Urteil des BSG vom 15.04.2008

BSG: besondere härte, verwertung, kreis, rückkaufswert, versicherungspflicht, freibetrag, ehepartner, arbeitsmarkt, inhaber, verkehrswert

Bundessozialgericht
Urteil vom 15.04.2008
Sozialgericht Münster S 3 AS 82/05
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 1 AS 5/06
Bundessozialgericht B 14/7b AS 56/06 R
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. August 2006
aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
1
Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Zeitraum vom 15. Mai 2005 bis 22. August
2006 im Streit.
2
Der 1947 geborene Kläger ist mit der 1949 geborenen E.L. verheiratet und bewohnt mit dieser eine 118 m² große
Eigentumswohnung nebst 2.459 m² großem Grundstück, das dem Kläger zu einem Drittel gehört. Der Kläger war bis
Februar 2002 als Holzfacharbeiter tätig und bezog bis zum 14. Mai 2005 Arbeitslosengeld (Alg) von der
Bundesagentur für Arbeit (BA). E.L. hatte bis August 2005 laufende Einnahmen aus Erwerbseinkommen in Höhe von
1.023,86 EUR netto. Im Anschluss an eine Sperrzeit erhielt sie ab dem 4. Dezember 2005 Alg.
3
Am 15. Mai 2005 beantragten die Eheleute Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der
Kläger verfügte zu diesem Zeitpunkt über drei Lebensversicherungen. Für ihn war eine Lebensversicherung über
40.500,- EUR mit Fälligkeitsdatum 1. Oktober 2007 (Versicherungs-Nr (Vers-Nr) 18 594 739 8) abgeschlossen worden.
Das Versicherungsunternehmen gab an, es seien Beiträge in Höhe von 13.264,58 EUR zum 1. August 2005
eingezahlt worden, der Rückkaufswert belaufe sich zum 1. Juni 2005 auf 33.994,97 EUR. Des Weiteren bestand für
ihn eine Lebensversicherung mit Fälligkeit zum 1. Oktober 2005 (Vers-Nr 12 981 428 2), für die Beiträge in Höhe von
7.556,02 EUR eingezahlt worden waren und ein Rückkaufswert in Höhe von 9.263,19 EUR angegeben wurde. Eine
dritte Lebensversicherung des Klägers mit Fälligkeitsdatum 1. Mai 2008 (Vers-Nr 26 607 406 2) hatte einen
Rückkaufswert von 3.415,29 EUR bei eingezahlten Beiträgen in Höhe von 3.389,68 EUR. E.L. besaß eine
Lebensversicherung (Vers-Nr 27 070 232 8) über 15.677,- EUR mit Fälligkeitsdatum 30. September 2009, deren
Rückkaufswert 10.433,14 EUR betrug.
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Durch Bescheid vom 25. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2005 (erlassen
vom beigeladenen Kreis Borken) lehnte es die Beklagte ab, Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Die
Antragsteller seien nicht hilfebedürftig. Sie verfügten über vier zu verwertende Lebensversicherungen mit einem
Gesamtrückkaufswert von 57.106,59 EUR. Auch nach Abzug des Grundfreibetrages nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II in
Höhe von 200,- EUR je vollendeten Lebensjahr der E.L. sowie des nach § 65 Abs 5 SGB II erhöhten Freibetrages von
520,- EUR je vollendeten Lebensjahr für den Kläger und eines Betrages in Höhe von insgesamt 1.500,- EUR für
notwendige Anschaffungen nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II von insgesamt 42.860,- EUR, sodass ein einzusetzendes
Vermögen von 14.246,59 EUR verbleibe.
5
Das SG Münster (SG) hat die hiergegen erhobene Klage des Klägers durch Urteil vom 1. März 2006 abgewiesen, das
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Berufung des Klägers hiergegen durch Urteil vom 22. August
2006 zurückgewiesen.
6
Das LSG hat im Berufungsverfahren den Kreis Borken (beigeladener Kreis) nach § 75 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) beigeladen. Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, die Beklagte und nicht der beigeladene
Kreis sei passiv legitimiert; sie sei sachlich zuständig und materiell zur Erbringung der begehrten Leistung
verpflichtet. Der Kläger sei nicht hilfebedürftig, da er seinen Lebensunterhalt aus verwertbarem Vermögen bestreiten
könne. Er und seine Ehefrau E.L. verfügten über vier bzw im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung drei
Lebensversicherungen, deren Rückkaufswerte die Vermögensfreibeträge gemäß § 12 Abs 2 Nr 1 und Nr 4 SGB II
überstiegen und die auch nicht als Schonvermögen iS des § 12 Abs 3 SGB II privilegiert seien. Im Zeitpunkt der
Antragstellung sei von einem einzusetzenden Vermögen in Höhe von 57.106,59 EUR auszugehen gewesen, das über
den Freibeträgen in Höhe von insgesamt 42.660,- EUR (= 30.160,- EUR (58 Jahre x 520,- EUR) + 11.000,- EUR (55
Jahre x 200,- EUR) + 1.500,- EUR (2 x 750,- EUR)) gelegen habe. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sei zu
berücksichtigendes Vermögen in Höhe von 52.114,27 EUR vorhanden gewesen, von dem Freibeträge in Höhe von
43.580,- EUR (= 30.680,- EUR (59 Jahre x 520,- EUR) + 11.400,- EUR (57 Jahre x 200,- EUR) + 1.500,- EUR (2 x
750,- EUR)) abzuziehen gewesen seien. Der erhöhte Freibetrag von 520,- EUR je vollendetem Lebensjahr sei
entgegen der Ansicht des SG Berlin (Urteil vom 25. Oktober 2004 - S 77 AL 1761/04) nur für den vor dem 1. Januar
1948 geborenen Kläger zu Grunde zu legen und nicht für die danach geborene Ehefrau des Klägers E.L. Weitere
Freibeträge nach § 12 Abs 2 Nr 2 und 3 SGB II seien nicht zu berücksichtigen, da es sich bei den
Lebensversicherungen des Klägers und seiner Ehefrau weder um als Altersvorsorge geförderte "Riesterprodukte" noch
um der Altersvorsorge dienendes Vermögen iS der Nr 3 handele. Bei den vorgelegten Versicherungsverträgen sei die
Verwertung des angelegten Vermögens nicht vor Eintritt in den Ruhestand vertraglich ausgeschlossen. Anhaltspunkte
dafür, dass die Verwertung der Lebensversicherungen offensichtlich unwirtschaftlich oder für die Betroffenen eine
besondere Härte iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II bedeuten würde, seien nicht ersichtlich. Die Rückkaufswerte
der Versicherungen lägen über den eingezahlten Beträgen. Die bloße Erwartung, bei weiterem Zeitablauf einen
höheren Zahlbetrag zu erhalten, sei - wie bereits im Rahmen der Anrechnung von Vermögen bei der Arbeitslosenhilfe
(Alhi) - nicht geschützt.
7
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom LSG zugelassenen Revision, mit der er eine Verletzung der §§ 9 Abs 2
und 3, 12 und § 65 Abs 5 SGB II rügt. Der Kläger trägt vor, die Lebensversicherungen seien nicht als verwertbares
Vermögen zu berücksichtigen, da deren Wert nicht die ihm und seiner Ehefrau einzuräumenden Freibeträge nach § 12
Abs 2 Nr 1 und 4 SGB II übersteige. Das LSG habe nicht berücksichtigt, dass es für die Fortgeltung des früheren
Rechts der Arbeitslosenhilfe-Verordnung 2002 (AlhiV 2002) genüge, wenn ein Ehepartner bis zum 1. Januar 1948
geboren sei, um für beide Partner den erhöhten Freibetrag in Höhe von 520,- EUR anzusetzen. Dies folge schon aus
dem Wortlaut des § 65 Abs 5 SGB II iVm § 4 Abs 2 Satz 2 AlhiV 2002, der von "Personen" spreche und nicht darauf
abstelle, dass der zu beurteilende Arbeitslose bei Inkrafttreten der Vorschrift 55 Jahre alt gewesen sei. Eine solche
Interpretation ergebe sich aber auch aus der Pflicht der Ehepartner innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft, füreinander
einzustehen, und aus der Tatsache, dass die kapitalbildenden Lebensversicherungen aus gemeinsamem Vermögen
aufgebaut worden seien. Eine derartige Auslegung vermeide europarechtswidrige indirekte Diskriminierungen von
Frauen mit regelmäßig ohnehin geringeren Rentenanwartschaften gegenüber Männern und sichere den Frauen auch in
einer Bedarfsgemeinschaft eine angemessene eigene Altersvorsorge. Die Kläger verweisen ferner auf die
Schutzbedürftigkeit der gelebten Ehe nach Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG) und auf den notwendigen Vertrauensschutz
für rentennahe Jahrgänge, die mit ihrem Ehepartner zusammenleben. Zumindest in den Fällen, in denen der nach dem
1. Januar 1948 geborene Ehepartner nicht mit eigenem Einkommen und Vermögen zur Bedarfsdeckung der
Bedarfsgemeinschaft beitragen könne, sei ein Härtefall iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II anzunehmen und könne
dadurch vermieden werden, dass vertrauensgeschütztes Vermögen des einen für die Alterssicherung auch des
anderen Ehepartners vorzeitig aufgebraucht werde.
8
Der Kläger beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. August 2006 und des
Sozialgerichts Münster vom 1. März 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 24. November 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom
15. Mai 2005 bis 22. August 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren.
9
Die Beklagte beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
10
Sie schließt sich den Ausführungen des SG und des LSG an.
II
11
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der
Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet. Der Senat
kann auf Grund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger hilfebedürftig iS von § 7
Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 Abs 1 SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954) war. Es mangelt insoweit insbesondere an hinreichenden tatsächlichen
Grundlagen, um bewerten zu können, ob und ggf in welcher Höhe die Lebensversicherungen des Klägers und seiner
Ehefrau E.L. zumutbar verwertbares Vermögen im Sinne des § 12 Abs 1 SGB II waren, das ihn in die Lage versetzte,
im streitigen Zeitraum seinen Lebensunterhalt ohne Leistungen nach dem SGB II zu sichern (§ 9 Abs 1 Nr 2 SGB II).
12
Ein abschließendes Urteil konnte sich der Senat nur insoweit bilden, als
- der Rückkaufswert der Lebensversicherungen im streitigen Zeitraum die Freibetragsgrenze des § 12 Abs 2 Nr 1 SGB
II überschritt. Für E.L. gelten insoweit die erhöhten Werte der Übergangsvorschrift des § 65 Abs 5 SGB II nicht (2);
- es sich bei den Lebensversicherungen des Klägers und seiner Ehefrau E.L. nicht um als Altersvorsorge staatlich
gefördertes Vermögen handelt, das aus gesetzessystematischen oder verfassungsrechtlichen Gründen einer
geförderten Altersvorsorge gleichzusetzen ist (3);
- eine Nichtberücksichtigung der Lebensversicherungen als Vermögen nach § 12 Abs 3 Nr 3 SGB II ausscheidet. Der
Kläger ist weder von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden, noch ist er einer
Person, die diese Voraussetzungen erfüllt gleichzustellen (4);
- die Lebensversicherungen nicht deswegen vom Vermögen abzusetzen sind, weil sie im streitigen Zeitraum mit
einem Verwertungsausschluss iS des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II belegt waren (5);
- der Auffangtatbestand des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alt SGB II im vorliegenden Fall ebenfalls nicht erfüllt wird. Ein
Schutz des Lebensversicherungsvermögens wegen des Vorliegens einer besonderen Härte bei Verwertung des
Vermögens kommt hier nicht in Betracht (6).
13
Allerdings kann nach den Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden, ob die Verwertung der
Lebensversicherung offensichtlich unwirtschaftlich iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 1. Alt SGB II ist (7).
14
(1) Beteiligter auf Seiten des Revisionsführers ist im vorliegenden Verfahren nur der Kläger. Dieses ist im
Revisionsverfahren ausdrücklich klargestellt worden.
15
Beklagte ist die Stadt Borken. Nach den auf nicht revisiblen Normen - Landesrecht, das ausschließlich im Bezirk des
Berufungsgericht gilt (vgl hierzu Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl, 2005, § 162 RdNr 5b)
- beruhenden Ausführungen des LSG ist der Stadt Borken vom beigeladenen Kreis gemäß § 6 Abs 2 Satz 1 SGB II
iVm § 5 Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen ((KrO NW) idF vom 14. Juli 1994, GVBl NRW 1994, 646)
durch § 1 der Satzung über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II im Kreis
Borken vom 20. Januar 2005 (Durchführungssatzung SGB II Kreis Borken) die Durchführung der ihm als Träger der
Grundsicherung für Arbeitsuchende obliegenden Aufgaben nach dem SGB II im eigenen Namen übertragen worden.
Bei der Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II wird die Stadt Borken mithin für den beigeladenen Kreis tätig
(vgl Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16. Oktober 2007 - B 8/9b SO 8/06 R; Waschull in: Lehr- und
Praxiskommentar Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (LPK- SGB X), 2. Aufl 2007, § 1 RdNr 7 mwN).
16
Unter Zugrundelegung der landesrechtlichen Regelungen ist das LSG davon ausgegangen, dass die Stadt Borken
gegenüber den Hilfebedürftigen im Außenverhältnis materiell zur Erbringung der Leistungen nach dem SGB II
verpflichtet ist (§ 6a Abs 2 SGB II iVm § 1 Abs 1 Kommunalträger-Zulassungsverordnung, § 5 Abs 2 Gesetz zur
Ausführung des SGB II für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB II NRW) idF vom 16. Dezember 2004, GVBl NRW
2004, 821) iVm § 5 KrO NRW durch § 1 Abs 1 Durchführungssatzung SGB II; vgl auch Münder in: Lehr- und
Praxiskommentar Zweites Buch Sozialgesetzbuch (LPK-SGB II), 2. Aufl 2007, § 6 RdNr 18).
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Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Beigeladenen vom 24. November 2005 mit dem die Leistungsträger die Gewährung von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II versagt haben. In der Sache ist demnach über die
Gewährung von Alg II als Zuschuss vom 15. Mai 2005 bis zum 22. August 2006 - dem Zeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung vor dem LSG (vgl BSG Urteile vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 59/06 R und vom 16.
Mai 2007 - B 11b AS 37/06 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 4, vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R - SozR 4-4200 §
20 Nr 3) zu entscheiden. Im Streit stehen allerdings nur die Leistungen an den Kläger. Nur der Kläger hat den
ablehnenden Bescheid der Beklagten - obwohl er in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau E.L. lebt (§ 7 Abs 3
Nr 3a SGB II) - angefochten und tritt alleine als Revisionsführer auf. Im Hinblick auf seinen materiell-rechtlichen
Anspruch ist dieses jedoch unschädlich. Anspruchsinhaber ist nicht die Bedarfsgemeinschaft als Rechtssubjekt,
sondern die einzelne Person, die Angehörige der Bedarfsgemeinschaft ist. Der Kläger hat mithin einen
Individualanspruch auf Alg II (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12).
18
Auf Grund der Feststellungen des LSG vermochte der Senat jedoch nicht zu beurteilen, ob der Kläger im streitigen
Zeitraum Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hatte. Nach § 7 Abs 1 SGB II (hier idF des
Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BGBl I 2954) - die Änderung des § 7 Abs 1 Satz 2
SGB II durch das Gesetz zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl I 558) ist im
konkreten Fall nicht von Bedeutung) erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die 1. das 15. Lebensjahr
vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsunfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Hilfebedürftig
iS von § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 Abs 1 SGB II ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und
den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus
eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu
berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen,
insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Ob der Kläger seinen
Lebensunterhalt aus seinem und dem Vermögen seiner Ehefrau sichern konnte, lässt sich auf Grund der
Feststellungen des LSG nicht beurteilen. Es mangelt insoweit an Tatsachen dazu, ob von dem Kläger und seiner
Ehefrau die Verwertung von Vermögen in der Gestalt der Lebensversicherungen verlangt werden konnte. In dem nach
§ 12 Abs 4 Satz 2 SGB II maßgeblichen Zeitpunkt bei Antragstellung verfügte die Bedarfsgemeinschaft über
verwertbare Vermögensgegenstände (iS des § 12 Abs 1 SGB II) "Lebensversicherungen" mit einem Rückkaufswert =
Verkehrswert iS des § 12 Abs 4 Satz 1 SGB II (s Urteil BSG vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 66/06 R, RdNr 20,
22) von insgesamt 57.106,59 EUR (33.994,97 EUR (Vers-Nr 18594 739 8), 9263,19 EUR (Vers-Nr 12 981 428 2),
3.415,29 EUR (Vers-Nr 26 607 406 2), 10.433,14 EUR (Vers-Nr 27 070 232 8)). Dass der Kläger hier nur seinen
Individualanspruch verfolgt, ist ohne Bedeutung. Nach § 9 Abs 2 SGB II bestimmt sich der Bedarf des
Hilfebedürftigen unter Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens auch des Partners der
Bedarfsgemeinschaft. Ob und in welchem Umfang dem Kläger dessen Verwertung zugemutet wird, regeln § 12 Abs 2
und 3 SGB II. Fest steht nach den für den Senat bindenden, weil von den Beteiligten nicht mit durchgreifenden
Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG im Hinblick auf die vom Vermögen abzusetzenden Werte
sowie nicht als Vermögen zu berücksichtigenden "Gegenstände", die damit nicht dem Zwang zur Verwertung
unterworfen sind insoweit nur Nachstehendes:
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(2) Der Wert der Lebensversicherungen der Kläger überschritt im streitigen Zeitraum die Freibetragsgrenzen nach § 12
Abs 2 Nr 1 und 4 SGB II, die bei Antragstellung im Mai 2005 für den Kläger und E.L. zusammen 57.106,59 EUR
betrug. Die Lebensversicherungen waren damit oberhalb dieser Grenzen grundsätzlich zumutbar verwertbares
Vermögen zur Sicherung seines Lebensunterhalts (vgl hierzu BSG vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 66/06 R,
RdNr 18 zur Berücksichtigung nur des die Angemessenheitsgrenze überschreitenden Wertes eines Pkw als zumutbar
verwertbares Vermögen).
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Nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II (idF des Viertes Gesetzes zur Änderung des Dritten Buch des Sozialgesetzbuch und
anderer Gesetze vom 19. November 2004 BGBl I 2902) sind vom Vermögen abzusetzen: ein Grundfreibetrag in Höhe
von 200,- EUR je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber
jeweils 400,- EUR; der Grundfreibetrag darf für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 13.000,-
EUR nicht übersteigen. Nach § 65 Abs 5 SGB II gilt § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II mit der Maßgabe, dass für die in § 4 Abs
2 Satz 2 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) vom 13. Dezember 2001 in der Fassung vom 31. Dezember 2004
genannten Personen an die Stelle des Grundfreibetrags in Höhe von 200,- EUR je vollendetem Lebensjahr ein
Freibetrag von 520,- EUR, an die Stelle des Höchstfreibetrags in Höhe von jeweils 13.000,- EUR ein Höchstbetrag in
Höhe von 33.800,- EUR tritt.
21
Danach entfielen auf den Kläger 30.160,- EUR (58 Jahre x 520,- EUR). Der 1947 geborene Kläger hatte im Mai 2005
das 58. Lebensjahr und im April 2006 das 59. Lebensjahr vollendet (Erhöhung des Freibetrags auf 30.680,- EUR).
Unstreitig war für ihn damit nach der Übergangsvorschrift des § 65 Abs 5 SGB II ein erhöhter Freibetrag in Höhe von
520,- EUR je vollendetem Lebensjahr anzusetzen.
22
Auf E.L. entfiel bei Antragstellung im Mai 2005 nur ein Grundfreibetrag in Höhe von 11.000,- EUR (55 Jahre x 200,-
EUR). Die 1949 geborene Ehefrau des Klägers hatte im Mai 2005 das 55. Lebensjahr vollendet. Dem LSG ist darin
zuzustimmen, dass für sie gemäß § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II nur ein Freibetrag in Höhe von 200,- EUR je vollendetem
Lebensjahr zu berücksichtigen war. Das LSG geht zu Recht von einer Anwendung der Übergangsregelung des § 65
Abs 5 SGB II iVm § 4 Abs 2 Satz 2 AlhiV 2002 nur für den Ehegatten aus, der vor dem 1. Januar 1948 geboren ist
(vgl auch BSG, Urteil vom 28. November 2007 - B 11a AL 59/06 R; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 24.
Februar 2006 - L 3 AL 18/05; Winkel, SozSich 2004, 205; Winkler, info also 2003, 3, 7; aA SG Berlin, Urteil vom 25.
Oktober 2004 - S 77 AL 1761/04 = info also 2005, 29).
23
Der erkennende Senat folgt insoweit der Rechtsauffassung des 11a. Senat des BSG (Urteil vom 28. November 2007 -
B 11a AL 59/06 R) zu den Freibetragsgrenzen bei der Alhi; § 65 Abs 5 SGB II verweist insoweit auf die Regelungen in
der AlhiV (§ 4 Abs 2 Satz 2 AlhiV 2002). Danach gelten § 1 Abs 2 und § 3 Abs 1 AlhiV in der bis zum 31. Dezember
2002 geltenden Fassung für die Dauer der laufenden Bewilligung weiter, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs
auf Alhi im Zeitraum vom 1. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 vorgelegen haben. Abweichend von Satz 1 ist
§ 1 Abs 2 in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung für Personen weiterhin anzuwenden, die bis zum 1.
Januar 1948 geboren sind. Der erhöhte Freibetrag gilt mithin nur für Personen, die vor dem 1. Januar 1948 geboren
sind. Bereits der Wortlaut des § 4 Abs 2 Satz 2 AlhiV 2002 legt diese Lesart nahe. Dort wird zwar der Begriff
"Personen" verwendet. Dieser erklärt sich jedoch zwanglos daraus, dass die an das Lebensalter anknüpfende
Begünstigung nicht nur dem Arbeitslosen selbst zukommen soll, sondern gegebenenfalls auch seinem Ehegatten oder
Partner, der in seiner Person die fragliche Voraussetzung erfüllt.
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Keine andere Bewertung ergibt sich aus dem aus der Entstehungsgeschichte herzuleitenden Zweck der Vorschrift des
§ 4 Abs 2 Satz 2 AlhiV 2002. Es sollte aus Gründen des Vertrauensschutzes für Personen, die bei Inkrafttreten des
Gesetzes das 55. Lebensjahr vollendet hatten, bei den bisherigen Freibeträgen verbleiben (BT-Drucks 15/25 S 42).
Bei der notwendigerweise mit einem Stichtag versehenen Regelung (vgl BSG, Urteil vom 23. Januar 2008 - B 10 EG
3/07 R mwN) entspricht die Wahl des für die Zubilligung von Vertrauensschutz gewählten Lebensalters demjenigen,
das auch bei der übergangsweisen Weitergeltung von Renten wegen Arbeitslosigkeit zu Grunde gelegt worden ist (vgl
Krauß in: PK-SGB III, 2. Aufl 2004, § 193 RdNr 108; Radüge in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 12 RdNr 171). Das
vom Gesetzgeber gewählte Lebensalter von 55 Jahren selbst stellt - wie das BSG zu der rentenrechtlichen
Übergangsregelung in § 237 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) im Einzelnen ausgeführt hat (BSG, Urteil
vom 25. Februar 2004 - B 5 RJ 44/02 R = SozR 4-2600 § 237 Nr 1; BSG, Urteil vom 7. Juli 2004 = SozR 4-2600 § 237
Nr 3; BSG, Urteil vom 5. August 2004 - B 13 RJ 40/03 R = SozR 4-2600 § 237 Nr 6) - eine sachgerechte
Differenzierung dar, weil sich von diesem Zeitpunkt an die Chancen auf einen neuen Arbeitsplatz zunehmend
verschlechtern und folglich eine Reaktion auf veränderte Umstände erschwert ist. Unter 55-Jährige verfügten bei
typisierender Betrachtungsweise hingegen noch über bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und können sich durch
eigene Erwerbstätigkeit eher weitere Rentenanwartschaften aufbauen. Dafür, dass der Gesetzgeber einen weiter
gehenden Vertrauensschutz schaffen wollte, bestehen keine Anhaltspunkte. Besonderheiten in der Erwerbsbiographie
des Partners (zB Zeiten der Kindererziehung oder der Pflege von Angehörigen) sind hingegen im Rahmen der
Härtefallprüfung nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II zu berücksichtigen (vgl BSG, Urteil vom 14. September 2005 - B
11a/11 AL 71/04 R = SozR 4-4300 § 193 Nr 9).
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Es ist schließlich auch nicht ersichtlich, dass die hinsichtlich des Freibetrags iS des § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II auf die
einzelne Person abstellende Betrachtungsweise gegen höherrangiges Recht verstößt. Der Kläger geht zu Unrecht von
einem Eingriff in Art 6 Abs 1 GG aus. Art 6 Abs 1 GG schützt die Ehe als das auf Dauer angelegte und zuvor
staatlich beurkundete Zusammenleben von Mann und Frau in einer umfassenden, grundsätzlich unauflöslichen
Lebensgemeinschaft (vgl Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 29. Juli 1959 - 1 BvR 205, 332, 333,
367/58, 1 BvL 27, 100/58 = BVerfGE 10, 59, 66; BVerfG, Beschluss vom 4. April 1984 - 1 BvR 1323/82 = BVerfGE
66, 324, 330). Nicht vom Schutzbereich dieses Grundrechtes erfasst ist hingegen ein bestimmtes Modell der Ehe (zB
"Versorgerehe" oder "Doppelverdienerehe"). Bestimmte Rollenverteilungen können im Gegenteil gegen das
Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechtes aus Art 3 Abs 2 GG verstoßen (vgl Spellbrink in Eicher/Spellbrink,
Kasseler Handbuch der Arbeitsförderung, 2003, § 39 RdNr 180 ff mwN). Die von der Revision angestrebte Auslegung
des § 65 Abs 5 SGB II iVm § 4 Abs 2 Satz 2 AlhiV 2002 würde zu einer Besserstellung von Ehepaaren mit einem
jüngeren Partner führen, obwohl von dem jüngeren Partner auf Grund seines Lebensalters noch erwartet werden kann,
dass er eine angemessene Alterssicherung aufbaut. Insoweit würde - wie das LSG zu Recht ausgeführt hat - eine
einheitliche Betrachtung bei der Zubilligung von Freibeträgen systemwidrige Begünstigungen von Ehepaaren
unterschiedlichen Lebensalters bewirken, die durch Art 6 Abs 1 GG keinesfalls gefordert werden.
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§ 65 Abs 5 SGB II verstößt in der hier zu Grunde gelegten Auslegung auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot
auf Grund des Geschlechtes aus Art 3 Abs 2 GG. Denn selbst in ihren faktischen Auswirkungen führt die
personenbezogene Übergangsregelung nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts. Auch eine
gegen Art 3 Abs 1 GG verstoßende Diskriminierung wegen des Alters liegt nicht vor. Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle
Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Die Chance der unter 55-Jährigen durch eigene Erwerbstätigkeit
weitere Rentenanwartschaften zu erwerben, stellt einen Unterschied dar, welcher eine Ungleichbehandlung der nach
dem 1. Januar 1948 geborenen gegenüber den vor dem 1. Januar 1948 geborenen Personen rechtfertigt.
27
Unter Berücksichtigung des Freibetrages für notwendige Anschaffungen nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II in Höhe von
750,- EUR je Kläger ergab sich mithin ein Gesamtfreibetrag von 42.660,- EUR im Mai 2005 und 43.580 EUR im
August 2006.
28
(3) Die Rentenversicherungen der Kläger sind auch nicht mit dem diese Freibeträge überschießenden Anteil in Höhe
des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens oder diesem gleichzustellenden
Vermögen vor der Verwertung geschützt iS des § 12 Abs 2 Nr 2 SGB II (vgl zur Kumulation der Freistellungen nach §
12 Abs 2 und Abs 3 SGB II: BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 66/06 R; s auch Mecke in
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 12 RdNr 36).
29
Nach § 12 Abs 2 Nr 2 SGB II sind vom Vermögen abzusetzen, Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht
ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden
Altersvorsorgebeiträge, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwertet.
Altersvorsorgevermögen in diesem Sinne ist in jedem Fall solches dass nach § 10a oder dem XI. Abschnitt des
Einkommenssteuergesetzes (EStG) gefördert wird (s auch Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 12
RdNr 44; Brühl in LPK SGB II, 2. Aufl 2007, § 12 RdNr 19; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand II/07, § 12
RdNr 141). In der Begründung des Gesetzentwurfs für das SGB II wird insoweit ausdrücklich auf die
"Riesteranlageformen" (BT-Drucks 15/1516 S 53) hingewiesen. Ob auch andere Vorsorgeformen von der Reglung
erfasst werden (vgl hierzu Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand II/07, § 12 RdNr 143; Radüge in jurisPK SGB
II, 2007, § 12 RdNr 6; Mecke, SozSich 2003, 167, 171) kann hier dahinstehen. Bei den von den Klägern
abgeschlossenen Lebensversicherungen handelt es sich jedenfalls nicht um nach Bundesrecht ausdrücklich als
Altersvorsorge gefördertes Vermögen. Erforderlich ist insoweit nach geltendem Recht zumindest, dass der Sicherung
ein nach § 5 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz ((AltZertG) vom 26. Juni 2001, BGBl I 1310) durch die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zertifizierter Altersvorsorgevertrag zu Grunde liegt. Das ist hier nicht
der Fall.
30
Der Kläger und seine Ehefrau E.L. sind auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung im Hinblick auf die von ihnen
gehaltenen Lebensversicherungen denjenigen Personen gleichzustellen, die über eine den Voraussetzungen des § 12
Abs 2 Nr 2 SGB II entsprechende Altersvorsorge verfügen. Die Privilegierung des nach Bundesrecht ausdrücklich als
Altersvorsorge geförderten Vermögens gegenüber anderen Anlageformen wie einer Kapitallebensversicherung stellt
keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Sinne des Art 3 Abs 1 GG dar. Sie setzt vor allem voraus, dass die
Bestimmung von Vermögenswerten zur Alterssicherung vom Inhaber nicht ohne weiteres geändert werden kann.
31
Im Gegensatz zur üblichen Kapitallebensversicherung erfolgt die staatliche Förderung der Sicherungsformen des § 12
Abs 2 Nr 2 SGB II im Übrigen nur dann, wenn sie grundsätzlich zertifiziert sind und ihre Zweckbestimmung zur
Altersvorsorge öffentlich überwacht wird. Dadurch wird sichergestellt, dass die Versicherung auch tatsächlich der
Altersvorsorge dient und nicht, wie bei "einfachen" Kapitallebensversicherungen möglich, das "angesparte" Kapital
jeder Zeit zur Deckung eines auftretenden Bedarfs herangezogen werden kann. Demselben Ziel dient das in § 12 Abs
2 Nr 3 SGB II geregelte Verbot der vorzeitigen Verwertung.
32
(4) Nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II ist als Vermögen nicht zu berücksichtigen vom Inhaber als für die
Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige
Hilfebedürftige oder sein Partner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist. Der
Kläger und seine Ehefrau E.L. unterfallen nicht dem Personenkreis derjenigen, die eine Privilegierung ihres
Vermögens nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II in Anspruch nehmen können. Sie sind nicht nach §§ 6, 231 (231a)
SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Sie unterlagen auf Grund ihrer
abhängigen und damit versicherungspflichtigen Beschäftigung immer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung.
33
Die Regelungen der §§ 12 Abs 3 Satz 1 Nr 3 und 26 Abs 1 SGB II gleichen die Situation der von der
Versicherungspflicht Befreiten mithin der der Rentenversicherungspflichtigen an, denn der
Rentenversicherungspflichtige kann und muss seine Anwartschaft auf eine Rente in der gesetzlichen
Rentenversicherung von vornherein nicht zur Sicherung eines Lebensunterhalts während des SGB II-Leistungsbezugs
einsetzen. Der Schutz der Kapitallebensversicherung eines Rentenversicherungspflichtigen in entsprechender
Anwendung des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II würde daher zu einer darüber hinausgehenden Privilegierung des
Versicherungspflichtigen im Verhältnis zu den von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
befreiten führen (vgl hierzu im Einzelnen Urteil des erkennenden Senat vom 15. April 2008, B 14/7b AS 68/06 R).
34
(5) Auch ein Schutz des Lebensversicherungsvermögens nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II kommt hier nicht in Betracht.
Nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II (idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch und
anderer Gesetze vom 19. November 2004, BGBl I 2902) sind vom Vermögen abzusetzen geldwerte Ansprüche, die
der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen
Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 200,- EUR je vollendetem Lebensjahr des
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners bzw seit dem 1. August 2006 250,- EUR, höchstens 13.000,-
EUR bzw seit dem 1. August 2006 16.250,- EUR nicht übersteigt (Änderung zum 1. August 2006 durch das Gesetz
zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, BGBl I 1706). Die Kläger haben keinen
entsprechenden Verwertungsausschluss iS des § 165 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetzes (VVG - in der bis zum
31. Dezember 2007 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.
Dezember 2003, BGBl I 2954; jetzt § 168 VVG) vertraglich vereinbart.
35
(6) Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alt SGB II sind ebenfalls nicht
erfüllt. Nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 1. Alt SGB II sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen, Sachen oder Rechte,
soweit ihre Verwertung für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Bei dem Begriff der besonderen
Härte handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl
BSG Urteil vom 8. Februar 2007 - B 7a AL 34/06 R, RdNr 13 mwN). Nach der Rechtsprechung des 11b. Senats des
BSG (Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 37/06 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 4), der sich der erkennende Senat
anschließt, richtet es sich nach den Umständen des Einzelfalls, ob von einer besonderen Härte iS des § 12 Abs 3
Satz 1 Nr 6 2. Alt SGB II auszugehen ist. Maßgebend sind dabei nur außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die
ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen (§ 12 Abs 3 Satz 1 SGB II, § 4 Abs 1 Arbeitslosengeld
II/Sozialgeld-Verordnung idF vom 20. Oktober 2004) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs 2 SGB II erfasst
werden (vgl Mecke in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl 2008 § 12 RdNr 87). § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II setzt daher solche
Umstände voraus (etwa die Betreuungspflege bedürftiger Personen, vgl Nachweise bei Brühl in LPK-SGB II, 2. Aufl, §
12 RdNr 55 ff; auch Behrend in Juris Praxiskommentar, SGB II, § 12 RdNr 52), die dem Betroffenen ein deutlich
größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets
verbundenen Einschnitte. Nach den Gesetzesmaterialien liegt ein Härtefall iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alt SGB
II zB dann vor, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die
Altersvorsorge einsetzen muss, obwohl seine Rentenversicherung Lücken wegen selbständiger Tätigkeit aufweist
(BT-Drucks 15/1749 S 32). Es kommt nach den Vorstellungen des Gesetzgebers im Beispielsfall also nicht allein auf
den Verlust der Altersvorsorge und dessen Zeitpunkt, sondern beides nur zusammen mit der Versorgungslücke an.
Demnach sind nur besondere, bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende Umstände beachtlich und
in ihrem Zusammenwirken zu prüfen.
36
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das LSG im vorliegenden Fall zu Recht das Vorliegen einer besonderen
Härte ausgeschlossen. Eine Privilegierung der Lebensversicherungen des Klägers und seiner Ehefrau kommt auch im
Rahmen des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alt SGB II grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn sie tatsächlich zur
Altersvorsorge bestimmt ist (vgl oben unter 4). Insoweit und im Hinblick auf die Ausführungen zur
Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 12 Abs 3 Nr 3 SGB II (vgl BSG Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS
52/06 R) gilt hier nichts anderes als für den Schutz des dort genannten Vermögens. Von daher ist es erforderlich,
dass der Hilfebedürftige das Vermögen nach Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung des Lebensunterhalts für sich
verwenden will und eine der Bestimmung entsprechende Vermögensdisposition getroffen hat (vgl nur BSG, Urteil vom
25. Mai 2005 - B 11a/11 AL 51/04 R = SozR 4-4220 § 6 Nr 2; Brühl in LPK-SGB II, § 12 RdNr 39; Spellbrink ZfS 2000,
193, 201 ff). Insoweit mangelt es zwar an hinreichenden Feststellungen des LSG zu den Lebensversicherungen von
E.L. und nicht alle Lebensversicherungen des Klägers können unmittelbar dem Eintritt des Rentenalters zugeordnet
werden. Das Vorliegen einer besonderen Härte scheidet aber schon deswegen aus, weil keine Indizien für eine
atypische Erwerbsbiographie vorhanden sind, die die Notwendigkeit der Inanspruchnahme einer Lebensversicherung
wegen niedriger Rentenansprüche auf Grund von Lücken im Versicherungsverlauf nach sich gezogen haben könnten.
Lücken, die beispielsweise durch Arbeitslosigkeit entstanden sind, können nicht hierzu gerechnet werden, da diese
durch rentenrechtliche Zeiten in die Rentenberechnung einfließen. Weder der Verwertungszwang selbst, noch die
niedrigere Freibetragsgrenze für E.L. vermögen für sich allein genommen darüber hinaus eine besondere Härte zu
begründen.
37
(7) Nach den Feststellungen des LSG kann jedoch keine abschließende Entscheidung durch den Senat dazu getroffen
werden, ob die Verwertung der Lebensversicherung für den Kläger offensichtlich unwirtschaftlich iS des § 12 Abs 3
Satz 1 Nr 6 1. Alt SGB II ist. Es fehlt an hinreichenden Feststellungen des LSG zum Verhältnis von Substanz- und
Verkehrswert der Lebensversicherungen der E.L., insbesondere zu den Veränderungen im streitigen Zeitraum und
ihren Auswirkungen auf die Frage der Wirtschaftlichkeit der Verwertung.
38
Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 6. September 2007 (B 14/7b AS 66/06 R) ausgeführt hat, liegt eine
offensichtliche Unwirtschaftlichkeit dann vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis
zum wirklichen Wert des zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht (BSG, Urteil vom 17. Oktober 1990 - 11 RAr
133/88, DBlR 3785a, AFG § 137; BSG, Urteil vom 25. April 2002 - B 11 AL 69/01 R, DBlR 4750a, AFG § 137).
Umgekehrt ist eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung nicht gegeben, wenn das Ergebnis
der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht (zur Alhi BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 7). Hinsichtlich der
Wirtschaftlichkeit der Verwertung ist auf das ökonomische Kalkül eines rational handelnden Marktteilnehmers
abzustellen (zum Recht der Alhi vgl Spellbrink, Kasseler Handbuch der Arbeitsförderung, 2003, § 13 RdNr 208). Es ist
mithin zu ermitteln, welchen Verkehrswert der Vermögensgegenstand gegenwärtig auf dem Markt hat. Dieser
gegenwärtige Verkaufspreis ist dem Substanzwert gegenüber zu stellen (vgl Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II,
2005, § 12 RdNr 84). Der Substanzwert ergibt sich bei einem Lebensversicherungsvertrag aus den eingezahlten
Beiträgen und der Verkehrswert aus dem Rückkaufswert der Versicherung. Welche Verlustgrenze im Einzelnen zur
offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit führt, kann hier dahinstehen. Auf Grund der fehlenden Feststellungen des LSG
kann der Verlust im vorliegenden Fall nicht bestimmt werden. Der 11b. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 23.
November 2006 (B 11b AS 17/06 R, RdNr 24 am Ende) angedeutet, dass er Verluste von mehr als 10 % als noch im
Bereich des Wirtschaftlichen liegend betrachten würde. Der erkennende Senat hat die Grenze der offensichtlichen
Unwirtschaftlichkeit iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II bei einem Verlust von 12,9 % noch nicht als erreicht
angesehen. Zugleich hat er darauf hingewiesen, dass der Substanzwert einer Lebensversicherung nicht nur darin
besteht, dass Beiträge einbezahlt wurden, sondern dass zugleich mit einer Lebensversicherung eine Chance bzw
Anwartschaft auf eine wesentlich höhere Gesamtsumme im Fall der Auszahlung bzw der Rentenzahlung verbunden
ist. Angesichts dessen ist es als zweifelhaft angesehen worden, ob ein Verlust von 18,5 % (bei rein isolierter
Betrachtung des Verhältnisses von eingezahlten Beträgen und Rückkaufswert) noch im Bereich der Wirtschaftlichkeit
iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II liegt.
39
Im vorliegenden Fall mangelt es an Feststellungen des LSG zur Höhe der eingezahlten Beiträge für die
Lebensversicherungen der E.L. im Zeitpunkt der Antragstellung und im August 2006. Das LSG hat bezogen auf
unterschiedliche Zeitpunkte lediglich die Rückkaufswerte festgestellt. In welcher Höhe E.L. Beiträge eingezahlt hat ist
nicht festgestellt. Diese Feststellungen wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben, um
dann unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen festzustellen, ob die Verwertung der Lebensversicherung der
Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zum Zeitpunkt der Antragstellung und/oder zum Schluss der mündlichen
Verhandlung offensichtlich unwirtschaftlich war bzw geworden ist und ggf die Freibetragsgrenze zu irgendeinem
Zeitpunkt bis zum Schluss des streitigen Zeitraumes unterschritten wurde.
40
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.