Urteil des BSG vom 14.03.2001

BSG: krankenkasse, vertragsarzt, arzneimittel, krankenversicherung, rechtsgrundlage, versorgung, ausstellung, behandlungsfehler, kompetenz, begriff

Bundessozialgericht
Urteil vom 14.03.2001
Sozialgericht Kiel
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Bundessozialgericht B 6 KA 19/00 R
Auf die Revision der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 3.
November 1999 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht
zurückverwiesen.
Gründe:
I
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit eines Arzneikostenregresses für die Quartale III/1995 und IV/1995.
Die zu 1. beigeladene Krankenkasse beantragte im Juni 1996 die Prüfung der Verordnungsweise des als praktischer
Arzt zugelassenen Klägers. Dieser habe ohne erkennbares therapeutisches Konzept drogenabhängige Patienten
behandelt und dabei unter Nichtbeachtung zahlreicher Vorschriften der Arzneimittelrichtlinien (AMR) in großem
Umfang Verordnungen vorgenommen, die medizinisch nicht vertretbar seien und teilweise mit dem
Betäubungsmittelgesetz nicht in Einklang stünden. Der Prüfungsausschuß setzte einen Schadensersatzbetrag in
Höhe von 8.260,61 DM fest. Der beklagte Beschwerdeausschuß wies den Widerspruch zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid des Beklagten überwiegend aufgehoben. Unzulässige Verordnungen seien
nur hinsichtlich des Präparates Ponderax festzustellen, bei dem es sich um einen Appetitzügler handele; die
Verordnung derartiger Präparate sei nach den AMR ausgeschlossen. Bei den zur Behandlung von Entzündungen im
Magen- und Darmbereich zugelassenen Präparaten Nizax und Pepdul habe der Kläger zumindest hinsichtlich der
Höhe der für einzelne Patienten verordneten Dosen die Grenze des medizinisch Vertretbaren überschritten. Im
übrigen, dh vor allem hinsichtlich der Verordnung von Drogenersatzstoffen, habe der Kläger ausschließlich eine
symptomatische Behandlung zur Bekämpfung von Schmerzen und Schlafstörungen durchgeführt, die ihrer Art nach
nicht zu beanstanden sei (Urteil vom 23. September 1998).
Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1. hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil abgeändert. Es hat den
Bescheid des Beklagten nur insoweit beanstandet, als ein höherer Schadensersatz als 2.102,32 DM festgesetzt
worden ist. Nur in dieser Höhe finde sich in den Vorschriften des § 48 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) iVm
§ 12 der Prüfvereinbarung eine Rechtsgrundlage für den Arzneikostenregreß. § 48 Abs 1 BMV-Ä in der ab 1. Januar
1995 geltenden Fassung erlaube den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Prüfung nur hinsichtlich solcher
Leistungen, die explizit aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen seien.
Deshalb dürften die Prüfgremien nur Verstöße eines Vertragsarztes gegen ausdrücklich im Gesetz, in der
Rechtsverordnung nach § 34 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bzw in den AMR enthaltenen Gebote
prüfen und ggf sanktionieren. Soweit es um die Beachtung von Hinweisen, Empfehlungen uä in den AMR gehe, sei
eine Zuständigkeit der Gremien in der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht (mehr) begründet. Deshalb könne lediglich die
Verordnung von Dobendan-Lutschpastillen, Ponderax, Kaota-Sexualtonikum sowie von den Psychostimulantien AN 1
und Kaptagon sowie von bestimmten Vitaminpräparaten beanstandet werden. Im übrigen, dh vor allem hinsichtlich der
verordneten Suchtersatzstoffe, sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig, weil es für die Festsetzung eines
Regresses an einer wirksamen Rechtsgrundlage fehle (Urteil vom 3. November 1999).
Mit ihrer Revision rügt die zu 1. beigeladene Krankenkasse eine fehlerhafte Anwendung der §§ 82 und 106 SGB V
sowie der §§ 48, 49 und 50 BMV-Ä iVm § 12 der Gemeinsamen Prüfvereinbarung zur vertragsärztlichen Versorgung in
Schleswig-Holstein. Dem LSG könne insofern nicht gefolgt werden, als es angenommen habe, diese Bestimmungen
stünden der Festsetzung eines Schadensregresses auf der Grundlage des § 12 Abs 3 der Prüfvereinbarung entgegen.
Es treffe nicht zu, daß die Verordnung von Medikamenten, deren Verabreichung nicht mit den Regeln der ärztlichen
Kunst vereinbar sei, nicht im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, sondern nur nach § 49 bzw § 50 BMV-Ä in
einem speziellen Schlichtungsverfahren geltend gemacht werden könne. Rechtsgrundlage der Prüfvereinbarung, die in
§ 12 Abs 3 ausdrücklich die Festsetzung eines Schadensregresses im Falle der Verordnung von Leistungen, die aus
der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen seien, vorschreibe, sei § 48 Abs 1 BMV-Ä
iVm § 106 SGB V. § 50 BMV-Ä befasse sich allein mit den Schadensersatzansprüchen der Versicherten im Falle von
Behandlungsfehlern, die die Krankenkasse aus eigenem oder übergeleitetem Recht gegen einen Vertragsarzt geltend
mache. Dem Kläger sei jedoch vorzuhalten, insbesondere bei der Verordnung von Drogenersatzstoffen gegen die
Richtlinien über neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden verstoßen zu haben.
Die Beigeladene zu 1. beantragt sinngemäß, die Urteile des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 3. November 1999
sowie des SG Kiel vom 23. September 1998 aufzuheben, soweit diese den Bescheid des Beklagten vom 25.
September 1997 aufgehoben haben, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Beklagte schließt sich der Auffassung der Beigeladenen zu 1. an.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht durch einen beim Bundessozialgericht (BSG) vertretungsberechtigten
Bevollmächtigten vertreten. Die zu 2. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) äußert sich im
Revisionsverfahren nicht.
II
Die Revision der zu 1. beigeladenen Krankenkasse ist begründet. Das angefochtene Berufungsurteil beruht auf einer
Verletzung von Bundesrecht. Ob der vom beklagten Beschwerdeausschuß festgesetzte Arzneikostenregreß
rechtmäßig ist, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Das
führt zur Zurückverweisung der Sache (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind nach geltender Rechtslage berechtigt, Arzneikostenregresse wegen
unwirtschaftlicher Verordnungsweise, zB bei Überschreiten von Durchschnittswerten, festzusetzen (§ 106 Abs 2 Satz
1 Nr 1 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266)). Sie sind auch
befugt, Regresse wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln festzusetzen. Die Ermächtigung für die
Normierung einer entsprechenden Rechtsgrundlage findet sich in § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V idF des GSG. Danach
können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit
den KÄVen über die in § 106 Abs 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen (Auffälligkeitsprüfung,
Zufälligkeitsprüfung) hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Von dieser Kompetenz haben die
Partner der Gesamtverträge in Schleswig-Holstein in der 1995 in Kraft getretenen Gemeinsamen Prüfvereinbarung
Gebrauch gemacht. Deren § 12 Abs 3 bestimmt nach der Feststellung des Berufungsgerichts: "Der
Prüfungsausschuß entscheidet auf begründeten Antrag im Einzelfall auch über einen Anspruch auf Schadensersatz
wegen unzulässiger Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) ausgeschlossen sind (hierunter fallen auch Verordnungen, die gegen die AMR verstoßen), oder fehlerhafter
Ausstellung von Bescheinigungen".
Die in der Vorschrift vorgenommene Zuweisung der Sanktionierung unzulässiger bzw rechtswidriger Verordnungen an
die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben in § 106 SGB V, mit den
Bestimmungen der §§ 48 ff BMV-Ä in der ab 1.1.1995 geltenden Fassung (nF) sowie mit der langjährigen
Rechtsprechung des Senats. Schon unter der Geltung des § 368n Abs 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) als
gesetzlicher Grundlage der kassenärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung hat der Senat die Auffassung vertreten, die
Verordnung von Arznei- bzw Heilmitteln, die in der kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnungsfähig
sind, obliege den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung. So hat er im Urteil vom 5. Mai 1988 (BSGE 63, 163, 165 =
SozR 2200 § 368p Nr 2) ausgeführt, die AMR konkretisierten das für die gesamte kassenärztliche Tätigkeit geltende
Wirtschaftlichkeitsgebot. Das habe zur Folge, daß nicht die KÄV, sondern die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung
zuständig seien, die Einhaltung der dieses Gebot umsetzenden Vorschriften durch den Kassenarzt im Einzelfall zu
überprüfen und ggf einen Regreß festzusetzen. Die Partner der Gesamtverträge seien sogar gehindert, für die Prüfung
der Einhaltung der AMR die Zuständigkeit der KÄV vorzuschreiben. Im Urteil vom 21. Juni 1989 (BSGE 65, 154 f =
SozR 2200 § 368e Nr 13) hat der Senat den Zusammenhang zwischen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise
und der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel erneut präzisiert. Unter Regreßforderungen wegen
unwirtschaftlicher Verordnungsweise iS des § 34 Abs 1 Buchst d BMV-Ä in der 1980 geltenden Fassung seien alle
Regreßforderungen wegen Verordnungen zu verstehen, die nach § 368e RVO unzulässig seien. Denn der an der
kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt dürfe nach § 368e Satz 2 RVO keine Leistungen verordnen, die zur
Erzielung des Heilerfolgs nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien. Es sei geboten, den Begriff der
Unwirtschaftlichkeit in § 368e Satz 2 RVO und § 34 Abs 1 Buchst d BMV-Ä aF dahin auszulegen, daß er auch die
Verordnung von Mitteln erfasse, die die Kasse aus anderen Gründen nach ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung nicht
zu gewähren habe. Der Begriff der Unwirtschaftlichkeit sei in einem weiteren Sinne auszulegen. Im Urteil vom 10. Mai
1990 (BSGE 67, 36 ff = SozR 3-1500 § 12 Nr 1) hat der Senat im Ersatzkassenbereich die KÄV als Trägerin der bei
ihr gebildeten, damals rechtlich unselbständigen Prüfungs- und Beschwerdekommission zur Festsetzung eines
Regresses wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Haarwasch- und Sonnenschutzmittel für zuständig
gehalten.
Für den hier speziell betroffenen Bereich der Behandlung von drogenabhängigen Patienten (ua mit
Drogenersatzstoffen) hat der Senat im Ersatzkassenbereich die Zuständigkeit der Prüfungs- bzw
Beschwerdekommission nach dem Arzt-/Ersatzkassenvertrag für die Festsetzung eines auf die Unzulässigkeit der
Verabreichung von Kodeinpräparaten gestützten Verordnungsregresses ohne nähere Begründung als gegeben
angesehen (BSG - Urteil vom 18. Oktober 1995 - SozR 3-5550 § 17 Nr 2). Denselben Rechtsstandpunkt hat der Senat
im Urteil vom 19. Juni 1996 - 6 RKa 27/95 - (USK 96169 = WzS 1997, 123) hinsichtlich eines Verordnungsregresses
im Primärkassenbereich eingenommen. Er hat ausgeführt, nach § 368e Satz 2 RVO bzw § 12 Abs 1 Satz 2 SGB V
dürften Ärzte keine Leistungen verordnen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien. Das gelte erst recht für
solche Leistungen, die nicht von der Leistungspflicht der GKV erfaßt würden.
Die in der dargestellten Rechtsprechung bestätigte umfassende Zuständigkeit der Gremien der vertragsärztlichen
Wirtschaftlichkeitsprüfung für die Festsetzung von Arzneiregressen, die mit einem Verstoß gegen die AMR bzw damit
begründet werden, daß der Vertragsarzt Medikamente verordnet habe, die nicht von der Leistungspflicht der GKV
umfaßt sind, sind durch die zum 1. Januar 1995 in Kraft getretenen Änderungen der einschlägigen Regelungen des
BMV-Ä (§§ 45 ff) nicht berührt worden.
Entgegen der Auffassung des LSG hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung Schadens- bzw
Verordnungsregresse wegen eines Verstoßes gegen die AMR bzw generell wegen der Verordnung nicht
verordnungsfähiger Arzneimittel nicht als Fall der Festsetzung eines "sonstigen Schadens" iS von § 38 Abs 3 BMV-Ä
in der ab 1. Oktober 1990 (aF) geltenden Fassung beurteilt. Nach dieser Vorschrift haben die Prüfungseinrichtungen
auch den sonstigen Schaden festzusetzen, den ein Kassenarzt infolge schuldhafter Verletzung kassenärztlicher
Pflichten einer Krankenkasse verursacht hatte. Dieser Regelung sind Schadensfälle zuzuordnen gewesen, die der
Krankenkasse etwa aufgrund der fehlerhaften Ausstellung einer Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit oä
entstanden sind (vgl Clemens in Schulin (Hrsg), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd I,
Krankenversicherungsrecht, 1994, § 36 RdNr 10 mit Fn 13). Nach einer - umstrittenen und inzwischen überholten -
Entscheidung (Urteil vom 20. Juni 1983 = BSGE 55, 144 = SozR 2200 § 368n Nr 26) erfaßte § 38 Abs 3 BMV-Ä auch
den ärztlichen Behandlungsfehler. Kennzeichnend für die in § 38 Abs 3 BMV-Ä aF angesprochenen Regreßfälle ist,
daß der Arzt seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt haben muß (vgl Clemens, aaO, § 35 RdNr 177,
179; § 36 RdNr 51). Für die Festsetzung eines Regresses wegen Verstößen gegen die AMR bzw wegen der
Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel hat der Senat dagegen zu keinem Zeitpunkt gefordert, daß den Arzt
an den unzulässigen Verordnungen ein Verschulden treffen müsse. Schon aus diesem Grunde fallen Regresse wegen
der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel nicht in den Anwendungsbereich des § 49 BMV-Ä nF, da diese
Vorschrift ebenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung des Arztes voraussetzt. Nach ihr werden nämlich
Schadensersatzansprüche, welche eine Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt aus der schuldhaften Verletzung
vertragsärztlicher Pflichten geltend macht und für deren Prüfung und Feststellung nicht die Verfahren nach den §§ 45,
47 und 48 BMV-Ä vorgeschrieben sind, durch eine Schlichtungsstelle geprüft. Darüber hinaus bestimmt nunmehr § 50
BMV-Ä nF in bewußter Abweichung von dem bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Rechtszustand als Reaktion auf
das Senatsurteil vom 20. Juni 1983 (BSGE 55, 144 ff = SozR 2200 § 368n Nr 26), daß Schadensersatzansprüche,
welche eine Krankenkasse aus eigenem oder übergeleitetem Recht gegen einen Vertragsarzt wegen des Vorwurfs der
Verletzung der ärztlichen Sorgfalt bei der Untersuchung oder Behandlung erhebt, nicht Gegenstand des
Verfahrens vor den Prüfungseinrichtungen oder den Schlichtungsstellen sind. Die zum 1. Januar 1995 in Kraft
getretenen Änderungen des BMV-Ä erschöpfen sich im wesentlichen darin, daß Schadensersatzansprüche wegen
schuldhafter Pflichtverletzung bzw wegen Sorgfaltspflichtverletzung bei Untersuchungen und Behandlungen aus der
Prüfungs- und Feststellungskompetenz der Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung herausgenommen wurden. Diese
Änderungen erstrecken sich mithin nicht auf Regresse wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen.
Im übrigen sind solche Regresse auch ihrem Gegenstand nach von Schadensregressen anderer Art zu unterscheiden.
Bei Verordnungsregressen besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkasse darin, daß sie an Apotheken
Geldbeträge für Arzneien gezahlt hat, welche dem Versicherten gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung
ausgehändigt wurden und aushändigt werden durften. Der typische Schadensregreß außerhalb des
Verordnungsverhaltens ist hingegen dadurch gekennzeichnet, daß das Verhalten des Arztes (zB ein
Behandlungsfehler oder eine falsche Bescheinigung) Folgekosten der Kasse ausgelöst hat (zB aufwendige
Nachbehandlungen, Leistungen wegen Mutterschaft). Der hier zu ersetzende Schaden ist der Struktur nach einem
Mangelfolgeschaden nach bürgerlichem Recht vergleichbar. Der "Schaden", der durch einen Verordnungsregreß
auszugleichen ist, entspricht dagegen demjenigen, der durch eine unwirtschaftliche Verordnungsweise iS von § 106
Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V verursacht wird. Der Unterschied besteht allein darin, daß ein Regreß wegen unzulässiger
Verordnungen an einzelne Verordnungen des Arztes gegenüber bestimmten Patienten und nicht an sein
Verordnungsverhalten in einem bestimmten Zeitraum insgesamt anknüpft.
Die fortbestehende Zuordnung der Regresse wegen nicht verordnungsfähiger Arzneimittel zum Sachbereich der
Wirtschaftlichkeitsprüfung und zur Kompetenz der Prüfgremien nach § 106 SGB V kommt schließlich auch in § 48
Abs 1 BMV-Ä nF deutlich zum Ausdruck. Danach stellen die Prüfeinrichtungen nach § 106 SGB V ua den sonstigen
durch einen Vertragsarzt verursachten Schaden fest, der einer Krankenkasse aus der unzulässigen Verordnung von
Leistungen, die aus der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen sind, entstanden ist. Der Auffassung des LSG,
diese Zuweisung erfasse nur ausdrückliche, auf bestimmte Arzneimittel oder auf Arzneimittelgruppen bezogene
Verordnungsausschlüsse im Gesetz, in der Rechtsverordnung nach § 34 Abs 3 SGB V sowie in den Nrn 16 und 17
der AMR, kann nicht gefolgt werden. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß die Vertragspartner des
Bundesmantelvertrages die aufgrund der Rechtsprechung
des erkennenden Senats seit Jahren bestehende Zuständigkeit der Prüfgremien zur Festsetzung von
Schadensregressen auch in den Fällen, in denen ein Vertragsarzt Arznei- oder Heilmittel verordnet hat, die von
vornherein nicht zur Leistungspflicht der GKV gehören, in Frage stellen wollten. Vielmehr erweist sich § 48 Abs 1
BMV-Ä gerade als Kodifizierung der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Befugnis der Gremien der
Wirtschaftlichkeitsprüfung zur Festsetzung von Schadensregressen bei unzulässigen Verordnungen. Wollte man
hingegen der Rechtsauffassung des LSG folgen, zöge dies rechtlich nicht zu tolerierende Unterschiede bei der
Sanktionierung unwirtschaftlicher und unzulässiger Verordnungen nach sich. Denn danach könnten seit dem 1. Januar
1995 Ärzte für die Kosten unzulässiger Arzneiverordnungen regelmäßig nicht mehr in Regreß genommen werden. Den
Gesamtvertragspartnern wäre es nach dieser Ansicht nämlich nicht gestattet, eine entsprechende Zuständigkeit der
Prüfgremien zu vereinbaren, und eine Zuständigkeit der Schlichtungsstelle nach § 49 BMV-Ä würde nicht praktisch
werden, weil diese von vornherein nur bei schuldhaften Pflichtverletzungen eines Vertragsarztes tätig werden kann.
Dies hätte zur Konsequenz, daß ein Vertragsarzt, der "nur" gegen eine bestimmte spezielle Regelung in den AMR
verstößt, von den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung in Regreß genommen werden könnte, während ein Arzt, der
systematisch Arzneiverordnungen tätigt, die erkennbar von der Leistungspflicht der GKV nicht umfaßt sind, oder bei
drogenabhängigen Patienten medikamentengestützte Behandlungen durchführt, ohne die dafür in den Richtlinien des
Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen normierten Vorschriften einzuhalten, keinem Regreß ausgesetzt
wäre. Zur Rechtfertigung einer solchen Differenzierung sind sachliche Gründe nicht ersichtlich.
Nach allem sind die der Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung - hier der beklagte Beschwerdeausschuß - für die
Entscheidung über den Antrag der Beigeladenen zu 1. auf Festsetzung eines Schadensregresses gegen den Kläger
zuständig. Der Senat vermag dennoch über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Beklagten nicht
abschließend zu entscheiden. Der Kläger hat sich im Klage- und Berufungsverfahren gegen die auf ein Gutachten des
Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung gestützten Vorwürfe gegen seine Behandlungsweise verteidigt. Das
LSG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich der Kläger bei seiner Behandlung an die Richtlinien des
Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Methadon-Substitutionsbehandlung bei i.v.-Heroinabhängigen
(Anlage 1 Nr 2 zu den NUB-Richtlinien in der 1995 geltenden Fassung; dazu BSGE 78, 70 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6)
gehalten hat bzw ob Gesichtspunkte dafür erkennbar sind, daß er Patienten vor der Eingliederung in ein
Methadonprogramm sachgerecht behandelt hat (vgl dazu allgemein BSG SozR 3-5550 § 17
Nr 2 S 8 f). Die dazu erforderlichen Feststellungen wird das Berufungsgericht nunmehr zu treffen und bei seiner
abschließenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.