Urteil des BSG vom 16.09.1999

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Bundessozialgericht
Urteil vom 16.09.1999
Sozialgericht München S 18 Kr 275/90
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 8/95
Bundessozialgericht B 3 KR 7/98 R
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Februar 1998 wird
zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger dem Grunde nach der Künstlersozialabgabepflicht unterliegt.
Der Kläger betrieb seit Januar 1986 als Einzelunternehmer zunächst den "Showbusiness International Concert-
Veranstaltungsservice"; die Bezeichnung lautete später "Showbusiness International Concert-Künstlermanagement"
sowie "Künstler-Management Promotions-Büro R. D. ". Von 1991 bis 1993 betrieb der Kläger das Unternehmen
zusammen mit J. B. als Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Seit deren Auflösung Ende 1993 führt der Kläger das
Unternehmen wieder allein weiter.
Der Kläger schloß überwiegend ausdrücklich als Vertreter von Künstlern Engagementverträge mit unterschiedlichen
Veranstaltern ab, vor allem mit Diskotheken, Tanzgaststätten, Tanzcafes usw. Nach dem von ihm verwendeten
Mustervertrag war das Entgelt vor der Veranstaltung bar an den Künstler oder seinen Vertreter zu bezahlen. In dem
weiteren Mustervertrag, den der Kläger als Management-Vertrag mit den jeweiligen Künstlern abschloß, erteilten diese
dem Kläger Vollmacht zum Inkasso ihrer Einkünfte. Der Kläger stellte dem Künstler seine jeweilige Provision in
Rechnung.
Mit Bescheid vom 7. November 1989 stellte die Beklagte fest, daß der Kläger zum Kreis der abgabepflichtigen
Unternehmen nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) gehöre, weil er eine Theater-, Konzert- oder
Gastspieldirektion betreibe. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 1990).
Das Sozialgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil des Sozialgerichts München vom 6. Oktober
1994); die Berufung wurde zurückgewiesen (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 26. Februar
1998). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, der Kläger betreibe eine Konzertdirektion iS von § 24
Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG. Er sorge dafür, daß Konzerte bzw Shows veranstaltet würden. Darüber hinaus sei er
zumindest zweimal selbst als Veranstalter aufgetreten.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 24 Abs 1 Nr 3 KSVG. Er betreibe
weder eine Konzert- oder Gastspieldirektion, noch ein "sonstiges" Unternehmen iS des § 24 Abs 1 Nr 3 KSVG,
dessen wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer
Werke oder Leistungen zu sorgen. Das LSG habe vor allem den Unterschied zwischen den in dieser Vorschrift
aufgeführten Unternehmen und der von ihm betriebenen Vermittlungsagentur verkannt. Eine Vermittlungsagentur, wie
er sie betreibe, vermittele ausschließlich Engagement- bzw Konzertverträge, die zwischen dem Künstler und einem
Veranstalter abgeschlossen würden. Die Agentur handele lediglich als Stellvertreter des Künstlers. Demgemäß zahle
auch nicht die Agentur, sondern allein der jeweilige Kunde das Entgelt an den Künstler. Die Agentur erhalte vom
Künstler lediglich eine Provision. Die Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen schließe es aus, die Vermittlungsagentur
als "Vermarkter" iS des KSVG anzusehen. Das LSG habe im Tatbestand seines Urteils zu Unrecht ausgeführt, der
Kläger schließe mit Diskotheken, Tanzgaststätten etc sogenannte Vermittlungsverträge über Künstlerauftritte ab.
Zutreffend sei, daß derartige Verträge ausschließlich unmittelbar zwischen Veranstaltern auf der einen und Künstlern
auf der anderen Seite zustande gekommen seien. Er, der Kläger, habe auch stets bestritten, daß er Eigengeschäfte
durchführe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Februar 1998 und das Urteil des
Sozialgerichts München vom 6. Oktober 1994 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. November 1990 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 1990 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß das Unternehmen des
Klägers dem Grunde nach der Abgabepflicht nach dem KSVG unterliegt.
Die Klage richtet sich allein gegen die Feststellung der Beklagten, das Unternehmen des Klägers unterliege dem
Grunde nach der Künstlersozialabgabepflicht. Der Erfassungsbescheid vom 7. November 1989 betrifft die Zeit ab dem
1. Januar 1986. In dem danach streitigen Zeitraum richtete sich die Abgabepflicht zunächst nach § 24 Abs 1 Nr 2
KSVG idF vom 27. Juli 1981 (BGBl I 705). Hiernach ist ein Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, der
eine Theater- oder Konzertdirektion betreibt, sofern diese nicht ausschließlich eine vermittelnde Tätigkeit ausübt (§ 24
Abs 1 Nr 2 KSVG 1981). Die Einfügung von § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG durch Art 1 Nr 2 des Gesetzes vom 18.
Dezember 1987 (BGBl I 2794) mit Wirkung vom 1. Januar 1988 hat insoweit zu keiner Änderung geführt. Durch Art 1
Nr 5 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2606) wurde die Regelung der Nr 2 wiederum unter Nennung der
Konzertdirektion nunmehr als § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG 1989 mit Wirkung vom 1. Januar 1989 neu gestaltet und
die Abgabepflicht auch auf Gastspieldirektionen und sonstige Unternehmen erstreckt.
Der Kläger betreibt eine Konzertdirektion iS der genannten Regelungen und unterliegt daher dem Grunde nach der
Künstlersozialabgabepflicht. Der erkennende Senat hat bereits mit Urteilen vom 20. April 1994 (3/12 RK 31/92, BSGE
74, 117 = SozR 3-5425 § 24 Nr 4) und 17. April 1996 (3 RK 18/95 = SozR 3-5425 § 24 Nr 14) entschieden, daß nach §
24 Abs 1 Nr 2 KSVG 1981 und § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG 1989 als Konzertdirektion auch ein Unternehmen
anzusehen ist, daß in Vertretung eines Künstlers beim Vertragsabschluß mit einem Veranstalter zumindest mittelbar
dafür sorgt, daß Konzerte veranstaltet werden. Der Ausschluß der Abgabepflicht für Konzertdirektionen, die
ausschließlich eine vermittelnde Tätigkeit ausüben, in § 24 Abs 1 Nr 2 KSVG 1981 galt nur für die bloße Vermittlung
iS einer Maklertätigkeit und läßt die Abgabepflichtigkeit einer Tätigkeit, die die Vertretung des Künstlers beim
Abschluß des Vertrages mit umfaßt (Betätigung iS eines Handelsvertreters oder eines Handelsagenten) unberührt.
Die Tätigkeit des Klägers ging und geht über diejenige eines Handelsmaklers, der lediglich Gelegenheitsnachweise
verschafft, erheblich hinaus. Hierbei geht der Senat mit dem LSG davon aus, daß der Kläger Verträge über
Künstlerauftritte mit Diskotheken, Tanzgaststätten etc entsprechend den Vertragsmustern grundsätzlich in Vertretung
der Künstler abgeschlossen hat. Die Rüge des Klägers, das LSG habe im angefochtenen Urteil die Feststellung
getroffen, er habe selbst, dh im eigenen Namen sogenannte Vermittlungsverträge abgeschlossen, beruht auf einer
unzutreffenden Würdigung des Tatbestands. Das LSG ist bei seiner rechtlichen Würdigung davon ausgegangen, daß
der Kläger Verträge mit Veranstaltern jeweils als Vertreter der Künstler abgeschlossen hat. Der Kläger hat sich nach
den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG jedoch nicht darauf beschränkt, die zu Vertragsabschlüssen
führenden Kontakte zwischen Künstlern und Veranstaltern in einzelnen Fällen herzustellen. Er hat vielmehr für einen
festen Stamm von Künstlern, mit denen er sog Managementverträge abgeschlossen hatte, Auftrittsmöglichkeiten
gesucht und für diese Engagementverträge abgeschlossen. Dies kommt vor allem dadurch zum Ausdruck, daß er die
bei ihm unter Vertrag stehenden Künstler, zumindest in früheren Jahren, alljährlich einem interessierten Kreis
potentieller Veranstalter anläßlich einer von ihm selbst durchgeführten Veranstaltung präsentierte und er zudem nach
wie vor Werbeprospekte vertreibt, in denen die Künstler vorgestellt werden.
Der Senat hat die in einer früheren Entscheidung bejahte Einbeziehung einer derartigen Vermittlungsagentur in den
Kreis der nach § 24 KSVG grundsätzlich künstlersozialabgabepflichtigen Unternehmen vor allem damit begründet,
daß nach dem objektivierten Willen des Gesetzes, so wie er sich aus dem Wortlaut des Gesetzes und dem
Sinnzusammenhang ergibt, der Begriff der Konzertdirektion weit auszulegen ist. Erfaßt wird jedes Unternehmen, das -
wenn auch nur mittelbar - dafür sorgt, daß ein Konzert veranstaltet wird, ohne selbst Träger eines Orchesters oder
einer Gesangsgruppe zu sein (Nordhausen in Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2. Aufl, § 24 RdNr 74 unter
Berufung auf den Musikbrockhaus, 1982). Diese Voraussetzung kann auch durch Engagements erfüllt werden, die in
Vertretung des Künstlers abgeschlossen werden. Den mit der Revision hiergegen vorgebrachten Einwand, ein
Unternehmen, das Künstler und Veranstalter nur zusammenbringe (Gelegenheitsnachweis) oder als Vertreter des
Künstlers Verträge unmittelbar zwischen Künstler und Veranstalter zustande bringe, werde von den beteiligten
Verkehrskreisen nicht als Konzertdirektion, sondern als Konzertagentur bezeichnet, hat der Senat bereits im Urteil
vom 20. April 1994 (aaO) als nicht durchgreifend angesehen, weil dem KSVG eine entsprechende begriffliche
Abgrenzung nicht zugrunde liegt.
Daß als Unternehmer iS von § 24 Abs 1 KSVG auch anzusehen ist, wer künstlerische Leistungen im Namen des
Künstlers und für dessen Rechnung verwertet, wird insbesondere aus § 25 Abs 3 KSVG deutlich. Danach ist Entgelt
iS des § 25 Abs 1 KSVG auch der Preis, der dem Künstler oder Publizisten aus der Veräußerung seines Werkes im
Wege eines Kommissionsgeschäfts für seine eigene Leistung zusteht. Das wurde im Entwurf des KSVG mit dem
Hinweis begründet, daß im Kunsthandel Kommissionsgeschäfte häufig seien (BT-Drucks 9/26 S 21 zu § 25). Nach §
25 Abs 3 Satz 2 KSVG gilt Satz 1 entsprechend, wenn ein nach § 24 Abs 1 KSVG zur Abgabe Verpflichteter im
Namen des Künstlers oder Publizisten gehandelt hat, es sei denn, das Geschäft wird mit einem nach § 24 KSVG zur
Abgabe Verpflichteten abgeschlossen. § 25 Abs 3 KSVG regelt zwar nicht wie § 24 KSVG die Abgabepflicht dem
Grunde nach, sondern die Bemessungsgrundlage für die Abgabe. Die Vorschrift läßt aber einen Rückschluß auch auf
die Abgabepflicht dem Grunde nach zu. Sofern zur Bemessungsgrundlage auch die Entgelte aus bestimmten
Vertretungsgeschäften mit künstlerischen und publizistischen Werken zählen, muß derjenige, der solche Geschäfte
regelmäßig abschließt, auch abgabepflichtiger Unternehmer iS des § 24 KSVG sein (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 3).
Dieser Rückschluß greift in Ermangelung eines Unternehmers iS des § 24 Abs 1 KSVG nur dann nicht, wenn der
Vertreter nach dem äußeren Erscheinungsbild nicht eigenwerbend auftritt und hinsichtlich aller maßgebenden Punkte
der Vertragsgestaltung, wie Zeitpunkt und Dauer eines Auftritts, Person des Veranstalters und Höhe des Honorars, an
die Weisungen des Künstlers gebunden ist. Dies war hier nach den getroffenen tatsächlichen Feststellungen, wie
bereits dargelegt, nicht der Fall.
Die §§ 24 und 25 KSVG bezwecken, das vom "Vermarkter" bzw "Verwerter" an den Künstler gezahlte Entgelt zur
Abgabe heranzuziehen und Umgehungsgeschäfte zu verhindern. Dies folgt aus der Regelung in § 25 Abs 3 Satz 2
KSVG, die durch die Änderung des KSVG zum 1. Januar 1989 (aaO) angefügt wurde und klarstellt, daß nicht nur
Kommissionsgeschäfte iS des § 383 Handelsgesetzbuch (HGB) als Vermarktung iS des KSVG anzusehen sind,
sondern auch solche Geschäfte, die zwar nicht nach der vertraglichen Ausgestaltung, wohl aber nach der praktischen
Abwicklung zwischen einem Endabnehmer und einem Zwischenhändler vollzogen werden. Die rechtsgeschäftliche
Möglichkeit der Vertretung beim Vertragsschluß und bei der Zahlung des Entgelts reicht somit nicht aus, um eine von
der Abgabepflicht nicht erfaßte Selbstvermarktung annehmen zu können. Abgabenfreie Selbstvermarktung liegt nicht
vor, wenn die Leistung des Künstlers nach dem äußeren Erscheinungsbild nur über einen Dritten dem Markt
zugänglich gemacht wird (vgl BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 3; Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2. Aufl., § 25 RdNr
43). Dem entspricht die bereits beschriebene Geschäftspraxis des Klägers.
Aus der Zugehörigkeit zum Kreis der dem Grunde nach abgabepflichtigen Unternehmen kann nicht geschlossen
werden, daß alle Honorarzahlungen, die unter Mitwirkung des Klägers an von ihm vertretene Künstler gezahlt wurden,
der Bemessung der Abgabepflicht unterliegen. Das KSVG geht bei der Festlegung des Kreises der abgabepflichtigen
Unternehmen lediglich davon aus, daß die im Katalog des § 24 Abs 1 (KSVG 1989 bzw § 24 Abs 1 Satz 1 und Abs 2
KSVG 1981) aufgeführten Unternehmen typischerweise künstlerische und publizistische Leistungen verwerten, ohne
darauf abzustellen, ob die Art und Weise der Verwertung im Einzelfall der Abgabepflicht nach § 25 KSVG unterliegt.
Das Betreiben einer der unter § 24 KSVG fallenden Unternehmensarten rechtfertigt die Feststellung der Abgabepflicht
dem Grunde nach auch dann, wenn die gewählte Betriebsweise keine nach § 25 KSVG abgabepflichtigen Geschäfte
umfaßt, wie das zB beim Betrieb eines Theaters der Fall ist, das ausschließlich von anderen Bühnen
(Tourneetheatern) bespielt wird (BSG SozR 5425 § 24 Nr 3).
Konzertdirektionen sind ohne Einschränkung im Katalog der typischen Kunstverwerter in § 24 Abs 1 KSVG 1989 (§ 24
Abs 2 Nr 2 KSVG 1981) aufgeführt. Der Senat hat in anderem Zusammenhang bereits entschieden, daß der
Gesetzgeber nicht verpflichtet war, die in den Katalog der typischen Kunstverwerter aufgenommenen Unternehmen
bereits generell so abzugrenzen, daß diejenigen Unternehmen, die keine abgabepflichtigen Umsätze haben, von
vornherein nicht erfaßt werden, sondern daß er sich an den typischen Erscheinungsformen derartiger Unternehmen
orientieren durfte (SozR 3-3300 § 24 Nr 9). Dies gilt erst recht dann, wenn es sich um eine Branche handelt, in der -
wie hier - die Abwicklung der Geschäfte jederzeit und ohne größeren Aufwand geändert werden kann, die gewählte
Vertretungsform jedenfalls der Abgabepflicht nicht entgegensteht und die Abgabepflicht im Einzelfall einer genauen
Überprüfung durch die Künstlersozialkasse bedarf. Die konkrete Abgabenschuld ist nicht Gegenstand des
Rechtsstreits.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.