Urteil des BSG vom 18.07.2006

BSG: gericht erster instanz, vorbehalt des gesetzes, geldanlage, eugh, wertpapier, allgemeines verwaltungsrecht, aufsichtsbehörde, materielles recht, wirtschaftliche tätigkeit

Bundessozialgericht
Urteil vom 18.07.2006
Sozialgericht München S 3 KR 264/99
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 139/02
Bundessozialgericht B 1 A 2/05 R
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. August 2005 wird
zurückgewiesen. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
1
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Aufsichtsklage darüber, ob die Kapitalanlage einer Krankenkasse in einem
Wertpapier-Spezialfonds rechtmäßig ist.
2
Ein Teil der Mitarbeiter der klagenden Betriebskrankenkasse (BKK) war ursprünglich bei der Siemens AG beschäftigt.
Dieses Unternehmen hatte das für die Erfüllung der Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung dieser
Mitarbeiter vorgesehene Deckungskapital in der Weise angelegt, dass die Siemens Kapitalanlagegesellschaft mbH
(SKAG) mit der Vermögensanlage in Renten, Aktien und Immobilien beauftragt worden war. Im Zuge der Öffnung der
BKK ging das von der Siemens AG gestellte Personal der klagenden BKK zum 1. Januar 1999 auf diese über;
zugleich übertrug die Siemens AG der Klägerin das versicherungsmathematisch errechnete Deckungskapital für die
Versorgungsanwartschaften (20.897.785 DM = 10.684.867,81 EUR).
3
Als die Klägerin anschließend die Anlagestrategie der Siemens AG fortführen wollte, teilte ihr die beklagte
Bundesrepublik Deutschland (Bundesversicherungsamt) mit, dass gegen die Anlage in dem Wertpapier-Spezialfonds
(bestehend aus 50 % DM-Rentenpapieren, 20 % Rentenanlagen in europäischen Währungen, 20 % deutschen und 10
% europäischen Aktien) unter dem Gesichtspunkt der Anlagesicherheit Bedenken bestünden; diese Sicherheit sei
hinsichtlich des Aktienanteils nicht gewährleistet, eine Anlage in Rentenpapieren dagegen möglich (Schreiben vom 16.
Juli 1998). Dennoch beschloss der Verwaltungsrat der Klägerin am 4. Dezember 1998, der Anlage in dem Wertpapier-
Spezialfonds zuzustimmen. Die Beklagte untermauerte in der Folgezeit ihren Standpunkt und stellte den Erlass einer
Aufsichtsverfügung in Aussicht (Schreiben vom 22. Dezember 1998 und 3. Februar 1999).
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Zum 1. April 1999 überwies die Klägerin der SKAG 20,9 Mio DM für die Geldanlage. Sie war der Ansicht, dass ein
Verlust nach Art und Portfoliomischung des Fonds auf langjährige Sicht praktisch ausgeschlossen sei, dagegen
hätten sich Totalverluste gerade bei öffentlichen Anleihen ergeben; der Aktienanteil betrage nur 0,28 % ihres
Haushaltsvolumens.
5
Mit Bescheid vom 30. März 1999 verpflichtete die Beklagte die Klägerin ua, ihre Mittel für künftig zu zahlende
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht bei einem Investmentfonds mit Aktienanteil anzulegen,
insbesondere das bei ihr vorhandene Deckungskapital von derzeit 21 Mio DM nicht als SBK-Wertpapier-Spezialfonds
der SKAG mit 30 % Aktienanteil anzulegen und den Betrag zu diesem Zweck zu überweisen. Zur Begründung wurde
ua ausgeführt, auch die teilweise Vermögensanlage in Aktien verstoße gegen das nach § 80 Abs 1 Viertes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB IV) vorrangige Prinzip des Verlustausschlusses; die Frist zur Behebung dieser
Rechtsverletzung sei erfolglos abgelaufen. Aktienanlagen seien ohne Schuldner, könnten bei fehlender Nachfrage
wertlos werden und im Bedarfsfall zur außerplanmäßigen Veräußerung von Rentenpapieren zwingen. Ein Wertpapier-
Spezialfonds dürfe nur Papiere enthalten, die den Anforderungen des § 83 SGB IV entsprächen. Auf die dagegen
erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) diesen Bescheid mit der Begründung aufgehoben, dass die Klägerin
aufsichtsrechtlich unzureichend beraten worden sei (Urteil vom 14. Mai 2002).
6
Im anschließenden Berufungsverfahren hat die Beklagte ua auf die aktuell stark rückläufige Entwicklung auf den
Aktien- und Finanzmärkten hingewiesen. Die Klägerin hat dagegen verlangt, auf sie auch die für
Versorgungseinrichtungen geltenden Grundsätze des Versicherungsaufsichtsrechts anzuwenden, sodass mit den
Rückstellungen höhere Erträge erzielt werden könnten; sie hat ua mitgeteilt, dass der Aktienanteil (ca 7 Mio DM) von
1999 bis 2004 eine Rendite von insgesamt 1,4 % erbracht habe, der Rentenanteil 43,22 % (Gesamt-Rendite 34,88 %).
7
Das Landessozialgericht (LSG) hat das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, da die Aufsichtsverfügung
rechtmäßig sei: Die Klägerin müsse als BKK das Gesetz und das sonstige für Sozialversicherungsträger
maßgebende Recht beachten und habe gegen § 80 SGB IV verstoßen. Die Beklagte sei hier in einem Fall von
grundlegender Bedeutung eingeschritten, habe die Klägerin ausführlich aufsichtsrechtlich beraten und auf zulässige
Anlagemöglichkeiten hingewiesen. Streitig sei nur noch der erste Verfügungssatz des Bescheides, für den der bereits
erfolgte Vollzug der Kapitalanlage ohne Belang sei. Die Beklagte habe den gerichtlich nur beschränkt nachprüfbaren
Beurteilungsspielraum, der ihr hinsichtlich der in § 80 SGB IV genannten Grundsätze (Anlagesicherheit, Erzielung
eines angemessenen Ertrags, Sicherstellung ausreichender Liquidität) zustehe, rechtlich einwandfrei gehandhabt. Die
Anlage des streitbefangenen Verwaltungsvermögens (§ 263 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
V)) in Aktien sei unzulässig. Vorschriften über die Geldanlage von privaten Versicherungsunternehmen seien für die
Klägerin nicht einschlägig. Es gehe hier auch nicht um die Bewertung von Rückstellungen oder die Beteiligung eines
Sozialversicherungsträgers an privatrechtlichen Unternehmungen (Urteil vom 25. August 2005).
8
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 89 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IV, § 80 Abs 1 SGB IV sowie -
sinngemäß - von § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG): Weder habe sie rechtswidrig gehandelt noch habe die Beklagte
sie genügend beraten. Letztere habe sich nicht auf eine Beanstandung beschränken dürfen, sondern hätte - wie das
LSG - sachkundigen Rat einholen müssen. Andere gesetzliche und untergesetzliche Vorschriften und das Gutachten
des Betriebswirtschaftlers Prof. Dr. Bösch vom 5. Februar 2006 belegten, dass eine Anlage der vorliegenden Art
hinreichend sicher sei. Sie (die Klägerin) sei im streitbefangenen Bereich funktional als "Unternehmen" ohne sozialen
Zweck im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) einzustufen und unterliege insoweit nur
den für den "allgemeinen Wettbewerb" geltenden Regelungen; insoweit komme hier die Einholung einer
Vorabentscheidung des EuGH in Frage.
9
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. August 2005 aufzuheben und die
Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. Mai 2002 zurückzuweisen, hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Bayerische Landessozialgericht zurückzuverweisen,
weiter hilfsweise, die Rechtssache dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art 234 EG zur Vorabentscheidung der
Frage vorzulegen, ob die Klägerin hinsichtlich der Verwaltung ihres Deckungskapitals für Pensionsverpflichtungen
gegenüber ihren Mitarbeitern als Unternehmen am Wettbewerb iS der Art 81 ff EG mit der Folge teilnimmt, dass dann
auch die Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes und der Anlageverordnung auf die Anlage des genannten
Deckungskapitals anzuwenden sind.
10
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
11
Sie hält das LSG-Urteil für zutreffend und verweist auf ihre Aufgaben im Rahmen der Rechtsaufsicht; eine
"Anlageberatung" sei ihr nicht abverlangt.
II
12
Die zulässige Revision der klagenden BKK ist unbegründet.
13
Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die Anordnung der beklagten Aufsichtsbehörde vom 30. März 1999 in dem
allein noch streitigen ersten Punkt, für den trotz der bereits vollzogenen beanstandeten Kapitalanlage durch die
Klägerin weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, rechtmäßig ist. Die Beklagte hat sich aufsichtsrechtlich
gesetzeskonform verhalten und die Klägerin zu Recht verpflichtet, das Deckungskapital für die von dieser als
Rechtsnachfolgerin der Siemens AG zu erfüllenden Leistungszusagen aus der betrieblichen Altersversorgung nicht in
dem Wertpapier-Spezialfonds mit 30 %igem Aktienanteil ohne besondere Einlagesicherung anzulegen, weil diese
Anlageform gegen materielles Recht verstößt.
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1. Die Beklagte hat nicht gegen die thematisch allein einschlägigen, für das Recht der staatlichen Aufsicht über
Sozialversicherungsträger geltenden Maßstäbe verstoßen, insbesondere nicht gegen die sich in diesem
Zusammenhang ergebenden Beratungspflichten.
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a) Ausgangspunkt für Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verpflichtungsanordnung sind die Regelungen des für die
Sozialversicherungsträger (§ 29 Abs 1 SGB IV) einschlägigen Aufsichtsrechts der §§ 87 ff SGB IV, nicht aber
diejenigen des für privatrechtlich organisierte Institutionen geltenden Gesetzes über die Beaufsichtigung der
Versicherungsunternehmen und das dazu ergangene ergänzende Recht. Gemäß § 89 Abs 1 Satz 2 SGB IV konnte
die Beklagte mit bundesweitem Zuständigkeitsbereich für die klagende BKK zuständige Aufsichtsbehörde (§ 90 Abs 1
Satz 1 SGB IV) nach vorheriger, erfolglos verlaufener Beratung im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens die
Verpflichtung der Klägerin aussprechen, eine festgestellte Rechtsverletzung zu beheben. Sie hatte darüber zu
wachen, dass die Klägerin die Gesetze und sonstiges für die Versicherungsträger maßgebendes Recht beachtet.
Dieser Aufgabe ist die Beklagte gerecht geworden.
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b) Die Beklagte hat im Einklang mit § 89 Abs 1 Satz 1 SGB IV zunächst darauf hingewirkt, dass die Klägerin die
beanstandete Rechtsverletzung in Eigenregie behob (Schreiben vom 16. Juli und 22. Dezember 1998 sowie 3. Februar
1999). Da sie dem nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Frist unter Androhung einer Aufsichtsanordnung
nicht nachkam, durfte sie verpflichtet werden, die Rechtsverletzung zu beheben (§ 89 Abs 1 Satz 2 SGB IV).
17
c) Die Bindung der Klägerin an das für die Sozialversicherungsträger geltende Aufsichtsrecht des SGB IV und die
spiegelbildliche Befugnis der Beklagten, aufsichtsrechtlich auf die Einhaltung der maßgeblichen Regelungen zu
dringen, kann von der Klägerin nicht unter Hinweis auf einen vermeintlichen "privat-korporationsrechtlichen Charakter"
der BKKn in Frage gestellt werden. Ihre Auffassung, dass die BKKn im hier betroffenen Bereich (lediglich) ähnlichen -
geringeren als von der Beklagten angenommen - Bindungen unterliegen könnte, wie ein privatrechtlich organisiertes
Versicherungsunternehmen, ist irrig. Hinweise der Klägerin auf gesetzliche und untergesetzliche Vorschriften zum
Recht der privaten Versicherungsaufsicht oder über die Geldanlage von Trägerunternehmen der betrieblichen
Altersversorgung, die ihr eigenes Vorgehen vermeintlich rechtfertigen, gehen ins Leere; solche Regelungen scheiden
für Körperschaften des öffentlichen Rechts als Maßstab für die Aufsichtstätigkeit der Beklagten von vornherein aus
(zum fehlenden Einfluss des europäischen Wettbewerbsrechts auf den rechtlichen Prüfungsmaßstab vgl unten 3.).
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Wie bereits der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinen den Risikostrukturausgleich betreffenden Urteilen
vom 24. Januar 2003 (zB B 12 KR 19/01 R - BSGE 90, 231, 264 f = SozR 4-2500 § 266 Nr 1 RdNr 99 ff) entschieden
hat, ist das Verständnis von einem privat-korporationsrechtlichen Charakter einer BKK wie der Klägerin (§§ 147 ff
SGB V, § 21 Abs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)) durch das geltende Recht nicht gedeckt; auch kann von
einer daraus abzuleitenden Grundrechtsfähigkeit der Krankenkassen (weiterhin) nicht ausgegangen werden. Die durch
das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) mit Wirkung vom 1. Januar 1996 in das Recht
der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführten "wettbewerblichen Elemente" - die ohnehin primär das Verhältnis
der Krankenkassen zueinander betreffen, ohne den öffentlich-rechtlichen Charakter der Sozialversicherung in Frage zu
stellen - haben insoweit keine Änderungen gegenüber dem zuvor geltenden Rechtszustand bewirkt (ähnlich bereits
Senat, BSGE 82, 78, 81 f = SozR 3-2500 § 4 Nr 1 S 5). Dass die Krankenkassen nicht auf einer Stufe mit privaten
Versicherungsunternehmen stehen, hat auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem
Nichtannahmebeschluss vom 9. Juni 2004 - 2 BvR 1249/03 ua (SozR 4-2500 § 266 Nr 7) bestätigt. Daran ist
festzuhalten. Neue rechtlich erhebliche Gesichtspunkte sind dazu nicht ersichtlich.
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d) Es gibt keine im Revisionsverfahren erheblichen Anhaltspunkte (vgl §§ 162, 163 SGG) dafür, dass der Klägerin
nach dem vorangegangenen Verfahrensablauf die der Beanstandung zu Grunde liegenden Tatsachen nicht deutlich
genug erkennbar gewesen sein könnten oder dass sie sich auf eine zu erwartende, an ihr Beharren auf der von ihr für
sachgerecht erachteten Anlage der für die Pensionsrückstellungen vorgesehenen Geldmittel nicht hätte einstellen
können. Da eine intensivere Beratung der Klägerin nicht aussichtsreich war, bestanden über das von der Beklagten
Veranlasste hinaus keine weitergehenden aufsichtsrechtlichen Pflichten. Denn der Verwaltungsrat der Klägerin hatte
schon ca ein halbes Jahr vor Erlass der Verpflichtungsanordnung am 4. Dezember 1998 beschlossen, der streitigen
Anlage der Deckungsmittel in dem Wertpapier-Spezialfonds zuzustimmen und zugleich bereits in diesem Stadium den
Vorstand ermächtigt, gegen eine anders lautende Verpflichtung der Beklagten juristisch vorzugehen. Da die Klägerin
somit ersichtlich von vornherein auf eine gerichtliche Auseinandersetzung festgelegt war, schieden weitergehende
Pflichten der Beklagten aus.
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e) Anders als die Revision meint, war die Beklagte bei alledem nicht gehalten, sie "fachlich versiert" über die
Möglichkeiten einer Geldanlage zu beraten. Die Klägerin verkennt, dass es bei den Maßnahmen nach § 89 SGB IV
um solche der staatlichen Rechtsaufsicht geht. Eine der Aufsichtsbehörde obliegende Pflicht aufzuzeigen, bei welcher
konkreten Anlageform im finanzwissenschaftlich-betriebswirtschaftlichen Sinn von einer möglichst vorteilhaften
Geldanlagestrategie auszugehen ist, enthält das SGB IV nicht (vgl § 87 Abs 1 Satz 2 SGB IV); nur im Bereich der
Prävention in der gesetzlichen Unfallversicherung erstreckt sich die Aufsicht generell auch auf Umfang und
Zweckmäßigkeit der Maßnahmen eines Versicherungsträgers. Damit war auch das LSG im Rahmen seiner
Rechtskontrolle nicht verpflichtet, mit sachverständiger Hilfe in weitere Ermittlungen zur diesbezüglichen Aufklärung
des Sachverhalts einzutreten; die hilfsweise beantragte Zurückverweisung an das LSG kam nicht in Betracht.
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Eine ordnungsgemäße aufsichtsrechtliche Beratung erfordert regelmäßig nur, dass die Aufsichtsbehörde den
beratenen Versicherungsträger unter Berücksichtigung seiner individuellen und speziellen Verhältnisse darauf
hinweist, dass und aus welchen Gründen er das Recht verletzt hat und welche Maßnahmen zu Gebote stehen, diese
Rechtsverletzung zu beheben (so bereits BSG SozR 3-2400 § 69 Nr 1 S 4; zuletzt: Senatsurteil vom 22. März 2005 -
B 1 A 1/03 R - BSGE 94, 221 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3, jeweils RdNr 11 am Ende). Das hat die Beklagte beachtet,
weil sie der Klägerin in der Aufsichtsanordnung die Voraussetzungen für ihre Beteiligung an einem Wertpapier-
Sondervermögen ohne die Gefahr eines möglichen Verlusts des Deckungskapitals aufgezeigt hat. Der Einwand der
Klägerin, die von der Beklagten in Bezug genommenen Bedingungen seien unter dem Blickwinkel anzustellender
Renditeerwägungen unzureichend, ist der Klärung in einem aufsichtsrechtlichen Rechtsstreit nicht zugänglich.
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2. Der in der Verpflichtungsanordnung der Beklagten vom 30. März 1999 gerügte materiell-rechtliche Rechtsverstoß
der Klägerin liegt vor. Sie ist hiergegen ermessensfehlerfrei eingeschritten.
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a) Zwar muss die Aufsichtstätigkeit der Beklagten den Selbstverwaltungsbefugnissen der Klägerin als Trägerin
mittelbarer Staatsverwaltung Rechnung tragen, gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass die
Sozialversicherungsträger Aufgaben in eigener Verantwortung "im Rahmen des Gesetzes und des sonstigen für sie
maßgeblichen Rechts" erfüllen (§ 29 Abs 3 SGB IV). Hierbei ist die Aufsichtsbehörde innerhalb ihrer Zuständigkeit zB
auch berechtigt, die Geschäfts- und Rechnungsführung des Versicherungsträgers zu prüfen (§ 88 Abs 1 SGB IV). Der
auch im Aufsichtsrecht geltende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Grundsatz maßvoller Ausübung der
Rechtsaufsicht gebieten es allerdings, dem beaufsichtigten Leistungsträger bei seiner Verwaltungstätigkeit einen
gewissen Bewertungsspielraum zu belassen (vgl zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zB:
Stober/Schuler in: Wannagat, SGB IV, § 89 RdNr 8; zur Einschätzungsprärogative der Sozialversicherungsträger
allgemein: Schirmer/Kater/Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung - Ergänzbares Handbuch für die Praxis, 220 -
Rechtsaufsicht S 5 mwN; Funk, VSSR 1990, 261, 271 f mwN; Gleitze in: GK-SGB IV, 2. Aufl 1992, § 89 RdNr 4 und
9). Im Bereich der Sach- und Vermögensverwaltung, die dem Bereich der Finanzverwaltung (Mittelbewirtschaftung)
zuzurechnen sind, können daher Entscheidungen der Versicherungsträger aufsichtsrechtlich hinzunehmen sein,
sofern sie "wirtschaftlich vertretbar" sind (vgl schon BSGE 71, 108, 110 = SozR 3-2400 § 69 Nr 1 S 4 mwN; vgl auch
Kaltenborn, SGb 1999, 444, 449). Das gilt allerdings nur insoweit, als dafür auch entsprechende
Gestaltungsspielräume eröffnet sind, indem zB das Gesetz einen unbestimmten Rechtsbegriff verwendet, der
mehrere Auslegungen zulässt und dessen Auslegung noch ungeklärt ist. Nur wenn sich das Handeln des
Versicherungsträgers noch im Bereich des rechtlich Vertretbaren bewegt, sind förmliche Aufsichtsmaßnahmen, die
dieses beanstanden, rechtswidrig (vgl Schirmer/Kater/Schneider, aaO, 350 - Rechtsaufsicht - Aufsichtsmittel, a) aa) S
2). Der Bewertungsspielraum des beaufsichtigten Sozialversicherungsträgers endet, wenn er gegen allgemein
anerkannte Maßstäbe verstoßen hat, die diesen Spielraum einengen oder ausschließen; eine solche
Grenzüberschreitung stellt regelmäßig eine grundsätzlich der aufsichtsrechtlichen Beanstandung unterliegende
Rechtsverletzung iS von § 89 SGB IV dar (vgl zum Ganzen zB: BSGE 67, 85, 89 = SozR 3-2400 § 89 Nr 1 mwN;
BSGE 71, 108, 110 = SozR 3-2400 § 69 Nr 1; BSGE 86, 203, 206 f = SozR 3-2500 § 80 Nr 4 S 33 mwN; zuletzt:
BSGE 94, 221 RdNr 19 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 20).
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Von den aufgezeigten Grundsätzen abweichende Maßstäbe gelten nur im Rahmen der - hier nicht betroffenen -
gesetzlich normierten Genehmigungsvorbehalte (zB § 41 Abs 4 Satz 3, § 85 Abs 1 Satz 1 SGB IV, vgl BSG SozR 3-
2400 § 41 Nr 1 S 3 mwN; zuletzt BSG (2. Senat), Urteil vom 16. November 2005 - B 2 U 14/04 R), die jedoch bei den
hier betroffenen Vermögensanlagen nicht bestehen.
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b) Die Aufsichtsanordnung nimmt zu Recht einen Verstoß gegen § 80 Abs 1 SGB IV an. Nach dieser Regelung sind
die Mittel des Versicherungsträgers so anzulegen und zu verwalten, "dass ein Verlust ausgeschlossen erscheint, ein
angemessener Ertrag erzielt wird und eine ausreichende Liquidität gewährleistet ist". Dem entspricht die von der
Klägerin vorgenommene Anlage des Deckungskapitals der Pensionsrückstellungen ihrer Arbeitnehmer in einer
Anlageform mit 30 %igem Aktienanteil ohne besondere Einlagesicherung nicht.
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aa) Der Ausgangspunkt der Erwägungen des LSG, wonach § 80 SGB IV der beklagten Aufsichtsbehörde (und nicht
der Klägerin) einen Beurteilungsspielraum eröffne, ist allerdings unzutreffend. Nach der unter 2.a) dargestellten
Rechtslage sind umgekehrt eher dem mit Selbstverwaltungsbefugnissen ausgestatteten Sozialversicherungsträger
Bewertungsspielräume eröffnet, solange das Recht dem nicht entgegensteht (ähnlich im Ergebnis zB Kaltenborn, SGb
1999, 444, 449). Einen nur beschränkter gerichtlicher Überprüfung zugänglichen Beurteilungsspielraum erkennt die
höchstrichterliche Rechtsprechung dagegen immer nur an, wenn die entscheidende Stelle auf Grund besonderer
Erfahrungen oder Sachkunde für die Beurteilung außerrechtlicher Gesichtspunkte in erster Linie berufen ist, eine
verbindliche Qualifikation vorzunehmen, wie zB bei Prüfungsentscheidungen oder bei arbeitsmarktpolitischen
Entscheidungen (vgl zB Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 54 RdNr 27b mwN; Maurer,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl 2004, § 7 RdNr 31 ff mwN). Ein solches Beurteilungs-Privileg zu Gunsten der
Aufsichtsbehörde besteht im Rahmen der Rechtsaufsicht nicht. Davon zu trennen ist allerdings der Umstand, dass
die Aufsichtsbehörde zum Einschreiten gegenüber dem Beaufsichtigten nach pflichtgemäßem Ermessen berechtigt
ist und dass ihre dafür angeführten Erwägungen gerichtlich insoweit nur eingeschränkt überprüfbar sind (dazu unten
2.c).
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bb) Trotz des vom LSG-Urteil abweichenden Ausgangspunktes für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des
aufsichtsrechtlichen Einschreitens der Beklagten ergibt sich kein der Klägerin günstiges Ergebnis. § 80 Abs 1 SGB IV
selbst macht hinreichend deutlich, dass bei jeglicher Geldanlage dem von der Beklagten als entscheidend
angesehenen Gesichtspunkt, "dass ein Verlust ausgeschlossen erscheint" im Rahmen der Verwaltung der Mittel der
Sozialversicherungsträger im Zweifel der Vorrang vor dem Gesichtspunkt der Ertragserzielung zukommen muss
(ebenso: Gleitze in: GK-SGB IV, aaO, § 80 RdNr 1, 2; Hassenkamp in: Wannagat, aaO, § 80 SGB IV RdNr 6, 7;
Hauck/Noftz, SGB IV, K § 80 RdNr 4; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, SGB IV, § 80 RdNr 2, 6; aA: Schramm in:
Jahn, SGB für die Praxis, § 80 SGB IV RdNr 5). Daraus ergibt sich, dass das - niemals absolut auszuschließende -
Risiko von Verlusten jeweils zumindest so weit wie möglich gemindert werden muss (ähnlich: Hassenkamp, ebenda;
Grüner, SGB IV 1/3, § 80 Anm II.1). Dies schließt eine Vermögensanlage in Wertpapieren aus, die auf einem
merklichen, hier 30 % betragenden Aktienanteil ohne besondere Einlagesicherung aufbaut.
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Die Grundsätze der Anlagesicherheit, der Erzielung eines angemessenen Ertrages und der Sicherstellung einer
ausreichenden Liquidität der Sozialversicherungsträger überschneiden sich und können in einem Zielkonflikt
zueinander stehen, der im Zweifel zu Gunsten der Anlagesicherheit zu lösen ist. Dies ergibt sich bereits aus dem
Wortlaut und dem systematischen Aufbau des § 80 Abs 1 SGB IV. Der Aspekt, dass ein "Verlust ausgeschlossen
erscheint", wird in der dortigen Aufzählung der drei Anlagekriterien an erster Stelle genannt und ist schon deshalb
vorrangig zu berücksichtigen. Dieser Vorrang wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm und teleologische
Gesichtspunkte weiter unterstrichen.
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(1) Es entspricht allgemeiner Erfahrung, dass der versprochene oder erwartete Ertrag einer Geldanlage typischerweise
umso höher sein wird, je risikobehafteter die Anlage einzuschätzen ist; denn wenn die Anlage - ähnlich wie eine
unternehmerische Tätigkeit - in verstärktem Maße die Gefahr von Verlusten mit sich bringt, wird dies am Markt in der
Regel durch attraktivere Ertragskonditionen wettgemacht. Indessen hat das Gesetz das Ziel möglichst hoher
Kapitalerträge nicht zur entscheidenden Richtschnur für Vermögensanlagen gemacht. § 80 Abs 1 SGB IV verlangt
von den Sozialversicherungsträgern nämlich auch an zweiter Stelle nicht die Erzielung eines "höchstmöglichen" oder
"möglichst hohen", sondern nur eines "angemessenen" Ertrages. Obschon das Gesetz von den
Sozialversicherungsträgern seit 1969 nicht mehr - wie noch § 26 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der Fassung
von 1911 - in strikter Weise die Anlage ihres Vermögens nach den für Mündelgeld geltenden Vorschriften (§§ 1807,
1808 Bürgerliches Gesetzbuch) fordert (vgl dazu zB Kommentar des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger
(VDR), § 80 SGB IV RdNr 6), ist in der Wortwahl des § 80 Abs 1 SGB IV eine Relativierung der Ertragserzielung
gegenüber dem Gesichtspunkt der Anlagesicherheit zu sehen. Trotz der oftmals bestehenden Korrelation zwischen
der Länge der Laufzeit einer Geldanlage und der dabei langfristig versprochenen und kalkulierbaren Ertragshöhe
spricht auch dies nicht zwingend für eine Präferenz solcher Anlageformen und die Begünstigung einer von der
Klägerin hervorgehobenen langfristigen Geldanlage in Aktien. Zwar erfordert eine kurzfristige Anlage nach Ablauf der
Bindungsfrist alsbald wieder eine erneute Anlageentscheidung in Abhängigkeit von der dann aktuellen Lage auf den
Finanzmärken mit möglicherweise schlechteren Konditionen. Auch wenn zeitlich begrenzte Anlagen renditemindernd
wirken können, ist dies hinzunehmen; denn das dritte gesetzliche Kriterium der Gewährleistung einer ausreichenden
Liquidität der Sozialversicherungsträger wiederum spricht gerade für Anlageformen (zB in Tagesgeld), die im
Bedarfsfall eine schnelle Verfügbarkeit der finanziellen Mittel gewährleisten (für den Vorrang des Gesichtspunktes der
Liquidität vor dem Ertrag zB auch: VDR-Kommentar, § 80 SGB IV RdNr 6; Zweng/Scheerer/ Buschmann/Dörr, aaO, §
80 SGB IV RdNr 6). Auch insoweit kann es nicht entscheidend auf die Erzielung des optimalen finanziellen Erfolges
einer konkreten Vermögensanlage durch einen Sozialversicherungsträger ankommen. Vor diesem Hintergrund ist die
Anlage von Verwaltungsvermögen in Anlageformen mit einem 30 %igen Aktienanteil ohne besondere bankenmäßige
Einlagesicherung unzulässig, weil sich dabei ein zu hohes, den gesetzlichen Anforderungen nicht genügendes
Verlustrisiko ergibt. Dies illustrieren nicht zuletzt die von der Klägerin im Berufungsverfahren mitgeteilten
Ertragszahlen für den Anlagezeitraum seit Anlage in dem Fonds im Jahr 1999 bis zum Jahr 2004.
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(2) Dies wird dadurch unterstrichen, dass die Vermögensanlage der Sozialversicherungsträger - auch im Hinblick auf
die in § 69 Abs 2 SGB IV verankerte Pflicht zur wirtschaftlichen Haushaltsführung - kein Selbstzweck im Sinne der
Erzielung möglichst hoher Erträge und Einnahmen aus Kapitalvermögen ist. Die Geldanlage hat vielmehr dienende
Funktion, weil die Träger nach § 30 Abs 1 SGB IV nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder
zugelassenen Aufgaben führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie für die Verwaltungskosten verwenden
dürfen. Das SGB IV knüpft dabei hinsichtlich des Vermögensschutzes der Sozialversicherungsträger an die
Regelungen der RVO an (vgl Regierungsentwurf zum SGB IV, BT-Drucks 7/4122 S 35 und S 37 zu § 31 bzw § 81 des
Entwurfs). Der schon unter der Überschrift "V. Vermögen" in § 25 Abs 1 und 3 RVO angelegt gewesene besondere
Vermögensschutz wiederum ist der besonderen öffentlich-rechtlichen Organisationsform der Sozialversicherung
geschuldet, die nicht mit allumfassender Zuständigkeit geschaffen wurde, sondern nur zur Durchführung einer im
Wesentlichen auf dem Prinzip der Versicherungspflicht aufbauenden Sicherungsform gegen die Wechselfälle des
Lebens; daraus ergibt sich die Notwendigkeit, durch einen entsprechenden Gesetzesvorbehalt die stets nur
zweckgebundene bzw aufgabenbezogene Verwaltungstätigkeit und Mittelverwendung der Sozialversicherungsträger
sicherzustellen (vgl allgemein: H. Peters, SGB IV, Stand September 1993, § 30 Anm 4, 5; Krause in: GK-SGB IV,
aaO, § 30 RdNr 5, 10; Maier in: Kasseler Kommentar, Stand: Mai 1993, § 30 SGB IV RdNr 1; Hassenkamp in:
Wannagat, aaO, Stand Februar 2000, § 30 RdNr 1, 2; Steinbach in: Hauck/Noftz, SGB IV, Stand April 2004, K § 30
RdNr 1, 3; ausführlicher zB: Bieback, Die öffentliche Körperschaft, 1976, S 337 ff; Kretschmer, Der Vorbehalt des
Gesetzes im Sozialversicherungsrecht, Diss Berlin, 1983, S 32 ff, 45 ff, 60 ff). Da die Krankenkassen ihre Mittel nach
§ 30 Abs 1 SGB IV nur dafür verwenden dürfen, einen ordnungsgemäßen Verwaltungsbetrieb zur Erledigung der ihnen
nach dem Krankenversicherungsrecht obliegenden Aufgaben zu ermöglichen, muss sich nach diesen Aufgaben auch
die Finanzierung und Erfüllung der Ansprüche auf eine den Mitarbeitern zugesagte betriebliche Altersversorgung
ausrichten, gleich, ob man in den darauf gerichteten Aktivitäten die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe sieht (§ 17
SGB I) oder diese den Verwaltungskosten zuordnet.
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(3) Auch die von der Siemens AG für die Erfüllung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zur Verfügung
gestellten finanziellen Mittel unterliegen den allgemein durch § 30 Abs 1 SGB IV und speziell - als dem
Verwaltungsvermögen der Klägerin zuzurechnendes Kapital - durch § 80 Abs 1 SGB IV konkretisierten Bindungen.
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Nach § 263 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V umfasst das Verwaltungsvermögen der Krankenkasse auch die für künftig zu
zahlende Versorgungsbezüge der Bediensteten und ihrer Hinterbliebenen bereitgehaltenen Geldmittel, soweit sie für
die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkasse erforderlich sind. Es ist nicht den Rücklagen iS von § 82 SGB IV
zuzuordnen, weil es nicht - vergleichbar der Schwankungsreserve in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 216
Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) - um Kapital geht, das für den Fall von Einnahme- und Ausgabeschwankungen
verwendet werden soll; vielmehr sollen damit bereits aktuell feststehende und nur hinsichtlich des Eintritts ihrer
Fälligkeit noch ungewisse Forderungen gegen die Krankenkasse befriedigt werden. Eine Zuordnung zum
Betriebsvermögen (§ 81 SGB IV) scheidet ebenfalls aus, da es sich - soweit Leistungsfälle in größerer Zahl erst in
späterer Zeit zu erwarten sind - (noch) nicht um kurzfristig verfügbare Mittel für laufende Ausgaben handelt.
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Trotz der Zuordnung des für die Befriedigung von Ansprüchen aus der betrieblichen Altersversorgung vorgesehenen
Kapitalstocks der Klägerin zu ihrem Verwaltungsvermögen darf bei der Beurteilung der Anlagesicherheit deren
Einbindung in die gesamte Haushaltstätigkeit nicht vernachlässigt werden. Die Anlagesicherheit wäre nämlich nicht
gewährleistet, wenn die vorgenommene Vermögensanlage infolge eintretender Verluste zur Abdeckung von
Forderungen nicht ausreichen sollte und Defizite möglicherweise aus dem laufenden Beitragsaufkommen
ausgeglichen werden müssten. Da dieses Risiko schon im Rahmen der Geldanlage selbst ausgeschlossen werden
muss, müssen auch bereits in diesem Stadium die Bonität des Schuldners und die Bonität der gewählten Anlageform
gewährleistet sein. Obwohl dabei keine absolute, sondern eine im Verhältnis zu anderen Anlagemöglichkeiten
vorteilhafte Sicherheit gefordert ist, ist die Anlagesicherheit bei Geldanlagen mit einem merklichen, hier 30 %
betragenden Aktienanteil im Verhältnis zur Anlage in fest verzinslichen Anlageformen aus Rechtsgründen zu
verneinen, wenn es dabei zumindest an einer gesonderten Einlagesicherung fehlt.
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Die zum Teil erheblichen Börsenkurs-Schwankungen sind mit der stets naheliegenden Gefahr eines Absinkens des
Werts unter den Einstandspreis bis hin zur faktischen Wertlosigkeit verbunden, wie zahlreiche Beispiele der letzten
Jahrzehnte belegen. Die bei Aktien nicht garantierten laufenden Dividendenzahlungen bringen für einen Anleger
zusätzliche Unwägbarkeiten mit sich, welche durch höhere Renditechancen in Form von Kursgewinnen nur begrenzt
aufgefangen werden. Vor allem ist die Gefahr nicht auszuschließen, dass ein Sozialversicherungsträger wie die
Klägerin vor die Situation gestellt sein könnte, zusätzliches Vermögen investieren zu müssen, um Kursverluste zu
kompensieren und so der Versichertengemeinschaft Gelder zu entziehen, oder außerplanmäßig Rentenpapiere zu
veräußern.
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Speziell bezogen auf die hier konkret im Raum stehende Verwendung der Vermögenserträge für die Erfüllung von
Ansprüchen aus der betrieblichen Altersversorgung fällt ins Gewicht, dass sich der Bedarf nach Kapital für die
Klägerin zeitlich nur begrenzt kalkulieren lässt, sodass sich dabei in besonderem Maße die Gefahr ergeben kann,
Aktien mit Verlust veräußern zu müssen oder Rentenanlagen vorzeitig aufzulösen. Denn Verbindlichkeiten aus der
betrieblichen Altersversorgung entstehen nicht nur beim Tod des Begünstigten durch Leistungen an Hinterbliebene
(vgl § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung). Es kann sogar nicht einmal davon
ausgegangen werden, dass solche betrieblichen Leistungen nur bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters von
Berechtigten anfallen, vielmehr müssen Leistungspflichten bei eintretender Erwerbsminderung der Betroffenen ebenso
einkalkuliert werden wie deren vorzeitige oder teilweise Inanspruchnahme von Alterssicherungsleistungen; Letzteres
könnte auch für die Klägerin zu einem Massenphänomen werden, etwa wenn die arbeitsmarktpolitische Gesetzgebung
ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben begünstigt oder aus betriebswirtschaftlichen Gründen ein größerer
Personalabbau angestrebt würde. Die künftige Entwicklung der äußeren Rahmenbedingungen ist insoweit nicht derart
sicher vorhersehbar, dass ein vorzeitiger Rückgriff auf den Kapitalstock und die Gefahr eines Herabsinkens seines
Wertes unter das ursprüngliche Deckungskapital bei einer Geldanlage mit merklichen Aktienanteilen ausgeschlossen
werden kann. Dieses Risiko besteht bei der Anlage in festverzinslicher Form nicht in gleicher Weise, weil hier eine
bankenmäßige Einlagesicherung erfolgen bzw typischerweise mit festen laufenden Zinserträgen sowie einer späteren
Einlösung von Rentenpapieren zumindest zum Nennwert kalkuliert werden kann. Unerheblich ist in diesem
Zusammenhang auch die von der Klägerin angeführte geringe Auswirkung auf die nominelle Beitragssatzhöhe; denn
es kann keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass auch schon der von einer Krankenkasse verantwortete Verlust
einstelliger Millionenbeträge durch unsichere Geldanlagen mit spekulativer Komponente nicht vom Gesetz gedeckt ist,
selbst wenn dies angesichts eines um das Vielfache größeren Gesamthaushalts nur geringfügige Auswirkungen auf
den Beitragssatz für Versicherte und Arbeitgeber hat.
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(4) Dass die Gefahr entsprechender Verluste trotz des diese vermeintlich ausschließenden, durch
betriebswirtschaftliche Erwägungen untermauerten Risiko-Mixes der konkret gewählten Anlageform und der
Geringfügigkeit des Finanzvolumens nicht nur rein theoretischer Natur ist, belegt nicht zuletzt die Situation bei der
Klägerin in den Jahren 1999 bis 2004 selbst. Während die angestrebte und kalkulierte Rendite nach den Angaben im
Verwaltungsverfahren ursprünglich 6,5 % jährlich betragen sollte bzw sich die den Begünstigten zugesagte
Jahresrendite (nach den Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. Bösch) auf 5,75 % belief, wurde mit dem Aktienanteil
im gesamten Fünf-Jahres-Zeitraum von 1999 bis 2004 tatsächlich nur eine Vermögenssteigerung von insgesamt 1,4
% erzielt. Dieser Wert liegt ganz erheblich unter den durchschnittlichen Umlaufrenditen für festverzinsliche
Wertpapiere inländischer Emittenten, die nach den Berechnungen der Deutschen Bundesbank von 1999 bis 2004 3,7
% bis 5,4 % pa betrugen (vgl Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank, Statistisches Beiheft zum
Monatsbericht Januar 2005, S 6, im Internet im Juni 2006 recherchiert unter: www.bundesbank.de/volkswirtschaft/vo
beihefte kapitalmarktstatistik.php). Ein-Monats-Festgelder erbrachten in den Jahren 1999 bis 2004 - je nach
Anlagezeitpunkt - Zinssätze zwischen ca 2 % und 4,0 % pa (vgl: Die Geldpolitik des Eurosystems, im Internet im
Juni 2006 recherchiert unter: http://www.bundesbank.de/download/bildung/geld sec2/geld2 06.pdf (S 59)). Selbst
Tagesgeld wurde in diesen Jahren - abhängig vom Anlagezeitpunkt - mit Sätzen von 2,08 % bis zu 5,8 % verzinst (vgl
Deutsche Bundesbank, Zeitreihe su0103: Geldmarktsätze am Frankfurter Bankplatz/Tagesgeld/Höchstsatz im Monat,
im Internet recherchiert im Juni 2006 unter: http://www.bundesbank.de/statistik/statistik zeitreihen.php?
func=row&tr=su0103). Bezogen auf den Aktienanteil der Klägerin ergab sich bei einer Fünf-Jahres-Betrachtung von
1999 bis 2004 dagegen nur eine jährliche Kapitalverzinsung von 0,28 %, wobei zu bemerken ist, dass die
Börsenkurse im Laufe dieser Jahre massiv einbrachen und sich auch bei ihrem Aktienvermögen zwischenzeitlich
erhebliche Verluste ergeben haben dürften (vgl Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank, aaO, S 47:
Kursindex CDAX (auf der Basis 1987: 100) 1999: 445,95; 2000: 396,59; 2001: 319,38; 2002: 188,46; 2003: 252,48;
2004: 268,32).
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c) Die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung von dem ihr eingeräumten Ermessen, gegen die festgestellte
Rechtsverletzung einzuschreiten, in rechtlich beanstandungsfreier Weise Gebrauch gemacht (vgl § 54 Abs 2 Satz 2
SGG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Sie hat sich davon leiten lassen, dass es um einen Fall geht, dem über
die konkreten Verhältnisse bei der Klägerin hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es war dabei nicht
sachwidrig, der Sicherung der Altersversorgung der Mitarbeiter und der Sicherung des dafür zur Verfügung gestellten
Deckungskapitals einen höheren Stellenwert einzuräumen als dem Interesse der Klägerin, trotz der vielfältigen, auf
dem Kapitalmarkt zur Verfügung stehenden Anlagemöglichkeiten gerade auf den streitigen Wertpapier-Spezialfonds
bei der SKAG zurückzugreifen. Keiner Beanstandung unterliegt auch, dass die Beklagte generalpräventive
Erwägungen angestellt und entscheidend darauf abgehoben hat, dass andere Sozialversicherungsträger dem Beispiel
der Klägerin folgen könnten. Zu Gunsten der Beklagten sind ferner Abgrenzungsschwierigkeiten in Rechnung zu
stellen, die sich bei der aufsichtsbehördlichen Hinnahme eines Aktienanteils von 30 % ergeben würden.
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Für ein milderes Mittel als das aufsichtsbehördliche Einschreiten ist vor diesem Hintergrund ebenfalls nichts
ersichtlich.
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3. Die aufsichtsrechtlichen Maßnahmen der Beklagten verstoßen nicht gegen das Recht der Europäischen
Gemeinschaft.
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Die Aufsichtsmaßnahmen der Beklagten sind keine Handlungen iS der Art 81, 86 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft (EG, Amsterdamer Fassung), die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten
beeinträchtigen könnten oder die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des
Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Vorliegend fehlt es bereits daran, dass der Anwendungsbereich der
Art 81 ff EG eröffnet ist. Denn BKKn sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts in ihrer Eigenschaft als zur
Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zuständige Behörden nach der Rechtsprechung des EuGH
aus dem Anwendungsbereich der europäischen Wettbewerbsvorschriften ausgenommen. Zwar versteht der EuGH im
Rahmen des europäischen Wettbewerbsrechts unter Unternehmen "jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende
Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung" (EuGHE 1991, I-1979, 2016 RdNr 21 = SozR
3-6030 Art 86 Nr 1 S 5 - Höfner und Elser (Bundesanstalt für Arbeit)). Er hat davon im Versicherungsbereich jedoch
die Einrichtungen ausgenommen, die obligatorische, auf dem Grundsatz der Solidarität beruhende Systeme der
sozialen Sicherheit verwalten, weil das Gemeinschaftsrecht die Befugnis der Mitgliedstaaten unberührt lässt, ihre
Systeme der sozialen Sicherheit auszugestalten (EuGHE 1993, I-637, 667 ff RdNr 6, 16 - 18 - Poucet und Pistre
(französisches Versicherungssystem für Krankheit und Mutterschaft); EuGHE 2002, I-691, 729 RdNr 31 ff - Cisal
(italienisches Versicherungssystem gegen Arbeitsunfälle); EuGHE 1999, I-5863, 5886 ff RdNr 78, 82 ff - Albany
(niederländischer Betriebsrentenfonds); zum Erfordernis einer Ausschließlichkeitsstellung als Voraussetzung sozialen
Ausgleichs vgl Giesen, SDSRV 48 (2001), 123, 138 mwN). Die deutsche GKV ist ein solches, auf dem Grundsatz der
Solidarität beruhendes obligatorisches System der sozialen Sicherheit; ihre Träger üben öffentliche Aufgaben der
sozialen Sicherheit mit allein sozialem Charakter und ohne Gewinnzweck aus. Hieran hat der EuGH auch in seinem
Festbetrags-Urteil festgehalten, bei dem es um die Festsetzung der Preise im Bereich des Leistungserbringerrechts,
also der Sache nach um die "Nachfrageseite" ging (vgl EuGH, Urteil vom 16. März 2004 - Rs C-264/01 ua - AOK-
Bundesverband, EuGHE 2004, I-2493 = SozR 4-6035 Art 81 Nr 1; vgl zur Nachfrageseite auch EuG, Gericht Erster
Instanz, EuGHE 2003, II-357 = EuZW 2003, 283 - FENIN).
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Soweit der EuGH Systeme oder Einrichtungen, die Zusatzrentensysteme verwalten oder durchführen, unter
bestimmten Voraussetzungen als Unternehmen angesehen hat, die in den Geltungsbereich des Art 81 EG fallen,
waren jeweils andere Funktionen dieser Einrichtungen betroffen. Hierbei handelte es sich um Systeme, die auf
freiwilliger Mitgliedschaft und dem Prinzip der Kapitaldeckung beruhen und ihre Leistungen allein nach Maßgabe der
gezahlten Beiträge und den Erträgen der vom System verwalteten Einrichtungen erbringen. Oder es waren Systeme
mit Pflichtmitgliedschaft, die die Höhe der Beiträge und Leistungen selbst bestimmen, nach dem
Kapitaldeckungsprinzip arbeiten und bei denen die Höhe der Leistungen von den Erträgen der Anlagen abhängt (vgl
BSG SozR 3-2600 § 2 Nr 5 S 35 mwN). Letzteres ist bei den Krankenkassen der deutschen GKV nicht der Fall (vgl
BSGE 90, 231, 267 f = SozR 4-2500 § 266 Nr 1 RdNr 107 f zum Risikostrukturausgleich).
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Aber selbst dann, wenn man - was der Senat ausdrücklich verneint - BKKn als Unternehmen im Sinne des
europäischen Wettbewerbsrechts ansehen wollte, läge keine europarechtswidrige Maßnahme der Beklagten vor. Das
europäische Wettbewerbsrecht lässt die Systemvorgaben des nationalen Rechts über den Grad der für die
Sozialversicherungsträger geltenden Anlagesicherheit unberührt. Denn die sich daraus für die Teilnahme am
Wettbewerb ergebenden Beeinträchtigungen liegen auf einem marktfernen Gebiet und haben allenfalls mittelbare und
unbedeutende Auswirkungen auf die Verhältnisse am Markt (vgl zB EuGHE 2000, I-6451, RdNr 94 ff - Pavlov ua./.
Stichting Pensioenfonds Medische Specialisten; zum Erfordernis "marktbezogener" Handlungen eines Unternehmens
als wettbewerbsrelevantes Kriterium zB Eilmansberger in: Streinz, EUV/EGV, 2003, Art 81 EGV RdNr 48 f mwN).
Vorbehaltlich eines Gestaltungsmissbrauchs sind daher auch die Entscheidung eines Mitgliedstaats, eine bestimmte
Form für die Anlage der Mittel zur sozialen Absicherung von Personengruppen vorzuschreiben und insoweit
aufsichtsrechtliche Schutzvorkehrungen vorzusehen, europarechtskonform (EuGH, ebenda, RdNr 98, 120 ff). Eine
Vorlage der Sache an den EuGH scheidet aus, denn eine Vorabentscheidung kommt nicht in Betracht, wenn die
europarechtskonforme Auslegung entscheidungserheblicher Normen durch die bereits ergangene Rechtsprechung des
EuGH geklärt ist (BSGE 70, 206 = SozR 3-4100 § 4 Nr 3 mwN; SozR 3-6050 Art 71 Nr 8 S 48) bzw die Richtigkeit der
Rechtsanwendung offenkundig ist und keinem vernünftigen Zweifel unterliegt (EuGHE 1982, 3415 - Srl
CILFIT/Lanificio di Gavardo SpA). So verhält es sich hier.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG aF, da die Klage bereits vor dem 2. Januar 2002 erhoben
worden ist.