Urteil des BSG vom 06.04.2006

BSG: wehr, student, versicherungspflicht, schüler, zivildienst, beendigung, arbeitsamt, beitragspflicht, arbeitslosigkeit, rahmenfrist

Bundessozialgericht
Urteil vom 06.04.2006
Sozialgericht Dresden S 10 AL 1764/02
Sächsisches Landessozialgericht L 3 AL 255/03
Bundessozialgericht B 7a AL 2/05 R
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. September 2004
aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. Juli 2002. Streitig ist, ob er durch Ableistung seines Zivildienstes die
Anwartschaftszeit erfüllt hat.
Der im Jahre 1981 geborene Kläger beendete am 24. Juni 2001 seine Schulzeit mit dem Erwerb der allgemeinen
Hochschulreife. Am 7. August 2001 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und wurde bis zum 2. September
2001 als arbeitssuchend registriert. In der Zeit vom 3. September 2001 bis 30. Juni 2002 leistete er Zivildienst. Am
26. Juni 2002 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Die Beklagte
lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 9. Oktober 2002), weil der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Die
Zeit des Zivildienstes sei nicht versicherungspflichtig gewesen, weil der Kläger erst in den letzten zwei Monaten vor
Beginn des Dienstes die Ausbildung an einer allgemein bildenden Schule beendet habe. Den Widerspruch wies die
Beklagte zurück (Bescheid vom 19. November 2002).
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Dresden durch Gerichtsbescheid vom 18. September 2003 die
angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger vom 1. Juli bis 30. September
2002 Alg zu bewilligen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe vor Dienstantritt eine Beschäftigung
gesucht. Es sei nicht erforderlich, dass diese Beschäftigungssuche einen bestimmten Umfang oder eine bestimmte
Dauer erreiche. Seit 1. Oktober 2002 sei der Kläger Student. Auf die Berufung der Beklagten hat das Sächsische
Landessozialgericht (LSG) den Gerichtsbescheid des SG Dresden aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur
Begründung seines Urteils vom 23. September 2004 hat das LSG ausgeführt, der Kläger sei als Zivildienstleistender
nicht versicherungspflichtig gewesen, weil er die Voraussetzungen des § 26 Abs 1 Nr 2 Buchst b Sozialgesetzbuch
Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) nicht erfülle. Zweck dieser Regelung sei es, nur diejenigen Dienstleistenden
abzusichern, die bereits nach der gesetzgeberischen Wertung eine hinreichende Bindung an die
Versichertengemeinschaft aufgewiesen hätten. Das SGB III habe insgesamt bezweckt, eine stärkere Verknüpfung
zwischen Leistungsrecht und der Zugehörigkeit zur Versichertengemeinschaft herbeizuführen. Die Norm sei deshalb
so auszulegen, dass versicherungspflichtig nur derjenige sei, der unmittelbar vor Beginn des Wehrdienstes länger als
zwei Monate entweder beschäftigt oder arbeitslos gewesen sei, sofern er weder als Schüler oder Student noch nach
den für Beamte geltenden Vorschriften versicherungsfrei gewesen sei. Der Kläger habe sich erst im August 2001 um
eine Arbeit bemüht. Da der Zivildienst am 3. September 2001 begonnen habe, habe er eine Beschäftigung für weniger
als einen Monat gesucht. Dies entspreche dem Umfang nach der Arbeit von Schülern oder Studenten in den Ferien.
Insofern sei eine Beschäftigungssuche iS des § 26 Abs 1 Nr 2 Buchst b SGB III nicht gegeben, denn hierfür müssten
alle Voraussetzungen der Beschäftigungssuche nach § 119 Abs 1 bis Abs 4 SGB III vorliegen. Da nach § 119 Abs 1
Nr 1 SGB III alle Möglichkeiten zur Beendigung der Beschäftigungslosigkeit genutzt werden müssten, sei auch die
Meldung beim Arbeitsamt - und damit die Nutzung der Vermittlung durch das Arbeitsamt - erforderlich. Erst von
diesem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung an seien die Voraussetzungen des § 119 SGB III erfüllt. Durch die
Arbeitslosmeldung werde die vom Gesetz gewollte Bindung an die Versichertengemeinschaft nach außen hin zum
Ausdruck gebracht. Eine nach der gesetzgeberischen Wertung zum Erwerb des Versicherungsschutzes erforderliche
hinreichende Verfestigung dieser Bindung werde jedoch unter Beachtung von § 26 Abs 4 SGB III erst nach
mindestens zwei (bzw nach neuem Recht wohl von vier) Monaten Dauer erreicht.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 26 Abs 1 Nr 2 Buchst b SGB III. Das LSG stelle an die
Beschäftigungssuche im Sinn dieser Norm Anforderungen, die sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck der
Vorschrift herleiten ließen. Insbesondere sei es unzulässig, zu fordern, dass die Beschäftigungssuche iS des § 26
Abs 1 Nr 2 Buchst b SGB III mindestens zwei Monate angedauert haben müsse, wobei es allein auf die
Arbeitslosmeldung beim zuständigen Arbeitsamt ankommen solle. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits 1989
(Hinweis auf BSG SozR 4100 § 168 Nr 22) zu § 168 Abs 2 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) entschieden, dass
maßgeblich für die Versicherungspflicht ausschließlich sei, ob der später Arbeitslose unmittelbar vor Dienstantritt eine
Beschäftigung gesucht habe. Das BSG habe dort klargestellt, dass § 168 AFG allein auf den Zeitpunkt unmittelbar
vor Beginn der Maßnahme abstelle. Zwar solle die Zeit des Wehr- oder Zivildienstes nur dann versicherungspflichtig
iS des § 26 SGB III sein, wenn zuvor die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Personenkreis festgestellt werden
könne. Es stelle jedoch eine unzulässige Verknüpfung dar, wenn eine solche Bindung an die
Versichertengemeinschaft gemäß § 26 Abs 4 SGB III erst nach mindestens zwei (bzw nach neuem Recht nach
mindestens vier) Monaten erreicht werden könne. § 26 Abs 4 SGB III regele allein den Ausschluss der Schul- und
Hochschulabgänger von dem Eintritt der Versicherungspflicht während des Wehr- oder Zivildienstes, wenn zwischen
Beendigung der Schulausbildung bzw des Studiums und dem Beginn des Dienstes ein Zeitraum von weniger als zwei
bzw vier Monaten liege. Soweit dieser Zeitraum jedoch überschritten werde, was vorliegend der Fall sei, erfolge dieser
Ausschluss nicht. Die Vorschrift des § 26 Abs 4 SGB III enthalte keine Regelung hinsichtlich der Dauer der
Beschäftigungssuche, sondern sei eine allgemeine Ausschlussregelung für eine bestimmte Personengruppe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. September 2004 aufzuheben und die
Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 18. September 2003
zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das BSG (Hinweis auf BSG SozR 4100 § 168 Nr 22) habe bereits 1989 zu der insoweit vergleichbaren Rechtslage
unter dem AFG ausgeführt, dass nur der Zivildienstleistende beitragspflichtig sei, der unmittelbar vor Dienstantritt in
einer Beschäftigung gestanden oder eine Beschäftigung gesucht habe. Dies setze eine ernsthafte Arbeitssuche
voraus, wovon nur ausgegangen werden könne, wenn die Suche mindestens zwei Monate lang andauere.
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet. Das LSG hat zu
Unrecht entschieden, aus § 26 Abs 4 SGB III folge, dass die Beschäftigungssuche eines Zivildienstleistenden vor
Dienstantritt mindestens zwei Monate gedauert haben muss. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG
kann aber nicht abschließend entschieden werden, ob der Kläger unmittelbar vor Dienstantritt eine "berufsmäßige", dh
dauerhafte Beschäftigung gesucht und damit seinem Erscheinungsbild nach zum Kreis der Arbeitnehmer gehört hat.
Gemäß § 117 SGB III (idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997 BGBl I 594) haben
Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich beim Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) arbeitslos
gemeldet haben und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Nach den Feststellungen des LSG war der Kläger im
Zeitraum ab dem 1. Juli 2002 arbeitslos iS des § 117 Abs 1 Nr 1 iVm §§ 118, 119 SGB III. Der Kläger hat sich beim
Arbeitsamt arbeitslos gemeldet gemäß § 117 Abs 1 Nr 2 SGB III. Noch nicht entschieden werden kann aufgrund der
tatsächlichen Feststellungen des LSG, ob der Kläger die Anwartschaftszeit gemäß § 117 Abs 1 Nr 3 SGB III erfüllt
hat. Gemäß § 123 Abs 1 Nr 2 SGB III (§ 123 in der hier maßgeblichen Fassung des 1. SGB III-Änderungsgesetzes
vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970) hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist als
Wehrdienstleistender oder Zivildienstleistender (§ 25 Abs 2 Satz 2, § 26 Abs 1 Nr 2 und Nr 3 und Abs 4 SGB III)
mindestens zehn Monate ... in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 124 Abs 1 SGB III lief
die dreijährige Rahmenfrist vom 30. Juni 2002 bis 1. Juli 1999. Da andere Versicherungszeiten nicht ersichtlich sind,
ist für den Anspruch des Klägers auf Alg mithin entscheidend, ob der in der Rahmenfrist abgeleistete Zivildienst eine
versicherungspflichtige Zeit darstellte. Dies beurteilt sich nach § 26 Abs 1 Nr 2 und Abs 4 SGB III idF des 1. SGB III-
Änderungsgesetzes (aaO). § 26 SGB III in der ab 1. Januar 2002 (auf Grund des
Bundeswehrneuausrichtungsgesetzes vom 20. Dezember 2001 - BGBl I 4013) maßgebenden Fassung ist gemäß §
434e SGB III (ebenfalls idF des Bundeswehrneuausrichtungsgesetzes aaO) nicht auf frühere Zeiträume anzuwenden,
weil der Wehr- oder Zivildienst des Klägers vor dem 1. Januar 2002 begonnen hat. § 26 Abs 1 Nr 2 SGB III in seiner
hier einschlägigen Fassung bis zum 31. Dezember 2001 (die die Norm durch das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch
vom 19. Juni 2001, BGBl I 1046 erhalten hat), bestimmte, dass versicherungspflichtig Personen sind, die auf Grund
gesetzlicher Pflicht länger als drei Tage Wehrdienst oder Zivildienst leisten und während dieser Zeit nicht als
Beschäftigte versicherungspflichtig sind, wenn sie (a) unmittelbar vor Dienstantritt versicherungspflichtig waren oder
eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen haben, oder (b) eine Beschäftigung gesucht haben, die die
Versicherungspflicht nach diesem Buch begründet. § 26 Abs 4 SGB III bestimmt ergänzend zu § 26 Abs 1 Nr 2
Buchst b SGB III, dass eine Versicherungspflicht dann nicht eintritt, wenn der Dienstleistende 1. in den letzten zwei
Monaten vor Beginn des Dienstes eine Ausbildung an einer allgemeinbildenden Schule beendet oder ein Studium als
ordentlich Studierender an einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule unterbrochen hat
und 2. innerhalb der letzten zwei Jahre vor Beginn der Ausbildung weniger als zwölf Monate in einem
Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat.
Das LSG hat zunächst zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 26 Abs 4
SGB III nicht vorgelegen haben. Der Kläger hat das Reifezeugnis am 24. Juni 2001 erhalten. Er hat somit nicht seine
Ausbildung an einer allgemeinbildenden Schule in den letzten zwei Monaten vor Beginn des Dienstes beendet.
Vielmehr liegt der Tag der Reifeprüfung außerhalb des Zwei-Monats-Zeitraums des § 26 Abs 4 Nr 1 SGB III. Damit
kommt es auf die Voraussetzungen des § 26 Abs 4 Nr 2 SGB III nicht mehr an (missverständlich insoweit Schlegel in
Eicher/Schlegel, SGB III, Rz 47 zu § 26, Stand Februar 2003).
Dem LSG ist allerdings nicht zu folgen, soweit es die Zwei-Monats-Frist des § 26 Abs 4 Nr 1 SGB III in die
Voraussetzungen der Versicherungspflicht gemäß § 26 Abs 1 Nr 2 Buchst b SGB III hineinliest. § 26 Abs 1 Nr 2b
SGB III setzte in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung lediglich voraus, dass Wehr- oder
Zivildienstleistende eine Beschäftigung gesucht haben, die Versicherungspflicht nach diesem Buch begründet. Eine
zeitliche Einschränkung derart, dass diese Beschäftigungssuche zwei Monate gedauert haben muss, ist dem Wortlaut
des § 26 Abs 1 Nr 2 Buchst b SGB III nicht zu entnehmen. Auch die historischen und systematischen Argumente des
LSG für eine Geltung dieser Zwei-Monats-Frist im Rahmen des § 26 Abs 1 Nr 2 Buchst b SGB III überzeugen nicht.
Das LSG verweist insoweit zu Unrecht auf die Hinzufügung eines zweiten Satzes zu § 168 Abs 2 AFG durch das 9.
AFG-Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2343) mit Wirkung zum 1. Januar 1989. Erstmals durch
diesen neu gefassten § 168 Abs 2 Satz 2 AFG wurde bestimmt, dass die Beitragspflicht des Wehr- oder
Zivildienstleistenden nach § 168 Abs 2 Satz 1 Nr 2 AFG nicht eintritt, wenn dieser in den letzten zwei Monaten vor
Beginn des Dienstes eine Schulausbildung beendet oder eine universitäre Ausbildung unterbrochen hat. § 168 Abs 2
Satz 2 AFG stellt insofern die Vorgängervorschrift des § 26 Abs 4 SGB III dar. Zur Begründung dieser Neufassung
führte der Gesetzgeber des 9. AFG-Änderungsgesetzes aus: "Die Vorschrift über die Beitragspflicht der Wehr- und
Zivildienstleistenden entspricht dem geltenden Recht. Sie ist jedoch im Interesse der Rechtsklarheit neugefasst
worden. Nach geltendem Recht sind Wehr- und Zivildienstleistende beitragspflichtig nach dem AFG und damit für den
Fall der Arbeitslosigkeit geschützt, wenn sie vor ihrer Einberufung zum Kreis der durch die Sozialversicherung
geschützten Arbeitnehmer gehört haben. Die Neufassung konkretisiert diesen Grundsatz lediglich umfassender als
das geltende Recht: Beitragspflichtig ist - wie bisher - der Wehr- oder Zivildienstleistende, der unmittelbar vor
Dienstantritt in einer mehr als geringfügigen Beschäftigung iS des § 8 SGB IV gestanden oder eine derartige
Beschäftigung gesucht hat, sofern er nicht seinem Erscheinungsbild nach Schüler oder Student ist. Ein Wehr- oder
Zivildienstleistender ist seinem Erscheinungsbild nach Schüler oder Student, wenn er während der Beschäftigung oder
während der Arbeitssuche die Voraussetzungen für die Beitragsfreiheit als Schüler oder Student erfüllte. Das Gleiche
gilt, wenn der Wehr- oder Zivildienstleistende erst in den letzten zwei Monaten vor Beginn des Dienstes die
Ausbildung an einer allgemein bildenden Schule beendet oder eine solche Ausbildung oder eine berufsbezogene
Ausbildung unterbrochen hat und danach keine mehr als geringfügige Beschäftigung ausgeübt hat, sofern er nicht vor
Beginn der Ausbildung mindestens ein Jahr (360 Kalendertage) beitragspflichtig war (Satz 2)" (BT-Drucks 11/3603 S
12 zu Buchst b).
Bereits in der Begründung zur Neufassung des § 168 Abs 2 Satz 2 AFG findet sich mithin kein Anhalt dafür, dass
über die Zwei-Monats-Frist des § 168 Abs 2 Satz 2 AFG hinaus - die lediglich darauf abstellt, ob der Schüler oder
Student seine Ausbildung innerhalb von zwei Monaten vor Beginn des Wehrdienstes bzw Zivildienstes beendet hatte -
eine allgemeine Zwei-Monats-Frist geschaffen werden sollte, nach der Beitragspflicht als Wehr- bzw
Zivildienstleistender nur eintreten konnte, sofern eine Arbeitslosigkeit von länger als zwei Monaten Dauer vor Antritt
des Dienstes vorgelegen hätte. Dementsprechend hat das BSG in seiner Entscheidung vom 27. September 1989
(BSG SozR 4100 § 168 Nr 22, S 57) ausdrücklich offen gelassen, ob die Neufassung des § 168 in diesem Sinne
verstanden werden könnte. Das BSG hat jedoch in dieser Entscheidung klargestellt, dass die bis zum 31. Dezember
1988 geltende Altfassung der Vorschrift, die eine Zeitgrenze von zwei Monaten in keiner Weise ansprach, jedenfalls
nicht in einem solchen Sinne ausgelegt werden konnte.
In der Folgezeit nach dem 1. Januar 1989 legte die Bundesagentur für Arbeit (BA) § 168 Abs 2 Satz 1 Nr 2 und Abs 2
Satz 2 AFG ebenfalls nicht im Sinne des LSG aus. Aus den Dienstanweisungen der BA zu § 168 AFG (DA § 168 Abs
2 RdZiff 7 ff, Stand 1. Ergänzungslieferung 2/96); ebenso DA der BA Rz 19 zu § 26 SGB III 10. ErgLfg 7/2002) geht
hervor, dass die BA die Versicherungspflicht von Studenten und Schülern lediglich dann verneinte, wenn der
Dienstleistende in den letzten zwei Monaten vor Beginn des Dienstes Schüler an einer allgemein bildenden Schule (§
169b Satz 1 Nr 1 und Satz 2 AFG) oder Student an einer Hochschule oder an einer der fachlichen Ausbildung
dienenden Schule war und diese Ausbildung unterbrochen hatte. Auch nach den Dienstanweisungen der Beklagten
kam es also maßgeblich darauf an, ob innerhalb einer Zwei-Monats-Frist vor Beginn des Dienstes der Status als
Schüler oder Student noch vorgelegen hatte. Das vom LSG zusätzlich geforderte Tatbestandsmerkmal einer
zweimonatigen Arbeitslosigkeit bzw zweimonatigen Suche einer Beschäftigung wurde selbst von der BA nach deren
eigenen Dienstanweisungen nicht gefordert.
Entgegen der Rechtsansicht des LSG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass durch das zum 1. Januar
1989 in Kraft getretene SGB III eine Änderung der Rechtslage beabsichtigt war. Vielmehr hat der Gesetzgeber des
SGB III (vgl die Materialien zum AFRG BR-Drucks 550/96, S 158 zu § 26) sowohl zu § 26 Abs 2 als auch zu § 26
Abs 4 SGB III klargestellt, dass die Versicherungspflicht für Wehrdienstleistende und Zivildienstleistende dem
geltenden Recht des AFG (§ 168 Abs 2 Satz 1, Satz 2 und Satz 3 AFG) entspricht. Auch kann - entgegen der
Rechtsansicht des LSG - dem SGB III nicht eine generelle Tendenz unterstellt werden, die Anbindung von
Dienstleistenden an den Arbeitsmarkt als Voraussetzung der Versicherungspflicht stärker zu betonen. Eine solche
"Verschärfung" der Voraussetzungen für den Bezug von Alg für Dienstleistende erfolgte erst durch das Gesetz zur
Neuausrichtung der Bundeswehr (Bundeswehrneuausrichtungsgesetz) vom 20. Dezember 2001 (aaO). Durch dieses
Gesetz wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2002 in § 26 Abs 4 SGB III der notwendige Zeitraum zwischen dem Eintritt
der Dienstpflicht und der Beendigung der Ausbildung an einer allgemeinbildenden Schule auf vier Monate verlängert.
Würde man die Rechtsauffassung des LSG konsequent zu Ende denken, so hätte die Änderung durch das
Bundeswehrneuausrichtungsgesetz in § 26 Abs 4 SGB III zur Folge, dass deshalb in § 26 Abs 1 Nr 2 Buchst b SGB
III nunmehr das Erfordernis einer viermonatigen Arbeitslosigkeit bzw Beschäftigungssuche vor Beginn des
Wehrdienstes bzw Zivildienstes hineinzulesen wäre. Für eine so weitgehende Interpretation bieten weder - wie
ausgeführt - die Gesetzgebungsgeschichte des § 168 Abs 2 Satz 2 AFG noch des § 26 Abs 4 SGB III hinreichend
Anhaltspunkte.
Schließlich hat das LSG zur Begründung des Erfordernisses einer zweimonatigen Beschäftigungssuche auf § 8 Abs 1
Nr 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) abgestellt. Das
LSG schließt aus § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV, dass ein sich arbeitslos meldender Schüler oder Student nur eine
geringfügige Beschäftigung suche, wenn zwischen der Arbeitslosmeldung und dem Beginn des Dienstes weniger als
zwei Monate liegen. Dies ist so rechtlich nicht zutreffend, wenngleich der Senat die hinter diesem Rechtsgedanken
liegende Wertung des LSG teilt. § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV enthält insofern bereits eine Einschränkung der
Geringfügigkeit einer Beschäftigung für den Fall, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird.
Dementsprechend hat die BA bereits in ihren Dienstanweisungen zu § 168 Abs 2 (aaO RdZiff 10) und später auch zu
§ 26 SGB III (aaO RdZiff 27) klargestellt, dass, wenn der Dienstleistende - ungeachtet seiner Dienstpflicht -
unmittelbar vor Dienstantritt eine mehr als geringfügig entlohnte Dauerbeschäftigung gesucht hat, diese Beschäftigung
auch dann nicht gemäß § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV geringfügig wird, wenn sie innerhalb von zwei Monaten nach ihrer
Aufnahme wegen der Dienstpflicht wieder ruhen würde. Grundsätzlich kann somit auch dann die Suche nach einer
Dauerbeschäftigung bzw berufsmäßigen Beschäftigung Beitragspflicht nach § 168 Abs 2 Satz 1 Nr 2 AFG bzw § 26
Abs 1 Nr 2 Buchst b SGB III begründen, wenn der Dienstleistende mit seiner Suche weniger als zwei Monate vor
Dienstantritt begonnen hat.
Mithin kommt es für den Anspruch des Klägers auf Alg nur darauf an, dass dieser gemäß § 26 Abs 1 Nr 2 Buchst b
SGB III eine dauerhafte bzw "berufsmäßige" Beschäftigung gesucht hat, die Versicherungspflicht nach dem SGB III
begründet. Ob der Kläger eine solche "berufsmäßige" oder dauerhafte Beschäftigung gesucht hat, kann aufgrund der
tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden. Der Senat folgt dabei zunächst dem 12.
Senat des BSG, der in einer vergleichbaren Fallgestaltung entschieden hat, dass für die Frage der Berufsmäßigkeit
einer Beschäftigung gerade bei Schülern im Übergang zum Studium oder zum Wehrdienst neben der wirtschaftlichen
Bedeutung der Beschäftigung für den Antragsteller auf einen längeren Zeitraum abzustellen ist (vgl BSG SozR 2200 §
168 Nr 5, S 97 f). Maßgebend ist danach, ob ein Beschäftigter nach Beendigung einer kurzfristigen Beschäftigung
beabsichtigt, weitere Beschäftigungen aufzunehmen. Im vorliegenden Fall kommt es daher maßgebend darauf an, ob
der Kläger bei einer längerfristigen Betrachtungsweise beabsichtigte, Beschäftigungen aufzunehmen bzw aufrecht zu
erhalten.
Der Kläger hat sich am 7. August 2001 arbeitslos gemeldet und am 2. September 2001 den Zivildienst angetreten.
Nach Beendigung des Dienstes war er von Juli bis September 2002 arbeitslos und hat sodann (nach Aktenlage) zum
1. Oktober 2002 ein Studium aufgenommen. Entsprach dieser zeitliche Ablauf einem bereits zuvor gefassten
Lebensplan, so war der Kläger seinem Erscheinungsbild nach "Student" bzw "Schüler" und eben gerade nicht
Arbeitnehmer (vgl hierzu auch BSG SozR 2200 § 168 Nr 5). Es ging ihm dann nur darum, Wartezeiten zwischen den
üblichen Ausbildungsabschnitten zu überbrücken. Das LSG wird daher hinsichtlich der Motivation des Klägers - ggf
durch Befragung - aufzuklären haben, ob dieser im August 2001 tatsächlich eine "berufsmäßige" Beschäftigung
gesucht hat, die er ggf auch nach Beendigung des Zivildienstes wieder fortgesetzt hätte. War es von vornherein das
Ziel des Klägers, im Anschluss an den Zivildienst zu studieren, so dürfte er sich trotz seiner Arbeitslosmeldung nicht
in den Kreis der "Arbeitnehmer" eingereiht haben. Von Bedeutung könnte hier auch sein, wann der Kläger zum
Zivildienst einberufen wurde bzw ob er schon bei der Arbeitslosmeldung im August 2001 Kenntnis vom Zeitpunkt
seines Dienstantritts hatte (zum Erfordernis der "Unmittelbarkeit" der Beschäftigungssuche in § 26 Abs 1 Nr 2b SGB
III und zur Frage, inwieweit die Kriterien des § 119 SGB III bereits für eine Qualifizierung der Beschäftigungssuche vor
dem 1. Januar 2002 herangezogen werden können - vgl BSG, Urteil vom 6. April 2006 - B 7a AL 74/05 R).
Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.