahrer benötigten im grenzüberschreitenden Güterverkehr
weiterhin keine Genehmigung soweit sie sich im Rahmen der allgemein gültigen Rechte und Gesetze bewegten. In
den vorgenommenen Änderungen des Arbeitsgenehmigungsrechts liege jedenfalls keine neue Beschränkung für die
Dienstleistungserbringung durch Unternehmen mit Sitz in der Türkei. Die Änderungen des Arbeitsgenehmigungsrechts
stellten lediglich eine Anpassung an die ohnehin geltenden Regelungen des Verkehrsrechts dar. Der
grenzüberschreitende Güterverkehr sei generell nicht uneingeschränkt möglich. Er hänge vielmehr von den
bestehenden Transportgenehmigungen ab, wonach nur im Staat der Niederlassung des Unternehmens zugelassene
Fahrzeuge eingesetzt würden. Die Änderung des Arbeitsgenehmigungsrechts verfolge lediglich eine Anpassung des
Arbeitsgenehmigungsrechts an andere Rechtsbereiche (Verkehrsrecht) und damit die Wahrung der Rechtseinheit.
Durch die Änderung der ArGV sei kein neuer Regelungsinhalt geschaffen worden, sondern lediglich die
Gesetzessystematik und die Regelungstechnik geändert worden. Neben den verkehrsrechtlichen Ausführungen sei
auch eine Überlassung der Lastkraftwagen durch ein deutsches Unternehmen an einen türkischen Arbeitgeber im
Wege der Vermietung unzulässig. Die "Fahrzeug-Vermietung" stelle in Verbindung mit der Beschäftigung von
türkischen Arbeitnehmern Arbeitnehmerüberlassung dar. Bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Zusatzabkommens im Jahr 1971 sei diese Dienstleistung grenzüberschreitend nicht zulässig gewesen. Damit könne
weder von einer rechtmäßig erbrachten Dienstleistung noch von einer ordnungsgemäßen Beschäftigung die Rede
sein.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. Juli 2000 - L 10 AL 392/98 - sowie
die Urteile des Sozialgerichts Nürnberg vom 27. Oktober 1998 - S 5 AL 673/97 -, - S 5 AL 683/97 -, - S 5 AL 684/97 -
und - S 5 AL 693/97 - aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Kläger künftig berechtigt sind, als
von der B. Ltd. Sti, M. /Türkei, beschäftigte Kraftfahrer auf in Deutschland zugelassenen Lastkraftwagen des
Güterkraftverkehrsunternehmens B. GmbH, S. , im grenzüberschreitenden Güterverkehr in Deutschland ohne
Arbeitsgenehmigung tätig zu werden.
Sie tragen vor, die Änderungen der ArbErlaubV bzw der ArGV stellten eine unzulässige neue Beschränkung iS des Art
41 des Zusatzprotokolls dar. Bei der grenzüberschreitenden Tätigkeit der Kläger handle es sich auch nicht um
unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung.
II
Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Der Senat kann auf Grund der vom LSG
getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden.
1. Die Kläger begehren die Feststellung, dass sie künftig berechtigt sind, als Beschäftigte der türkischen B. Ltd auf in
Deutschland zugelassenen LKW eines bestimmten deutschen Güterkraftverkehrsunternehmers - nämlich der B.
GmbH - im grenzüberschreitenden Güterverkehr arbeitsgenehmigungsfrei tätig werden zu können. Die
Feststellungsklagen sind zulässig (vgl BSGE 74, 90, 91 f = SozR 3-4210 § 9 Nr 1). Etwaigen Bedenken hinsichtlich
des Feststellungsinteresses angesichts der weiteren Fassung der Feststellungsanträge in den Vorinstanzen haben die
Kläger dadurch Rechnung getragen, dass sie ihr Feststellungsbegehren auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit
beschränkt haben. Insoweit handelt es sich nicht um eine im Revisionsverfahren nach § 168 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz unzulässige Klageänderung, sondern um eine Klarstellung dessen, was die Kläger bereits in den
Vorinstanzen begehrt haben (s dazu BSG 3-1500 § 55 Nr 34; vgl auch BSGE 88, 231, 233 = SozR 3-4210 § 9 Nr 2).
2. Die Begründetheit des Feststellungsbegehrens der Kläger hängt davon ab, ob hinsichtlich der beabsichtigten
Beschäftigung Arbeitsgenehmigungsfreiheit besteht. Nach dem anzuwendenden deutschen Recht sind die Kläger als
Arbeitnehmer eines türkischen Arbeitgebers nicht berechtigt, im grenzüberschreitenden Güterverkehr auf in
Deutschland zugelassenen Fahrzeugen in Deutschland arbeitsgenehmigungsfrei tätig zu werden. Die von den Klägern
begehrte Arbeitsgenehmigungsfreiheit folgt jedoch aus einer Anwendung des Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls vom
23. November 1970 (ABl 1972 L 293 S 1; BGBl II 1972 S 385).
a) Abzustellen ist jeweils auf die Rechtslage, die das im Streit befindliche Rechtsverhältnis erfasst (BSGE 2, 188,
192; 3, 95, 103; 74, 90, 92 = SozR 3-4210 § 9 Nr 1), also die derzeit geltenden Bestimmungen. Nach § 9 Nr 3a ArGV -
erlassen auf Grund des § 288 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - bedarf keiner Arbeitsgenehmigung das fahrende
Personal im grenzüberschreitenden Güterverkehr bei Arbeitgebern mit Sitz im Ausland, wenn das Fahrzeug im
Sitzstaat des Arbeitgebers zugelassen ist. Nach den Ausführungen im Urteil des LSG sind die Kläger bei der Baqir
Ltd, einem türkischen Unternehmen, angestellt. Zu Gunsten der Kläger kommt deshalb in Betracht, dass sie derzeit
bzw in Zukunft als Fernfahrer für einen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland tätig werden wollen. Es fehlt aber jedenfalls an
der für die Arbeitserlaubnisfreiheit gemäß § 9 Nr 3a ArGV weiter erforderlichen Voraussetzung der Zulassung des
jeweiligen Fahrzeugs im Sitzstaat des Arbeitgebers; denn die von den Klägern gelenkten bzw in Zukunft zu lenkenden
Fahrzeuge sind in Deutschland, nicht in der Türkei zugelassen.
b) Die Kläger können sich nicht darauf berufen, die Änderung der ArbErlaubV vom 10. Oktober 1996 sei eine nach Art
13 ARB 1/80 unzulässige neue Beschränkung des Zugangs zum Arbeitsmarkt. Diese Vorschrift ist nicht auf
Arbeitnehmer anzuwenden, die bei einem Unternehmen mit Sitz in der Türkei beschäftigt sind, von diesem entlohnt
werden und nur wegen ihrer Tätigkeit als Kraftfahrer im grenzüberschreitenden Güterverkehr immer wieder kurzfristig
in Deutschland arbeiten, wie der EuGH in dem auf Vorabentscheidungsersuchen des Bundessozialgerichts
ergangenen Urteil vom 21. Oktober 2003 C-317/01 und C-369/01 entschieden hat (aaO RdNr 87 - 91). Die Situation der
Kläger bei der im Feststellungsantrag umschriebenen Tätigkeit entspricht der vom EuGH zu Grunde gelegten
Situation.
c) Die Kläger können sich jedoch darauf berufen, dass die bereits genannte Änderung der ArbErlaubV zum 10.
Oktober 1996 zu einer unzulässigen Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs iS des Art 41 Abs 1 des
Zusatzprotokolls vom 23. November 1970 (ABl 1972 L 293 S 1; BGBl II 1972 S 385) geführt hat. In dieser Vorschrift
verpflichten sich die Vertragsparteien, untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des
freien Dienstleistungsverkehrs einzuführen. Der Dienstleistungsverkehr in diesem Sinne umfasst auch den Einsatz
von Arbeitskräften des Dienstleisters (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2003 RdNr 111). Auf die Inanspruchnahme
dieser Bestimmung können sich nicht nur das Unternehmen in der Türkei, das rechtmäßig Dienstleistungen in einem
Mitgliedstaat erbringt, sondern auch türkische Fernfahrer, die von einem derartigen Unternehmen mit Sitz in der Türkei
beschäftigt werden, berufen (EuGH aaO RdNr 105 und 106).
d) Der EuGH hat unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zur Dienstleistungsfreiheit nach Art 59 EG-Vertrag (Art 49
EG-Vertrag neu) dargelegt, dass eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs iS von Art 41 Abs 1
Zusatzprotokoll darin liegt, dass eine nationale Regelung die Erbringung von Dienstleistungen durch ein in einem
anderen Mitgliedstaat niedergelassenes Unternehmen im Inland von der behördlichen Erlaubnis wie einer
Arbeitserlaubnis abhängig macht (EuGH Urteil vom 21. Oktober 2003 RdNr 111). Im Hinblick darauf ist es nicht
zweifelhaft, dass es sich bei der Einführung einer Arbeitserlaubnispflicht für den grenzüberschreitenden Verkehr bei
Zulassung des Fahrzeuges im Inland um eine Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs handelt (vgl EuGH
aaO RdNr 112 - 115).
Es handelt sich auch gegenüber dem Rechtszustand beim Inkrafttreten des Zusatzprotokolls am 1. Januar 1973 um
eine neue Beschränkung des Dienstleistungsverkehrs.
Im Jahre 1973 war das fahrende Personal im grenzüberschreitenden Güterverkehr allgemein und ohne weitere
ausdrückliche Einschränkung arbeitserlaubnisfrei (§ 9 Nr 2 ArbErlaubV idF vom 2. März 1971, BGBl I 152). Mit der
durch Verordnung vom 1. September 1993 (BGBl I 1527) für die Zeit ab September 1993 vorgenommenen Änderung
des § 9 Nr 2 ArbErlaubV (Einfügung der Worte "bei Arbeitgebern mit Sitz im Ausland") war eine Verschlechterung der
Position in der Türkei beschäftigter Arbeitnehmer noch nicht verbunden. Die später in Kraft gesetzten Regelungen des
§ 9 Nr 2 ArbErlaubV in der ab 10. Oktober 1996 geltenden Fassung (Verordnung vom 30. September 1996, BGBl I
1491) sowie des § 9 Nr 3a ArGV, die Arbeitsgenehmigungsfreiheit nur noch für das fahrende Personal bei
ausländischen Arbeitgebern vorsehen, "sofern das Fahrzeug im Sitzstaat des Arbeitgebers zugelassen ist", sind
jedoch im Vergleich zu den davor geltenden Regelungen für die betroffenen türkischen Staatsangehörigen "weniger
günstig".
e) Dem Einwand der Beklagten, in den Änderungen des Arbeitsgenehmigungsrechts für die Zeit ab Oktober 1996 liege
keine neue Beschränkung, sondern lediglich eine Anpassung an die ohnehin geltenden Regelungen des
Verkehrsrechts, ist nicht zu folgen. Dem hier zu beurteilenden Einsatz von in der Türkei in einem
Beschäftigungsverhältnis stehenden Arbeitnehmern auf den LKW des deutschen Güterkraftverkehrsunternehmers, der
Inhaber der Erlaubnis nach § 3 Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) vom 22. Juni 1998 (BGBl I 1485; bis zum 30. Juni
1998: Genehmigung nach § 8 GüKG) ist, stehen ausdrückliche Vorschriften des GüKG nicht entgegen. Die Frage, ob
der inländische Erlaubnisinhaber seine Pflichten nach dem GüKG oder den europarechtlichen Vorschriften für den
Güterverkehr auf LKW (vgl etwa Art 15 EWGV 3820/85 vom 20. Dezember 1985, ABl L 370 S 1 und Art 13 und 14
EWGV 3821/85 vom 20. Dezember 1985, ABl L 370 S 8) beim Einsatz der Kläger als Kraftfahrer auf seinen LKW
verletzt, weil etwa die Baqir Ltd als Arbeitgeberin Weisungsrechte gegenüber den Klägern hat und auch wahrnimmt, ist
für diesen Rechtsstreit unerheblich. Etwaige Pflichtverstöße hätte die nach dem GüKG zuständige Behörde zu
beurteilen und zu ahnden.
Bedenken der Beklagten, die Überlassung von LKW an ein türkisches Unternehmen verstoße gegen § 27
Straßenverkehrszulassungsordnung, gehen ins Leere, denn das Feststellungsbegehren der Kläger richtet sich nur auf
den Einsatz von LKW eines deutschen Güterkraftverkehrsunternehmers.
3. Der Senat vermag auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG jedoch nicht zu entscheiden, ob
sich die vorliegende Vertragsgestaltung und tatsächliche Handhabung als unzulässige Arbeitnehmerüberlassung
darstellt. Diese Frage kann - anders als die erörterten güterkraftverkehrsrechtlichen Vorfragen - nicht unentschieden
bleiben, weil sie unmittelbar die rechtliche Zulässigkeit der von den türkischen Arbeitnehmern im Inland ausgeübten
Tätigkeiten betrifft und an diese anknüpft. Insoweit steht auch die in Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls enthaltene
Stillhalteklausel nicht entgegen, denn die grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung war jedenfalls auch zum
Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls genehmigungspflichtig (vgl zur den Fragen der
grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung im Einzelnen Feuerborn in Schüren,
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), 2. Aufl 2003, Einleitung RdNr 572 ff). Im Übrigen schützt Art 41 Abs 1 des
Zusatzprotokolls nur diejenigen Unternehmen in der Türkei, die rechtmäßig Dienstleistungen im Inland erbringen.
Da die B. Ltd nicht über eine Erlaubnis nach dem AÜG verfügt, ist die Beschäftigung der Arbeitnehmer im Inland nur
dann rechtmäßig, wenn diese nicht als dem deutschen Unternehmen B. GmbH überlassene Arbeitnehmer tätig
werden. Zwar hat das LSG ausgeführt, es liege keine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung vor, ohne allerdings die
nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitgerichts (BAG) erforderlichen Feststellungen zu treffen. Der
Hinweis des LSG, § 9 Nr 3b ArGV spreche gegen eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung ist nicht zwingend; denn
die Freistellung von der Arbeitsgenehmigungsfreiheit für bei ausländischen Arbeitgebern beschäftigte Fahrer im
grenzüberschreitenden Linienverkehr mit Omnibussen lässt keine Schlussfolgerungen auf die tatsächliche Gestaltung
im Einzelfall zu. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des BAG nicht ausgeschlossen, dass das türkische
Unternehmen für das deutsche Unternehmen im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages tätig wird, denn auch im
erlaubnispflichtigen Personen- und Güterverkehr ist nicht jeder drittbezogene Arbeitnehmereinsatz zugleich
Arbeitnehmerüberlassung iS des AÜG (BAG 6. August 2003 - 7 AZR 180/03 = BB 2004, 669; vgl auch BAGE 94, 144
= AP Nr 8 zu § 14 AÜG). Jedoch rechtfertigt nicht allein die Erwägung, das türkische Unternehmen erbringe mit
seinen Arbeitnehmern die von ihm der deutschen Auftraggeberin geschuldete Leistung, die Schlussfolgerung des
LSG, hier liege ein Werkvertrag vor.
Ob Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, beurteilt sich nach der Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen
Verleiher und Entleiher einerseits (Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen dem Entleiher und dem
Arbeitnehmer anderseits (Leiharbeitsvertrag) sowie dem Fehlen arbeitsvertraglicher Beziehungen zwischen
Arbeitnehmer und Entleiher. Hiervon ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei Dritten auf Grund eines Werk- oder
Dienstvertrages zu unterscheiden, die vorliegt, wenn der Unternehmer die zur Erreichung eines wirtschaftlichen
Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen organisiert und er dem
Drittunternehmer für die Erfüllung der im Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten
Werks verantwortlich bleibt. Im letztgenannten Fall unterliegen die Arbeitnehmer den Weisungen des Arbeitgebers,
wobei ein Weisungsrecht des Dritten im Einzelfall, wie sich auch aus § 645 Abs 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch
ergibt, unschädlich sein kann (BAG Urteil vom 6. August 2003 aaO). Maßgebend für die Abgrenzung zwischen
Arbeitnehmerüberlassung und Dienst- und Werkverträgen ist der tatsächliche Geschäftsinhalt des
Vertragsverhältnisses (BAG aaO). Zu den maßgebenden vertraglichen Beziehungen und deren Handhabung hat das
LSG jedoch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.