Urteil des BSG vom 11.06.2003

BSG: anhörung, widerspruchsverfahren, rücknahme, medizinisches gutachten, verwaltungsakt, erlass, rechtswidrigkeit, erwerbseinkommen, rückforderung, arbeitsentgelt

Bundessozialgericht
Urteil vom 11.06.2003
Sozialgericht Gießen S 2 RJ 847/00
Hessisches Landessozialgericht L 12 RJ 32/01
Bundessozialgericht B 5 RJ 28/02 R
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 12. März 2002 wird
zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Rücknahme der Bewilligung von Übergangsgeld (Übg) wegen gleichzeitig
erzielten Arbeitsentgeltes für die Zeit ab 1. Februar 1994 bis zum 31. Januar 1997 und die damit verbundene
Rückforderung.
Die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) bewilligte dem 1950 geborenen Kläger - einem Dachdeckermeister,
der bis 1992 im eigenen Betrieb tätig war - für die Dauer einer beruflichen Umschulungsmaßnahme (zum
Bautechniker) Übg ab 1. Februar 1994. Im Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 1994, der einen früheren Bescheid vom
15. März 1994 ersetzte, belehrte die Beklagte den Kläger (unter der Überschrift "Auflagen, Vorbehalte und
Mitteilungen") über seine Verpflichtung, ihr den Bezug von Erwerbseinkommen und anderen Leistungen unverzüglich
mitzuteilen; wegen derartiger Bezüge zu viel gezahltes Übg sei zurückzuzahlen; im Übrigen verwies sie auf weitere
Ausführungen in der Anlage zu dem Bescheid. In der Folgezeit wurde die Leistung mehrfach dynamisiert und die
Beklagte zahlte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar 1994 bis zum Ende der (erfolgreich abgeschlossenen)
Maßnahme am 30. Januar 1997 insgesamt einen Betrag von 111.048,88 DM. Während der gesamten
Umschulungsmaßnahme war der Kläger jedenfalls bis Januar 1997 bei der G. GmbH - einer Dachdeckerfirma -
zugleich versicherungspflichtig beschäftigt und erzielte in dieser Zeit einen Nettolohn von 69.256,11 DM.
Mit Schreiben vom 15. August 1997 machte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Beklagte auf
mögliche Doppelleistungen von Übg und Arbeitsentgelt für die Zeit ab Februar 1994 aufmerksam. Dieses Schreiben
nahm die Beklagte nicht zum Anlass für eine Überprüfung, sondern übermittelte mit Schreiben vom 25. September
1997 lediglich den Kontenspiegel des Versicherten mit den relevanten Daten an die BfA. Im Verlauf eines anderen
Verwaltungsverfahrens (betreffend die Gewährung einer Eingliederungshilfe) bemerkte die Beklagte im Oktober 1998
selbst Unstimmigkeiten zwischen der Übg-Zahlung und Arbeitsentgelt (Aktenvermerk vom 22. Oktober 1998).
Ermittlungen bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Bad Hersfeld bestätigten eine versicherungspflichtige
Beschäftigung des Klägers vom 1. Januar 1995 bis 31. Januar 1997. Anforderungsgemäß übersandte die
Arbeitgeberin am 26. November 1998 Lohnunterlagen über die Zeit von 1995 bis 31. Januar 1997. In diesen
Unterlagen fand sich der Hinweis, dass der Kläger bereits am 1. Januar 1994 in die Firma eingetreten war. Unter dem
24. November 1998 bat die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf seinen Übg-Bezug in der Zeit vom 1. Februar 1994
bis 14. März 1997 um Mitteilung, in welchem Zeitraum er in welcher Höhe Arbeitsentgelt bezogen habe. Dieses
Schreiben blieb sachlich unbeantwortet.
Mit Bescheid vom 7. Januar 1999 hob die Beklagte - nach vorheriger Anhörung des Klägers (Schreiben vom 8.
Dezember 1998) - den Übg-Bescheid vom 15. März 1994 mit Wirkung ab 1. Januar 1995 auf und forderte für den
Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 31. Januar 1997 eine Erstattung in Höhe von 45.835,80 DM.
Ebenfalls mit Schreiben vom 7. Januar 1999 nahm der Kläger zu dem Anhörungsschreiben Stellung und führte aus, er
habe nicht grob fahrlässig gehandelt, als er seine Tätigkeit bei der G. GmbH nicht mitgeteilt habe. Er sei für diese
Firma nur beratend tätig gewesen und habe eine pauschale Vergütung von monatlich 1.500 DM netto erhalten. Die
Berechnung der Beklagten sei nicht zutreffend. Auf den (nicht näher begründeten) Widerspruch des Klägers vom 14.
Januar 1999 ermittelte die Beklagte bei dessen Arbeitgeberin, die mit Schreiben ihres Steuerberaters vom 6. Mai 1999
mitteilte, der Kläger habe in einem Arbeitsverhältnis gestanden und - laut Aussage der Arbeitgeberin - Lohnzahlungen
entsprechend der korrekt abgewickelten Lohn- und Gehaltsabrechnung erhalten.
Mit Bescheid vom 25. August 1999 nahm die Beklagte den Rückforderungsbescheid vom 7. Januar 1999 zurück, weil
sie dort fälschlicherweise den Übg-Bescheid vom 15. März 1994 statt des Übg-Bescheides vom 20. Mai 1994
aufgehoben habe. Sie hob nunmehr den Übg-Bescheid vom 20. Mai 1994 für die Zeit ab 1. Januar 1995 bis 31. Januar
1997 - gestützt auf § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) - auf und forderte erneut von dem Kläger
eine Erstattung in Höhe von 45.835,80 DM. Dagegen legte der Kläger ohne weitere Begründung am 29. September
1999 Widerspruch ein.
Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens bemerkte die Beklagte schließlich, dass der Kläger bereits seit dem 1. Januar
1994 beschäftigt gewesen war (Aktenvermerk vom 10. November 1999). Nachdem durch den Steuerberater der G.
GmbH mit Schreiben vom 2. Dezember 1999 die Lohnunterlagen (Jahresmeldung, Lohnkonto) für das Jahr 1994
vorgelegt worden waren, nahm die Beklagte mit Bescheid vom 27. Dezember 1999 ihren Bescheid vom 25. August
1999 zurück. Den Übg-Bescheid vom 20. Mai 1994 nahm sie, ohne eine weitere Anhörung des Klägers durchzuführen,
nunmehr gestützt auf § 45 Abs 2 Nr 3 SGB X zurück. Für die Zeit vom 1. Februar 1994 bis 31. Januar 1997 stellte sie
einen überzahlten Betrag von 69.257,40 DM fest und forderte diesen gemäß § 50 Abs 1 SGB X zurück. Sie führte ua
aus, der Bescheid werde gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Mit
weiterem Bescheid vom 18. Januar 2000 änderte die Beklagte den Bescheid vom 27. Dezember 1999 dahingehend
ab, dass die Überzahlung 69.256,46 DM betrage; außerdem legte sie dar, von welchen Nettolohnbezügen sie
ausgegangen sei und wies (im letzten Satz des Bescheides) darauf hin, dass der Vorgang "in Kürze unserer
Widerspruchsstelle zur Entscheidung" vorgelegt werde. Sodann wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 18. April
2000 den Widerspruch zurück.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 14. November 2000 die Bescheide vom 27. Dezember 1999
und 18. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2000 aufgehoben, weil der Kläger nicht
ordnungsgemäß angehört worden sei und eine entsprechende Anhörung auch nicht im Widerspruchsverfahren
nachgeholt werden könne, da die angefochtenen Bescheide einen Hinweis auf die Möglichkeit der Gegenäußerung
vermissen ließen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 12. März 2002 die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und
die "Klagen" (gegen Bescheide der Beklagten vom 8. Dezember 1998 und 30. November 2000) abgewiesen. Es hat ua
ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht das zu viel gezahlte Übg vom Kläger zurückgefordert. Der angefochtene
Bescheid vom 27. Dezember 1999, abgeändert am 18. Januar 2000, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
18. April 2000 sei rechtmäßig. Grundlage für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 20. Mai 1994 sei § 45
SGB X. Der Bewilligungsbescheid sei anfänglich rechtswidrig gewesen, denn die Berechnung des Übg sei nach § 22
des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vorgenommen worden, ohne das gleichzeitig erzielte
Erwerbseinkommen des Klägers gemäß § 27 SGB VI anzurechnen. Die nach § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X notwendige
Kenntnis von der Rechtswidrigkeit habe die Beklagte frühestens am 6. Dezember 1999 erhalten, als ihr die
Lohnunterlagen des Klägers für das Jahr 1994 zugegangen seien. Die Jahresfrist zur Rücknahme sei somit durch den
Bescheid vom 27. Dezember 1999, abgeändert am 18. Januar 2000, gewahrt.
Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn auf Grund der dem Bescheid vom 20. Mai 1994
beigefügten Belehrung habe er wissen müssen, dass wegen seines Arbeitseinkommens der Übg-Bescheid zu seinen
Gunsten falsch gewesen sei. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger subjektiv nicht in der Lage
gewesen wäre, den Inhalt der Belehrung zu verstehen bzw zur Kenntnis zu nehmen. Die Beklagte habe bei ihrer
Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X auch die erforderliche, rechtlich nicht zu beanstandende
Ermessensentscheidung getroffen.
Entgegen der vom SG vertretenen Rechtsansicht scheitere die Rechtmäßigkeit der Rücknahme auch nicht an einem
Verfahrensfehler. Die Beklagte habe zwar die nach § 24 SGB X notwendige Anhörung nicht durchgeführt. Doch dieser
Verfahrensfehler sei im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Nach § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X könne eine Anhörung
nachgeholt werden. Dabei sei - im Anschluss an Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Urteil vom 14. Juli
1994 - 7 RAr 104/93) - der Verfahrensmangel einer fehlenden Anhörung vor Erlass eines Bescheides ohne gesonderte
Nachholungshandlung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens heilbar, wenn der Bescheid selbst alle wesentlichen
Tatsachen enthalte. Der Bescheid vom 27. Dezember 1999 erfülle diese Voraussetzungen. Er sei von der für die
Erstentscheidung zuständigen Verwaltungsbehörde erlassen, er enthalte die neue Berechnung des Übg und die
Berechnung der Überzahlung und er benenne die Voraussetzungen des § 45 SGB X einschließlich eines Hinweises
zur Ermessensausübung. Allerdings fehle ein gesonderter Hinweis auf die Äußerungsmöglichkeit. Dieser sei früher
vom 4. Senat des BSG (BSGE 69, 247) gefordert worden. Die übrigen Senate des BSG seien dieser Rechtsprechung
jedoch nicht gefolgt und auch der 4. Senat selbst habe seine Ansicht im Urteil vom 16. November 1995 (4 RLw 3/94)
aufgegeben. Nach dem Wortlaut des § 24 SGB X sei den Beteiligten "Gelegenheit" zur Stellungnahme zu geben. Es
reiche also, dass der Kläger im Widerspruchsverfahren die Möglichkeit gehabt habe, sich zu äußern. Dies gelte auch
in dem hier vorliegenden, besonderen Fall, in dem der die fehlende Anhörung heilende Bescheid nach § 86 SGG in
einem anhängigen Widerspruchsverfahren ergangen sei. Auch ein von der Ausgangsbehörde erlassener neuer
Bescheid im Widerspruchsverfahren könne bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Anhörung ersetzen. Der
entsprechende Hinweis, der sich an Stelle einer Rechtsmittelbelehrung im Bescheid befinde, mache deutlich, dass
eine endgültige Entscheidung noch nicht ergangen sei und noch weitere Stellungnahmen abgegeben werden könnten.
Dies sei vom Kläger auch zu erkennen gewesen; er hätte jederzeit noch Einwände gegen die dem Bescheid zu
Grunde gelegten Tatsachen erheben können. Dazu habe auch der Zeitraum zwischen der Erteilung des Bescheides
und des Widerspruchsbescheides ausgereicht.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger in erster Linie die Verletzung von
Verwaltungsverfahrensrecht (§ 24 Abs 1, § 41 Abs 1 Nr 3 sowie § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X). Er macht geltend, der
Bescheid vom 27. Dezember 1999 greife in seine Rechte ein. Mit ihm habe die Beklagte den Bescheid vom 25.
August 1999 (gemeint ist wohl der Bescheid vom 20. Mai 1994) mit Wirkung vom 1. Februar 1994 zurückgenommen
und Übg in Höhe von 69.257,40 DM zurückgefordert. Dieser Verfügungssatz gehe über denjenigen aus dem Bescheid
vom 25. August 1999, der sich lediglich auf die Zeit ab dem 1. Januar 1995 bezogen habe, hinaus. Da die Beklagte
auch nicht gemäß § 24 Abs 2 SGB X von der Anhörung habe absehen können, hätte sie ihn vor Erlass des
Leistungsbescheides vom 27. Dezember 1999 anhören müssen, dies sei nicht geschehen. Entgegen der Ansicht des
LSG sei die Anhörung nicht nachgeholt worden. Insoweit seien die Ausführungen des LSG schon in sich
widersprüchlich. Denn einerseits werde ausgeführt, dass entgegen der früheren Rechtsansicht des 4. Senats des
BSG ein gesonderter Hinweis auf die Äußerungsmöglichkeit nicht erforderlich sei, und andererseits werde an anderer
Stelle des Urteils dargelegt, der Hinweis, nach welchem der Bescheid vom 27. Dezember 1999 gemäß § 86 SGG
Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens werde, mache deutlich, dass eine endgültige Entscheidung
noch nicht ergangen sei und noch weitere Stellungnahmen abgegeben werden könnten. Davon abgesehen werde die
Rechtsansicht des SG geteilt, wonach die Rechtsprechung des 7. Senats des BSG über die Möglichkeit der
Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren bei dem vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung finden
könne. So sei ein gesonderter Hinweis auf die Möglichkeit zur Äußerung immer dann erforderlich, wenn die Verwaltung
ihren Widerspruchsbescheid auf neue, insbesondere neu ermittelte, Umstände stützen wolle und dies dem
Betroffenen nicht bekannt sei. Dies sei hier der Fall. Denn die Beklagte habe erst im Verlauf des
Widerspruchsverfahrens bemerkt, dass sie ihren Widerspruchsbescheid darauf stützen wolle, dass er (der Kläger)
bereits seit dem 1. Januar 1994 beschäftigt gewesen sei. Dies sei ihm bis zum Erlass des Bescheides vom 27.
Dezember 1999 nicht bekannt gewesen. Dafür genüge auch nicht - wie das LSG offenbar meine - der dem Bescheid
beigefügte Hinweis auf die ihm inhaltlich nicht bekannte Vorschrift des § 86 SGG, zumal dieser Bescheid zunächst
nicht an seinen Bevollmächtigten, sondern direkt an ihn gesandt worden sei. Dasselbe gelte für den Bescheid vom 18.
Januar 2000. Er habe nicht erkennen können, dass die Beklagte ihm dadurch Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben
habe. Darüber hinaus sei die Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X nicht gewahrt. Nach den Feststellungen des
SG und des LSG sei der Beklagten bereits im November 1998 bekannt gewesen, dass er, der Kläger, schon seit dem
1. Januar 1994 bei seiner Arbeitgeberin angestellt gewesen sei und er dies nicht mitgeteilt hatte. Dies sei ausreichend
für eine Rücknahme des Bescheides, zu der die Beklagte ihn auch mit Schreiben vom 24. November 1998 angehört
habe. Es sei angesichts dessen nicht einleuchtend, aus welchen Gründen dies keine Kenntnis iS des § 45 Abs 4
Satz 2 SGB X sein solle. Wenn die Beklagte die Rückforderungsentscheidung gemäß § 50 SGB X erst nach Kenntnis
der Lohnunterlagen für das Jahr 1994 treffen könne, so bedeute dies nicht, dass die aus den Lohnunterlagen
ersichtlichen Tatsachen für die Rücknahmeentscheidung "notwendige" Tatsachen seien. Dies gebe bereits der
Wortlaut des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X nicht her. Diese Vorschrift beziehe sich auf die Rücknahme eines
rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes und nicht auf die Rückforderung nach § 50 Abs 1 SGB X. Die
Beklagte sei im Übrigen auch nicht verpflichtet, Rücknahme- und Rückforderungsentscheidungen in einem
Verwaltungsakt vorzunehmen. Schließlich rügt der Kläger eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG). Er
macht geltend, er habe sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Gerichtsverfahren wiederholt vorgetragen, dass
er nicht die von seiner Arbeitgeberin gemeldeten Lohnzahlungen erhalten habe, sondern eine Vergütung von 1.500 DM
netto pauschal pro Monat. Auf diesen Vortrag habe das LSG bei der Überprüfung der Höhe der Rückforderung
eingehen müssen.
Er beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 12. März 2002 aufzuheben und die Berufung der
Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. November 2000 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Zur der Einhaltung der Jahresfrist macht sie ergänzend geltend, es könne
entgegen der Rechtsansicht des Klägers hier nicht zwischen der Rücknahmeentscheidung und der
Erstattungsforderung getrennt werden. Dies folge schon aus der gesetzlichen Regelung, wonach auf den Anspruch auf
Übg zeitgleich erzieltes Arbeitsentgelt anzurechnen sei. Dies könne dazu führen, dass es zu keiner Auszahlung des
Übg komme, obwohl der Anspruch hierauf dem Grunde nach bestehe. Auch sei denkbar, dass während eines
Jahreszeitraums (monatsweise) unterschiedlich erzieltes Arbeitseinkommen zu unterschiedlichen (monatlichen) Übg-
Zahlungen führe. Für die Feststellung des Umfanges der Rechtswidrigkeit und damit auch des Umfanges des
Rücknahmebescheides vom 27. November 1999 sei es daher notwendig gewesen, das tatsächlich erzielte
Einkommen des Klägers für das Jahr 1994 zu kennen. Diese Kenntnis habe sie frühestens am 6. Dezember 1999
gehabt, als ihr die Lohnunterlagen des Klägers für das Jahr 1994 zugegangen seien. Auch die vom Kläger gerügte
Verletzung der Amtsermittlungspflicht greife nicht durch. Denn seine Ausführungen, er habe bei seiner Arbeitgeberin
eine lediglich beratende Tätigkeit mit einer pauschalen Nettovergütung von 1.500 DM monatlich ausgeübt, sei bereits
im Verwaltungsverfahren durch entsprechende Ausführungen des Steuerberaters der Arbeitgeberfirma und die
vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechnungen widerlegt und von den Vorinstanzen zu Recht als unglaubhafter bzw
nicht substantiierter Vortrag unberücksichtigt gelassen worden. Zur Frage der Anhörung verweise die Beklagte
ergänzend auf ein Urteil des 7. Senats des BSG vom 15. August 2002 (B 7 AL 38/01 R). Im Übrigen könne sich der
Kläger auch nicht auf seinen Empfängerhorizont berufen; den Bescheid vom 18. Januar 2000 habe sein
Bevollmächtigter im Verwaltungsverfahren in Kopie zur Kenntnisnahme erhalten.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind lediglich noch die
angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 27. Dezember 1999, abgeändert am 18. Januar 2000, in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18. April 2000. Diese Bescheide sind - wie das LSG zu Recht entschieden hat -
rechtmäßig. Denn die Voraussetzungen für eine teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 20. Mai 1994
rückwirkend für die Zeit vom 1. Februar 1994 bis zum 31. Januar 1997 sind gegeben (dazu unter 1.) und zu Recht ist
die Erstattungspflicht des Klägers in Höhe von 69.256,46 DM festgestellt worden (dazu unter 2.).
1. Die Rechtmäßigkeit dieser Bescheide misst sich - soweit der Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 1994
zurückgenommen worden ist - an § 45 SGB X. Danach ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch
nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die in § 45 Abs 2
Satz 3 SGB X genannten Rücknahmevoraussetzungen vorliegen.
a) Zutreffend - und jedenfalls dem Grunde nach auch vom Kläger in seinem Revisionsvorbringen nicht in Frage
gestellt - ist das LSG von der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 20. Mai 1994 über die Bewilligung von Übg
ausgegangen, weil der Berechnung des Übg das in dem letzten Kalendermonat vor dem Beginn der Maßnahme (1. bis
31. Januar 1994) erzielte Arbeitsentgelt gemäß § 22 Abs 2 SGB VI in der bis zum 30. Juni 2001 gültigen, hier
maßgebenden Fassung (aF) zu Grunde gelegt worden ist, ohne zu berücksichtigen, dass der Kläger zeitgleich
Erwerbseinkommen erzielt hat, das gemäß § 27 Abs 1 Nr 1 SGB VI aF auf das Übg anzurechnen war. Nach dieser
Vorschrift wird auf das Übg das gleichzeitig erzielte Erwerbseinkommen angerechnet, das dem Versicherten (als
Arbeitnehmer) nach Abzug von Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung zufließt; abzustellen ist somit auf das
Nettoarbeitsentgelt.
b) Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte die Jahres-Frist für eine rückwirkende Rücknahme des
rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes eingehalten. Nach § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X muss die Behörde
dann, wenn der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X zurückgenommen
wird, dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen
begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Frist beginnt also mit der Kenntnis der
Rücknahmegründe, wozu nicht allein die Tatsachen gehören, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des früheren
Verwaltungsakts ergibt (vgl zB BSG Urteil vom 8. Februar 1996 - 13 RJ 35/94 - BSGE 77, 295, 299 f = SozR 3-1300 §
45 Nr 27). Wie vom LSG festgestellt, hat die Beklagte frühestens am 6. Dezember 1999 (Eingang der mit Schreiben
des Steuerberaters der G. GmbH vom 2. Dezember 1999 übersandten Lohnunterlagen für das Jahr 1994) Kenntnis
von den die Rechtswidrigkeit der früheren Leistungsbewilligung ergebenden Tatsachen erhalten. Die Jahres-Frist zur
Rücknahme ist demzufolge mit dem Bescheid vom 27. Dezember 1999, abgeändert am 18. Januar 2000, gewahrt.
Soweit der Kläger mit seinem Revisionsvorbringen die Richtigkeit dieser Feststellung des LSG in Zweifel zieht und
geltend macht, aus den der Beklagten am 26. November 1998 übersandten Lohnunterlagen sei bereits zu ersehen
gewesen, dass er seit dem 1. Januar 1994 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, und vor diesem Hintergrund sei
auch das Schreiben vom 24. November 1998 zu sehen, geht dieser Einwand fehl. Wie bereits das LSG im Kern
ausgeführt hat, kommt es für die Anrechnung des Erwerbseinkommens nach § 27 Abs 1 Nr 1 SGB VI auf die
Kenntnis von der Höhe des jeweiligen Erwerbseinkommens an. Entgegen der Rechtsmeinung des Klägers ist die
genaue Höhe seines Erwerbseinkommens für den Erlass bereits des Rücknahmebescheides - und nicht erst für den
Erstattungsbescheid nach § 50 Abs 1 SGB X - erforderlich. Denn nach § 45 Abs 1 Satz 1 SGB X darf ein
begünstigender Verwaltungsakt nur zurückgenommen werden, "soweit" er rechtswidrig ist. Dem entspricht, dass nach
§ 50 Abs 1 SGB X Umfang und Ausmaß des Erstattungsanspruchs davon abhängen, ob und "soweit" ein
Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.
Für die Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen genügt also die bloße Tatsache der Beschäftigung
des Klägers nicht, vielmehr kommt es auf die Höhe der Einkünfte, deren Art und zeitliche Verteilung an - wenn etwa in
einem Monat das anzurechnende Erwerbseinkommen das Übg übersteigt, ist nur Letzteres überzahlt und zu erstatten.
Dies zeigen auch die anhand der Lohn- und Gehaltsabrechnungen erstellten Bescheide der Beklagten, insbesondere
der Bescheid vom 18. Januar 2000 und der Widerspruchsbescheid vom 18. April 2000, in denen die unterschiedlichen
Nettobezüge des Zeitraums von 1. Februar 1994 bis 31. Januar 1997 im Einzelnen dargestellt sind und deutlich wird,
dass die Übg-Zahlung nur teilweise - nämlich in Höhe des jeweils anzunehmenden Nettoarbeitsentgelts - aufgehoben
worden ist.
c) Der Kläger kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn die subjektiven Voraussetzungen für eine
rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 45 Abs 3 Satz 3 iVm Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X liegen
vor. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die der Kläger im Revisionsverfahren nicht angegriffen hat und
die nach § 163 SGG für das Revisionsgericht bindend sind, trifft den Kläger zumindest der Vorwurf der groben
Fahrlässigkeit. Denn er musste schlechthin wissen, dass wegen seines Arbeitseinkommens der Bewilligungsbescheid
vom 20. Mai 1994 zu seinen Gunsten falsch war; dies ergab sich auch aus den entsprechenden Hinweisen im
Bescheid. Sein im Berufungsverfahren vorgelegter Schriftwechsel mit der BfA aus dem Jahre 1995 vermag ihn - wie
schon das LSG zu Recht ausgeführt hat - von der Verletzung seiner Mitteilungspflicht gegenüber der beklagten LVA
nicht zu entlasten. Die Zehn-Jahres-Frist des § 45 Abs 3 Satz 3 SGB X ist ebenfalls gewahrt. Danach beträgt die
Rücknahmefrist zehn Jahre, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder grob
fahrlässig nicht kannte (§ 45 Abs 3 Satz 3 Nr 1 SGB X).
d) Schließlich hat die Beklagte bei ihrer Rücknahmeentscheidung auch das erforderliche Ermessen nach § 45 Abs 1
SGB X ausgeübt. Nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides vom 27. Dezember 1999 war sich die Beklagte
ihres Ermessensspielraums erkennbar bewusst. Sie hat im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens auch geprüft, ob
die Rückforderung der Leistung unter dem Gesichtspunkt der besonderen Härte ausgeschlossen war (vgl hierzu BSG
Urteil vom 17. Oktober 1990 - 11 RAr 3/88 - SozR 3-1300 § 45 Nr 5). Im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen
den Interessen der Versichertengemeinschaft auf Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes und dem Interesse
des Klägers am Fortbestehen des Verwaltungsaktes hat sie ausgeführt, dass diese Abwägung auch unter
Berücksichtigung der derzeitigen bzw zukünftigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers einer Rückforderung der
Leistung nicht entgegenstehe. Diese Begründung ist ausreichend (vgl BSG Urteil vom 21. März 1990 - 7 RAr 112/88 -
SozR 3-1300 § 45 Nr 2). Denn es steht der Behörde in den Grenzen ihres Ermessens frei, auf welche Umstände sie
abheben will, die dann ggf aufklärungsbedürftig werden. Letzteres war bei dem Kläger nicht der Fall; er hat weder im
weiteren Widerspruchsverfahren noch im Gerichtsverfahren geltend gemacht, eine Rückzahlung des Übg sei ihm
wirtschaftlich nicht möglich und dies liegt auch nicht zuletzt wegen seiner fortlaufenden Erwerbstätigkeit fern. Dass
die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 18. April 2000 ihre Ermessensgesichtspunkte noch näher präzisiert hat
(monatliches Gehalt von 4.300 DM brutto, kein Verlust anderweitiger Sozialleistungen, überwiegendes Verschulden
des Klägers), ist unerheblich, denn dabei handelte es sich um keine neuen rechtserheblichen Tatsachen.
e) Entgegen seiner Auffassung ist der Kläger ordnungsgemäß angehört worden. Der Bescheid vom 27. Dezember
1999, geändert durch den Bescheid vom 18. Januar 2000, ist nicht nach § 24 Abs 1 SGB X iVm § 42 Satz 2 SGB X
rechtswidrig und aufzuheben.
Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem
Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern; nach Abs 2 der Vorschrift
kann davon nur unter bestimmten, im Gesetz abschließend aufgezählten - hier nicht einschlägigen - Ausnahmen
abgesehen werden. Die Beklagte hat den Kläger vor Erlass des Bescheides vom 27. Dezember 1999 (geändert durch
den Bescheid vom 18. Januar 2000) nicht angehört.
Eine solche erneute Anhörung war auch angesichts der bereits erfolgten Anhörung vom 8. Dezember 1998 nicht
überflüssig. Denn das Anhörungsschreiben vom 8. Dezember 1998 bezog sich nur auf eine beabsichtigte Rücknahme
der Leistungsbewilligung (im Bescheid vom 15. März 1994) mit Wirkung ab 1. Januar 1995 und eine
Erstattungsforderung in Höhe von 45.835,80 DM. Es erhält auch in Verbindung mit dem Aufklärungsschreiben der
Beklagten vom 24. November 1998 keine umfassendere Bedeutung. Erst mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.
Dezember 1999 (geändert durch den Bescheid vom 18. Januar 2000) hat die Beklagte den Übg-Bescheid (vom 20.
Mai 1994) für die Zeit ab 1. Februar 1994 bis zum 31. Januar 1997 - also erweitert um elf Monate - aufgehoben und
den überzahlten Betrag mit 69.256,46 DM beziffert. Die vorliegende Fallgestaltung lässt sich deshalb mit der
Sachverhaltsgestaltung, die dem von der Beklagten zitierten Urteil des 7. Senats des BSG vom 15. August 2002 (B 7
AL 38/01 R - veröffentlicht in JURIS) zu Grunde lag, nicht vergleichen. Denn dort hatte sich der Verfügungssatz in
dem Aufhebungsbescheid gerade nicht geändert, sondern war die Aufhebung lediglich auf eine andere
Rechtsgrundlage, nämlich nicht mehr auf § 45 SGB X, sondern auf § 48 SGB X gestützt worden.
Eine gesonderte Anhörung ist jedoch nicht erforderlich, wenn - wie im Fall des Klägers - im Widerspruchsverfahren ein
Bescheid ergeht, der nach § 86 Abs 1 SGG Gegenstand dieses Verfahrens wird, dem Widerspruchsführer die
entscheidungserheblichen Tatsachen bekannt sind und er ferner erkennt, dass insoweit noch keine endgültige
Entscheidung (in Form des Widerspruchsbescheides) ergangen ist und dass er die Möglichkeit hat, sich zu äußern.
Die Anhörungsvorschrift des § 24 Abs 1 SGB X ist für diesen Fall einschränkend auszulegen (teleologische
Reduktion). Denn die beiden sich aus § 24 SGB X ergebenden Funktionen der Anhörung (Kenntnis sowohl der für
einen geplanten Bescheid rechtserheblichen Tatsachen als auch der Äußerungsmöglichkeit) vor der endgültigen
Entscheidung sind bei einer derartigen Fallkonstellation auch ohne gesondertes Anhörungsschreiben erfüllt.
Beim Kläger kann im Ergebnis nichts anderes gelten als bei einem Betroffenen, dem gegenüber ohne Anhörung ein
belastender Verwaltungsakt ergangen ist, der Anhörungsmangel jedoch durch das Widerspruchsverfahren iS des § 41
Abs 1 Nr 3 SGB X geheilt wird. In Übereinstimmung mit den og Funktionen der Anhörung nach § 24 Abs 1 SGB X
setzt eine solche Heilung zum einen voraus, dass entweder der Bescheid selbst alle wesentlichen Tatsachen nennt,
auf die die Verwaltung die Entscheidung stützt, oder aber dem Betroffenen diese Tatsachen bereits bekannt sind (s
Senatsurteil vom 24. März 1994 - 5 RJ 22/93, HVBG-Info 1994, 1829). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall
durch die Bescheide nach § 86 Abs 1 SGG erfüllt. Denn mit den Bescheiden vom 27. Dezember 1999 und 18. Januar
2000 hat die Beklagte (in Form einer Erstentscheidung der Ausgangsbehörde) klar gestellt, dass die
Leistungsbewilligung bereits mit Beginn, dh ab 1. Februar 1994 teilweise aufgehoben und die überzahlten Beträge
zurückgefordert werden; dabei wurden auch die Berechnungsgrundlagen und die Gesichtspunkte für eine
Ermessungsentscheidung nach § 45 Abs 2 SGB X im Einzelnen mitgeteilt. Zum anderen muss dem Betroffenen,
damit die Nachholung der Anhörung durch das Widerspruchsverfahren einer Anhörung vor Bescheiderteilung gleich
stehen kann, deutlich werden, dass noch keine endgültige Entscheidung getroffen ist und er zu den von der
Verwaltung für entscheidungserheblich gehaltenen Tatsachen noch Stellung nehmen kann. Dies ist im "Normalfall" der
Heilung eines Anhörungsfehlers durch das Widerspruchsverfahren mit der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides
gewährleistet (s BVerwG vom 17. August 1982 - 1 C 22.81 - BVerwGE 66, 111, 114; ebenso BSG Urteile vom 14. Juli
1994 - 7 RAr 104/93 - SozR 3-4100 § 117 Nr 11; vom 30. April 1997 - 12 RK 34/96 - BSGE 80, 215, 217 = SozR 3-
2940 § 7 Nr 4; vom 5. November 1997 - 9 RV 20/96 - BSGE 81, 156, 158 = SozR 3-1300 § 45 Nr 37 und vom 13.
Dezember 2001 - B 13 RJ 67/99 R - BSGE 89, 111, 114 = SozR 3-1300 § 1 Nr 1, jeweils mwN). Ein darüber
hinausgehender, gesonderter Hinweis auf die Äußerungsmöglichkeit ist für die Heilung eines Anhörungsmangels durch
das Widerspruchsverfahren nicht erforderlich. Sollte der 4. Senat des BSG (im Urteil vom 26. September 1991 - 4 RK
4/91 - BSGE 69, 247, 251 ff = SozR 3-1300 § 24 Nr 4, auf das sich die Revision beruft) anderer Ansicht gewesen
sein, so hat er diese Rechtsprechung inzwischen aufgegeben (vgl zB Urteil vom 16. November 1995 - 4 RLw 3/94,
das wiederum eine "normale" Heilung durch das Widerspruchsverfahren annimmt).
Sollen hingegen im Widerspruchsverfahren neue Tatsachen zu Ungunsten des Widerspruchsführers verwertet werden,
um die bereits im Bescheid getroffene Entscheidung zusätzlich zu begründen (zB ein weiteres medizinisches
Gutachten, das die Verwaltungsentscheidung bestätigt), so sind dem Betroffenen nicht nur jene neu ermittelten
Umstände zur Kenntnis zu geben; ferner ist er auch noch einmal gesondert auf seine Äußerungsmöglichkeit
hinzuweisen, denn sonst wird ihm iS des § 24 Abs 1 SGB X insgesamt keine Gelegenheit gegeben, sich zu den
entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern (vgl BVerwG Urteil vom 14. Oktober 1982 - 3C 46.81, BVerwGE 66,
184, 189 f; BSG Urteil vom 13. Dezember 2001 - B 13 RJ 67/99 R - BSGE 89, 111, 114 f = SozR 3-1300 § 1 Nr 1).
Ebenso aber, wie bereits bekannte Tatsachen nicht noch einmal wiederholt werden müssen (Senatsurteil vom 24.
März 1994 - 5 RJ 22/93, HVBG-Info 1994, 1829), bedarf es keines besonderen Hinweises auf eine
Äußerungsmöglichkeit, wenn dies für den Betroffenen zu erkennen war. So aber liegt der Fall hier. Unabhängig von
der Frage, ob bereits der Hinweis auf § 86 SGG als solcher dies allgemein erkennen lässt, hat das LSG speziell
bezogen auf den Kläger festgestellt, dass für ihn zu erkennen war, dass noch keine endgültige Entscheidung in der
Sache ergangen war und dass er sich zu den diesen Bescheiden zu Grunde gelegten Tatsachen äußern konnte. Da
gegen diese Feststellung keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgebracht worden sind, ist sie für den
Senat bindend (§ 163 SGG); der reine, jene Feststellung in Abrede stellende Vortrag in der Revisionsbegründung
vermag hieran nichts zu ändern. Für die Richtigkeit dieser Feststellung spricht im Übrigen nicht nur - wie die Beklagte
in ihrer Revisionserwiderung betont hat -, dass laut den vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten sowohl
der Bescheid vom 27. Dezember 1999 als auch der Bescheid vom 18. Januar 2000 jeweils in Kopie (am 13. bzw 18.
Januar 2000) an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, der auch seinerzeit mit Schreiben vom 28. September
1999 Widerspruch eingelegt hatte, zur Kenntnis übersandt worden waren. Denn unabhängig von einer rechtskundigen
Beratung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers ergibt sich bereits aus dem im Schlusssatz des
Bescheides vom 18. Januar 2000 enthaltenen Hinweis, wonach der Vorgang in Kürze der Widerspruchsstelle zur
Entscheidung vorgelegt werde, klar und eindeutig, dass noch keine endgültige Entscheidung (in Form des
Widerspruchsbescheides) ergangen war und noch eine Möglichkeit bestand, sich zu äußern.
Die ordnungsgemäße Anhörung des Klägers vor Erlass der Bescheide vom 27. Dezember 1999 und vom 18. Januar
2000 scheitert auch nicht an einer zu kurzen Anhörungsfrist. Zwar hat die Beklagte in jenen Bescheiden kein Datum
genannt, bis zu dem eine Äußerung erfolgen sollte; sie hat jedoch nach Erlass des letztgenannten Bescheides noch
etwa drei Monate zugewartet, bis sie den Widerspruchsbescheid (vom 18. April 2000) erlassen hat. Damit aber stand
dem Kläger - auch unter Berücksichtigung dessen, dass eine Verzögerung durch die erforderliche Kontaktaufnahme
mit seinem Rechtsanwalt eingeräumt werden musste - genügend Zeit zur Verfügung, um eine Äußerung abzugeben
und ggf noch benötigte Tatsachenunterlagen anzufordern oder aber die Beklagte zu bitten, bis zu einem bestimmten
Termin abzuwarten. Versäumt er dies, so hatte er dennoch Gelegenheit zum rechtlichen Gehör (vgl BSG Urteil vom
30. März 1982 - 2 RU 73/81 - SozR 1300 § 24 Nr 4 mwN; Krasney in Kasseler Komm, § 24 SGB X RdNr 16, Stand
März 2001).
2. Auch die von der Beklagten zugleich mit der Rücknahme der Leistungsbewilligung geltend gemachte
Erstattungsforderung in Höhe von 69.256,46 DM begegnet keinen Bedenken. Nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X sind,
soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Wie in den
angefochtenen Bescheiden vom 27. Dezember 1999 bzw 18. Januar 2000 im Einzelnen ausgeführt worden ist, erklärt
sich der Erstattungsbetrag aus dem jeweils in dem Zeitraum ab 1. Februar 1994 bis 31. Januar 1997 bezogenen
monatlichen bzw kalendertäglichen Nettolohn, der auf das jeweils in dieser Zeit gezahlte, höhere Übg anzurechnen ist,
sodass sich aus dem Differenzbetrag ein tatsächlich zustehender Anspruch auf Übg in Höhe von lediglich 41.792,42
DM errechnet und demzufolge - gemessen an der ausbezahlten Übg-Gesamtleistung in Höhe von 111.048,88 DM - ein
Überzahlungsbetrag in Höhe von 69.256,46 DM festzustellen ist.
Soweit demgegenüber der Kläger nunmehr vorträgt, er habe entgegen den - über den Steuerberater seiner
Arbeitgeberin - vorgelegten Lohnunterlagen, wie schon im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren
geltend gemacht, nur eine Vergütung von 1.500 DM netto monatlich erhalten, und insoweit habe das LSG seine
Aufklärungspflicht nach § 103 SGG verletzt, vermag dieses Vorbringen keinen Verfahrensmangel zu begründen. Denn
das LSG hat bei seiner Entscheidung offenkundig im Rahmen der zu treffenden Beweiswürdigung nach § 128 SGG
den in den Tatbestand des Berufungsurteils aufgenommenen Vortrag des Klägers, wonach er lediglich 1.500 DM
monatlich pauschal erhalten habe, als nicht glaubhaft angesehen. Stattdessen ist es - in Übereinstimmung mit der
Beklagten - davon ausgegangen, dass der Kläger tatsächlich den Lohn erhalten hat, der in den vorgelegten
Lohnunterlagen des Steuerberaters der Arbeitgeberin ausgewiesen und von der auch die entsprechenden
Sozialversicherungsbeiträge bezahlt worden sind. Der Kläger hat weder in seiner Revisionsbegründung vorgetragen
noch ist es ersichtlich, dass das LSG bei seiner Beweiswürdigung die Grenzen überschritten hat und insbesondere
gegen Denkgesetze verstoßen hat. Vielmehr entspricht es gerade der Übung und den Denkgesetzen, dass die
vorgelegten und abgewickelten Lohn- und Gehaltsabrechnungen auch der Lebenswirklichkeit entsprochen haben. Ein
Anlass, dem Vortrag des Klägers nachzugehen, hätte allenfalls dann bestanden, wenn eine Begründung dafür
ersichtlich gewesen wäre, warum die detaillierten Abrechnungsunterlagen der Arbeitgeberin nicht zutreffen. Dies war
jedoch nicht der Fall; auch der Kläger hat insoweit nichts vorgetragen, sondern lediglich seinen Vortrag aus dem
Schreiben vom 7. Januar 1999 wiederholt, das bereits Anlass für die Rückfrage der Beklagten bei der Arbeitgeberin
(Antwortschreiben ihres Steuerberaters vom 6. Mai 1999) gewesen war.
Demzufolge ist auch die von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsforderung der Höhe nach rechtlich nicht zu
beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.