Urteil des BSG vom 13.03.2017

BSG (Einkünfte, Pensionskasse, Erwerbstätigkeit, Steuerfreie Einkünfte, Einkommen, Arbeit, Ermittlung, Einkommen Aus Erwerbstätigkeit, Ende der Erwerbstätigkeit, Höhe)

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 25.6.2009, B 10 EG 9/08 R
Elterngeld - Einkommensermittlung - Nichtberücksichtigung von steuerfreien Zahlungen
des Arbeitgebers an eine Pensionskasse - Aufgabenübertragung auf die Kreise und
kreisfreien Städte in Nordrhein-Westfalen
Leitsätze
Steuerfreie Beitragszahlungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse zum Aufbau einer
betrieblichen Altersversorgung des Arbeitnehmers bleiben bei der Ermittlung des für das
Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit unberücksichtigt.
Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld für das erste Lebensjahr ihres am 1.1.2007
geborenen dritten Kindes unter Berücksichtigung von steuerfreien Beitragszahlungen ihres
Arbeitgebers an eine Pensionskasse, die aufgrund einer Entgeltumwandlung erfolgt sind.
2 Die Klägerin erzielte vor der Geburt dieses Kindes Einkommen aus nichtselbstständiger
Arbeit. Das monatliche Bruttoarbeitsentgelt belief sich dabei vom November 2005 bis Juli
2006 auf 1.506,55 Euro und vom August 2006 bis Oktober 2006 auf 1.101,59 Euro. In diesen
Geldbeträgen waren jeweils 150 Euro steuerfreie Einnahmen enthalten, die ihr Arbeitgeber an
eine Pensionskasse zahlte. Grundlage hierfür bildete eine mit der Klägerin geschlossene
Vereinbarung über die Umwandlung von Arbeitsentgelt in Versicherungsschutz.
3 Nach Bezug von Mutterschaftsgeld vom 15.11.2006 bis 26.2.2007 beantragte die Klägerin für
die Betreuung und Erziehung des am 1.1.2007 geborenen Kindes Elterngeld, das ihr für den
zweiten Monat (unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes) in Höhe von 51,84 Euro und für
den dritten bis zwölften Monat (unter Berücksichtigung eines Geschwisterbonus von 75 Euro)
in Höhe von 725,78 Euro gewährt wurde. Bei der Berechnung der Höhe des Elterngeldes
legte das seinerzeit zuständige Versorgungsamt jeweils nur die steuerpflichtigen Einkünfte
der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit zugrunde (Bescheid vom 8.3.2007 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 15.6.2007) .
4 Mit der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, es müssten auch die
auf der Grundlage einer Entgeltumwandlung erfolgten (steuerfreien) Zahlungen ihres
Arbeitgebers an die Pensionskasse berücksichtigt werden. Während des Klageverfahrens
sind die den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben nach dem Bundeselterngeld- und
Elternzeitgesetz (BEEG) in Nordrhein-Westfalen mit Wirkung vom 1.1.2008 auf die Kreise und
kreisfreien Städte übertragen worden. Daraufhin ist das Sozialgericht Aachen (SG) von einem
Beteiligtenwechsel auf der Beklagtenseite ausgegangen. Es hat den nunmehr beklagten
Kreis A. verurteilt, der Klägerin weiteres Elterngeld für die Monate Februar bis Dezember 2007
in Höhe von 61,05 Euro zu zahlen. Außerdem hat es die Berufung zugelassen (Urteil vom
8.4.2008) .
5 Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) die
Entscheidung des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.9.2008) . Es hat
ua ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass bei der Berechnung ihres
Elterngeldes die steuerfreien Zahlungen ihres Arbeitgebers an die Pensionskasse
berücksichtigt würden. § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG definiere das zugrunde zu legende
Einkommen als die Summe der positiven Einkünfte iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4
Einkommensteuergesetz (EStG). Damit werde im Steuerrecht die Gesamtheit der
steuerpflichtigen positiven Einkünfte bezeichnet. Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergebe
sich, dass es Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, an den Einkommensbegriff des
Steuerrechts anzuknüpfen. Steuerfreie Einnahmen - wie die Zuwendungen des Arbeitgebers
an die Pensionskasse (§ 3 Nr 63 EStG) - seien deshalb bei der Einkommensermittlung nicht
zu berücksichtigen. Aus § 2 Abs 7 BEEG ergebe sich nichts anderes. Diese auf Wortlaut,
Systematik und Entstehungsgeschichte gestützte Auslegung werde nicht durch den Hinweis
auf Sinn und Zweck des Elterngeldes als "Lohnersatzleistung" entkräftet, denn dieses Prinzip
sei im BEEG oft durchbrochen worden. Der Ausschluss der steuerfreien Zahlungen des
Arbeitgebers der Klägerin an die Pensionskasse verletzte auch nicht den allgemeinen
Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.
6 Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des §
2 Abs 1 und Abs 7 BEEG. Aus dem Gesetzeswortlaut des § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG gehe
gerade nicht hervor, dass mit der "Summe der positiven Einkünfte" lediglich steuerpflichtiges
Einkommen gemeint sei. Die Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens
orientiere sich zwar an einem an das Steuerrecht angelehnten Einkommensbegriff. § 2 Abs 1
Satz 2 BEEG verweise jedoch lediglich auf vier der sieben in § 2 Abs 1 EStG geregelten
Einkunftsarten. Dabei werde nicht auf steuerpflichtiges Einkommen abgestellt. Auch § 2 Abs 2
Nr 2 EStG enthalte keinerlei Ausnahme im Hinblick auf die Steuerpflicht. Vielmehr sei aus § 2
Abs 7 Satz 2 BEEG, der sonstige Bezüge iS des § 38a Abs 1 Satz 3 EStG (nicht laufend
gezahlter Arbeitslohn) ausdrücklich ausnehme, im Umkehrschluss zu folgern, dass jegliches
sonstige laufende Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit zur Anrechnung gebracht
werden müsse. Die im Rahmen der Entgeltumwandlung erfolgten Zahlungen seien zu den
positiven Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu zählen. Lediglich steuerrechtlich
würde in § 3 Nr 63 EStG eine Ausnahme gemacht. Hierauf werde jedoch im BEEG nicht
verwiesen. Der Gesetzgeber habe insoweit nur einen Systemwechsel im Steuerrecht von der
Besteuerung der Leistungen der Zukunftsvorsorge zur sog nachgelagerten Besteuerung
vorgenommen. Die vom Arbeitgeber gezahlten Beiträge seien eindeutig Einkünfte aus
nichtselbstständiger Arbeit. Sie seien nur steuerfrei, wenn sie 4 vom Hundert (vH) der
rentenversicherungsrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze nicht überstiegen. Es werde
demnach keine grundsätzliche Steuerbefreiung bewirkt. Die in § 3 Nr 63 EStG geregelte
beschränkte Ausnahme der Steuerpflicht bewirke im Rahmen des § 2 BEEG eine unzulässige
Ungleichbehandlung, wenn diejenigen Zahlungen, die 4 vH der
sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze überschritten, doch wieder als
Einkommen berücksichtigt würden. Zudem habe das neue Elterngeld Entgeltersatzfunktion.
Die vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte und deswegen steuerlich geförderte
(betriebliche) Altersversorgung dürfe deshalb nicht ausgenommen werden.
7 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26.9.2008 aufzuheben und die Berufung des
Beklagten gegen das Urteil des SG Aachen vom 8.4.2008 zurückzuweisen.
8 Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
9 Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
10 Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
11 Das LSG hat zu Recht das der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1
Satz 1 und Abs 4 SGG) stattgebende Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen,
denn die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf höheres Elterngeld, als es
vom seinerzeit zuständigen Versorgungsamt festgesetzt und gezahlt worden ist.
12 1. Das LSG ist (ebenso wie das SG) zu Recht davon ausgegangen, dass bereits während
des Klageverfahrens ein Beteiligtenwechsel stattgefunden hat und seit dem 1.1.2008 der
beklagte Kreis passiv legitimiert ist.
13 § 5 Abs 1 Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des
Landes Nordrhein-Westfalen (= Art 1 Zweites Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur in
Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007, GVBl NRW 482 - Eingliederungsgesetz -
) hat die den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben nach dem
BEEG mit Wirkung vom 1.1.2008 auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen. Durch
diesen Wechsel in der Behördenzuständigkeit ist ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes
eingetreten (vgl dazu Bundessozialgericht SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSGE 99,
9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, jeweils RdNr 13 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 6 RdNr 13, auch
zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), denn allein der im Laufe des Verfahrens
zuständig gewordene Rechtsträger kann das von der Klägerin beanspruchte höhere
Elterngeld gewähren. Dementsprechend hat sich hier die kombinierte Anfechtungs- und
Leistungsklage gegen den beklagten Kreis zu richten.
14 Wie der 9. Senat des BSG bereits entschieden hat (Urteile vom 11.12.2008 - B 9 V 3/07 R -,
zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, und - B 9 VS 1/08 R -, zur Veröffentlichung in
BSGE und SozR vorgesehen, sowie Urteile vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R - und - B 9 SB
3/08 R), verstößt die Übertragung der Aufgaben des Sozialen Entschädigungsrechts
einschließlich der Kriegsopferversorgung auf die kommunalen Landschaftsverbände in
Nordrhein-Westfalen (vgl § 4 Abs 1 EingliederungsG) sowie die Übertragung der Aufgaben
des Schwerbehindertenrechts auf die Kreise und kreisfreien Städte in Nordrhein-Westfalen
(§ 2 Abs 1 EingliederungsG) nichtgegenhöherrangiges Bundesrecht, insbesondere nicht
gegen Vorschriften des GG.
15 Für die Übertragung der Aufgaben des BEEG auf die Kreise und kreisfreien Städte gilt nichts
anderes. Diese führen das BEEG im Hinblick auf die Regelung des Art 104a Abs 3 Satz 2
GG im Auftrag des Bundes (Auftragsverwaltung iS des Art 85 GG) durch, weil nach § 12 Abs
2 BEEG ausschließlich der Bund die Ausgaben für das Elterngeld trägt . Nach Art 85 Abs 1
Satz 1 GG bleibt die Einrichtung der Behörden Angelegenheit der Länder, soweit nicht
Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. Von diesem
Abweichungsrecht hat der Bund hier keinen Gebrauch gemacht. Im Gegenteil hat er durch §
12 Abs 1 Satz 1 BEEG den Landesregierungen und den von ihnen beauftragten Stellen
unmittelbar das Recht eingeräumt, die für die Ausführung dieses Gesetzes zuständigen
Behörden zu bestimmen. Diese Ermächtigung zur Regelung der Zuständigkeit unterhalb
eines Landesgesetzes erlaubt selbstverständlich auch eine Zuständigkeitsbestimmung
durch Landesgesetz.
16 2. Das LSG hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf höheres Elterngeld verneint, denn
diese kann nicht verlangen, dass bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen
Einkommens aus Erwerbstätigkeit die auf der Grundlage einer Entgeltumwandlung erfolgten
Beitragszahlungen ihres Arbeitgebers an die Pensionskasse berücksichtigt werden. Diese
haben nach § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG außer Ansatz zu bleiben, weil sie nach § 3 Nr 63 EStG
steuerfrei sind und deshalb nicht zu den (steuerpflichtigen) Einkünften iS des § 2 Abs 1 Satz
1 EStG gehören. Die Nichtberücksichtigung dieser Zahlungen bei der Ermittlung des für das
Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit verstößt nicht gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG (iVm Art 6 Abs 1 GG).
17 a) Dass die Klägerin die allgemeinen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Elterngeld
nach § 1 Abs 1 BEEG erfüllt, steht hier außer Zweifel. Sie hat ihren Wohnsitz in Deutschland
(Nr 1), lebt mit ihrem Kind in einem Haushalt (Nr 2), betreut und erzieht dieses Kind selbst
(Nr 3) und übt keine Erwerbstätigkeit aus (Nr 4). Das Kind, für deren Betreuung und
Erziehung die Klägerin Elterngeld begehrt, fällt auch unter den persönlichen
Anwendungsbereich des BEEG, denn es wurde am Tag des Inkrafttretens des BEEG - am
1.1.2007 - geboren (Art 3 Abs 1 Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006
; zur Verfassungsmäßigkeit der Übergangsvorschrift und Stichtagsregelung
des § 27 Abs 1 BEEG: BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1).
18 b) Die Höhe des Elterngeldes richtet sich gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG nach dem in den
zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten
monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Es beträgt 67 vH dieses durchschnittlichen
Einkommens, höchstens 1.800 Euro monatlich. § 2 Abs 5 BEEG sieht ein Mindestelterngeld
in Höhe von monatlich 300 Euro vor. Lebt - wie hier - die berechtigte Person mit mehreren
kleinen Kindern in einem Haushalt, erhöht sich das Elterngeld nach Maßgabe des § 2 Abs 4
BEEG um einen Geschwisterbonus von mindestens 75 Euro.
19 aa) Ausgangspunkt der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus
Erwerbstätigkeit ist nach dem Wortlaut des § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG die "Summe der positiven
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und
nichtselbstständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG nach Maßgabe
der Absätze 7 bis 9" (des § 2 BEEG).
20 (1) Mit der Wortwahl "Summe der … Einkünfte" verweist § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG nicht nur,
wie die Klägerin meint, auf die dort genannten Einkunftsarten, sondern auf die nach
steuerrechtlichen Bestimmungen ermittelten Einkünfte iS des § 2 Abs 1 und 2 EStG. Dieser
einkommenssteuerrechtliche Begriff umfasst nicht nach § 3 Nr 63 EStG steuerfreie Beiträge,
die der Arbeitgeber zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung des
Arbeitnehmers an eine Pensionskasse zahlt. Dies ergibt sich aus der Systematik des
Einkommensteuerrechts, die sich wie folgt darstellt:
§ 2 Abs 1 Satz 1 EStG regelt den Grundtatbestand des steuerbaren Einkommens (hierzu
Kirchhof in EStG - Kompaktkommentar, 8. Aufl 2008, § 2 RdNr 2) . Danach unterliegen die
von einer steuerpflichtigen natürlichen Person (in einem bestimmtem Zeitraum) erzielten
Einkünfte aus sieben verschiedenen Einkunftsarten der Einkommensteuer, wobei für das
Elterngeld nur die (Erwerbs-)Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (Nr 1), Gewerbebetrieb
(Nr 2), selbstständiger Arbeit (Nr 3) und nichtselbstständiger Arbeit (Nr 4) erheblich sind.
§ 2 Abs 2 EStG betrifft die Ermittlung der Einkünfte. Diese Vorschrift unterscheidet zwischen
den Gewinneinkünften bei den ersten drei genannten Einkunftsarten (§ 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1,
§§ 4 bis 7k, §§ 13 bis 14a, §§ 15 bis 17, § 18 EStG) und den Überschusseinkünften, wozu
auch die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gehören. Bei diesen wird der Überschuss
der (Erwerbs-)Einnahmen über die Erwerbsaufwendungen (Werbungskosten) ermittelt (§ 2
Abs 2 Satz 1 Nr 2, §§ 8 bis 9a, §§ 19 bis 19a, §§ 38 ff EStG).
21 Die nach dem objektiven Nettoprinzip (hierzu Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl 2008,
§ 9 RdNr 54 ff; Kirchhof in EStG - Kompaktkommentar, 8. Aufl 2008, § 2 RdNr 6) ermittelten
Einkünfte der verschiedenen Einkunftsarten bilden in ihrer Gesamtheit die Summe der
Einkünfte, die die objektive Leistungsfähigkeit der steuerpflichtigen natürlichen Person misst
(vgl Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl 2008, § 9 RdNr 42). Diese, vermindert um drei
Abzugstatbestände (Entlastungs- bzw Freibeträge), ergibt den Gesamtbetrag der Einkünfte
(§ 2 Abs 3 EStG) . Dieser, vermindert um die Sonderausgaben (§§ 10 ff EStG) und die
außergewöhnlichen Belastungen (§§ 33 bis 33c EStG), ist das Einkommen (§ 2 Abs 4 EStG)
. Nach dem Abzug existenzsichernder Aufwendungen, der die persönliche
Leistungsfähigkeit berücksichtigt, entsteht das zu versteuernde Einkommen, das die
Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer bildet (§ 2 Abs 5 EStG).
22 § 3 EStG enthält einen Katalog von Steuerbefreiungen ("Steuerfrei sind …"), mit denen der
Gesetzgeber - ohne eine bestimmte sachliche Ordnung oder Reihenfolge (hierzu etwa Lang
in Tipke/Lang, Steuerrecht 19. Aufl 2008, § 9 RdNr 137 ff; von Beckerath in Kirchhof, EStG -
Kompaktkommentar, 8. Aufl 2008, § 3 RdNr 1) - in der Regel die ausnahmsweise
Nichtberücksichtigung von an und für sich steuerbaren Einkünften/Einnahmen anordnet (vgl
von Beckerath, aaO, § 3 RdNr 2) . Unabhängig davon, ob man diese in der Regel mit
konstitutiver Wirkung kraft Gesetzes steuerfrei gestellten Vermögensmehrungen als
steuerfreie Einkünfte oder als steuerfreie Einnahmen ansieht, besteht in der
finanzgerichtlichen Rechtsprechung und der steuerrechtlichen Literatur Einigkeit darüber,
dass die Tatbestände der Ausnahmebestimmung des § 3 EStG bereits bei der Ermittlung der
Einkünfte nach dem objektiven Nettoprinzip gemäß § 2 Abs 1 und Abs 2 EStG zu prüfen sind
(aus der Rechtsprechung etwa BFHE 104, 345, 348; 124, 204, 207; aus der Literatur etwa
Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl 2008, § 9 RdNr 120; Bergkemper in
Herrmann/Heuer/Raupach, EStG - KStG, § 3 EStG RdNr 6; von Beckerath in Kirchhof, EStG
- Kompaktkommentar, 8. Aufl 2008, § 3 RdNr 1f; ders in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3
RdNr A 158 ff) . Dies hat zur Folge, dass steuerfreie Einkünfte/Einnahmen steuerrechtlich
weder als steuerpflichtige Einnahmen noch als steuerpflichtige Einkünfte noch als
steuerpflichtiges Einkommen behandelt werden dürfen.
23 Nach § 3 Nr 63 Satz 1 EStG idF des Art 1 Nr 2 Buchst c Alterseinkünftegesetz (AltEinkG)
vom 5.7.2004 (BGBl I 1427, geändert durch Gesetz vom 9.12.2004 - BGBl I 3242 ) sind
steuerfrei: "Beiträge des Arbeitgebers aus dem ersten Dienstverhältnis an … eine
Pensionskasse … zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung, bei
der eine Auszahlung der zugesagten Alters-, Invaliditäts- oder
Hinterbliebenenversorgungsleistungen in Form einer Rente oder eines Auszahlungsplans …
vorgesehen ist, soweit die Beiträge im Kalenderjahr 4 vom Hundert der
Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigen". Der
Begriff "Beiträge" im Sinne dieser Vorschrift wird weit verstanden. Steuerfrei sind nicht nur
die Beiträge des Arbeitgebers, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn
erbracht werden, sondern auch Beiträge, die - wie nach den bindenden Feststellungen des
LSG hier - durch Umwandlung des Gehalts des Arbeitnehmers finanziert werden. Lediglich
Eigenbeiträge des Arbeitnehmers sind vom Anwendungsbereich des § 3 Nr 63 EStG
ausgeschlossen (vgl hierzu von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, aaO, § 3 RdNr B
63/53; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG - KStG, § 3 Nr 63 Anm 4). Im
Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stellen sich die von § 3 Nr 63 EStG
erfassten Beiträge als Zuwendungen des Arbeitgebers dar. Diese wären ohne die Regelung
des § 3 Nr 63 EStG beim Arbeitnehmer nach § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG (in der hier im
Bemessungszeitraum 2005/2006 geltenden Fassung des AltEinkG vom 5.7.2004; seit
1.1.2007 ausdrücklich geregelt in § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 3 EStG idF des
Jahressteuergesetzes 2007 vom 13.12.2006 ) steuerpflichtige Einkünfte aus
nichtselbstständiger Arbeit, weil der Arbeitnehmer (anstelle von Lohn oder Gehalt) durch die
Beitragszahlungen des Arbeitgebers einen Rechtsanspruch gegen die
Versorgungseinrichtung auf spätere Versorgung erwirbt (vgl dazu bereits BFHE 196, 539,
542 f).
24 (2) Die steuerfreien Beiträge, die der Arbeitgeber zum Aufbau einer kapitalgedeckten
betrieblichen Altersversorgung des Arbeitnehmers an eine Pensionskasse zahlt, sind auch
"nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9" des § 2 BEEG nicht als Einkommen iS des § 2 Abs 1
BEEG zu berücksichtigen.
25 Nach § 2 Abs 7 Satz 1 und Satz 3 BEEG (die Abs 8 und 9 betreffen Einkünfte aus Land- und
Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit) ist als Einkommen aus
nichtselbstständiger Arbeit der um die Steuern (abgeführte Lohnsteuer einschließlich
Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) und Sozialversicherungsbeiträge (einschließlich
Beiträge zur Arbeitsförderung) verminderte Überschuss der Einnahmen über die
Werbungskosten zu berücksichtigen. Die steuerrechtlichen Regelungen über die
Einkommensermittlung (§ 2 Abs 2 Satz 1 Nr 2, §§ 8 bis 9a, §§ 19 bis 19a, §§ 38 ff EStG) sind
dabei lediglich insoweit modifiziert, als pauschal ein Zwölftel des jeweils maßgeblichen
Werbungskosten-Pauschbetrags abgezogen wird. Außerdem werden nach § 2 Abs 7 Satz 2
BEEG sonstige Bezüge iS von § 38a Abs 1 Satz 3 EStG, nämlich nicht laufend gezahlter
Arbeitslohn, bei der Berechnung des Elterngeldes nicht als Einnahmen berücksichtigt . Aus
dieser zusätzlichen Ausnahmevorschrift des BEEG lässt sich entgegen der Auffassung der
Klägerin nicht der generelle Umkehrschluss ziehen, dass jegliche sonstigen laufenden
Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit im Rahmen des für die Bemessung des
Elterngeldes maßgeblichen Einkommens in Ansatz gebracht werden müssten, auch wenn
sie steuerfrei sind. Vielmehr hätte es dafür einer ausdrücklichen Regelung im BEEG bedurft.
Daran fehlt es.
26 bb) Auch sonst führt die Auslegung der Bestimmungen des BEEG zu dem Schluss, dass
jedenfalls die steuerfreien Beiträge des Arbeitgebers an eine Pensionskasse iS des § 3 Nr
63 EStG nicht zum Einkommen iS des BEEG rechnen (vgl zu den steuerfreien Einnahmen
im Rahmen der Einkommensermittlung nach dem BEEG: Pauli in Hambüchen, BEEG - EStG
- BKGG, § 2 BEEG RdNr 6; Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, RdNr 150; Wiegand,
BEEG, § 2 RdNr 7; Buchner/Becker, MuSchG - BEEG, 8. Aufl, § 2 BEEG RdNr 17; Lenz in
Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit, § 2 BEEG RdNr 3; Dau, jurisPR-SozR 26/2008
Anm 4; ders, SGb 2009, 261, 263 f; ders, jurisPR-SozR 13/2009 Anm 5; LSG Nordrhein-
Westfalen, Urteil vom 17.10.2008 - L 13 EG 6/08 -, juris RdNr 12 und vom 12.12.2008 - L 13
EG 32/08 -, juris RdNr 27; SG Marburg vom 14.5.2008 - S 4 EG 8/07; SG Aachen, Urteil vom
23.9.2008 - S 13 EG 2/08 -
vertretenen abweichenden Auffassung>; SG Aachen, Urteil vom 8.4.2008 - S 13 EG 19/07 -;
SG Darmstadt, Urteil vom 14.10.2008 - S 6 EG 6/08 -; SG Berlin, Urteil vom 2.2.2009 - S 2
EG 28/08 -).
27 (1) Dieses Ergebnis wird zunächst durch die Entstehungsgeschichte des BEEG bestätigt.
Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes zur Einführung
des Elterngeldes vom 20.6.2006 sah in § 2 Abs 7 Satz 2 noch vor, die Einnahmen aus
Erwerbstätigkeit zunächst unter entsprechender Anwendung der Arbeitslosengeld
II/Sozialgeld-Verordnung zu ermitteln (vgl BT-Drucks 16/1889 S 5). Mit Beschluss vom
27.9.2006 hat der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Wunsch des
Bundesrates aufgegriffen, das Einkommen nach den Grundsätzen des
Einkommensteuerrechts zu ermitteln, weil dies der Zielsetzung des Elterngeldes besser
entspreche (vgl BT-Drucks 16/2454 S 8; BT-Drucks 16/2785 S 37). Der Ausschuss ging
dabei ua davon aus, dass die Anknüpfung an die Summe der positiven Einkünfte zugleich
bewirke, dass steuerfreie Einnahmen nach § 3 EStG bei der Einkommensermittlung für das
Elterngeld nicht zu berücksichtigen seien (vgl BT-Drucks 16/2785 S 37). Die
Nichtberücksichtigung der nach § 3 Nr 63 EStG steuerfreien Beitragszahlungen des
Arbeitgebers an eine Pensionskasse zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen
Altersversorgung des Arbeitnehmers bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen
Einkommens aus Erwerbstätigkeit entspricht also dem erkennbaren Willen des
Gesetzgebers.
28 (2) Der Sinn und Zweck des Elterngeldes gebietet - jedenfalls im vorliegenden Fall -
ebenfalls keine den Wortlaut des § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG einschränkende Auslegung. Ziel
des Elterngeldes ist es vor allem, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu
unterstützen, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern (so die
Gesetzesbegründung, vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Jeder
betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, soll einen an
seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen
Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes erhalten (so die Gesetzesbegründung,
vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Durch die Betreuung des Kindes
sollen die Eltern keine allzu großen Einkommenseinbußen befürchten müssen (vgl Bericht
der Bundesregierung über die Auswirkungen des BEEG vom 30.10.2008, BT-Drucks
16/10770 S 5 f). Mit dem BEEG hat deshalb der Gesetzgeber die familienpolitischen
Leistungen neu ausgerichtet und das bedürftigkeitsabhängige Erziehungsgeld durch ein
verstärkt Einkommenseinbußen ersetzendes Elterngeld abgelöst (vgl BSGE 99, 293 = SozR
4-7837 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 19; zum Elterngeld als eine das Einkommen ersetzende
Leistung auch BSG, Urteile vom 19.2.2009 - B 10 EG 1/08 R und B 10 EG 2/08 R -).
29 Diese Einkommensersatzfunktion ist noch gewährleistet, wenn die nach § 3 Nr 63 EStG
steuerfreien (auf der Grundlage einer Entgeltumwandlung erfolgten) Beitragszahlungen des
Arbeitgebers an eine Pensionskasse zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen
Altersversorgung des Arbeitnehmers bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen
Einkommens aus Erwerbstätigkeit unberücksichtigt bleiben. Die Steuerfreiheit dieser
Beitragszahlungen (und damit der Umfang ihrer Nichtberücksichtigung im Rahmen des § 2
BEEG) ist im Kalenderjahr betragsmäßig auf 4 vH der Beitragsbemessungsgrenze in der
allgemeinen Rentenversicherung (vgl hierzu Anlage 2 zum SGB VI) begrenzt. 4 vH der
jährlichen Beitragsbemessungsgrenze waren im Kalenderjahr 2005 2.496 Euro (= 208 Euro
monatlich) und im Kalenderjahr 2006 2.520 Euro (= 210 Euro monatlich). Die Zahlungen
machen deshalb in der Regel nur einen geringen Anteil am Gesamtbruttoeinkommen der
von der Regelung betroffenen Arbeitnehmer aus. Ihre Nichtberücksichtigung wirkt sich - wie
hier das der Klage stattgebende Urteil des SG zeigt - mithin nur geringfügig auf die Höhe des
Elterngeldes aus. Überdies handelt es sich um Beträge, die dem Berechtigten -
entsprechend ihrer Eigenschaft als Vorsorgeaufwendungen - in der Zeit vor der Geburt des
Kindes nicht für die Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung standen.
30 c) Der erkennende Senat ist nicht davon überzeugt, dass die Nichtberücksichtigung der
steuerfreien Beitragszahlungen iS des § 3 Nr 63 EStG bei der Ermittlung des für das
Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG (iVm Art 6 Abs 1 GG) verstößt. Die steuerrechtliche
Ausnahmevorschrift des § 3 Nr 63 EStG hat einen sachlichen Grund, der auch die
betragsmäßige Begrenzung dieser Steuerbefreiung rechtfertigt. Ebenso steht § 2 Abs 1 Satz
2 BEEG, jedenfalls soweit er auf den Steuerbefreiungstatbestand des § 3 Nr 63 EStG
verweist, mit der Verfassung im Einklang.
31 aa) Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des
Steuergegenstands und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden
Entscheidungsspielraum (vgl Bundesverfassungsgericht , Urteil vom 9.12.2008 - 2
BvL 1/07 ua, NJW 2009, 48, 49; BVerfGE 93, 121, 136; 107, 27, 47; 117, 1, 30). Die
grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die
das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft, wird im Bereich des Einkommensteuerrechts vor
allem durch zwei miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der
Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das
Gebot der Folgerichtigkeit (vgl BVerfGE 105, 73, 125; BVerfGE 107, 27, 46 f; 116, 164, 180;
117, 1, 30; BVerfG, aaO, NJW 2009, 48, 50). Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen
Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im
Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen
folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl BVerfGE 99,
88, 95; 99, 280, 290; 105, 73, 126; 107, 27, 47; 116, 164, 180 f; 117, 1, 31; BVerfG, aaO, NJW
2009, 48, 50).
32 Wie bereits ausgeführt, unterliegt nach dem einfachen Recht grundsätzlich nur das
Nettoeinkommen der Einkommensteuer, nämlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen
einerseits und den (betrieblichen/beruflichen) Erwerbsaufwendungen sowie den privaten
existenzsichernden Aufwendungen andererseits. Steuerbefreiungen bedürfen als die
Belastungsgleichheit durchbrechende Ausnahmetatbestände eines besonderen sachlichen
Grundes. Ein solcher ist für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr 63 EStG gegeben.
33 Die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr 63 EStG wurde auf Vorschlag des Ausschusses für
Arbeit und Sozialordnung in das Altersvermögensgesetz vom 26.6.2001 (BGBl I 1310)
aufgenommen. Durch diese flankierende steuerliche Maßnahme sollte der Aufbau der
betrieblichen Altersvorsorge unterstützt werden (vgl BT-Drucks 14/5150, 33). Nachdem das
BVerfG am 6.3.2002 die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen und der
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung als mit dem Gleichheitssatz des Art 3 Abs
1 GG unvereinbar erklärt hatte (vgl BVerfGE 105, 73, 110 ff), hat der Gesetzgeber die
einkommensteuerrechtliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und
Altersbezügen durch das AltEinkG vom 5.7.2004 (BGBl I 1427) grundlegend umgestaltet,
insbesondere auch bei den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung die sog
nachgelagerte Besteuerung nach der Erwerbsphase eingeführt (vgl BT-Drucks 15/2150, 1 f).
Dabei hat er auch im Bereich der betrieblichen Altersversorgung für alle fünf
Durchführungswege (also unter Einbeziehung der Direktversicherung) ein weitgehend
einheitliches Besteuerungssystem geschaffen. Dazu gehört die (begrenzte) Steuerfreiheit für
die kapitalgedeckte betriebliche Altersversorgung, wie sie in § 3 Nr 63 EStG idF des Art 1 Nr
2 Buchst b und c AltEinkG geregelt ist.
34 Seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (also ab dem 1.1.2005) wird der Zweck und damit
auch die sachliche Rechtfertigung dieser Befreiungsvorschrift in einer
Ausgrenzungsbefreiung gesehen (vgl von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3
Nr 63 RdNr B 63/44). Darunter wird eine Ausnahmebestimmung verstanden, durch die ein
zunächst umfassend formulierter steuerbegründender Grundtatbestand durch eine
Steuerwürdigkeitsentscheidung korrigiert wird. Ein Sachverhalt, den der Gesetzgeber nicht
für steuerwürdig hält, wird mit Hilfe einer Befreiungsvorschrift ausgeklammert (vgl von
Beckerath, aaO). In diesem Sinne klammert § 3 Nr 63 EStG Beiträge des Arbeitgebers ua an
Pensionskassen aus dem Tatbestand des § 19 EStG aus, um dem vom BVerfG geforderten
Gebot der Einmalbesteuerung (vgl BVerfGE 105, 73, 134 f) Rechnung zu tragen. Denn mit
dem AltEinkG hat der Gesetzgeber auch im Bereich der betrieblichen Altersversorgung eine
Grundentscheidung für die sog nachgelagerte Besteuerung getroffen, bei der die
Aufwendungen in der sog Ansparphase während der Erwerbstätigkeit von der steuerlichen
Belastung befreit sind und erst die Zahlungen in der Leistungsphase nach dem Ende der
Erwerbstätigkeit gemäß § 22 Nr 5 EStG idF des AltEinkG besteuert werden (vgl auch Lang in
Tipke/Lang, Steuerrecht 19. Aufl 2008, § 9 RdNr 142; Bergkemper in
Hermann/Heuer/Raupach, EStG - KStG, § 3 Nr 63 EStG Anm 2) .
35 Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr 63 EStG ist zudem Teil eines gesetzgeberischen
Gesamtkonzepts zur Verbreitung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge, die
steuerrechtlich außerdem durch einen Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG und einer
progressionsunabhängigen Zulage nach §§ 79 ff EStG gefördert wird, wobei der
Arbeitnehmer ein Wahlrecht hat, entweder die Steuerbefreiung oder den
Sonderausgabenabzug oder die Altersvorsorgezulage in Anspruch zu nehmen (vgl § 3 Nr 63
Satz 2 EStG; dazu im einzelnen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom
17.11.2004 betreffend die steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge und
betrieblichen Altersversorgung, BStBl 2004 I 1065).
36 Die in § 3 Nr 63 EStG enthaltene Höchstbetragsbegrenzung ist ebenfalls folgerichtig
umgesetzt. Sie knüpft an die arbeitsrechtlichen Vorschriften des Betriebsrentengesetzes
(BetrAVG)an. Nach § 1a Abs 1 BetrAVG hat der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen
Anspruch auf Umwandlung seiner künftigen Entgeltansprüche (ebenfalls) in Höhe von 4 vH
der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung in eine betriebliche
Altersversorgung, wobei diese ua von einer rechtsfähigen Versorgungseinrichtung
durchgeführt werden kann, die dem Arbeitnehmer oder seinen Hinterbliebenen einen
Rechtsanspruch auf ihre Leistungen gewährt (Pensionskasse oder Pensionsfonds iS des §
1b Abs 3 BetrAVG). Zudem entspricht sie betragsmäßig jeweils der Endstufe des
Sonderausgabenabzugs nach § 10a Abs 1 EStG und des Mindesteigenbeitrags bei der
progressionsunabhängigen Zulage nach § 86 Abs 1 EStG.
37 bb) Die Nichtberücksichtigung der nach § 3 Nr 63 EStG steuerfreien Beitragszahlungen des
Arbeitgebers an eine Pensionskasse bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen
Einkommens aus Erwerbstätigkeit aufgrund der Verweisung in § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG ist
ebenfalls von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG
werden dadurch nicht verletzt.
38 Art 3 Abs 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Dieser hat auch im
Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten Abschnitt
des BEEG gehören (§ 6, § 25 Abs 2 Satz 2, § 68 Nr 15a SGB I), einen weiten
Gestaltungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist erst dann
verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten
anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher
Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können
(stRspr des BVerfG seit BVerfGE 55, 72, 88; vgl zuletzt BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800
§ 1 Nr 7 RdNr 55; 117, 272, 300 f). Im Bereich staatlicher Maßnahmen, welche die Familie
betreffen, muss der Staat dabei zusätzlich den Schutz beachten, den er dieser nach Art 6
Abs 1 GG schuldet (vgl BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55).
39 § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG verstößt, jedenfalls soweit er auf den Steuerbefreiungstatbestand
des § 3 Nr 63 EStG verweist, nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Die Klägerin und andere
Arbeitnehmer, die steuerfreie Zuwendungen des Arbeitgebers iS des § 3 Nr 63 EStG
erhalten, werden zwar gegenüber anderen Elterngeldberechtigten benachteiligt, bei denen
sich steuerpflichtige Zahlungen des Arbeitgebers in gleicher Höhe elterngelderhöhend
auswirken. Für diese Ungleichbehandlung gibt es jedoch hinreichend gewichtige Gründe.
Wie bereits ausgeführt, ist es vor allem Ziel des Elterngeldes, Familien durch eine am
bisherigen Erwerbseinkommen eines Elternteils orientierte Leistung bei der Sicherung ihrer
Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer
Kinder kümmern (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Unter diesen
Umständen ist es grundsätzlich sachgerecht, wenn der Gesetzgeber bei der Ermittlung des
für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit auf die Summe der
positiven Einkünfte ua aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG
verweist. Auch das Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) hatte bereits im Rahmen der
Ermittlung der Einkommensgrenzen (§ 5 Abs 3, § 6 Abs 1 Satz 1 BErzGG) auf "die nicht um
Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte im
Sinne des § 2 Abs 1 und 2 EStG" abgestellt. Die Nichtberücksichtigung steuerfreier
Beitragszahlungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse iS des § 3 Nr 63 EStG bei der
Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit ist eine
Folge dieser dem Grunde nach sachgerechten Anknüpfung. Sie wirkt sich zudem nur
geringfügig auf die Höhe des Elterngeldes aus. Im Übrigen stehen die Beitragszahlungen,
insbesondere wenn sie vom Arbeitgeber infolge einer Entgeltumwandlung geleistet werden,
dem Berechtigten ohnehin nicht für die Bestreitung des täglichen Lebensbedarfs zur
Verfügung.
40 An dieser Beurteilung ändert auch Art 6 Abs 1 GG nichts. Danach hat der Staat ua die Pflicht,
die Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern (vgl BVerfGE 106, 166, 177 f; 110, 412,
436; 111, 160, 172 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 53; BSG SozR 4-7833 § 6 Nr 3 RdNr 20;
BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 28 f). Dieser Pflicht hat der
Gesetzgeber mit dem BEEG Rechnung getragen. Aus Art 6 Abs 1 GG ergibt sich jedoch
weder eine Verpflichtung, jegliche die Familie treffenden finanziellen Belastungen
auszugleichen, noch erwachsen hieraus konkrete Ansprüche auf staatliche Leistungen. Mit
einer sich für alle Familien in gleicher Weise auswirkenden Regelung zur
Nichtberücksichtigung bestimmter steuerfreier Zahlungen des Arbeitgebers hat der
Gesetzgeber deshalb die Grenzen des ihm insoweit zustehenden weiten
Gestaltungsspielraums nicht überschritten.
41 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.