Urteil des BSG vom 09.08.2001

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Bundessozialgericht
Urteil vom 09.08.2001
Sozialgericht Stuttgart
Landessozialgericht Baden-Württemberg
Bundessozialgericht B 11 AL 17/01 R
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Dezember 2000
wird zurückgewiesen. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Der Kläger wendet sich gegen die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Die Beklagte bewilligte dem Kläger Alhi mit Wirkung ab 1. Januar 1999. Zu dieser Zeit wohnte der Kläger in H. (B. 3,
73269 H. ); diese Anschrift hatte er bei der Antragstellung dem zuständigen Arbeitsamt Göppingen zutreffend
angegeben. Am 1. Februar 1999 zog der Kläger um nach A. (neue Anschrift: F. -K. -W. 11, 73776 A. ); bei der Post
stellte er einen Nachsendeantrag (erster Nachsendetag 3. Februar 1999). Von der neuen Anschrift des Klägers erhielt
das Arbeitsamt erst am 3. März 1999 aufgrund einer Veränderungsmitteilung des Klägers Kenntnis. Ein vom
Arbeitsamt am 2. März 1999 noch an die alte Anschrift abgesandtes Schreiben kam am 5. März 1999 mit Vermerk
der neuen Adresse zurück.
Die Beklagte hob nach Anhörung die Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 2. Februar bis 2. März 1999 auf und forderte
Erstattung überzahlter Alhi von 1.169,57 DM zuzüglich 389,69 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung,
insgesamt 1.559,26 DM (Bescheid vom 18. Mai 1999, Widerspruchsbescheid vom 17. August 1999). Die Klage blieb
in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Stuttgart (SG) vom 14. Dezember 1999, Urteil des
Landessozialgerichts (LSG) vom 15. Dezember 2000).
Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt: Die Aufhebung der Alhi-Bewilligung sei rechtmäßig
nach § 48 Abs 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 330 Abs 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB III). In den zur Zeit des Erlasses des Bewilligungsbescheids vorliegenden tatsächlichen Verhältnissen sei eine
wesentliche Änderung eingetreten. Dies richte sich nach dem für die Leistung von Alhi maßgebenden materiellen
Recht (§§ 190, 198, 118, 119 SGB III). Zwar sei es unter der Geltung des § 119 SGB III nicht mehr erforderlich, daß
der Arbeitslose sich täglich zur Zeit des Eingangs der Briefpost in seiner Wohnung aufhalten müsse (Residenzpflicht);
es erscheine deshalb auch nicht als rechtlich ausgeschlossen, daß eine alte Adresse weiterhin ausreichen könne,
solange diese noch täglich aufgesucht werde. Von diesem rechtlichen Ansatzpunkt her könne bei einem Umzug an
sich auch die bisherige Adresse in Verbindung mit einem Nachsendeauftrag ausreichen, soweit sichergestellt sei, daß
hierdurch keine wesentliche Verzögerung eintrete. Teilweise entgegen diesen Ansätzen sei jedoch die Erreichbarkeits-
Anordnung (EAO) enger gefaßt. Nach § 1 Abs 1 Satz 2 EAO habe der Arbeitslose sicherzustellen, daß das
Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm
benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen könne. Ob diese teilweise engeren Kriterien der EAO der
Ermächtigungsgrundlage entsprächen, könne offen bleiben. Denn bei der vorliegenden Konstellation eines Umzugs
ohne Bekanntgabe der neuen Adresse und ohne tägliches Aufsuchen der alten Adresse, wohl aber Stellung eines
Nachsendeauftrags, seien schon die Grundvoraussetzungen des § 119 SGB III nicht mehr erfüllt gewesen. Wegen der
tatsächlichen Gegebenheiten bei der Abwicklung eines Nachsendeauftrags durch die Post sei der Kläger nicht in der
Lage gewesen, in gleicher Weise zu reagieren wie dann, wenn die Post unmittelbar an die neue Adresse gesandt
worden wäre. Ein Nachsendeauftrag führe - was allgemeinbekannt sei, so daß es insoweit keiner weiteren
Beweiserhebung bedürfe - zu einer zeitlichen Verzögerung von regelmäßig mindestens einem Tag, in der Regel sogar
von zwei bis vier Tagen. Der Nachsendeantrag werde - und dies sei auch 1999 so gewesen - nicht mehr vom örtlichen
Postzusteller bearbeitet, sondern die Briefpost gehe zurück an ein überregionales Postzentrum und dann erst wieder
an das zuständige Postamt. Diese Verzögerung um in der Regel mindestens zwei Tage liege nicht mehr im Rahmen
dessen, was unter den Begriff "zeitnah" zu subsumieren sei. Ob die Beklagte durch Praktizieren einer
differenzierenden Regelung, die einen Nachsendeantrag bei Umzug innerhalb des Wohnortes oder in eine
Nachbargemeinde als unschädlich ansehe (Erlaß vom 25. November 1998), gebunden sei, könne offen bleiben, denn
der Kläger sei weder innerhalb von H. noch in eine Nachbargemeinde umgezogen. Nachbargemeinde iS des Erlasses
sei nur die der bisherigen Gemeinde räumlich benachbarte Gemeinde, weil allenfalls dann eine direkte Umleitung der
Post vorstellbar sei. A. sei in diesem Sinne keine Nachbargemeinde von H ... Der Kläger könne sich auch nicht darauf
berufen, daß ihn unter seiner alten Adresse noch Briefe erreicht hätten, weil sein Name noch am Briefkasten
angebracht gewesen sei; er habe nicht einmal behauptet, täglich an der alten Adresse die Post abgeholt zu haben und
ihm habe dort wegen des Nachsendeauftrags reguläre Post nicht mehr zugehen können. Die Voraussetzungen des §
48 Abs 1 Satz 2 SGB X für die Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit lägen vor. Zweifelhaft sei zwar, ob der
Kläger eine Mitteilungspflicht verletzt habe (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X); jedenfalls sei aber § 48 Abs 1 Satz 2 Nr
4 SGB X erfüllt. Der Kläger habe wissen müssen, daß die Voraussetzungen für den weiteren Bezug der Leistungen
weggefallen gewesen seien; er habe insoweit grob fahrlässig gehandelt, da in dem ihm anläßlich der Antragstellung
ausgehändigten Merkblatt unmißverständlich ausgeführt werde, daß ein Nachsendeauftrag nicht ausreiche. Der
Gesamtbetrag der Alhi sei richtig errechnet; auch hinsichtlich der Beiträge sei die Erstattungsforderung rechtmäßig (§
335 Abs 1 und 5 SGB III).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das
LSG habe den gestellten Beweisantrag nicht übergehen dürfen. Die Erreichbarkeit per Post sei allein schon dadurch
gesichert gewesen, daß sein Name noch auf dem Briefkasten (der alten Wohnung) länger stehen geblieben sei. Der
benannte Zeuge, der ständig in der Wohnung gewesen sei, hätte ihn bei Posteingang unverzüglich benachrichtigt.
Unzureichend seien die Ausführungen des LSG, aufgrund des Nachsendeantrages habe die reguläre Post ihm nicht
mehr zugehen können; andererseits heiße es im Urteil, die Post gehe zurück, wobei nicht nachvollziehbar sei, wem
diese Briefpost zurückgehe. Die Durchführung des Nachsendeauftrags durch die Post sei im Urteil des LSG völlig
falsch dargestellt. Es könne daher nicht auf Allgemeinkundigkeit Bezug genommen werde. Seit 1997 bestehe für die
Gemeinden A. und H. ein gemeinsames Briefzentrum in K ... Es gebe kein örtlich zuständiges Postamt für die
Postzustellung. Wenn der Nachsendeantrag dem Postzustellzentrum K. bekannt werde, werde dem bisherigen
Zusteller in A. die Post nicht mehr zugeteilt, sondern lediglich dem Zusteller in H ... Eine zeitliche Verzögerung sei
vollkommen ausgeschlossen. Eine Nachsendungsmerkkarte habe unstreitig dem Briefzustellzentrum K. vorgelegen.
Bei A. und H. handle es sich auch um Nachbargemeinden. Gerade weil die Beklagte auf die politischen Grenzen
abhebe, sei festzustellen, daß zwischen A. und H. lediglich P. liege; die Gemeinden verbinde ein Verwaltungsverband
(Sitz im Rathaus in P. ). Nachbarn seien nicht nur Personen, die Wand an Wand lebten, sondern auch solche in der
näheren Umgebung; zB spreche man bei einem Reihenhaus von einem Nachbarn, der im übernächsten Haus wohne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 15. Dezember 2000 und das Urteil des SG vom 14. Dezember 1999 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 18. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. August 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Mit der Erlaßregelung gehe die Beklagte
typisierend davon aus, daß bei einem Umzug im Wohnort oder in den Nachbarort bei gestelltem Nachsendeantrag
Erreichbarkeit iS der EAO vorliege. Vielfach werde durch Kenntnis des zuständigen Postzustellers von der neuen
Anschrift die Sendung über das regionale Postzentrum entbehrlich; in den übrigen Fällen werde die kurze Verzögerung
von maximal zwei Tagen hingenommen. Die Regelung sei auf den Wohn- und den Nachbarort eingeschränkt worden,
um weitgehend den Lebenssachverhalten zu entsprechen, für die es zu keiner oder nur zu einer kurzen, hinnehmbaren
Verzögerung komme. Dem LSG sei darin zuzustimmen, daß der Kläger nicht in eine Nachbargemeinde verzogen sei,
weil es sich nicht um einen räumlich benachbarten Ort handle. Die Ausführungen des Klägers zum Postlauf bei
gestelltem Nachsendeantrag seien nicht nachvollziehbar.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
II
Die Revision ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Entscheidung des LSG, wonach die Aufhebung der Alhi-
Bewilligung für die Zeit vom 2. Februar bis 2. März 1999 und die Rückforderung überzahlter Alhi sowie von Beiträgen
zur Kranken- und Pflegeversicherung in der Gesamthöhe von 1.559,26 DM rechtmäßig sind, beruht nicht auf einer
Gesetzesverletzung (§ 170 Abs 1 SGG).
1. Die Beklagte war nach § 48 SGB X berechtigt, die Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 2. Februar bis 2. März 1999
aufzuheben.
Nach § 48 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und
rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist
jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (vgl BSGE
jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (vgl BSGE
59, 111, 112 = SozR 1300 § 48 Nr 19; 78, 109, 111 = SozR 3-1300 § 48 Nr 48). Eine solche Änderung ist ab 2.
Februar 1999 infolge des Wegfalls der Erreichbarkeit des Klägers eingetreten, weshalb dieser ab dem genannten
Zeitpunkt keinen Anspruch auf Alhi mehr hatte.
Anspruch auf Alhi hat nur, wer ua arbeitslos ist (§§ 190 Abs 1 Nr 1, 198 Satz 2 Nr 1, 117 Abs 1 Nr 1, 118 SGB III). Zu
den Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit zählt nach § 118 Abs 1 Nr 2 SGB III die Beschäftigungssuche. Eine
Beschäftigung sucht nach § 119 Abs 1 SGB III, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine
Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Nr 1) und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht
(Verfügbarkeit, Nr 2). Merkmale der Verfügbarkeit sind die Arbeitsfähigkeit und die ihr entsprechende
Arbeitsbereitschaft (§ 119 Abs 2 SGB III). Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser ua dann, wenn er Vorschlägen des
Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf (§ 119 Abs 3 Nr 3 SGB III);
hierzu hat der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit (BA) aufgrund der Ermächtigung in § 152 Nr 2 SGB III
Näheres in der EAO vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997, 1685) bestimmt. Nach § 1 Abs 1 Satz 1 EAO muß der
Arbeitslose ua in der Lage sein, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen und
mit einem möglichen Arbeitgeber oder Maßnahmeträger in Verbindung zu treten; deshalb hat er nach § 1 Abs 1 Satz 2
EAO sicherzustellen, daß das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann.
Aus dem Umstand, daß der Kläger es unterlassen hat, dem Arbeitsamt spätestens am 2. Februar 1999, dem Tag
nach dem Umzug, seine neue Anschrift mitzuteilen, folgt, daß das Arbeitsamt den Kläger ab 2. Februar 1999 nicht
mehr an seinem Wohnsitz unter der benannten Anschrift durch Briefpost erreichen konnte, und zwar bis einschließlich
2. März 1999 (Mitteilung der neuen Anschrift durch den Kläger am 3. März 1999). Der Kläger war deshalb vom 2.
Februar bis 2. März 1999 nicht mehr arbeitsfähig iS des § 119 Abs 3 SGB III und damit auch nicht arbeitslos iS des §
118 SGB III mit der Folge, daß er keinen Anspruch auf Alhi mehr hatte. Der vom Kläger bei der Post - im übrigen erst
mit Wirkung ab 3. Februar 1999 - gestellte Nachsendeantrag kann daran nichts ändern.
Der Senat hat bereits entschieden, daß sich aus § 1 Abs 1 Satz 2 EAO die Obliegenheit arbeitsloser
Leistungsbezieher ergibt, dem zuständigen Arbeitsamt einen Wohnungswechsel persönlich und unverzüglich
anzuzeigen, weshalb ein Postnachsendeantrag regelmäßig nicht genügt (Urteil vom 20. Juni 2001, B 11 AL 10/01 R,
zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). In dieser Entscheidung hat der Senat näher ausgeführt, daß die
Regelungen des § 1 Abs 1 EAO mit der gesetzlichen Ermächtigung vereinbar sind, sich im gesetzlichen Rahmen
halten und daß die §§ 152 Nr 2, 119 Abs 3 Nr 3 SGB III auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die
Bestimmtheit von gesetzlichen Ermächtigungen zu untergesetzlicher Rechtsetzung entsprechen. Hieran ist
festzuhalten.
Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis läßt sich nicht daraus herleiten, infolge des gemeinsamen Briefzentrums in K.
ergebe sich bei einem Nachsendeantrag keinerlei zeitliche Verzögerung. Ob diese tatsächliche Behauptung des
Klägers zutreffend ist, kann dahinstehen. Denn auch dann, wenn der Nachsendeantrag des Klägers entsprechend
seinem Vortrag keine zeitliche Verzögerung verursachte, würde dies nichts daran ändern, daß der Kläger in der
fraglichen Zeit nicht an jedem Werktag an seinem Wohnsitz unter der von ihm dem Arbeitsamt benannten Anschrift
gemäß § 1 Abs 1 Satz 2 EAO durch Briefpost erreichbar war. Die infolge des Nachsendeantrages möglicherweise
gegebene postalische Erreichbarkeit unter der neuen - dem Arbeitsamt noch nicht bekanntgegebenen - Adresse wäre
nämlich dann nur durch technische Möglichkeiten der Postabwicklung bedingt, nicht aber durch den gebotenen
persönlichen Kontakt zwischen Arbeitslosem und Arbeitsamt, von dem die EAO ausgeht. Wie der Senat in der
Entscheidung vom 20. Juni 2001 (aaO) betont hat, entspricht es dem gesetzlichen Konzept der effektiven
Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung, wenn der Arbeitslose einen leistungsrechtlich erheblichen Umstand wie einen
Wohnsitzwechsel dem Arbeitsamt anzeigen muß und die Unterrichtung des Arbeitsamtes nicht der Post als Drittem
überlassen darf. Die Voraussetzungen der Leistungen wegen Arbeitslosigkeit sollen gerade nicht von den
Zufälligkeiten der Postzustellung abhängig sein (vgl auch BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 22 zur früheren Rechtslage
nach § 1 der Aufenthalts-Anordnung).
Ist somit im Rahmen des § 1 Abs 1 Satz 2 EAO auf die dem Arbeitsamt benannte Anschrift und nicht auf die Frage
der Handhabung eines Nachsendeantrages durch die Post abzustellen, kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf
die Praxis der BA entsprechend der Dienstanweisung (DA) Nr 3.4.1 zu § 119 SGB III berufen, die weitgehend mit dem
in den Tatsacheninstanzen erörterten Erlaß des Präsidenten der BA vom 25. November 1998 übereinstimmt. Der
Erlaß und die genannte DA sehen vor, es sei "typisierend grundsätzlich" davon auszugehen, daß bei einem Umzug
innerhalb der Wohngemeinde oder "in eine Nachbargemeinde" bei rechtzeitiger Stellung eines Nachsendeantrages die
Briefpost den Arbeitslosen ohne Verzögerung erreicht und daß für die Zeit der Wirksamkeit des Nachsendeantrages
Erreichbarkeit vorliegt. Diese Anforderungen des Erlasses bzw der DA weichen von denen der EAO ab; nach § 1 Abs
1 Satz 2 EAO genügt ein Postnachsendeantrag - wie ausgeführt - gerade nicht, und zwar unabhängig davon, ob es
sich um eine Nachbargemeinde handelt oder nicht. Bindende normative Wirkung kann aber, soweit kein Verstoß
gegen höherrangiges Recht vorliegt, nur den Regelungen der EAO zukommen (BSGE 35, 164, 166 = SozR Nr 1 zu §
40 AFG). Aus einer Verwaltungsübung, die nicht dem geltenden Recht entspricht, kann der Kläger keine Rechte
herleiten, auch keinen Anspruch auf etwaige Gleichbehandlung mit anderen nach der DA abgewickelten Fällen (vgl
BSGE 38, 63, 68 = SozR 4100 § 151 Nr 1; BSGE 65, 198, 200 = SozR 5870 § 2 Nr 62).
Die im vorliegenden Fall von den Beteiligten geäußerten unterschiedlichen Auffassungen zur Auslegung des Begriffs
der "Nachbargemeinde" iS des Erlasses bzw der DA Nr 3.4.1 zu § 119 SGB III lassen im übrigen ein Vorgehen nach
den Grundsätzen der DA als wenig praktikabel erscheinen. Im Urteil vom 20. Juni 2001 hat der Senat darauf
hingewiesen, daß die Forderung des § 1 Abs 1 Satz 2 EAO nach "persönlicher" Erreichbarkeit dem Zweck des § 119
Abs 3 Nr 3 SGB III auch deshalb entspricht, weil sie Leistungen bei Arbeitslosigkeit an klare Verhaltensmaßstäbe
knüpft. Dies liegt nicht zuletzt im wohlverstandenen Interesse der Arbeitslosen. Einen Nachsendeantrag bei
bestimmten örtlichen Verhältnissen noch genügen zu lassen, ihn aber bei möglicherweise nur geringfügig
abweichenden Verhältnissen nicht mehr anzuerkennen, könnte kaum als klare Verhaltensanweisung für Arbeitslose
angesehen werden.
Nicht durchdringen kann der Kläger schließlich mit seinem Einwand, er sei schon deshalb erreichbar gewesen, weil
sein Name auch nach dem Umzug weiterhin auf dem Briefkasten der alten Wohnung angebracht gewesen sei und er
bei Posteingang durch einen ständig anwesenden Zeugen unverzüglich benachrichtigt worden wäre. Denn auch bei
Annahme der tatsächlichen Richtigkeit dieses Vorbringens scheidet eine Erreichbarkeit noch unter der alten Adresse
bereits aufgrund des Nachsendeantrages aus. Letzterer hat zur Folge, daß die Post den Kläger nicht mehr in der alten
Wohnung erreichen kann. Im übrigen kann ohnehin auf die alte Wohnung deswegen nicht abgestellt werden, weil der
Kläger in dieser nach dem Umzug nicht mehr wohnte und er deshalb auch nicht mehr "an seinem Wohnsitz" iS des §
1 Abs 1 Satz 2 EAO durch Briefpost erreichbar gewesen wäre. Damit kann auch nicht etwa die Tatsache, daß der
Nachsendeantrag erst mit Wirkung ab 3. Februar gestellt worden ist, die Erreichbarkeit des Klägers noch für den 2.
Februar 1999 - für den der Anspruch auf Alhi ebenfalls verneint worden ist - bewirken.
2. Die Beklagte war auch berechtigt, die Alhi-Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben.
Nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom
Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wußte oder infolge grober Fahrlässigkeit
nicht wußte, daß der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder
ganz oder teilweise weggefallen ist. Nach den unangegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG war dem Kläger
bei der Antragstellung ein Merkblatt der BA ausgehändigt worden, in dem unmißverständlich darauf hingewiesen wird,
daß ein Nachsendeauftrag nicht ausreicht. Wenn das LSG hieraus folgert, der Kläger habe wissen müssen, daß die
Voraussetzungen für den weiteren Bezug von Alhi weggefallen seien, und ihm sei mit der Nichtbeachtung des
Merkblattes jedenfalls grobe Fahrlässigkeit vorzuhalten, so ist dies nicht zu beanstanden.
Im übrigen dürften auch die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X vorliegen, der die Aufhebung eines
Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit auch bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung einer
Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen der Verhältnisse ermöglicht. Der Kläger mußte aufgrund der Hinweise
des Merkblattes auch wissen, daß er bei einem Wohnungswechsel zur sofortigen Unterrichtung des Arbeitsamtes
verpflichtet war. Der Kläger hat sich auch im Verwaltungsverfahren nicht darauf berufen, er sei im Hinblick auf die
Praxis der BA entsprechend dem Erlaß vom 25. November 1998 bzw der DA der Meinung gewesen, entgegen den
Hinweisen des Merkblattes nicht zur Mitteilung der neuen Anschrift verpflichtet zu sein.
3. Der Anspruch der Beklagten auf Erstattung der überzahlten Alhi folgt aus § 50 SGB X, der Anspruch auf Erstattung
der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ergibt sich aus § 335 Abs 1 und 5 SGB III. Die Höhe der
Erstattungsforderung (Alhi 1.169,57 DM, Beiträge 389,69 DM) ist nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen
Feststellungen des LSG nicht zu beanstanden.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.