Urteil des BSG vom 22.09.2009

BSG: vertrag zu lasten dritter, heizung, treu und glauben, vermieter, nebenkosten, staffelmiete, unterkunftskosten, zuschuss, mietzins, stadt

Bundessozialgericht
Urteil vom 22.09.2009
Sozialgericht Karlsruhe S 6 AS 2072/08
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 7 AS 4343/08
Bundessozialgericht B 4 AS 8/09 R
Auf die Revisionen der Klägerinnen wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar
2009 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juli 2008
zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts wird in der Hauptsache klarstellend wie folgt gefasst: Die
Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Januar 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 28. April 2008 verurteilt, Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2008 für
die Klägerin zu 1 in Höhe von 171,47 Euro und für die Klägerinnen zu 2 und 3 jeweils in Höhe von 173,97 Euro
monatlich zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und
Revisionsverfahrens der Klägerinnen.
Gründe:
I
1
Die Beteiligten streiten über die Folgen einer möglicherweise unwirksamen Staffelmiete bei den Leistungen für
Unterkunft und Heizung.
2
Die Klägerin zu 1 steht mit ihren im März 2003 sowie im März 2007 geborenen Töchtern im laufenden Bezug von
Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bewohnen seit 15.1.2004 eine Mietwohnung mit
einer Grundfläche von 74 qm. Für das Mietobjekt zahlt die Stadt K an die Klägerin zu 1 einen Zuschuss zur
Absenkung der Miete in Höhe von 160,91 Euro. Der Mietvertrag enthält eine Staffelmietvereinbarung, wonach sich der
ursprüngliche Mietzins von 515,61 Euro ab 1.1.2005 auf 538,35 Euro, ab 1.1.2007 auf 561,10 Euro und ab 1.1.2009
auf 583,85 Euro erhöht. Die Beklagte legte der Bewilligung der Unterkunftskosten durchgängig eine Nettokaltmiete von
515,61 Euro sowie von Nebenkosten in Höhe von insgesamt 125 Euro zu Grunde, wobei sie den Mietkostenzuschuss
sowie einen Betrag in Höhe von 12,13 Euro (pauschal) für die Warmwasserzubereitung abzog.
3
Die Beklagte bewilligte den Klägerinnen Leistungen in Höhe von 777,57 Euro für Januar bis Juni 2008 (Bescheid vom
27.11.2007). Darin enthalten waren jeweils 520,57 Euro Unterkunftskosten. Hierbei legte die Beklagte versehentlich
statt insgesamt 133 Euro einen zusätzlichen Betrag von 45 Euro zu Grunde. Hiergegen legten die Klägerinnen
Widerspruch mit der Begründung ein, die Nettokaltmiete habe sich nach dem Mietvertrag ab Januar 2007 von bisher
538,35 Euro auf 561,10 Euro erhöht. Die Beklagte hob die Bewilligung mit dem Widerspruchsbescheid vom 28.4.2008
in Höhe von monatlich 15 Euro je Person auf, sodass sich monatliche Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe
von jetzt nur noch 475,57 Euro monatlich errechneten. Sie führte zur Begründung aus, dass die vereinbarte
Staffelmiete unwirksam sei. Die teilweise Aufhebung rechtfertige sich dadurch, dass die Bescheide insoweit
rechtswidrig gewesen seien.
4
Das SG hat die Beklagte verurteilt, den Klägerinnen Leistungen für Unterkunft und Heizung auf der Grundlage einer
Nettokaltmiete von 561,10 Euro zu zahlen. Es hat die Klage im Übrigen hinsichtlich der Teilaufhebung der Bescheide
abgewiesen (Urteil vom 29.7.2008).
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Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten die Klagen abgewiesen, soweit der Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2008
betroffen ist (Urteil vom 22.1.2009) und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerinnen hätten keinen Anspruch auf
höhere Kosten der Unterkunft (KdU) im durch das Teilanerkenntnis begrenzten streitigen Zeitraum. Als Nettokaltmiete
sei lediglich ein Mietzins in Höhe von 515,61 Euro zu berücksichtigen, weil die Vereinbarung einer Staffelmiete
zivilrechtlich unwirksam sei. Nach § 557a Abs 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) müsse die Miete jeweils ein
Jahr unverändert bleiben. Dies sei vorliegend bei einem Mietbeginn ab 15.1.2004 und dem Einsetzen der ersten
Staffelmiete ab 1.1.2005 nicht der Fall. Es fehle an einer verbindlichen, zweifelsfreien Vereinbarung der ersten
Mietstaffel. Dies setze sich hinsichtlich des Inkrafttretens der nächsten Mietstaffel fort. Damit sei die gesamte
Staffelmietvereinbarung nichtig. Die Beklagte sei als Grundsicherungsträger nicht gehindert, die zivilrechtliche
Wirksamkeit der mietvertraglichen Staffelmietvereinbarung zu überprüfen. Ein grundsicherungsrechtlich
anzuerkennender Bedarf bestehe nur, wenn der Hilfesuchende mietvertraglich zu den entsprechenden Aufwendungen
verpflichtet sei. Die Verantwortlichkeit für die von ihm eingegangenen Verpflichtungen liege grundsätzlich beim Mieter
selbst. Seien die Verpflichtungen unwirksam, so sei es ihm grundsätzlich zumutbar, diese im Verhältnis zum
Vermieter auch geltend zu machen und ggf durchzusetzen. Eine andere Beurteilung komme ausnahmsweise in
Betracht, wenn die Bewertung einer rechtlichen Frage mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sei. Keinen Bedenken
unterliege, dass der von der Stadt K bewilligte Zuschuss bedarfsmindernd bei den Unterkunftskosten berücksichtigt
worden sei. Die Beklagte sei auch nicht gehindert gewesen, die fehlerhafte Höherbewilligung durch den
Widerspruchsbescheid zu korrigieren. Nach dem Teilanerkenntnis der Beklagten ergäben sich nunmehr Leistungen für
Unterkunft und Heizung in Höhe von 158,52 Euro (Klägerin zu 1) bzw 159,76 Euro (Klägerinnen zu 2 und 3).
6
Mit ihren Revisionen rügen die Klägerinnen eine Verletzung des § 22 SGB II. Das LSG berücksichtige nicht, dass
Verträge gemäß § 157 BGB nach Treu und Glauben auszulegen seien und die Vertragsparteien - wie zwischenzeitlich
geschehen - gemäß § 141 BGB die Möglichkeit hätten, eine tatsächliche oder scheinbare Unwirksamkeit durch
entsprechendes Handeln auch noch nachträglich zu beseitigen. Wenn sich ein Grundsicherungsträger auf das Gebiet
der Privatautonomie und des Zivilrechts begebe, bleibe es ihm unbenommen, sich die Rechte des Hilfeempfängers
abtreten zu lassen und dann gerichtlich durchzusetzen. Selbst wenn man zivilrechtlich nicht geschuldete Leistungen
als unangemessen ansehen wollte, müsse dies zunächst eine Hinweispflicht des Grundsicherungsträgers auslösen.
7
Die Klägerinnen beantragen, das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar 2009
aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juli 2008
zurückzuweisen.
8
Die Beklagte beantragt, die Revisionen der Klägerinnen zurückzuweisen.
9
Sie ist der Auffassung, dass die Staffelmiete zivilrechtlich unwirksam und die Beklagte berechtigt sei, diese
mietrechtliche Frage zu überprüfen. Eine nachträgliche Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter könne keine
Wirksamkeit entfalten, weil es sich um einen Vertrag zu Lasten Dritter handele, der sittenwidrig sei.
II
10
Die zulässigen Revisionen der Klägerinnen sind begründet.
11
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 27.11.2007 idF des Widerspruchsbescheides vom
28.4.2008 unter Berücksichtigung des am 22.1.2009 von der Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnisses. Der
genannte Bescheid begrenzt die Leistungsbewilligung auf den Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2008. Die Klägerinnen
haben zudem den Streitgegenstand zulässig auf die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt.
Nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei dem Betrag, der für die KdU und Heizung bewilligt worden ist,
um eine gesondert anfechtbare abtrennbare Verfügung (vgl hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS
8/06 R, BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 19, 22; BSG, Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R,
RdNr 11).
12
2. Die Klägerinnen sind nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) Berechtigte iS des §
7 Abs 1 SGB II. Sie sind insbesondere hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 Nr 3 SGB II iVm §§ 9 ff SGB II), weil sie den (nach §
22 SGB II) zu berücksichtigenden Bedarf nicht aus eigenen Kräften und Mitteln sichern können.
13
3. Die Klägerinnen haben Anspruch auf KdU in Höhe der tatsächlich gezahlten Miete. Eine möglicherweise
unwirksame Staffelmietvereinbarung berechtigt den Grundsicherungsträger nicht ohne weiteres zur Verringerung der
KdU, ermöglicht ihm jedoch die Einleitung des Kostensenkungsverfahrens (dazu noch unter 3c).
14
a. Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den der
Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder
der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der
Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder
auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 Satz 3
SGB II).
15
b) Entgegen der Auffassung des LSG sind im streitbefangenen Zeitraum die tatsächlichen Aufwendungen der
Klägerinnen für den Mietzins in Höhe von 561,10 Euro grundsätzlich berücksichtigungsfähig. Denn es ist nach § 22
Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB II von den tatsächlichen Aufwendungen auszugehen. Dieser Betrag wird insbesondere
nicht dadurch begrenzt, dass die fragliche Vereinbarung der Staffelmiete möglicherweise zivilrechtlich unwirksam
gewesen ist.
16
Bei der Anwendung des § 22 Abs 1 Halbsatz 1 SGB II sind als Mietzinsen die tatsächlichen Aufwendungen des
Hilfebedürftigen berücksichtigungsfähig, soweit sie auf der Grundlage einer mit dem Vermieter getroffenen
Vereinbarung beruhen und vom erwerbsfähigen Hilfebedürftigen tatsächlich gezahlt werden (wie hier: Lang/Link in
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 15c; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.6.2006 - L 8
AS 165/06 ER, FEVS 58, 148; weitergehend Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 27; aA Radüge in jurisPR-
SozR 26/2008 Anm 2; SG Bremen, Beschluss vom 7.8.2009 - S 23 AS 1415/09 ER, jeweils zu
Schönheitsreparaturen). Ausreichend ist also, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige einer ernsthaften
Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG, Urteil vom 7.5.2009 - B 14 AS 31/07 R). Eine Ausnahme hiervon ist lediglich
für Fallgestaltungen zu erwägen, bei denen die Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarung entweder bekannt ist oder
bekannt sein müsste. Für das Vorliegen der letztgenannten Ausnahmen liegen - jedenfalls im streitigen Zeitraum -
keine Anhaltspunkte vor.
17
Schon nach dem Wortlaut des § 22 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB II ist auf die tatsächlichen Zahlungen abzustellen.
Danach werden die Leistungen für Unterkunft und Heizung "in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen" erbracht. Für
die Auffassung des LSG, der Grundsicherungsträger könne sich auf die Unwirksamkeit bestimmter Klauseln des
Mietvertrages berufen und deshalb gegenüber den tatsächlich geleisteten Zahlungen Abzüge vornehmen, finden sich
hingegen keinerlei Anhaltspunkte im Wortlaut des Gesetzes.
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Diese Auslegung entspricht auch dem aus der Entstehungsgeschichte herzuleitenden Zweck der Vorschrift. Mit der
Regelung über die Leistungen für Unterkunft und Heizung wollte der Gesetzgeber die Kosten wie in der Sozialhilfe in
tatsächlicher, angemessener Höhe berücksichtigen. Hierbei sollen die zu beachtenden Voraussetzungen den
sozialhilferechtlichen Regelungen entsprechen (BT-Drucks 15/1516 S 57). Es entspricht folglich dem Zweck der
Vorschrift, die existenziellen notwendigen Bedarfe der Unterkunft und Heizung sicher zu stellen (Lang/Link in
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 15c). Das Ziel der Sicherstellung der insoweit entstehenden
Bedarfe kann nur verwirklicht werden, wenn sich die Leistungsgewährung an den tatsächlich entstehenden
Aufwendungen ausrichtet. Hierbei ist zudem in Rechnung zu stellen, dass eine rechtliche Bewertung der
mietvertraglichen Beziehungen und der zu Grunde liegenden tatsächlichen Umstände für den erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen selbst in einer Vielzahl von Fällen praktisch unmöglich sein wird. Insoweit kann beispielhaft auf das
Recht auf Minderung der Miete wegen Mängeln (§ 536 BGB) verwiesen werden, das zwar Kraft Gesetzes entsteht,
nach Grund und Umfang aber in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft sein kann. Zudem treffen
denjenigen, der sich im Streitfall auf das Recht beruft, zum Teil weitgehende Darlegungs- und Beweispflichten (vgl
Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand: September 2009, § 22 RdNr 27). Im Falle einer unwirksamen
Staffelmietvereinbarung ist jedenfalls die Rückforderung (durch den Mieter) erheblichen rechtlichen Bedenken
ausgesetzt (vgl Landgericht Berlin, Urteil vom 18.3.2005 - 65 S 355/04, juris RdNr 30 mwN aus der Literatur).
Schließlich würde infolge des Grundsatzes der Kopfteilung der Unterkunftskosten die Begrenzung der Leistungen für
Unterkunft und Heizung auf rechtmäßig zu leistende Zahlungen auch Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft betreffen,
die weder am Abschluss des Mietvertrages beteiligt waren, noch Kenntnis von dessen Inhalt haben.
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Mit seiner an der tatsächlichen Abwicklung des Mietverhältnisses orientierten Betrachtungsweise setzt sich der Senat
nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 19.2.2009 (B 4 AS 48/08 R, RdNr 16). Zwar hat der Senat diese
Entscheidung hinsichtlich der Nebenkosten auf die in § 2 Betriebskostenverordnung aufgeführten Betriebskosten
abgestellt, jedoch ist damit auch die Leistungsgewährung bei Nebenkosten nicht unter einen allgemeinen
Rechtmäßigkeitsvorbehalt gestellt worden. Vielmehr diente der Hinweis auf § 2 Betriebskostenverordnung ersichtlich
lediglich dazu abzugrenzen, welche Positionen grundsätzlich als erstattungsfähige Nebenkosten anzusehen sind. Für
die Nebenkosten gelten im Wesentlichen die gleichen Überlegungen wie oben dargelegt.
20
Der Senat brauchte somit nicht im Einzelnen zu prüfen, ob - so das LSG - aus der Nichteinhaltung der Jahresfrist des
§ 557a Abs 2 Satz 1 BGB wegen einer Verschiebung des Beginns des Mietverhältnisses zwingend die Unwirksamkeit
der Staffelmietvereinbarung folgt. Ohnehin der Beurteilung des Senats entzogen ist die erstmals während des
Revisionsverfahrens geschlossene und vorgelegte Zusatzvereinbarung zwischen dem Vermieter und der Klägerin zu 1
vom 2./3.2.2009.
21
c) Aufwendungen für KdU, die auf einer zivilrechtlich unwirksamen Grundlage beruhen, können und dürfen allerdings
nicht dauerhaft aus öffentlichen Mitteln bestritten werden.
22
Der Grundsicherungsträger, der eine Vereinbarung über Unterkunftskosten für unwirksam hält, kann das
Kostensenkungsverfahren nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II betreiben, denn eine auf Grund einer unwirksamen
Vereinbarung getätigte Zahlung ist nicht angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II (vgl aber insoweit auch den
abweichenden Standpunkt von Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand: September 2009, § 22 RdNr 27, die für derartige
Fälle eine Sanktion wegen unwirtschaftlichen Verhaltens vorschlägt). Dies gilt unabhängig von einer (allgemeinen)
Angemessenheitsprüfung im Sinne der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/08 R,
BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3). Die Unangemessenheit der getätigten Aufwendungen ergibt sich - auch
soweit die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nach allgemeinen Grundsätzen nicht überschritten
wird - allein aus der zivilrechtlichen Unwirksamkeit der angeblichen Forderung.
23
Die Kostensenkungsaufforderung darf sich - unbeschadet der ansonsten hierzu geltenden Grundsätze (BSG, Urteil
vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 7; BSG, Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R) - in diesem
Fall ausnahmsweise nicht darauf beschränken, dem Hilfebedürftigen lediglich den nach Auffassung des
Grundsicherungsträgers angemessenen Mietzins und die Folgen mangelnder Kostensenkung vor Augen zu führen.
Vielmehr muss dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen der Rechtsstandpunkt des Grundsicherungsträgers und das von
diesem befürwortete Vorgehen gegenüber dem Vermieter in einer Weise verdeutlicht werden, die ihn zur Durchsetzung
seiner Rechte gegenüber dem Vermieter in die Lage versetzt. Bis zu den erforderlichen Erläuterungen durch das
Informationsschreiben sind Maßnahmen der Kostensenkung für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen regelmäßig
subjektiv unmöglich iS des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II, es sei denn, nach den Umständen des konkreten Einzelfalls ist
aufgrund des Kenntnisstandes des Hilfebedürftigen eine derartige Information entbehrlich.
24
d) Der von der Stadt K gezahlte Zuschuss in Höhe von 160,91 Euro ist bedarfsmindernd unmittelbar bei den
Unterkunftskosten und nicht als zweckbestimmtes Einkommen iS des § 11 Abs 3 Nr 1 SGB II zu berücksichtigen.
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Unter Geltung der Zuflusstheorie unterfallen zwar grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert dem Begriff
des Einkommens iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II. Anders ist dies aber dann, wenn eine Einnahme im Ergebnis
lediglich eine bestimmte Bedarfsposition mindern soll und insoweit wirtschaftlich nicht dem erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen zuzurechnen ist. Eine derartige Ausnahmesituation liegt hier vor.
26
Nach den Ausführungen im Berufungsurteil zu der im Bewilligungsbescheid getroffenen Zweckbestimmung sowie zur
Anwendung des zu Grunde liegenden Landesrechts, für dessen Feststellung und Auslegung das LSG zuständig ist (§
162 SGG), sollten durch den gezahlten Zuschuss die Mietkosten gesenkt werden, wenn und solange die Klägerin zu 1
im fraglichen Mietobjekt wohnt. Nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften des Wirtschaftsministeriums Baden-
Württemberg ist der Mietkostenzuschuss unmittelbar auf die Unterkunft bezogen und wird unter Anrechnung auf die
tatsächlichen Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gewährt. Hieraus ergibt sich bei wirtschaftlicher
Betrachtung, dass es sich um eine Zahlung handelt, die von der Klägerin lediglich an den Vermieter weitergeleitet
wird. Das gewünschte Ergebnis könnte ebenso durch eine Gewährung des Zuschusses unmittelbar an den Vermieter
erreicht werden. Eine Berücksichtigung als zweckgebundenes Einkommen der Klägerinnen würde dieser
Zweckbestimmung des Zuschusses zuwiderlaufen.
27
e) Der Senat hatte nicht darüber zu entscheiden, ob die teilweise Rücknahme der ursprünglichen
Bewilligungsentscheidung im Widerspruchsverfahren nach § 45 SGB X rechtmäßig gewesen ist. Auf die
Voraussetzungen für eine Rücknahmeentscheidung kommt es nach dem Verlauf des Verfahrens nicht mehr an, weil
die von den Klägerinnen zu beanspruchenden Leistungen über den Zahlbetrag der ursprünglichen Leistungsbewilligung
hinausgehen. Auch für die SGB II-Leistungen gilt, dass sich die Bindungswirkung von Bewilligungsentscheidungen auf
den Verfügungssatz - dh die Entscheidung über Art, Dauer (Beginn und Ende) und Höhe der Leistung - beschränkt (vgl
zum Arbeitsförderungsrecht BSG, Urteil vom 29.6.2000 - B 11 AL 89/99 R, SozR 3-4100 § 136 Nr 12). Hingegen
erwachsen die einzelnen Begründungselemente (Mietzinsen, Nebenkosten, Heizkosten) nicht in Bestandskraft.
28
f) Der Senat schließt sich hinsichtlich der Höhe des Abzugsbetrags für die Warmwasserbereitung auch für den
Zeitraum bis zum 30.6.2008 den Ausführungen des 14. Senats im Urteil vom 27.2.2008 (B 14/11b AS 15/07 R, BSGE
100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5 RdNr 24, 25) an. Soweit insbesondere das Bundesministerium für Arbeit und
Soziales (BMAS) in dem Rundschreiben vom 4.8.2008 (II b 5 - 2910/1) eine andere Auffassung vertritt und bei einer
Regelleistung in Höhe von 347 Euro einen Abzugsbetrag von 6,56 Euro für eine Alleinstehende und 3,94 Euro für die
beiden Kinder der Bedarfsgemeinschaft empfiehlt, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
29
Das BMAS begründet seine Auffassung damit, dass sich ab 1.7.2007 der Wert für die Warmwasserbereitung aus der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2003 errechnen müsse. Nach dieser sei es zu betragsmäßigen
Verschiebungen innerhalb der einzelnen Abteilungen der EVS gekommen, so dass der Anteil für Haushaltsenergie
nunmehr 21,75 Euro monatlich betrage und nicht mehr 20,74 Euro wie zuvor. Daraus folge - ein 30% iger Anteil hieran
für die Warmwasserbereitung zu Grunde gelegt - ein Abzugsbetrag von 6,56 Euro für einen Alleinstehenden unter
Berücksichtigung der Regelsatzerhöhung auf 347 Euro.
30
Die internen Verschiebungen des prozentualen Anteils der einzelnen Rechnungsposten der EVS haben jedoch nicht
zu einer Regelleistungserhöhung geführt. Die Erhöhung der Regelleistung zum 1.7.2007 ist erst durch die
Bekanntmachung vom 18.6.2007 (Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs 2 Satz 1 des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1.7.2007 vom 18.6.2007, BGBl I 1139) auf Grundlage des § 20 Abs
4 SGB II, also der Anpassung an den aktuellen Rentenwert erfolgt. Die "neue" EVS hatte mithin keine Auswirkungen
auf die Höhe der Regelleistung und damit auf die Höhe des Betrags, der den SGB II-Leistungsempfängern tatsächlich
zur Verfügung stand. Aus diesem Grunde hat der 14. Senat konsequenterweise auch den Anteil der Kosten der
Warmwasserbereitung lediglich um den prozentualen Anpassungsbetrag (Dynamisierungsbetrag) der Regelleistung,
also 0,58% erhöht. Auch der erkennende Senat geht davon aus, dass sich diese Erhöhung gleichmäßig auf alle in die
Regelleistung eingeflossenen Bedarfe auswirkt, also auch auf die für Haushaltsenergie.
31
g) Es ergibt sich kopfteilig ein Bedarf des einzelnen Hilfebedürftigen in Höhe von 177,73 Euro (561,10 Euro (Kaltmiete)
+ 133 Euro (Nebenkosten und Heizung) - 160,91 Euro (Zuschuss der Stadt ): 3). Hiervon sind für die Klägerin zu 1 ein
Betrag in Höhe von 6,26 Euro und für die Klägerinnen zu 2 und 3 in Höhe von jeweils 3,76 Euro als in der
Regelleistung enthaltener Anteil für die Kosten der Warmwasserbereitung abzuziehen, sodass sich
Leistungsansprüche in Höhe von 171,47 Euro bzw je 173,97 Euro ergeben. Der Senat hat den Tenor des
erstinstanzlichen Urteils insoweit klarstellend neu gefasst.
32
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.