Urteil des BSG vom 13.03.2017

BSG (versorgung, zulassung, aufsichtsbehörde, verhalten, arzt, öffentliche urkunde, verzicht, beteiligung, auslegung, gsg)

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 17.6.2009, B 6 KA 14/08 R
Parallelentscheidung zu dem BSG-Urteil vom 17.6.2009 - B 6 KA 16/08 R.
Tatbestand
1 Im Streit steht die Wiederzulassung der Klägerin zu 1. zur Teilnahme an der
vertragszahnärztlichen Versorgung.
2 Die Klägerin zu 1. ist Fachzahnärztin für Kieferorthopädie. Sie nahm seit Januar 1985 am
Praxissitz A. (Landkreis Hildesheim) an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Mit
Schreiben vom 14.3.2004 verzichtete sie gegenüber dem Zulassungsausschuss zum
30.6.2004 auf ihre Zulassung. Der Zulassungsausschuss stellte mit Beschluss vom
28.4.2004 fest, dass ihre Zulassung mit dem 30.6.2004 ende.
3 Mit Bescheid vom 3.6.2004, dessen sofortige Vollziehung angeordnet wurde, stellte das
Sozialministerium des zu 8. beigeladenen Landes fest, dass in den drei Planungsbereichen
Landkreis Cuxhaven, Landkreis Hannover und Landkreis Hildesheim mehr als 50 % aller
dort niedergelassenen Vertragszahnärzte, die kieferorthopädische Leistungen erbrachten, in
einem mit anderen Zahnärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten nach §
95b Abs 1 SGB V mit Wirkung zum 30.6.2004 auf ihre Zulassung verzichtet hätten und
dadurch die vertragszahnärztliche kieferorthopädische Versorgung ab diesem Zeitpunkt
nicht mehr sichergestellt sei (dieser Bescheid ist Gegenstand des Revisionsverfahrens B 6
KA 18/08 R). Im Landkreis Hildesheim hätten acht von elf Zahnärzten auf ihre Zulassung
verzichtet, darunter die Klägerin zu 1.
4 Mit Schreiben vom 17.8.2004 beantragte die Klägerin zu 1. ihre Wiederzulassung zur
vertragszahnärztlichen Versorgung. Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag unter
Hinweis auf § 95b Abs 2 SGB V mit Beschluss vom 22.9.2004 ab; den Widerspruch der
Klägerin zu 1. wies der beklagte Berufungsausschuss zurück (Beschluss vom 8.12.2004) .
Hiergegen haben die Klägerin zu 1. und die Klägerin zu 2., die örtlich zuständige
Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV), Klage erhoben (Az S 43 KA 17/05 bzw S 35 KA
7/05) . Mit Schreiben vom 19.3.2005 beantragte die Klägerin zu 1. erneut ihre
Wiederzulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit sowie ergänzend die Überprüfung der
vorangegangenen Ablehnungsentscheidung. Mit erneutem Beschluss vom 27.4.2005 wies
der Zulassungsausschuss auch diese Anträge zurück, ebenso der Beklagte den dagegen
erhobenen Widerspruch (Beschluss vom 22.6.2005) . Hiergegen hat zunächst die Klägerin
zu 1. (Verfahren S 43 KA 209/05) , nach Verbindung beider Klageverfahren auch die
Klägerin zu 2. Klage erhoben.
5 Das Sozialgericht (SG) hat die verbundenen Klagen abgewiesen (Urteil vom 21.6.2006), das
Landessozialgericht (LSG) die Berufungen der Klägerinnen zu 1. und 2. zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, einer Wiederzulassung der Klägerin zu 1. stehe - bei
Vorliegen der übrigen Zulassungsvoraussetzungen - die Vorschrift des § 95b Abs 2 SGB V
entgegen. Ausweislich des Inhalts der Verwaltungsakten und des Bescheides des
Beigeladenen zu 8. hätten im ersten Halbjahr 2004 in Niedersachsen zahlreiche
Kieferorthopäden oder kieferorthopädisch tätige Zahnärzte in einem abgestimmten Verhalten
auf ihre Zulassung bzw Ermächtigung verzichtet. Der Umstand, dass die kieferorthopädisch
tätigen Zahnärzte in Niedersachsen seit 2003 in vielfältiger Weise - insbesondere durch
ihren Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden (BDK) - gegen die sich aus dem GKV-
Modernisierungsgesetz (GMG) ergebenden Belastungen opponiert und die Durchführung
von Behandlungen im Kostenerstattungsverfahren propagiert hätten und es im Anschluss
hieran zu einer stark gehäuften Zahl von Verzichtserklärungen gekommen sei, über die die
Versicherten in standardisierten Schreiben informiert worden seien, lasse nur den Schluss
zu, dass die Kieferorthopäden hiermit eine einheitliche Strategie verfolgt hätten, um die
vorgesehenen Rechtsänderungen zu unterlaufen bzw diese zu bekämpfen.
6 Die Klägerin zu 1. habe an diesem aufeinander abgestimmten Verfahren teilgenommen.
Dies setze nicht im Einzelnen den Nachweis voraus, dass sie sich mit einer bestimmten
Gruppe gesammelt, ihr Verfahren entsprechend strategisch ausgerichtet und dabei mit
anderen kommuniziert habe. Ein derartiges Verständnis des § 95b SGB V würde die
Vielzahl möglicher Kommunikationsformen verkennen, die zu einem organisierten Verzicht
führen könnten. Dabei würden regelmäßig lediglich der Aufruf zum Kollektivverzicht und
dessen Ergebnis bekannt, während das eigentliche Abstimmungsverfahren verborgen
bleiben solle, sodass allein der Aufruf und die anschließenden Verzichtserklärungen
Anknüpfungspunkte für die Annahme eines abgestimmten Verhaltens sein. Allerdings bleibe
es dem einzelnen verzichtenden Zahnarzt unbenommen, bei einem Antrag auf
Wiederzulassung darzulegen, dass die Rückgabe der Zulassung nicht auf die Werbung zu
Kollektivverzicht zurückzuführen sei, sondern auf persönlichen Umständen beruhe. Dies sei
der Klägerin zu 1. jedoch nicht gelungen. Vielmehr zeige bereits die Begründung ihrer
Verzichtserklärung, dass sie sich die Gründe zu Eigen gemacht habe, die für den
Kollektivverzicht ausschlaggebend gewesen seien. Außerdem sei sie im fraglichen Zeitraum
Mitglied im BDK gewesen. Dass die Klägerin zu 1. in Absprache mit anderen
Kieferorthopäden gehandelt habe, ergebe auch der Vergleich der Verzichtserklärungen der
beiden in A. ansässigen Kieferorthopäden (der jeweiligen Klägerin zu 1. in den Verfahren B
6 KA 14/08 R und B 6 KA 16/08 R), die auffällig gleichgerichtete Passagen enthielten. Das
jetzige Vorbringen der Klägerin zu 1., die Verzichtserklärung in eigener Verantwortung
getroffen zu haben, sei als bloße Schutzbehauptung anzusehen. Auf ein Verschulden
komme es nicht an, da § 95b SGB V keine disziplinarische Maßnahme, sondern mit der
Zulassungsentziehung nach § 95 Abs 6 SGB V zu vergleichen sei.
7 § 95b SGB V setze nach seinem Wortlaut allein den Erlass des Feststellungsbescheides
nach § 72a SGB V voraus, der damit Tatbestandswirkung für die Zulassungsgremien
entfalte. Die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides sei im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu
prüfen. Neben der beabsichtigten generalpräventiven Wirkung sei es Zweck der
Wiederzulassungssperre vor allem, das als Folge der Feststellung nach § 72a Abs 1 SGB V
zu installierende alternative Versorgungssystem zu schützen. Dies schließe
Wiederzulassungen vor Ablauf der 6-Jahres-Frist auch dann aus, wenn die Feststellung in
der Sache unrechtmäßig erfolgt sei, etwa weil das Quorum von 50 % der Vertragsärzte
fehlerhaft errechnet worden sei. Ungeachtet dessen seien die Voraussetzungen des § 72a
Abs 1 SGB V für den Landkreis Hildesheim auch erfüllt. Der Begriff der niedergelassenen
Vertragsärzte meine nur diejenigen Vertragszahnärzte, die den Versorgungsbedarf für ein
bestimmtes medizinisches Fachgebiet deckten, vorliegend also Kieferorthopäden und
solche Zahnärzte, die an der kieferorthopädischen Versorgung mitwirkten. Ohne Bedeutung
sei, dass theoretisch auch Allgemeinzahnärzte kieferorthopädische Behandlungen
durchführen könnten. Die kieferorthopädische Versorgung sei nicht mehr sichergestellt
gewesen, da der Versorgungsgrad auf 16,39 % abgesunken sei.
8 Die Regelung stehe auch mit dem Grundgesetz in Einklang. Die mit § 95b Abs 2 SGB V
verfolgten Ziele, die Vertragsärzte von einer kollektiven Rückgabe ihrer Zulassungen
abzuhalten sowie im Falle eines gleichwohl eintretenden Kollektivverzichts möglichst
schnell eine ausreichende ärztliche Versorgung wiederherzustellen, dienten dem Schutz
und der Aufrechterhaltung einer funktionierenden und finanzierbaren gesetzlichen
Krankenversicherung und damit der Sicherung eines besonders wichtigen
Gemeinschaftsgutes. Der Eingriff sei auch nicht unverhältnismäßig, sondern sowohl zur
Erreichung der erstrebten Abschreckungswirkung wie auch für das Ziel der
Wiederherstellung einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten
geeignet und erforderlich, zumal die Neubehandler der Planungssicherheit bedürften.
9 Schließlich stehe die Beeinträchtigung der betroffenen Zahnärzte auch nicht im
Missverhältnis zu den damit verfolgten Zwecken. Zwar werde der mehrjährige Ausschluss
von der Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten in einer Vielzahl von Fällen
dazu führen, dass diese ihre Tätigkeit als niedergelassene Zahnärzte nicht weiterführen
könnten. Die hierin liegende Grundrechtseinschränkung sei aber von geringerem Gewicht
gegenüber der andernfalls drohenden Gefahr, dass die Versorgung der Versicherten nach
Maßgabe der gesetzlichen und untergesetzlichen Regeln nicht fortgeführt werden könne.
Der Grundrechtseingriff sei selbst dann noch verhältnismäßig, wenn die Feststellung nach §
72a SGB V zu Unrecht erfolgt sei. Im Übrigen könnten sich auch die Neubehandler auf den
Grundrechtsschutz aus Art 12 GG berufen, und zwar vorrangig gegenüber den
"Kollektivverzichtlern". § 95b SGB V verletze auch nicht das Grundrecht auf
Vereinigungsfreiheit. Schließlich sei auch das Gleichbehandlungsgebot nicht dadurch
verletzt, dass die Wiederzulassungssperre nur für solche "Kollektivverzichtler" vorgesehen
sei, die in einem Bezirk zugelassen gewesen seien, in dem mehr als 50 % der jeweiligen
Arztgruppe auf ihre Zulassung verzichtet hätten (Urteil vom 9.4.2008).
10 Mit ihrer Revision rügt die Klägerin zu 2. die Verletzung von Bundesrecht. Vor dem
Hintergrund der den einzelnen Vertragszahnarzt treffenden sechsjährigen Zulassungssperre
müsse die Verwirklichung der speziellen Modalität des Zulassungsverzichts dem von der
Rechtsfolge betroffenen Vertragszahnarzt zurechenbar sein. Die Beweislast für das
Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift trage der Beklagte.
Halte man wie das LSG konkrete Tatsachenermittlungen für nicht durchführbar, sei im Wege
der Auslegung der Verzichtserklärung zu ermitteln, ob diese eine Wechselbezüglichkeit zu
den Verzichtserklärungen anderer Kieferorthopäden zum Ausdruck bringe. Das LSG habe
bei seiner Würdigung des Feststellungsbescheides des Beigeladenen zu 8. verkannt, dass
es die Regeln des Beweisverfahrens nach § 118 Abs 1 SGG iVm §§ 415 ff ZPO zu befolgen
habe, wenn es sich für den Weg des Urkundsbeweises entscheide. Nach § 416 ZPO
bewiesen die vom Beigeladenen zu 8. vorgelegten Unterlagen nur die Abgabe der von
diesem abgegebenen Erklärung, nicht jedoch deren inhaltliche Richtigkeit. Die gesetzliche
Beweisregel des § 417 ZPO greife hier nicht ein, weil die Feststellung der Aufsichtsbehörde
keine öffentliche Urkunde sei.
11 Sowohl § 95b Abs 2 als auch § 72a Abs 1 SGB V sprächen von einer Feststellung der
Aufsichtsbehörde, während das LSG nach dem Erlass eines Feststellungsbescheides frage.
Abgesehen von der Verkennung des Wortlauts unterstelle das LSG damit, dass die
Feststellung der Aufsichtsbehörde die Qualität eines Verwaltungsaktes haben müsse.
Dagegen sprächen jedoch gewichtige Gründe. Ob der Bescheid des Beigeladenen zu 8.
eine Feststellung der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1 SGB V im Sinne des § 95b Abs 2
SGB V sei, könne das Gericht nur dadurch feststellen, dass es den rechtlichen Maßstab
zumindest des § 72a Abs 1 SGB V an den vorhandenen Bescheid anlege. Der Bescheid des
Beigeladenen zu 8. aber sei schon deshalb keine Feststellung nach § 72a Abs 1 SGB V,
weil dieser die Feststellung in die Form eines Verwaltungsaktes gegossen habe. Zudem sei
der Bescheid inhaltlich unrichtig, weil der Beigeladene zu 8. nicht auf alle Vertragszahnärzte
abstelle. Das LSG habe keine Ermittlungen zum Anteil der Allgemeinzahnärzte an der
kieferorthopädischen Versorgung im Landkreis Hildesheim durchgeführt sowie verkannt,
dass es auch im Rahmen der Anwendung des § 95b Abs 2 SGB V entscheidend darauf
ankomme, wie hoch dieser Anteil mit Ablauf des 30.6.2004 gewesen sei. Schließlich setze
die Beantwortung der Frage, ob die Sechsjahresfrist abgelaufen sei, zwingend die
Feststellung des Zeitpunkts voraus, zu dem diese zu laufen begonnen habe. Feststellungen
dazu, wann die Klägerin zu 1. die Verzichtserklärung "abgegeben" habe, hätten die
Vorinstanzen nicht getroffen; hieran sei das Bundessozialgericht (BSG) gebunden.
12 Die Klägerin zu 2. beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 9.4.2008 und des
Sozialgerichts Hannover vom 21.6.2006 sowie die Beschlüsse des Beklagten vom
8.12.2004 und 22.6.2005 aufzuheben und die Klägerin zu 1. zur Teilnahme an der
vertragszahnärztlichen Versorgung am Vertragszahnarztsitz H. Straße, A. mit der
Gebietsbezeichnung Kieferorthopädie zuzulassen.
13 Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
14 Mehr als ein tatsächliches Verhalten, das bewusst Bezug zu dem Werben "zum
konzentrierten Vorgehen aller Mitglieder" nehme, sei für ein abgestimmtes Verhalten nicht
erforderlich, insbesondere kein weiterer rechtsgeschäftlicher oder tatsächlicher Kontakt zu
anderen Verzichtsleistern. Zu Unrecht werde eine Verletzung der Beweisvorschriften gerügt;
über unstreitigen Sachvortrag bedürfe es keines formellen Beweises. Im Übrigen begründe
der Bescheid des Beigeladenen zu 8. als öffentliche Urkunde gemäß § 417 ZPO den vollen
Beweis seines Inhalts. Zwar erfordere es die Rechtsweggarantie entgegen der Auffassung
des LSG, die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheides in Bezug auf die Klägerin zu 1.
im vorliegenden Verfahren zu prüfen, doch sei diese zu bejahen.
15 Die Klägerin zu 1. beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 9.4.2008 und des
Sozialgerichts Hannover vom 21.6.2006 sowie die Beschlüsse des Beklagten vom
8.12.2004 und 22.6.2005 aufzuheben und die Klägerin zu 1. zur Teilnahme an der
vertragszahnärztlichen Versorgung am Vertragszahnarztsitz H. Straße, A. mit der
Gebietsbezeichnung Kieferorthopädie zuzulassen.
16 Die zeitliche Koinzidenz und die Vergleichbarkeit der geäußerten Motivation seien nicht
ausreichend, um die scharfe Sanktion der sechsjährigen Zulassungssperre zu rechtfertigen;
die Auslegung des § 95b Abs 2 SGB V könne nicht unter Ausblendung der gravierenden
Rechtsfolge dieser Vorschrift erfolgen. Diese setzte auf Seiten des Verzichtenden einen
besonderen Unwertgehalt seines Verhaltens voraus; ein derartiges Verhalten der Klägerin
zu 1. habe jedoch selbst dann nicht vorgelegen, wenn man die - bestrittenen - Feststellungen
des LSG unterstelle. Die Auslegung des LSG setzte sich nicht nur über den Sinn und Zweck
der Vorschrift hinweg, die Sanktion nur bei nachweislich besonders hohem Unwert
eingreifen zu lassen, sondern missachte auch den Wortlaut der Norm; das LSG habe zudem
versäumt, die Norm verfassungskonform auszulegen. Auch das maßgebliche
Verzichtsquorum sei fehlerhaft ermittelt worden. Schließlich habe das LSG den
Gesichtspunkt übergangen, dass auch Allgemeinzahnärzte zur Erbringung
kieferorthopädischer Leistungen berechtigt seien.
17 Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
18 Die beigeladenen Verbände der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen haben in
einer gemeinsamen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Klägerin zu 1. mit
Genehmigung des Vorstands der Klägerin zu 2. als Entlastungsassistentin an der
vertragszahnärztlichen Versorgung mitwirke, obwohl ein rechtswidriges Verhalten wie die
Beteiligung an einem Kollektivverzicht eine Assistententätigkeit ausschließe. Der
Beigeladene zu 2. führt ergänzend aus, der Feststellungsbescheid des Beigeladenen zu 8.
stelle einen konstitutiven (gestaltenden) Verwaltungsakt dar, der für die Beteiligten bindend
sei. Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
19 Die Revision der Klägerin zu 2. ist zulässig, obwohl die Klägerin zu 1. selbst keine Revision
eingelegt hat. Grundsätzlich sind KÄVen aufgrund des von ihnen wahrzunehmenden
Sicherstellungsauftrags nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl BSGE 85, 145, 146
= SozR 3-5525 § 20 Nr 1 S 2 mwN; BSG SozR 3-2500 § 95a Nr 2 S 3; BSG SozR 4-2500 §
116 Nr 3 RdNr 13) unabhängig von einer konkreten Beschwer im Einzelfall oder eines
konkreten rechtlichen Interesses befugt, Entscheidungen anzufechten, die im
Zusammenhang mit der Zulassung von (Zahn-)Ärzten zur vertragsärztlichen Versorgung
ergehen. Diese Befugnis ist nicht dadurch entfallen, dass der Sicherstellungsauftrag in
einzelnen Planungsbereichen nach § 72a Abs 1 SGB V auf die Krankenkassen
übergegangen ist. Denn die Klägerin zu 2. ist unabhängig hiervon weiterhin an der
Sicherstellung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung beteiligt. Ob dies anders zu sehen
wäre, wenn der Sicherstellungsauftrag in allen Planungsbereichen innerhalb ihres
Zuständigkeitsbereiches auf die Krankenkassen übergegangen wäre oder ob andere
Gesichtspunkte - wie die fortbestehende Verantwortung für die im System verbliebenen
(Zahn-)Ärzte oder eigene Interessen an der Rückerlangung des Sicherstellungsauftrags
durch umfangreiche Neuzulassungen - auch dann eine Klagebefugnis begründen könnten,
kann vorliegend dahingestellt bleiben.
20 Allerdings kann die KZÄV im Hinblick auf den höchstpersönlichen Charakter einer
Zulassung (vgl BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 10 RdNr 7 - zur fehlenden Berechtigung Dritter,
eine Zulassungsentziehung anzufechten) ein Rechtsmittelverfahren mit dem Ziel einer
Zulassung einer Zahnärztin nur führen, wenn diese Zahnärztin in jedem Stadium des
Verfahrens - auch in der Revisionsinstanz - in verbindlicher Weise deutlich macht, die
Zulassung weiterhin zu erstreben und insbesondere die mit ihr verbundenen Pflichten
erfüllen zu wollen. Dies erfordert, dass die selbst kein Rechtsmittel führende Zahnärztin in
dem Rechtsmittelverfahren der KZÄV zumindest einen auf ihre Zulassung gerichteten
Sachantrag stellt. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, weil sich die Klägerin zu 1. dem
Revisionsantrag der KZÄV angeschlossen hat.
21 Die Revision ist jedoch unbegründet. Das LSG hat die angefochtenen Bescheide zu Recht
nicht beanstandet. Die Klägerin zu 1. hat derzeit keinen Anspruch auf Zulassung zur
vertragszahnärztlichen Versorgung. Ihrem Antrag steht ungeachtet des Vorliegens der
übrigen Zulassungsvoraussetzungen entgegen, dass nach § 95b Abs 2 SGB V (in seit
1.1.1993 unverändert geltender Fassung) eine erneute Zulassung frühestens nach Ablauf
von sechs Jahren nach Abgabe der Verzichtserklärung erteilt werden kann, wenn
Vertragsärzte in einem mit anderen Vertragsärzten aufeinander abgestimmten Verfahren
oder Verhalten auf ihre Zulassung als Vertragsarzt verzichten und es aus diesem Grund zur
Feststellung der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1 SGB V kommt. Die Vorschriften gelten
nach § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V für Zahnärzte entsprechend, soweit nichts Abweichendes
bestimmt ist, was hier nicht der Fall ist.
22 Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 95b Abs 2 SGB V liegen vor. Ein
Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien ist nicht gegeben, da ihnen insoweit keine
spezifische, von den Gerichten im Grundsatz hinzunehmende besondere Sachkunde und
Konkretisierungskompetenz zusteht (vgl schon BSG, Urteil vom 29.10.1986, 6 RKa 32/86 =
USK 86179 = MedR 1987, 254 - für Zulassungsentziehungen) . Die Klägerin zu 1. hat in
einem mit anderen Vertragsärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf
ihre Zulassung als Vertragsarzt verzichtet (1.), es ist aus diesem Grund zur Feststellung der
Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1 SGB V gekommen (2.) und die Sechsjahresfrist ist noch
nicht abgelaufen (3.). Schließlich ist auch die Regelung als solche verfassungsgemäß (4.).
Damit treffen die Klägerin zu 1. die gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen (5.).
23 1. Das LSG hat zutreffend festgestellt, dass im Frühjahr 2004 niedersächsische
Kieferorthopäden in einem aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf ihre
Zulassungen als Vertragszahnärzte verzichtet haben (sog "Kollektivverzicht"), und sich die
Klägerin zu 1. hieran beteiligt hat. Ein - nach § 95b Abs 1 SGB V mit den Pflichten eines
Vertragszahnarztes nicht zu vereinbarender - Zulassungsverzicht in einem aufeinander
abgestimmten Verfahren oder Verhalten enthält dabei zum einen ein kollektives Element in
Form eines gleichgerichteten Verhaltens einer unbestimmten Zahl von Vertragszahnärzten
(a), zum anderen ein individuelles Element, nämlich die Beteiligung des die
Wiederzulassung begehrenden Vertragszahnarztes hieran (b), ohne dass es insoweit auf ein
Verschulden ankommt (c).
24 a) Das in § 95b Abs 2 SGB V tatbestandlich erfasste kollektive Handeln von
Vertragszahnärzten war im Frühjahr 2004 gegeben.
25 aa) Zum Kreis der möglichen Beteiligten eines Kollektivverzichts gehören "Vertragsärzte"
und damit alle Ärzte bzw Zahnärzte, die - in welcher Form auch immer - nach § 95 Abs 1
SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Das Gesetz grenzt dabei weder
den Kreis der beteiligten Vertragsärzte näher ab noch fordert es eine bestimmte Mindestzahl
an Beteiligten. Ein Kollektivverzicht kann sich daher sowohl aus der Gesamtheit der
Vertragsärzte bzw Vertragszahnärzte heraus als auch aus einzelnen Facharztgruppen
entwickeln. Denkbar sind auch Mischformen, etwa die Beteiligung einzelner Ärzte einer
Fachgruppe an einem von einer anderen Fachgruppe initiierten Kollektivverzicht oder gar
ein Kollektivverzicht durch einzelne Ärzte verschiedener Fachgruppen.
26 bb) Die Fachgruppe der niedersächsischen Kieferorthopäden hat im Frühjahr 2004 ein
aufeinander abgestimmtes Verfahren oder Verhalten gezeigt, welches der Herbeiführung
eines Kollektivverzichts diente. Welche Anforderungen an das Vorliegen eines aufeinander
abgestimmten Verfahrens oder Verhaltens im Sinne des § 95b Abs 2 SGB V zu stellen sind,
ist unter Berücksichtigung des mit der Regelung verfolgten gesetzgeberischen Ziels zu
beurteilen. Die Vorschrift des § 95b Abs 2 SGB V ist Bestandteil eines in den Grundzügen
durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen
Krankenversicherung - Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) - (GSG vom 21.12.1992, BGBl I,
2266) zum 1.1.1993 in das SGB V aufgenommenen Regelungskonzepts, mit dem der
Gesetzgeber Vorkehrungen für den Fall getroffen hat, dass Leistungserbringer in einem
abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf ihre Zulassung verzichten (vgl schon die
Senatsurteile vom 27.6.2007, B 6 KA 37/06 R = BSGE 98, 294 = SozR 4-2500 § 95b Nr 1,
sowie B 6 KA 38/06 R = USK 2007-68 und B 6 KA 39/06 R). Er hat damit auf die Situation
reagiert, dass insbesondere Vertragszahnärzte im Zuge der Verabschiedung des GSG im
Jahre 1992 in Aussicht gestellt hatten, im Rahmen abgesprochener Aktionen auf ihre
Zulassung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu verzichten, um damit Versorgungsengpässe
herbeizuführen, die das System der vertragszahnärztlichen Versorgung gefährden sollten
(Nachweise zu einem Ende 1992 angedrohten "Ärztestreik" über die sog "Korbaktion" bei
Klückmann in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB V, Stand: 28. Erg.-Lfg. II/97, K § 72a
RdNr 2-5, K § 95b RdNr 2) .
27 Der Gesetzgeber hat zur Unterbindung solcher Aktionen und zur Sicherstellung der
vertragsärztlichen Versorgung verschiedene Einzelregelungen erlassen, die in einem engen
systematischen Zusammenhang stehen (vgl Begr des Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks
12/3608 S 76 zu <§ 13> und S 94 zu <§ 95b>; Zipperer, NZS 1993, 95, 99) . Zunächst wird in
§ 95b Abs 1 SGB V normiert, dass es mit den Pflichten eines Vertragsarztes nicht vereinbar
ist, in einem mit anderen Ärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf die
Zulassung als Vertragsarzt zu verzichten. In der Begründung zu dieser Vorschrift wird
ausgeführt, die Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen Systems werde damit in Frage
gestellt und eine - zumindest kurzzeitige - Unterversorgung vorprogrammiert, wenn
Vertragsärzte in großer Zahl zum gleichen Zeitpunkt das vertragsärztliche System verließen
(Begr des Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 95 zu <§ 95b>) . Eine zeitlich
begrenzte Unterversorgung ist nach Beurteilung des Gesetzgebers auch von den
verzichtenden Vertragsärzten gewollt. Es sei gerade Ziel der Gemeinschaftsaktion,
gemeinsam eine Abkehr vom Abrechnungsmodus des vertragsärztlichen Systems und eine
privatärztliche Abrechnung mit den Versicherten zu erreichen. Zudem sei der kollektive
Verzicht rechtsmissbräuchlich, weil ihn der verzichtende Vertragsarzt in der Erwartung
erkläre, die vertragsärztliche Versorgung könne auf Dauer nicht ohne ihn auskommen und er
werde deshalb weiterhin von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) - dann allerdings
zu den von ihm gewünschten Bedingungen - in Anspruch genommen werden. Der innere
Vorbehalt der Endgültigkeit des Verzichts mache ihn zusätzlich pflichtwidrig (Begr des
Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 95 zu <§ 95b>) .
28 Damit steht das Ziel im Vordergrund, Ärzte und Zahnärzte von einem pflichtwidrigen,
organisierten Verzicht auf ihre Zulassung iS des § 95b Abs 1 SGB V abzuhalten und
dadurch einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch
einen - vom Gesetzgeber als rechtsmissbräuchlich gewerteten - Kollektivverzicht
vorzubeugen. Eine restriktive Auslegung der Norm würde dazu führen, dass diese ins Leere
ginge und damit auch die mit ihr beabsichtigte Wirkung verfehlt würde, weil
Leistungserbringer ihr Verhalten hierauf einstellen würden.
29 Der Senat teilt die Auffassung des LSG, dass es lebensfremd wäre anzunehmen, dass die
Umstände bzw Hintergründe eines Kollektivverzichts - etwa in Form einer gemeinsamen
Erklärung von Vertragszahnärzten - offen gelegt werden. Dem steht schon entgegen, dass -
wie das anhängige Verfahren belegt - ein Kollektivverzicht in aller Regel allein als
Druckmittel dienen soll, um Verbesserungen zu Gunsten der am Kollektivverzicht beteiligten
Ärzte innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung zu erreichen, ein
dauerhaftes Verlassen des Systems also gerade nicht angestrebt wird. Hinzu kommt, dass
die gravierenden gesetzlichen Folgen eines Kollektivverzichts den betroffenen Ärzten bzw
ihren Verbänden bekannt sind und sie diese allein schon deswegen bei der Planung einer
entsprechenden Aktion im Blick haben werden, weil Arztpraxen - von solchen mit einem
hohen Anteil an Privatpatienten abgesehen - außerhalb des Systems der gesetzlichen
Krankenversicherung wirtschaftlich nicht existenzfähig sind.
30 Ein abgestimmtes Verhalten lässt sich daher allein anhand von Indizien feststellen (aA
Schneider, Hdb. des Kassenarztrechts, 1994, RdNr 335) . Erforderlich, aber auch
ausreichend ist dafür, wenn es in zeitlichem Zusammenhang mit entsprechenden, auf eine
grundlegende Änderung des vertragsärztlichen Systems gerichteten Aktionen der
Ärzteschaft bzw einzelner Arztgruppen zu einer im Vergleich zum Üblichen signifikant
angestiegenen Abgabe von Verzichtserklärungen kommt. Bereits aus Letzterem resultiert
eine gewisse Vermutung dafür, dass es sich nicht mehr um ein als zufällig anzusehendes
Ereignis, sondern um das Resultat eines abgestimmten Verhaltens handelt. Die indizielle
Wirkung der zeitgleichen, im Vergleich zu anderen Zeiträumen deutlich gehäuften Abgabe
von Verzichtserklärungen, wird verstärkt und zu einer - widerleglichen - Vermutung eines
abgestimmten Verfahrens oder Verhaltens verdichtet, wenn die Verzichtserklärung in
zeitlicher Nähe zu spezifischen berufspolitischen Forderungen erfolgt.
31 Ein weiteres Indiz ist der Aufbau einer bestimmten, aus der verbandspolitischen Diskussion
oder aus den Äußerungen von Vertretern der Ärzteschaft bzw einer Arztgruppe offenbar
werdenden "Drohkulisse", welche zum einen eine das System der vertragsärztlichen
Versorgung an sich betreffende, nicht auf einzelne Kritikpunkte beschränkte
Fundamentalkritik ("Systemfrage"), zum anderen die erklärte oder jedenfalls erkennbare
Absicht beinhaltet, diese Forderungen ggf durch einen zeitweisen Ausstieg aus dem
vertragsärztlichen System durchzusetzen. Es genügen insoweit Erklärungen der Art, dass
unter den bestehenden Bedingungen innerhalb des Systems eine sachgerechte
Leistungserbringung nicht mehr möglich sei. Erforderlich ist weiter, dass es sich hierbei nicht
um vereinzelte Äußerungen innerhalb einer vielschichtig oder gar kontrovers geführten
Diskussion handelt, sondern ein gleichgerichtetes Bestreben erkennbar wird. Schließlich ist
auch zu berücksichtigen, wie die Äußerungen maßgeblicher Ärztevertreter oder -verbände in
der Öffentlichkeit - zu der insbesondere die Patienten, aber auch die Vertragspartner der
Ärzte gehören - wahrgenommen werden.
32 Nach diesen Maßstäben ist nicht zu beanstanden, dass das LSG ein abgestimmtes
Verfahren bzw Verhalten der Kieferorthopäden angenommen hat. Nach den Darlegungen im
Feststellungsbescheid des Beigeladenen zu 8. vom 3.6.2004 haben über vierzig
niedersächsische Kieferorthopäden mit Wirkung zum 30.6.2004 auf ihre Zulassung
verzichtet, während im gesamten Jahr 2003 insgesamt lediglich fünf Verzichtserklärungen
abgegeben worden waren. Die im Feststellungsbescheid zitierten verbandspolitischen
Äußerungen lassen eine grundlegende - mit Qualitäts- wie Vergütungsgesichtspunkten
begründete - Systemkritik seitens der Kieferorthopäden erkennen; sie lassen auch den
Schluss zu, dass sich die niedersächsischen Kieferorthopäden als eine Gruppe verstanden
haben. Schließlich bestätigen die zitierten Pressemeldungen, dass das Vorgehen der
Kieferorthopäden in der Öffentlichkeit auch als "Kampfmaßnahme" (als Protest, Streik oder
Boykott) wahrgenommen worden ist.
33 b) Die Klägerin zu 1. hat sich an diesem aufeinander abgestimmten Verfahren oder
Verhalten der niedersächsischen Kieferorthopäden beteiligt. Auch insoweit kann - aus den
unter a) dargestellten Gründen - ein Nachweis nur anhand von Indizien geführt werden.
Gerade anhand des Verzichtsschreibens der Klägerin zu 1. wird deutlich, dass sich diese
sehr wohl der Folgen eines Kollektivverzichts bewusst war und daher versuchte, ihrer
Erklärung eine rein persönliche Note zu geben; auffällig ist dabei, dass der individuelle
Charakter ihrer Entscheidung geradezu überbetont wird ("….diese ganz persönliche und
individuelle Entscheidung…").
34 Vorrangiges Indiz, welches zumindest den "Anscheinsbeweis" einer individuellen
Beteiligung am Kollektivverzicht begründet, ist auch hier ein zeitlicher Zusammenhang
zwischen der Abgabe der Verzichtserklärung durch den einzelnen Vertragsarzt und einem
Kollektivverzicht. Ergänzend kann auf eine inhaltliche Nähe zu den im Rahmen der
Vorbereitung des Kollektivverzichts gemachten berufspolitischen Äußerungen abgestellt
werden, wie sie etwa aus entsprechenden Formulierungen in der Verzichtserklärung deutlich
wird. Da ein Zulassungsverzicht jedoch keiner Begründung bedarf, ist dies kein zwingendes
Kriterium.
35 Den Belangen der Ärzte, die zufällig zu demselben Zeitpunkt aus anderen Gründen ihren
Verzicht erklärt haben, wird dadurch Rechnung getragen, dass diese nicht gehindert sind,
entsprechende Einwendungen vorzubringen. Allerdings können dabei, um ein Leerlaufen
der Regelung zu verhindern, lediglich rein persönliche Gründe (wie etwa Krankheit,
Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger, Veränderung der Lebensplanung,
Auslandsaufenthalt oä) Berücksichtigung finden, nicht aber berufspolitische Erwägungen,
auch wenn sie das Ergebnis einer individuellen Analyse darstellen. Denn dass sich Ärzte
und Zahnärzte schon aufgrund ihrer akademischen Vorbildung berufspolitische Äußerungen
erst nach eigener Würdigung zu eigen machen, somit jeder berufspolitisch motivierten
Äußerung bzw Handlung einzelner (Zahn-)Ärzte auch ein individuelles Moment beiwohnt,
versteht sich von selbst. Ebenso kann und muss dabei vernachlässigt werden, dass
aufgrund einer gemeinsamen beruflichen Betroffenheit auch äußere Umstände - wie das
Inkrafttreten von Gesetzesänderungen - das Verhalten in zeitlicher Hinsicht mitbestimmen.
36 Die Klägerin zu 1. hat ihre Verzichtserklärung unstrittig in engem zeitlichem Zusammenhang
mit entsprechenden Erklärungen zahlreicher anderer Kieferorthopäden abgegeben. Zudem
lässt sich ihrem Verzichtsschreiben entnehmen, dass sie sich die berufspolitischen, eine
Fundamentalkritik am System der gesetzlichen Krankenversicherung beinhaltenden
Stellungnahmen zu eigen gemacht hat ("von außen herangetragenen
gesundheitspolitischen und wirtschaftlichen Eingriffe in meine persönliche Praxisführung",
"unterschiedlichsten negativen Abwehrstrategien", "neuerliche Negativwirkung auf meine
Praxis"). Aus den weiteren Ausführungen in ihrem Schreiben vom 14.3.2004 wird deutlich,
dass ihr Zulassungsverzicht als Druckmittel dienen sollte ("Sollten zu einem späteren
Zeitpunkt ... veränderte Voraussetzungen geschaffen werden …, kann ich mir vorstellen, …
wieder vertragsärztlich tätig zu werden"). Ausschließlich persönliche Gründe für ihren
Verzicht hat sie demgegenüber nicht vorgetragen.
37 Dass die Klägerin zu 1. sich am kollektiven Zulassungsverzicht der niedersächsischen
Kieferorthopäden beteiligt hat, wird zudem durch den Umstand bestätigt, dass sie relativ
zeitnah zu ihrem Verzicht - nämlich bereits im August 2004 - und wiederum im zeitlichen
Zusammenhang mit entsprechenden Anträgen anderer Kieferorthopäden ihre
Wiederzulassung beantragt hat. Zum einen wird daraus deutlich, dass eine gemeinsam
verfolgte Strategie - der Ausstieg aus dem bisherigen System, um eine Fortführung der
Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten zu genehmen Bedingungen zu
erreichen - gescheitert ist. Zum anderen widerlegt die Klägerin zu 1. damit ihre angeblich
individuelle Abwägung, dass es ihr unter den bestehenden Bedingungen nicht möglich sei,
ihren Praxisbetrieb wirtschaftlich solide weiterzuführen und sie deshalb auf ihre Zulassung
verzichte.
38 c) Ein Zulassungsverzicht in einem mit anderen Vertragsärzten aufeinander abgestimmten
Verfahren oder Verhalten ist mit den Pflichten eines Vertragsarztes nicht vereinbar (§ 95b
Abs 1 SGB V). Ein schuldhaftes Verhalten ist nicht erforderlich. Dies entspricht der ständigen
Rechtsprechung des BSG zu den Voraussetzungen einer Zulassungsentziehung ( vgl BSG,
Urteil vom 20.10.2004, B 6 KA 67/03 R - BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, jeweils
RdNr 10; BSGE 66, 6, 8 = SozR 2200 § 368a Nr 24 S 82; BSGE 34, 252, 253 = SozR Nr 36
zu § 368a RVO ), der die Wiederzulassungssperre von ihrem Charakter her mehr entspricht
als einer Disziplinarmaßnahme, die eine schuldhafte Verletzung vertragsärztlicher Pflichten
voraussetzt (s hierzu BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 7 S 37; zuletzt BSG, Beschluss vom
9.12.2004, B 6 KA 70/04 B - juris, dort RdNr 9) . Die Wiederzulassungssperre stellt schon
deswegen keine Disziplinarmaßnahme dar, weil sie nicht aus der Disziplinargewalt der
Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung resultiert, der Vertrags(zahn)ärzte, die auf ihre
Zulassung verzichtet haben, nicht mehr unterliegen.
39 Auch hinsichtlich ihrer Zielrichtung entsprechen sich Wiederzulassungssperre und
Zulassungsentziehung. Während disziplinarische Maßnahmen bezwecken, den Vertragsarzt
zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner vertragsärztlichen Pflichten zu veranlassen (BSG
SozR 3-2500 § 81 Nr 6 S 20), zielt die Zulassungsentziehung darauf ab, Ärzte aus der
vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung auszuschließen, die wegen gröblicher Pflichtverletzung
zur Ausübung der vertrags(zahn)ärztlichen Tätigkeit ungeeignet sind (std Rspr, vgl BVerfGE
69, 233, 244 = SozR 2200 § 368a Nr 12 S 30; BSGE 60, 76 = SozR 2200 § 368a Nr 15) .
Ungeeignetheit liegt in der Regel dann vor, wenn die Pflichtverletzung gröblich ist, also so
schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen
Versorgung notwendig ist (BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, jeweils RdNr 10) .
Davon ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wie auch des
BSG auszugehen, wenn die gesetzliche Ordnung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung
durch das Verhalten des Zahnarztes in erheblichem Maße verletzt wird und das
Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig
gestört ist, so dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertrags(zahn)arzt nicht
mehr zugemutet werden kann (BVerfGE 69, 233, 244 = SozR 2200 § 368a Nr 12 S 30; BSG
SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 13; BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, jeweils RdNr 10
mwN; s schon BSGE 60, 76, 77 = SozR 2200 § 368a Nr 15 S 55).
40 Nichts anderes gilt auch für die Wiederzulassungssperre. Auch hier haben die
Vertrags(zahn)ärzte durch ihr vorangegangenes Verhalten bewiesen, dass sie zur weiteren
Teilnahme an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung ungeeignet sind. Insbesondere
Krankenkassen können nicht darauf vertrauen, dass Vertragsärzte, die durch eine
berufspolitisch motivierte Verzichtserklärung deutlich gemacht haben, dass sie mit dem
System der vertragsärztlichen Versorgung nicht einverstanden sind, nicht alsbald nach
erfolgter Wiederzulassung erneut das System und ihre Beteiligung daran in Frage stellen.
Auch der Gesetzgeber hat die Gefahr gesehen, dass ein an einem Kollektivverzicht
beteiligter Arzt alsbald wieder den Versuch unternimmt, das System der vertragsärztlichen
Versorgung auszuhöhlen (BT-Drucks 12/3608 S 95 zu § 95b Abs 2, aA Sodan, Freie Berufe
als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, S 279) .
Sowohl die Zulassungsentziehung als auch die Wiederzulassungssperre haben den Zweck,
"Systemstörer" - nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 12/3608 S 95 zu § 95b Abs 1)
legt es der an der gelenkten Aktion teilnehmende Vertragsarzt auf die Zerstörung des
vertragsärztlichen Versorgungssystems an und wirkt damit systemgefährdend - davon
abzuhalten, weiter negativen Einfluss auf die vertragsärztliche Versorgung zu nehmen.
41 2. Auch das weitere Erfordernis, dass es aus diesem Grund zur Feststellung der
Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1 SGB V gekommen ist, ist erfüllt. Das zu 8. beigeladene
Land hat mit Bescheid seines Sozialministeriums vom 3.6.2004 festgestellt, dass ua im
Landkreis Hildesheim 8 von 11 und damit mehr als 50 % aller dort niedergelassenen
Vertragszahnärzte, die kieferorthopädische Leistungen erbrachten, in einem mit anderen
Zahnärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf ihre Zulassung zum
30.6.2004 verzichtet haben und dadurch die vertragszahnärztliche kieferorthopädische
Versorgung ab dem 1.7.2004 nicht mehr sichergestellt ist.
42 a) Zu Recht hat das LSG nicht geprüft, ob der Bescheid des beigeladenen Landes vom
3.6.2004 über den Wegfall der Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung im
Bereich Kieferorthopädie zum 30.6.2004 rechtmäßig ist. § 95b Abs 2 verlangt nur, dass es
infolge des Kollektivverzichts zu "der Feststellung der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1"
gekommen ist (aA Schallen, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte,
Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten, 6. Aufl 2008 RdNr 598 f) .
Voraussetzung für das Eingreifen der Zulassungssperre ist allein der wirksame - nicht nach §
39 Abs 3 SGB X nichtige - Erlass einer solchen in Bescheidform ergehenden Feststellung
(zur Verwaltungsakteigenschaft des Feststellungsbescheides s schon BSGE 98, 294 = SozR
4-2500 § 95b Nr 1, jeweils RdNr 20, sowie Urteil vom heutigen Tag, B 6 KA 18/08 R ), nicht
aber deren Rechtmäßigkeit.
43 Ohnehin könnte sich die Klägerin zu 2. schon deswegen nicht auf eine etwaige
Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheides berufen, weil dieser ihr gegenüber
Bindungswirkung erlangt hat. Sie war Beteiligte des Verwaltungsverfahrens nach § 72a Abs
1 SGB V; zudem gehörte sie zu den Adressaten des Feststellungsbescheides (s hierzu B 6
KA 18/08 R). Ihre gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat sie zurückgenommen.
44 aa) Den Feststellungen der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1 SGB V kommt
"Tatbestandswirkung" bzw Drittbindungswirkung ( zur Terminologie s BSG SozR 3-2500 §
95a Nr 2 S 6; s auch Sachs in Stelkens/Bonks/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl
2008, § 43 RdNr 105) in dem Sinne zu, dass andere Behörden bzw Gerichte an diese
Entscheidung ohne Rücksicht auf ihren Inhalt gebunden sind (vgl Roos in v. Wulffen, SGB X,
6. Aufl 2008, § 39 RdNr 4) . Ob eine solche Drittbindungswirkung besteht, ist
bereichsspezifisch durch Auslegung der einschlägigen Normen entsprechend ihrem
Regelungszweck zu ermitteln; sie kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine
Behörde für den Erlass eines gestaltenden bzw konstitutiv-feststellenden Verwaltungsaktes
mit einem Regelungsmonopol ausgestattet ist ( BSG SozR 3-2500 § 95a Nr 2 S 6 mwN;
BSG SozR 3-2500 § 95c Nr 1 S 6 f; BSGE 95, 94 RdNr 6 = SozR 4-2500 § 95c Nr 1 RdNr
11; s auch Senatsurteil vom 28.1.2009, B 6 KA 61/07 R - juris RdNr 25, zur Veröffentlichung
in BSGE und SozR vorgesehen, sowie Sachs, aaO, RdNr 41 ff; zur Tatbestandswirkung im
Unfallversicherungsrecht zB BSG SozR 4-1300 § 48 Nr 11 RdNr 13, 16; bei
Erstattungsstreitigkeiten zB BSG SozR 4-2600 § 116 Nr 1 RdNr 13 mwN ). Sie erfordert das
Vorhandensein entsprechender gesetzlicher Regelungen, in denen der Umfang der Bindung
wiederum bereichsspezifisch und abhängig von ihrem erkennbaren Regelungszweck
unterschiedlich ausgestaltet sein kann (BSG SozR 3-2500 § 95a Nr 2, aaO, mwN).
45 Drittbindungswirkung hat der Senat etwa einem Arztregistereintrag im Rahmen eines
Zulassungsverfahrens beigemessen (vgl BSG SozR 3-2500 § 95a Nr 2; zusammenfassend
BSG, Urteil vom 28.1.2009, B 6 KA 61/07 R) . Ebenso hat er - einer Drittbindungswirkung im
Ergebnis vergleichbar - unter Hinweis auf das gesetzliche Regelungskonzept ein Recht des
einzelnen Vertragsarztes verneint, unmittelbar oder inzident im Rahmen eines Rechtsstreits
über seinen Honoraranspruch die Rechtmäßigkeit einer Vereinbarung der Gesamtvergütung
überprüfen zu lassen (BSGE 95, 86 = SozR 4-2500 § 85 Nr 21, jeweils RdNr 10 ff, mwN.;
BSG, Urteil vom 27.4.2005, B 6 KA 23/04 R, juris RdNr 14 = USK 2005-115; BSG, Beschluss
vom 31.8.2005, B 6 KA 22/05 B, juris RdNr 7) .
46 Die Auslegung der hier maßgeblichen Vorschriften ergibt, dass die Zulassungsgremien und
die Gerichte im Wiederzulassungsverfahren des einzelnen Arztes an den bestandskräftigen
oder für sofort vollziehbar erklärten Feststellungsbescheid der Aufsichtsbehörde nach § 72a
Abs 1 SGB V gebunden sind und diesen nicht eigenständig auf dessen Rechtmäßigkeit
inzident überprüfen dürfen.
47 Die Annahme einer Bindungswirkung des Feststellungsbescheides gemäß § 72a Abs 1
SGB V für ein Wiederzulassungsbegehren beteiligter Vertrags(zahn)ärzte liegt bereits nach
dem Wortlaut von § 95b Abs 2 SGB V nahe. Dort sind zwei Voraussetzungen für das
Bestehen der Wiederzulassungssperre beschrieben, nämlich (1) der Verzicht von
Vertragsärzten in einem mit anderen Vertragsärzten aufeinander abgestimmten Verfahren
oder Verhalten auf ihre Zulassung sowie (2), eine aus diesem Grund erfolgte Feststellung
der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1 SGB V. Dabei fällt auf, dass das erstgenannte
Tatbestandsmerkmal erneut die (materiellen) Umstände eines kollektiven
Zulassungsverzichts im Sinne des § 95b Abs 1 SGB V wiederholt, obwohl ein solcher
zugleich auch Voraussetzung des Erlasses eines Feststellungsbescheids gemäß § 72a Abs
1 SGB V ist; nur auf dieses (formelle) Element - und nicht auf die weiteren (materiellen)
Voraussetzungen der Feststellung nach § 72a Abs 1 SGB V - nimmt das zweite
Tatbestandsmerkmal des § 95b Abs 2 SGB V Bezug. Diese Konstruktion des § 95b Abs 2
SGB V kann nur so verstanden werden, dass mit ihr zugleich die Prüfungstiefe der
Zulassungsgremien bzw der Gerichte vorgegeben werden soll: Während das Vorliegen
eines kollektiven Zulassungsverzichts iS des § 95b Abs 1 SGB V und die Beteiligung des
um Wiederzulassung nachsuchenden (Zahn-)Arztes daran - also das individuelle
"Handlungsunrecht" - im Rahmen des Wiederzulassungsbegehrens eigenständig zu prüfen
sind, wird hinsichtlich der "erfolgsqualifizierenden" besonders schädlichen Folge einer
solchen Verzichtsaktion auf der Versorgungsebene - also dass mehr als 50 % der
betroffenen (Zahn-)Ärzte einer Region daran teilgenommen haben und dadurch die
vertrags(zahn)ärztliche Versorgung der Versicherten dort nicht mehr sichergestellt ist - nur
auf das Ergehen eines Feststellungsbescheids nach § 72a Abs 1 SGB V abgestellt. Die
"erfolgsqualifizierenden" Merkmale sind somit im Rahmen einer Wiederzulassung nicht mehr
eigenständig zu untersuchen; insoweit ist es ausreichend, dass die Aufsichtsbehörde einen
wirksamen - nicht nichtigen (§ 39 Abs 3 SGB X) oder gerichtlich auf Klage der hierzu
berechtigten Institutionen hin mit Wirkung ex tunc aufgehobenen - Feststellungsbescheid
erlassen hat. Liegt ein solcher Feststellungsbescheid vor, sind sowohl die
Zulassungsgremien als auch die Gerichte im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle von
deren Entscheidungen an die Beurteilung der Aufsichtsbehörde zu den Folgen eines
Kollektivverzichts für die Patientenversorgung gebunden.
48 Die Zulassungsgremien haben mithin eigenständig nur zu beurteilen, ob eine kollektive
Zulassungsverzichtsaktion iS von § 95b Abs 1 SGB V vorlag und ob der einzelne (Zahn-
)Arzt daran teilnahm. Hierzu gehört vor allem, ob sich gerade auch der die Wiederzulassung
begehrende Antragsteller pflichtwidrig an dem Kollektivverzicht beteiligte oder ob andere
legitime Gründe - etwa nachvollziehbare private Umstände (zB Krankheit,
Auslandsaufenthalt, Umzug zum Ehegatten oder altersbedingtes Ausscheiden) - hierfür
maßgeblich waren. Diese die Rechtsposition des individuellen (Zahn-)Arztes betreffenden
Fragen werden durch den Feststellungsbescheid der Aufsichtsbehörde zur
Versorgungssituation in einer Region nicht präjudiziert - und zwar auch dann nicht, wenn der
einzelne (Zahn-)Arzt in diesem Bescheid als Teilnehmer an der Kollektivverzichtsaktion
benannt ist. Denn für die Rechtmäßigkeit dieses Feststellungsbescheids ist nur von
Bedeutung, ob in der Summe jedenfalls mehr als 50 % aller (Zahn-)Ärzte der relevanten
Vertragsarztgruppe eines Planungsbereichs in einem abgestimmten Verhalten auf die
Zulassung verzichtet oder sich der weiteren Versorgung verweigert haben; die Verhältnisse
und Motive eines einzelnen Arztes sind hierfür nicht entscheidungserheblich.
49 Hingegen haben die Zulassungsgremien bei Vorliegen eines bestandskräftigen oder
zumindest sofort vollziehbaren Feststellungsbescheids der Aufsichtsbehörde gemäß § 72a
Abs 1 SGB V nicht mehr zu prüfen, ob die über die Anforderungen des § 95b Abs 1 SGB V
hinausgehenden versorgungsspezifischen Voraussetzungen dieser Norm bei Erlass des
Feststellungsbescheids tatsächlich gegeben waren. Sie sind deshalb nicht zu einer
Inzidentprüfung befugt, ob etwa die Quote von mehr als 50 % aller in einem Planungsbereich
niedergelassenen Vertragsärzte erreicht wurde. Eine eigenständige Bewertung dürfen die
Zulassungsgremien auch nicht hinsichtlich der Frage vornehmen, ob in dem
Planungsbereich die vertragsärztliche Versorgung gerade aufgrund eines Kollektivverzichts
oder einer sonstigen Verweigerung nicht mehr sichergestellt war und deshalb der
Sicherstellungsauftrag zu Recht auf die Krankenkassen übertragen wurde. Die
Rechtmäßigkeit der Feststellung der Aufsichtsbehörde zur Übertragung des
Sicherstellungsauftrags auf kollektivrechtlicher Ebene im Verhältnis zwischen den
Körperschaften Krankenkassen und K(Z)ÄV ist vielmehr nur auf Klage der hiervon in ihren
Rechtspositionen betroffenen Krankenkassen bzw der K(Z)ÄV zu überprüfen.
50 bb) Die Auslegung der §§ 72a, 95b SGB V im Sinne einer dort angeordneten
Drittbindungswirkung des Feststellungsbescheides der Aufsichtsbehörde für das Eingreifen
der Zulassungssperre gegenüber dem einzelnen (Zahn-)Arzt verletzt die Klägerin zu 1. nicht
in ihren Rechten aus Art 19 Abs 4 Satz 1 GG (Zugang zum Gericht und effektiver
Rechtsschutz).
51 Allerdings hat diese Auslegung zur Folge, dass dem einzelnen (Zahn-)Arzt hinsichtlich der
Feststellung der Aufsichtsbehörde zum Vorliegen eines "qualifizierten", dh die erforderliche
Beteiligungsquote von mehr als 50 vH überschreitenden Kollektivverzichts und dessen
Auswirkungen kein rechtlich geschütztes Individualinteresse zusteht, das ihn zur Anfechtung
dieses Feststellungsbescheides und zu dessen gerichtlicher Rechtmäßigkeitskontrolle
berechtigen würde. Denn diese Auslegung bewirkt faktisch in Verbindung mit einer
Verneinung der Befugnis des einzelnen Vertragsarztes, den Feststellungsbescheid nach §
72a Abs 1 SGB V unmittelbar anzugreifen (siehe hierzu das Urteil vom heutigen Tage, B 6
KA 18/08 R) , einen materiellen Ausschluss des (Zahn-)Arztes von allen Einwendungen, die
den Übergang des Sicherstellungsauftrags betreffen.
52 Gleichwohl liegt ein Verstoß gegen die durch Art 19 Abs 4 Satz 1 GG gewährte Garantie
eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes nicht vor. Denn ein Verstoß gegen dieses
Verfahrensgrundrecht setzt eine im Interesse des Einzelnen gewährte Rechtsposition
voraus, dh es gewährleistet nicht selbst den sachlichen Bestand oder den Inhalt einer als
verletzt behaupteten Rechtsstellung (BVerfG , Beschluss vom 7.12.1999 - 1 BvR
1281/95, WM 2000, 246, 248 unter Bezugnahme ua auf BVerfGE 83, 182, 194 f = SozR 3-
1100 Art 19 Nr 2 S 4 f; BVerfG , Beschluss vom 23.4.2009 - 1 BvR 3424/08, WM
2009, 1485, 1486) . Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, Verwaltungsakten
Tatbestandswirkung beizulegen. Er darf allerdings auf diese Weise den Rechtsschutz nicht
beliebig einschränken, und ebenso wenig dürfen die Gerichte durch ihre Auslegung des
materiellen Rechts eine entsprechende Aushöhlung der Rechtsschutzgarantie herbeiführen
(BVerfGE 83, 182, 198 = SozR 3-1100 Art 19 Nr 2 S 7) . Deshalb ist bei einer solchen
Auslegung darauf zu achten, dass "das verfassungsrechtlich geprägte Verhältnis des
Einzelnen zum Staat nicht verfehlt" wird (vgl BVerfGE 27, 297, 307) . Wenn jedoch
gewichtige sachliche Gründe dafür bestehen, dass der Gesetzgeber an den Erlass eines
Verwaltungsakts ohne Rücksicht auf dessen Rechtmäßigkeit Rechtsfolgen für Dritte knüpft,
so ist es auch unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes nicht zu beanstanden,
dass die Gerichte diesen Dritten keine eigenständige Anfechtungsbefugnis zubilligen
(BVerfGE 83, 182, 198 = SozR 3-1100 Art 19 Nr 2 S 7; BVerfG WM 2000, 246,
249).
53 In diesem Sinne hat die Rechtsprechung gebilligt, dass einem zum Versorgungsausgleich
verpflichteten Ruhestandsbeamten eine Klagebefugnis gegen die zum Wegfall des sog
"Pensionistenprivilegs" führende Rentenbewilligung an seine geschiedene Ehefrau versagt
wird (BSGE 61, 27, 28 ff = SozR 1500 § 54 Nr 71 S 71 ff sowie hierzu BVerfGE 83, 182, 198
= SozR 3-1100 Art 19 Nr 2 S 7). Außerdem hat das BSG die Drittbindungswirkung von
Verwaltungsakten, mit denen Arbeitslosengeld II bewilligt wurde, gegenüber den
Krankenkassen im Rahmen der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer freiwilligen
Versicherung gemäß § 9 Abs 1 Nr 1 SGB V vorliegen, angenommen (BSG SozR 4-2500 § 9
Nr 3 RdNr 15) . Schließlich ist ein Anfechtungsrecht des Trägers der Kriegsopferversorgung
in Bezug auf einen Feststellungsbescheid der Krankenkasse über das Nichtbestehen einer
Mitgliedschaft einer schwerbeschädigten Person in der Krankenversicherung der Rentner
trotz dessen Tatbestandswirkung verneint worden (BSGE 70, 99, 102 f = SozR 3-1500 § 54
Nr 15 S 39 f) .
54 Gewichtige sachliche Gründe, die eine Drittbindungswirkung des Feststellungsbescheids
der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1 SGB V im Wiederzulassungsverfahren unter
Ausschluss einer eigenen Anfechtungsberechtigung der davon mittelbar betroffenen (Zahn-
)Ärzte rechtfertigen, liegen in der hier zu beurteilenden Konstellation ebenfalls vor. Denn die
Anerkennung einer Berechtigung des einzelnen (Zahn-)Arztes, den Feststellungsbescheid
der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1 SGB V anzufechten oder wenigstens im
Zulassungsverfahren inzident überprüfen zu lassen, wäre mit dem gesetzgeberischen Ziel
und der sozialstaatlichen Verpflichtung, im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung
eine funktionsfähige und bedarfsgerechte Patientenversorgung zu gewährleisten (vgl
BVerfG, Urteil vom 10.6.2009, 1 BvR 706/08 ua - NJW 2009, 2033 RdNr 171) , nicht
vereinbar. Wenn eine Kollektivverzichtsaktion von (Zahn-)Ärzten durch das Wirksamwerden
zahlreicher Zulassungsverzichtserklärungen zu demselben Zeitpunkt in die Tat umgesetzt
wird, kann es zu Engpässen bei der Versorgung der Versicherten kommen, denen nach
zutreffender Einschätzung des Gesetzgebers "alsbald abgeholfen" werden muss; diesem
obersten Ziel dient die Regelung zur Übertragung des Sicherstellungsauftrags auf die
Krankenkassen in § 72a SGB V (vgl Gesetzentwurf zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 83 - zu
Nr 32 <§ 72a>, 3. Abs). Das Erfordernis einer Einbeziehung aller an der
Kollektivverzichtsaktion (möglicherweise) beteiligten (Zahn-)Ärzte in das
Verwaltungsverfahren vor Erlass eines entsprechenden Feststellungsbescheids durch die
Aufsichtsbehörde würde dieses Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit vereiteln. Aus diesem
Grund ist in § 72a Abs 1 SGB V - abweichend von den allgemeinen Regeln zur Anhörung
auch Drittbetroffener in § 12 Abs 2 Satz 2, Abs 1 Nr 4 iVm § 24 Abs 1 SGB X - speziell
geregelt, dass die Aufsichtsbehörde vor einer entsprechenden Entscheidung lediglich die
Krankenkassen(verbände) und die K(Z)ÄV als die an der Sicherstellung beteiligten
Kollektivvertragspartner (§ 72 SGB V) anzuhören hat. Ohne diese Sonderregelung bestünde
die Notwendigkeit, ggf mehrere Hundert (Zahn-)Ärzte individuell anzuschreiben, mit den
erforderlichen Sachinformationen zu versehen, deren Reaktionen abzuwarten und diese in
dem Bescheid zu verarbeiten; das alles würde eine zeitnahe Entscheidung der
Aufsichtsbehörde praktisch nicht zulassen. Sofern die Versorgung der Versicherten infolge
einer Kollektivverzichtsaktion tatsächlich gefährdet ist, würde allein aufgrund des erhöhten
Zeitbedarfs zur Abwicklung eines solchen Verwaltungsverfahrens die rasche
Wiederherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgungslage unmöglich. Wenn der
Gesetzgeber diesen Schwierigkeiten mit Hilfe eines Ausschlusses der Pflicht zur Anhörung
der am Kollektivverzicht beteiligten (Zahn-)Ärzte vor Erlass des Feststellungsbescheids der
Aufsichtsbehörde begegnet ist, so verdeutlicht das zugleich die Absicht, auch eine
möglicherweise anschließende gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines
Feststellungsbescheids nach § 72a Abs 1 SGB V nur den unmittelbar betroffenen
Kollektivvertragspartnern zu eröffnen.
55 Darüber hinaus stehen gewichtige Gründe auch einer Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit
des Feststellungsbescheids nach § 72a Abs 1 SGB V im späteren
Wiederzulassungsverfahren einzelner am Kollektivverzicht beteiligter (Zahn-)Ärzte
entgegen. Im Rahmen des Wiederzulassungsverfahrens berücksichtigt der für das
Wirksamwerden der Wiederzulassungssperre gemäß § 95b Abs 2 SGB V bedeutsame
Umstand, dass ein Feststellungsbescheid nach § 72a Abs 1 SGB V ergangen ist, kein
individuelles Handlungsunrecht des einzelnen (Zahn-)Arztes. Vielmehr ist dieser Umstand
nur zur Erfassung besonders schwerwiegender Auswirkungen einer Kollektivverzichtsaktion
im Sinne einer "Erfolgsqualifizierung" von Bedeutung. Ob solche besonders
systemgefährdenden Folgen mit einer bestimmten Kollektivverzichtsaktion tatsächlich
verbunden waren, muss schon aus Gründen der Praktikabilität für alle Teilnehmer dieser
Verzichtsaktion einheitlich beurteilt werden. Die Entscheidung darüber ist deshalb der
Aufsichtsbehörde übertragen und bei ihr konzentriert, zumal ihr die erforderliche
demokratische Legitimation und sozialpolitische Verantwortung zukommt, eine solch
gewichtige Entscheidung mit weitreichenden Folgen für die Ausgestaltung der Versorgung
zu treffen. Die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer entsprechenden
Feststellung der Aufsichtsbehörde erfolgt daher ebenfalls konzentriert nur auf Klage der
Krankenkassen oder der K(Z)ÄV hin, die insoweit auch die Interessen ihrer durch Verzicht
ausgeschiedenen ehemaligen Mitglieder wahren kann.
56 Würde hingegen eine Inzidentüberprüfung der Entscheidung der Aufsichtsbehörde in jedem
einzelnen auf Wiederzulassung gerichteten Verfahren des (Zahn-)Arztes ermöglicht,
bestünde nicht nur die Gefahr divergierender Entscheidungen von Zulassungsgremien und
Sozialgerichten in Deutschland, die bei entsprechenden Zulassungsanträgen
gegebenenfalls die Versorgungssituation in einem bestimmten - womöglich weit entfernten -
Planungsbereich im Zusammenhang mit einer Kollektivverzichtsaktion im zeitlichen Abstand
mehrerer Jahre aufklären müssten. Hinzu käme, dass jede inzident in einzelnen
Wiederzulassungsverfahren vorgenommene und gegenüber der Bewertung im Rechtsstreit
zwischen Krankenkassen, K(Z)ÄV und Aufsichtsbehörde abweichende Beurteilung des
Feststellungsbescheids als rechtswidrig zugleich zwangsläufig erhebliche Auswirkungen auf
die Sicherstellung der Versorgung der Versicherten in der betroffenen Region hätte. Denn
dadurch würde zugleich auch die Rechtmäßigkeit der zwischenzeitlich von den
Krankenkassen etablierten neuen Versorgungsstrukturen (§ 72a Abs 3 bis 5 SGB V)
nachträglich in Frage gestellt. Zum Schutz der Versicherten und aller sonstigen an der
Leistungserbringung Beteiligten muss aber bereits vor Beginn einer jeden Behandlung
feststehen, ob etwa von den Krankenkassen auf der Grundlage von § 72a Abs 3 SGB V
vertraglich verpflichtete (Zahn-)Ärzte gemäß § 76 Abs 1 Satz 1 SGB V als Behandler gewählt
werden dürfen (vgl hierzu eingehend Senatsurteil vom 11.3.2009 - B 6 KA 15/08 R - Juris
RdNr 15 f, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) .
57 Die Eröffnung einer Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids der
Aufsichtsbehörde im Wiederzulassungsverfahren des einzelnen (Zahn-)Arztes ist auch unter
Berücksichtigung der Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) nicht geboten. Allerdings ist anerkannt,
dass das Grundrecht der Berufsfreiheit eine dem Grundrechtsschutz angemessene
Verfahrensgestaltung erfordert (BVerfG SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 13 mwN)
und dass eine - wenn auch nur zeitweise - Wiederzulassungssperre zur
vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung im gesamten Bundesgebiet einen nicht unerheblichen
Eingriff in die Berufsfreiheit der betroffenen (Zahn-)Ärzte mit sich bringt. Dies schließt jedoch
die Annahme einer Drittbindungswirkung der Entscheidung der Aufsichtsbehörde gemäß §
72a Abs 1 SGB V zu den Auswirkungen eines Kollektivverzichts auf der Ebene der
Patientenversorgung für das Wiederzulassungsverfahren des einzelnen (Zahn-)Arztes nicht
aus. Für eine auch im Lichte des Art 12 Abs 1 GG angemessene Verfahrensgestaltung
genügt es, dass die den einzelnen (Zahn-)Arzt und sein Verhalten betreffenden persönlichen
Voraussetzungen für das Wirksamwerden der Wiederzulassungssperre in dem erneuten
Zulassungsverfahren vollumfänglich geprüft werden können. Zudem sind die Feststellungen
zu den "erfolgsqualifizierenden Auswirkungen" des Kollektivverzichts, die von der
Aufsichtsbehörde als neutraler, zur Beachtung von Recht und Gesetz verpflichteter Institution
festgestellt werden, nicht völlig einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Sie können
vielmehr insbesondere auf Klage der K(Z)ÄV hin einer Rechtmäßigkeitskontrolle unterzogen
werden, was hier auch - bis zur Rücknahme der entsprechenden Klage durch die Klägerin
zu 2. - geschehen ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die
Beschränkung der sechsjährigen Wiederzulassungssperre auf tatsächlich
versorgungsgefährdende Kollektivverzichtsaktionen verfassungsrechtlich nicht geboten ist;
die vom Gesetzgeber in nicht zu beanstandender Weise getroffene Bewertung eines jeden
Kollektivverzichts - unabhängig von den konkreten Auswirkungen - als gravierende
vertrags(zahn)ärztliche Pflichtverletzung würde auch einen völligen Verzicht auf dieses
Merkmal rechtfertigen. Wenn der Gesetzgeber gleichwohl in einer für die beteiligten (Zahn-
)ärzte schonenden Weise die sechsjährige Wiederzulassungssperre an ein
erfolgsqualifizierendes Merkmal knüpft, ist es ihm unbenommen, diesbezüglich eine Bindung
an die Feststellung der Aufsichtsbehörde vorzusehen.
58 b) Selbst wenn eine Tatbestands- bzw Drittbindungswirkung zu verneinen wäre, würde dies
der Revision nicht zum Erfolg verhelfen, da der Senat die gegen den Feststellungsbescheid
nach § 72a Abs 1 SGB V erhobenen Einwendungen als nicht durchgreifend erachtet. So war
vorliegend die Voraussetzung erfüllt, dass im vorliegend maßgeblichen Planungsbereich
Landkreis Hildesheim mehr als 50 vH aller dort niedergelassenen Vertragsärzte auf ihre
Zulassung nach § 95b Abs 1 SGB V verzichtet haben. Nicht zu beanstanden ist
insbesondere, dass die zuständige Landesbehörde dabei nicht auf die Gesamtheit der
Vertragsärzte und -zahnärzte oder jedenfalls der Vertragszahnärzte, sondern allein auf die
Gruppe der Fachzahnärzte für Kieferorthopädie abgestellt hat.
59 aa) § 72a Abs 1 SGB V bedarf bezüglich des Tatbestandsmerkmals "niedergelassene
Vertragsärzte" der präzisierenden Auslegung, denn eine allein auf den Wortlaut gestützte
Betrachtung würde zu dem offensichtlich nicht gewollten, die Anwendung der Norm bei
realitätsnaher Betrachtungsweise faktisch ausschließenden Ergebnis führen, dass alle
Vertragsärzte - also Ärzte und Zahnärzte - in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen wären,
mithin nur ein vollständiger Zusammenbruch des Systems Relevanz hätte (in diesem Sinne
offenbar Lindemann in Wannagat, SGB V, Stand März 2002, § 95b RdNr 4) .
60 Für eine nach Arztgruppen differenzierende Betrachtung des § 72a Abs 1 SGB V spricht
bereits der Begriff "insoweit"; dieser wäre bezüglich des Übergangs des
Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen (weitgehend) überflüssig, wenn die
Vorschrift nur ein "Entweder-Oder" - dh entweder einen die gesamte (Zahn-) Ärzteschaft
umfassenden Kollektivverzicht oder dessen Verneinung - zulassen wollte. Vielmehr lässt die
Einschränkung erkennen, dass auch ein lediglich teilweiser - regional oder fachlich
beschränkter - Übergang des Sicherstellungsauftrags in Betracht kommt (so auch
Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Erg.-Lfg. II/97, § 72a RdNr 17) . Nicht angemessen ist es,
die Frage des erforderlichen Quorums vom Umfang der Feststellung des Versorgungsdefizits
zu trennen (so aber Klückmann, aaO, RdNr 15) - also erst hinsichtlich des Bestehens einer
Versorgungslücke nach Fachgebieten zu differenzieren - weil das Ausmaß der Beteiligung
am Kollektivverzicht zugleich den Umfang der Versorgungslücke bestimmt.
61 Auch die Auslegung der Norm unter Berücksichtigung ihres Zwecks, die Funktionsfähigkeit
der vertragsärztlichen Systems sicherzustellen und eine - zumindest kurzzeitige -
Unterversorgung zu verhindern ergibt, dass in dem Fall, dass ausschließlich eine einzelne
Arztgruppe den Kollektivverzicht betreibt, allein auf diese abzustellen ist, da deren Verhalten
das Ausmaß der konkreten Versorgungslücke bestimmt (so Hencke in Peters, SGB V, Stand
1.7.2008, § 72a RdNr 2; wohl auch Hess in in Kasseler Kommentar, SGB V, Stand
Dezember 2000, § 72a RdNr 6; aA Hesral in jurisPK SGB V, § 72a RdNr 9; Klückmann in
Hauck/Noftz, SGB V, Erg.-Lfg. II/97, § 72a RdNr 15 - anders jedoch unter RdNr 16 und 17;
wohl auch Sproll in Krauskopf, SGB V, Stand Januar 2008, § 72a RdNr 4) .
62 So erfolgt auch die - der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung dienende (vgl § 98
Abs 1, § 99 Abs 1 Satz 1 SGB V) - Bedarfsplanung facharztgruppenbezogen.
63 Nach Abschnitt D.1. der seinerzeit maßgeblichen, aufgrund der Ermächtigung des § 92 Abs
1 Satz 2 Nr 9 SGB V (in seither insoweit unveränderter Fassung) erlassenen "Richtlinien des
Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen über die Bedarfsplanung in der
vertragszahnärztlichen Versorgung" (Bedarfsplanungs-Richtlinien Zahnärzte
) werden die Verhältniszahlen, von denen bei der Ermittlung des
allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades auszugehen ist, getrennt für die
zahnärztliche und die kieferorthopädische Versorgung festgelegt (aaO, Abs 1 Sätze 1 und 2).
Nichts anderes gilt entsprechend im ärztlichen Bereich (vgl § 1 Abs 2 Nr 2, §§ 3 ff der
"Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die
Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der
Vertragsärztlichen Versorgung" - Bedarfsplanungs-Richtlinie Ärzte -
Ä>).
64 Für einen möglichst hohen Differenzierungsgrad bei der Feststellung nach § 72a Abs 1 SGB
V spricht schließlich der Umstand, dass im Umfang der Feststellung der
Sicherstellungsauftrag auf die Krankenkassen übergeht. Es ist daher auch im Interesse der
K(Z)ÄVen, dass der Kreis der Kollektivverzichtler präzise umschrieben und der vom Verzicht
betroffene Versorgungsbereich entsprechend begrenzt wird.
65 bb) Es ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass der Beigeladene zu 8. bei der Ermittlung des
Anteils der an einem Kollektivverzicht beteiligten kieferorthopädisch tätigen Ärzte auch die
ermächtigten Zahnärzte mit einbezogen hat. Schon nach dem Zweck der Regelung, die
Funktionsfähigkeit der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten
sicherzustellen, sind alle an dieser Versorgung beteiligten Ärzte zu berücksichtigen. Dies
sind gemäß § 95 Abs 1 Satz 1 SGB V neben den zugelassenen Ärzten und medizinischen
Versorgungszentren auch ermächtigte Ärzte und Einrichtungen.
66 Hinzu kommt, dass im kieferorthopädischen Bereich spezielle, historisch gewachsene
Ermächtigungen auf der Grundlage von § 10a Bundesmantelvertrag-Zahnärzte und § 2 Nr 2
Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung bestehen (s
hierzu BSG, Urteil vom 27.6.2007, B 6 KA 38/06 R = USK 2007-68 = MedR 2008, 384 ff). Die
danach in vollem Umfang und dauerhaft ermächtigten Kieferorthopäden haben jedenfalls in
der Vergangenheit nicht anders als zugelassene Kieferorthopäden an der Versorgung
mitgewirkt (BSG, aaO). Dies zeigt sich beispielhaft in ihrer Erwähnung in Anlage 3 der
BedarfsplanungsRL-ZÄ: In Spalte 7 des Planungsblatts C sind "Vertragszahnärzte" und
"Ermächtigung" im Bereich der Kieferorthopädie gleichgestellt.
67 Dass § 72a Abs 1 SGB V auf die "niedergelassenen" Vertragsärzte abstellt, ist ohne
Bedeutung, da dieser Begriff allein der Abgrenzung der ambulanten von der stationären
Versorgung dient. Auch dass die Norm von einem Verzicht auf die "Zulassung" spricht, steht
einer Einbeziehung der ermächtigten Ärzte nicht entgegen, da gemäß § 95 Abs 4 Satz 3
SGB V bei Ermächtigungen auch § 95 Abs 7 SGB V entsprechend gilt, welcher den Verzicht
regelt.
68 cc) Angesichts der deutlichen Spezialisierung der Kieferorthopäden kommt der
berufsrechtlich zugelassenen kieferorthopädischen Tätigkeit der Allgemeinzahnärzte für die
Versorgungslage nur untergeordnete Bedeutung zu. Deshalb ist es nicht zu beanstanden,
dass das zu 8. beigeladene Land nicht ermittelt hat, welche Allgemeinzahnärzte in welchem
Umfang (auch) kieferorthopädische Leistungen erbringen. Es besteht kein Zweifel, dass
angesichts des erreichten Spezialisierungsgrades der Kieferorthopäden die
Allgemeinzahnärzte kurzfristig die Versorgung aller Versicherten weder quantitativ noch
qualitativ angemessen sicherstellen können.
69 3. Schließlich ist auch das Erfordernis erfüllt, dass eine erneute Zulassung frühestens nach
Ablauf von sechs Jahren nach Abgabe der Verzichtserklärung erteilt werden kann. Die
Sechsjahresfrist, die als nicht verkürzbare, eine Berücksichtigung etwaigen Wohlverhaltens
ausschließende Mindestfrist geregelt ist, war weder zum Zeitpunkt der Entscheidungen der
Zulassungsgremien abgelaufen noch ist sie im Laufe des nachfolgenden Rechtsstreits
verstrichen. Die von der Klägerin zu 2. aufgeworfene Frage, ob es von Bedeutung ist, dass
Feststellungen dazu fehlen, wann die Klägerin zu 1. ihre Verzichtserklärung "abgegeben"
hat, ist angesichts des Umstandes, dass die Frist zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung in
keinem Fall abgelaufen sein konnte, ohne Bedeutung.
70 4. § 95b Abs 2 SGB V ist auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Der abweichenden
Auffassung der Klägerinnen (ebenso Schinnenburg, MedR 2005, 26, 27 f; Sodan, aaO, S
274 f, 278 f; zweifelnd auch Schneider, Hdb. des Kassenarztrechts, 1994, RdNr 352; ders.,
MedR 1993, 83, 88; Joussen, SGb 2008, 388, 392) folgt der Senat nicht. Ein Verstoß gegen
Art 12 Abs 1 GG liegt nicht vor; ebenso wenig sind Art 3, Art 9 und Art 14 GG verletzt.
71 a) Dass die gesetzlichen Regelungen, die die Rechtsfolgen des Kollektivverzichts normieren
sollen, verfassungskonform sind, hat der Senat dem Grunde nach bereits in seinem Urteil
vom 27.6.2007 ( BSGE 98, 294 = SozR 4-2500 § 95b Nr 1, jeweils RdNr 33 f - mit insoweit
zustimmender Anmerkung von Joussen, SGb 2008, 241 ff ) dargelegt. Für die in § 95b Abs 2
SGB V geregelte Wiederzulassungssperre - für deren Erlass der Bundesgesetzgeber nach
Art 74 Abs 1 Nr 12 GG die Gesetzgebungskompetenz besitzt, weil zur dort genannten
Sozialversicherung auch das im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geregelte
Leistungserbringungsrecht gehört (vgl BVerfGE 98, 265, 303; BVerfG , Beschluss
vom 17.6.1999, 1 BvR 2507/97, SozR 3-2500 § 73 Nr 3 S 16) - gilt nichts anderes. Auch sie
dient einem wichtigen Gemeinwohlbelang, ist zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele
erforderlich und insgesamt verhältnismäßig.
72 aa) Die Wiederzulassungssperre begrenzt zwar nicht die stärker geschützte Wahl der
Berufsfreiheit, sondern lediglich die Berufsausübung (zur Stufentheorie s BVerfGE 7, 377,
403 ff) , denn wenn - wie hier - nur der Zugang zur vertragsärztlichen Tätigkeit und nicht zum
Arztberuf insgesamt eingeschränkt wird, so ist nach der Rechtsprechung des BVerfG wie des
Senats lediglich die Berufsausübung und nicht die Berufswahl betroffen (vgl BVerfGE 11, 30,
41 ff; BSGE 73, 223, 226 = SozR 3-5520 § 25 Nr 1 S 4; BSGE 82, 41, 43 = SozR 3-2500 §
103 Nr 2 S 12 ua). Allerdings bestehen innerhalb der Berufsausübungsregelungen
Abstufungen hinsichtlich des erforderlichen Gewichts der den jeweiligen Eingriff
rechtfertigenden Gründe. So werden erhöhte Anforderungen gestellt, falls die
Einschränkungen einer Beschränkung der Berufswahl nahekommen. Dies ist vorliegend der
Fall. Eine Wiederzulassungssperre schränkt ebenso wie eine Zulassungsentziehung wegen
gröblicher Pflichtverletzung die Berufsfreiheit in einem Maße ein, das in seiner Wirkung der
Beschränkung der Berufswahl im Sinne des Art 12 Abs 1 GG nahe kommt (BVerfGE 69, 233,
244 - zur Zulassungsentziehung; BSGE 60, 76 = SozR 2200 § 368a Nr 15 - zur
Zulassungsentziehung; BSGE 73, 223, 226 = SozR 3-5520 § 25 Nr 1 S 4 - zur
Zulassungssperre für über 55 Jahre alte Ärzte). Sie kann deshalb nicht mit jeder vernünftigen
Erwägung des Gemeinwohls, sondern nur mit solchen Allgemeininteressen gerechtfertigt
werden, die so schwer wiegen, dass sie den Vorrang vor der ungehinderten beruflichen
Entfaltung der betroffenen Ärzte verdienen (BVerfGE 61, 291, 311; BVerfGE 77, 84, 106;
BSGE 73, 223, 226 = SozR 3-5520 § 25 Nr 1 S 4).
73 Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Wiederzulassungssperre soll in erster Linie dazu
beitragen, Vertragsärzte von einem pflichtwidrigen kollektiven Verzicht auf ihre Zulassung iS
des § 95b Abs 1 SGB V abzuhalten. Ein derartiger kollektiver Zulassungsverzicht erschüttert
dadurch, dass die Krankenkassen in der Regel kurzfristig nicht in der Lage sind, die
Versorgung außerhalb des über die K(Z)ÄV sichergestellten Systems zu organisieren, die
Stabilität der vertragsärztlichen Versorgung. Die Sicherstellung der vertragsärztlichen
Versorgung in sachlicher wie in finanzieller Hinsicht ist aber ein Gemeinwohlbelang von
hoher Bedeutung (std Rspr, vgl BVerfGE 68, 193, 218; BVerfGE 70, 1, 30; BVerfGE 82, 209,
230; BVerfGE 103, 172, 184 f; BVerfGE 114, 196, 244, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9, RdNr
131, 139; zuletzt BVerfG, Beschluss vom 10.6.2009, 1 BvR 706/08 ua - juris, dort RdNr 233;
BSGE 82, 41, 43 = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 15; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2,
jeweils RdNr 132 ff; BSGE 98, 294 ff. = SozR 4-2500 § 95b Nr 1, jeweils RdNr 34 mwN; BSG
SozR 4-2500 § 103 Nr 4, RdNr 23-24; BSG, Urteil vom 28.7.2008, B 1 KR 5/08 R - SozR 4-
2500 § 109 Nr 6 RdNr 23; BSG, Beschluss vom 26.8.2008, B 12 KR 22/08 B - juris, dort
RdNr 5) .
74 bb) Die Wiederzulassungssperre entspricht auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da
sie zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist. Eine Maßnahme ist
geeignet, wenn der gewünschte Erfolg mit ihrer Hilfe gefördert werden kann, und sie ist
erforderlich, wenn kein anderes, gleich wirksames, das betreffende Grundrecht nicht oder
doch weniger fühlbar einschränkendes (milderes) Mittel zur Verfügung steht (vgl BVerfGE
63, 88, 115; BVerfGE 70, 1, 28 mwN; BSGE 61, 1, 2 = SozR 2200 § 368a Nr 16 S 58) . Die
Eignung der Wiederzulassungssperre, (Zahn-)Ärzte generalpräventiv davon abzuhalten, sich
an einem Kollektivverzicht zu beteiligen, steht außer Zweifel. Sie erhöht das Risiko für den
einzelnen Arzt, sich an abgesprochenen Verzichtsaktionen zu beteiligen, weil er damit
rechnen muss, auf längere Sicht nicht mehr vertragsärztlich tätig sein zu können und sich
nach sechs Jahren einen Patientenstamm völlig neu aufbauen zu müssen.
75 Die Regelung ist auch erforderlich, da mildere Mittel als eine Wiederzulassungssperre nicht
in Betracht kommen (aA Joussen, SGb 2008, 388, 393) . So wären etwa Geldbußen nicht
geeignet, vergleichbare Wirkungen zu erzielen. Derartige Maßnahmen wären nur als
Disziplinarmaßnahmen denkbar. Die aus § 81 Abs 5 SGB V iVm entsprechenden
Satzungsregelungen resultierende Disziplinargewalt der Kassenärztlichen Vereinigungen ist
jedoch auf ihre Mitglieder beschränkt (s § 81 Abs 5 Satz 1 SGB V: "gegen Mitglieder"; vgl
Wenner, Vertragsarztrecht, 2008, § 30 RdNr 4). Das Ziel von Disziplinarmaßnahmen kann
somit nicht mehr realisiert werden, wenn der (Zahn-)Arzt bereits aus dem System der
vertragsärztlichen Versorgung ausgeschieden ist (BSG, Urteil vom 8.3.2000, B 6 KA 62/98 R
= SozR 3-2500 § 81 Nr 6 S 20; BSGE 61, 1, 2 = SozR 2200 § 368a Nr 16 S 58; Steinmann-
Munzinger in Schlegel/Voelzke/Engelmann [Hrsg], juris Praxiskommentar SGB V, 2008, § 81
RdNr 41) . Mithin käme die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen allenfalls in der kurzen
Zeitspanne zwischen dem Zugang des Verzichtsschreibens und dem Eintritt der Wirksamkeit
der Verzichtserklärung (dh dem Ende des auf den Zugang der Verzichtserklärung folgenden
Kalendervierteljahres, § 28 Abs 1 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte
) in Betracht.
76 Die Erforderlichkeit der Regelung ist auch ungeachtet des Umstandes gegeben, dass der
Gesetzgeber den Kollektivverzichtlern bereits andere Beschränkungen auferlegt hat, sie
nämlich nach dem Regelungskonzept des § 13 Abs 2 Satz 8 SGB V und des § 95b Abs 3
SGB V sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Senats (s Urteile vom 27.6.2007,
B 6 KA 37/06 R = BSGE 98, 294 ff = SozR 4-2500 § 95b Nr 1, sowie B 6 KA 38/06 R = USK
2007-68 und B 6 KA 39/06 R) von gesetzlich krankenversicherten Patienten ausschließlich
in Notfällen in Anspruch genommen werden dürfen und ihr Vergütungsanspruch gegen die
Krankenkasse auf das 1,0-fache des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte bzw
für Zahnärzte begrenzt ist. Denn die genannten Regelungen reichen für sich genommen
nicht aus, um einen Kollektivverzicht zu verhindern, weil die an einem Kollektivverzicht
beteiligten (Zahn-)Ärzte - ohne Wiederzulassungssperre - davon ausgehen könnten, notfalls
nach kurzer Zeit wieder innerhalb des Systems und zu den bisherigen Bedingungen tätig
werden zu können.
77 cc) Die Regelung ist für die betroffenen Ärzte auch im engeren Sinne verhältnismäßig, da bei
einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn
rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist (vgl BVerfGE 94, 372, 390;
BVerfGE 85, 248, 259 mwN; BVerfGE 76, 196, 207). Bei der Gesamtabwägung zwischen der
Schwere des Eingriffs in die Berufsfreiheit und dem Gewicht des öffentlichen Interesses an
der Erhaltung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung ist zum einen zu
berücksichtigen, dass die Rechtsfolge nicht aus Umständen resultiert, die vom Vertragsarzt
nicht zu beeinflussen sind, wie etwa das Überschreiten einer bestimmten Altersgrenze oder
eines bestimmten Versorgungsgrades in einem Planungsgebiet. Vielmehr hat der
Vertragsarzt die Ursache selbst gesetzt, indem er sich bewusst und in zumindest möglicher -
bei einer Vorbereitung und Abstimmung durch die einschlägigen Berufsverbände sogar als
sicher zu unterstellender - Kenntnis der möglichen Folgen an einem Kollektivverzicht
beteiligte und auf seine vertragsärztliche Zulassung verzichtete. Angesichts dessen ist es
gerechtfertigt, den Vertragsarzt "beim Wort zu nehmen" (vgl Begr des Gesetzentwurfs zum
GSG, BT-Drucks 12/3608 S 95 zu § 95b Abs 2) und ihn für eine gewisse Zeit an seiner
Entscheidung festzuhalten.
78 Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der an der gelenkten Aktion teilnehmende
Vertragsarztes es auf die Zerstörung des vertragsärztlichen Versorgungssystems anlegt und
damit systemgefährdend wirkt (Begr des Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 95
zu § 95b Abs 1) . Ohne eine aufgrund ihres Zeitraums spürbare Wiederzulassungssperre
bestünde die Gefahr, dass die an einem Kollektivverzicht beteiligten Ärzte alsbald nach
Wiederzulassung erneut den Versuch unternehmen, das System der vertragsärztlichen
Versorgung "auszuhöhlen" (Begr des Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 95 zu
§ 95b Abs 1) . Wegen der überragenden Bedeutung des Systems der vertragsärztlichen
Versorgung auf der einen und der Vermeidbarkeit der Konsequenzen auf der anderen Seite
sind die daraus resultierenden Folgen des Eingriffs somit als zumutbar anzusehen.
79 dd) Soweit im Schrifttum (vgl Joussen, SGb 2008, 388, 392) Bedenken aus dem Umstand
abgeleitet werden, dass die (Mindest-)Dauer einer Wiederzulassungssperre nach § 95b Abs
2 SGB V sechs Jahre beträgt, die Bewährungszeit, nach deren Verstreichen der Arzt wieder
als für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit geeignet angesehen wird, bei einer
Zulassungsentziehung wegen gröblicher Pflichtverletzung nach der Rechtsprechung des
Senats (s hierzu BSG, Urteil vom 29.10.1986, 6 RKa 32/86 = MedR 1987, 254 ff; zuletzt
BSG, Urteil vom 19.7.2006, B 6 KA 1/06 R = SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 14) hingegen nur
fünf Jahre, sieht der Senat diese nicht als durchgreifend an. Zwar liegen beiden Maßnahmen
gröbliche Verletzungen der vertragsärztlichen Pflichten zugrunde (vgl § 95b Abs 1 SGB V
und § 95 Abs 6 SGB V). Die von der Rechtsprechung zur Sicherung einer gleichmäßigen
Rechtsanwendung im Bundesgebiet genannte Frist stellt jedoch lediglich einen
Orientierungswert dar, welcher insbesondere den Gesetzgeber nicht bindet. Dieser ist im
Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit nicht gehindert, normativ längere Sperrfristen für eine
Wiederzulassung vorzugeben.
80 Keiner abschließenden Entscheidung bedarf es, ob die Rechtsprechung angesichts der
normativen Regelung zu erwägen haben wird, ob die 6-Jahres-Frist auch auf andere
Fallgestaltungen der Wiedererlangung der Eignung für die vertragsärztliche Tätigkeit zu
übertragen ist, oder ob § 95b Abs 2 SGB V vielmehr die gesetzliche Wertung zugrunde liegt,
dass die Beteiligung an einem Kollektivverzicht stets als eine besonders gröbliche
Pflichtverletzung anzusehen ist. Für letzteres könnte allerdings sprechen, dass nach der
Rechtsprechung des BSG eine Bewährungszeit von fünf Jahren keine absolute Grenze
darstellt; vielmehr hat das BSG betont, dass dieser Zeitraum nur "in besonders gravierenden
Fällen" überschritten werden sollte (BSG MedR, aaO). Der Umstand, dass der Gesetzgeber
in Kenntnis der Rechtsprechung des BSG eine über den Orientierungswert hinausgehende
Dauer der Wiederzulassungssperre bestimmt hat, könnte den Schluss zulassen, dass er
eine aus der Beteiligung an einem Kollektivverzicht resultierende Pflichtverletzung generell
als besonders gravierend ansieht. Gegen eine solche Wertung ergäben sich keine
durchgreifenden Bedenken (aA Joussen, SGb 2008, 388, 392 ), denn die Beteiligung an
einem Kollektivverzicht stellt durch die summierende Wirkung der einzelnen Tatbeiträge eine
wesentlich schwerwiegendere Störung des Gesamtsystems der vertragsärztlichen
Versorgung dar als eine individuell beschränkte Pflichtverletzung eines einzelnen Arztes,
selbst wenn dieser eine besondere Schwere zukommt (so auch Joussen in Becker/Kingreen,
SGB V, 2008, § 95b RdNr 4) .
81 b) Soweit die Revision rügt, eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der sog
Kollektivverzichtler liege darin, dass die Wiederzulassungssperre nach § 95b Abs 2 SGB V
nur Ärzte treffe, in deren bisherigem Planungsbereich es infolge des kollektiven Verzichts
zum Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen nach § 72a Abs 1 SGB V
gekommen ist, trifft das nicht zu. Denn wie noch weiter unten (unter 5. Buchst a) auszuführen
sein wird, erfasst die Wiederzulassungssperre alle Ärzte, die sich an einem - im Sinne des §
72a Abs 1 SGB V erfolgreichen - Kollektivverzicht beteiligt haben, unabhängig davon, ob es
in ihrem Planungsbereich zu einem Übergang des Sicherstellungsauftrags gekommen ist
oder nicht. Dass dieser Umstand in der Praxis der Zulassungsgremien bislang keine
Berücksichtigung gefunden hat, ändert nichts daran, dass § 95b Abs 2 SGB V keinen
normativ bedingten Gleichheitsverstoß beinhaltet.
82 c) Art 14 GG kommt nach der vom BVerfG praktizierten Abgrenzung der
Anwendungsbereiche von Art 12 GG und Art 14 GG als Prüfungsmaßstab schon deswegen
nicht in Betracht, weil sich die angegriffene Vorschrift auf die berufliche Betätigung und nicht
auf deren Ergebnis bezieht (vgl - zur Altersgrenze nach § 95 Abs 7 SGB V aF - BVerfG SozR
3-2500 § 95 Nr 17 S 61 unter Hinweis auf BVerfGE 82, 209, 23; s hierzu auch BSG,
Beschluss vom 27.6.2001, B 6 KA 6/01 B - juris RdNr 5 und Beschluss vom 13.12.2000, B 6
KA 38/00 B - juris RdNr 5). Durch sie wird die Möglichkeit des Verkaufs oder der
Übertragung der Praxisräume und des Stammes der Privatpatienten nicht berührt (BVerfG,
aaO).
83 d) Schließlich verstößt die Regelung auch nicht gegen Art 9 Abs 3 GG. Selbst wenn man mit
dem LSG davon ausgeht, dass Träger der Koalitionsfreiheit nicht allein Arbeitgeber und
Arbeitnehmer sowie deren Koalitionen sind (so aber LSG für das Saarland, Urteil vom
4.4.2000, L 2/3 K 31/95) , sondern sich grundsätzlich alle Menschen in ihrer Eigenschaft als
Angehörige eines Berufes hierauf berufen können, handelt es sich bei § 95b Abs 2 SGB V
um eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Begrenzung des Grundrechts, die - wie bereits
dargelegt - zum Schutz der Stabilität der vertragsärztlichen Versorgung erforderlich ist.
84 5. Somit trifft die Klägerin zu 1. die im Gesetz vorgesehene Rechtsfolge in Form einer
mindestens sechsjährigen Zulassungssperre. Die Zulassungsgremien haben insoweit -
ebenso wenig wie bei der Zulassungsentziehung (vgl Funk in Schulin , Handbuch
des Sozialversicherungsrechts Band 1 Krankenversicherungsrecht, § 32 RdNr 74 mwN) -
keinen Ermessensspielraum und sind nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Norm
auch nicht berechtigt, bei ihrer Entscheidung vor Ablauf des 6-Jahres-Zeitraums ein
etwaiges Wohlverhalten zu prüfen und zu berücksichtigen.
85 a) Die Sperrwirkung des § 95b Abs 2 SGB V erfasst bei Vorliegen der
Tatbestandsvoraussetzungen - dh, wenn es auf Grund eines kollektiven Zulassungsverzichts
zu einer Feststellung der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1 SGB V gekommen ist - alle
Ärzte, die sich an diesem Kollektivverzicht beteiligt haben. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob
die Feststellung nach § 72a Abs 1 SGB V gerade den Planungsbereich betrifft, in dem der
nunmehr seine Wiederzulassung begehrende Arzt bis zu dem Wirksamwerden seines
Verzichts tätig war. § 95b Abs 2 SGB V setzt lediglich einen Kausalzusammenhang
zwischen einem Kollektivverzicht und einer Feststellung der Aufsichtsbehörde voraus, nicht
aber, dass gerade das Verhalten der Ärzte in dem Planungsbezirk, in dem der jeweilige
Antragsteller vor seinem Verzicht tätig war, zu dieser Feststellung geführt hat. Ob der
einzelne Arzt beeinflussen kann, dass und gegebenenfalls wo die insoweit nach § 72a Abs 1
SGB V maßgebliche Grenze von 50 % der Ärzte einer Arztgruppe überschritten wird oder
nicht, ist ohne Bedeutung.
86 Die Folgen eines Kollektivverzichts für den einzelnen Arzt sind somit allein davon abhängig,
ob die abgesprochene Ausstiegsaktion überhaupt "erfolgreich" im Sinne eines
Funktionsverlustes des Sicherstellungsauftrags der KÄV war oder nicht. Wie viele
Zulassungsbereiche davon erfasst sind, und ob der Sicherstellungsauftrag gerade (auch) in
dem Bereich auf die Krankenkassen übergegangen ist, in dem der betroffene Arzt vor dem
Verzicht zugelassen war, ist für die Bewertung und die Konsequenzen der Pflichtverletzung
dieses Arztes unerheblich. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, dass es infolge einer
bestimmten Kollektivverzichtsaktion für zumindest einen Planungsbereich zu der
Feststellung nach § 72a Abs 1 SGB V gekommen ist. Soweit die Ausführungen in den
Urteilen vom 27.6.2007 (BSGE 98, 294 = SozR 4-2500 § 95b Nr 1, jeweils RdNr 21, sowie B
6 KA 38/06 R RdNr 28 und B 6 KA 39/06 R RdNr 24: "… und damit bewirkt haben, dass der
Sicherstellungsauftrag in ihrem Planungsbereich auf die Krankenkassen übergegangen ist")
im gegenteiligen Sinne verstanden werden könnten, wird dies hiermit klargestellt.
87 Diese Wertung harmoniert im Übrigen am besten mit der Vorschrift des § 72a Abs 3 Satz 3
SGB V, die den Krankenkassen in Gebieten mit auf sie übergegangenem
Sicherstellungsauftrag den Abschluss von Selektivverträgen mit allen Ärzten verbietet, "die
in einem mit anderen Vertragsärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten
auf ihre Zulassung als Vertragsarzt verzichteten (§ 95b Abs 1 SGB V)". Auch hier wird nicht
gefordert, dass diese Ärzte in dem Planungsbereich, zu dessen Versorgung der
Selektivvertrag dienen soll, zuvor niedergelassen und dort auf ihre Zulassung verzichtet
haben, sondern das Verbot trifft alle Ärzte, die sich an solchen Aktionen - sogar an
erfolglosen nach § 95b Abs 1 SGB V - beteiligt haben (BSGE 98, 294 = SozR 4-2500 § 95b
Nr 1, jeweils RdNr 23) . Allein wegen der Teilnahme an einem Kollektivverzicht ist es den
Krankenkassen nicht mehr zuzumuten, mit solchen Ärzten Selektivverträge abzuschließen
und mit ihnen vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Es entstünde ein Wertungswiderspruch,
wenn die Krankenkassen einerseits mit solchen Kollektivverzichtlern aus einem
"erfolglosen" Planungsbereich keine Selektivverträge zur Sicherstellung der Versorgung in
einem "erfolgreichen" Planungsbereich (mit auf die Krankenkassen übergegangenem
Sicherstellungsauftrag) abschließen dürften, andererseits eine Zulassung solcher
Kollektivverzichtler in diesem Planungsbereich möglich wäre und die Krankenkassen
dadurch indirekt zu einer Zusammenarbeit mit ihnen gezwungen würden.
88 b) Die Zulassungssperre gilt nicht allein für den Ort (oder den Bezirk), an dem die von ihr
betroffenen Personen zum Zeitpunkt der Verzichtserklärung niedergelassen waren; ebenso
wenig gilt sie allein für die von einer Feststellung nach § 72a Abs 1 SGB V erfassten
Zulassungsbezirke oder regionalen Planungsbereiche. Vielmehr steht § 95b Abs 2 SGB V
einer Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im gesamten Geltungsbereich des
SGB V entgegen. Für eine bundesweite Sperrwirkung spricht nicht allein der Wortlaut der
Norm, der den umfassenden Begriff der Zulassung ("erneute Zulassung") verwendet und
auch sonst keinerlei Begrenzungen erkennen lässt, sondern insbesondere auch deren
Zweck, die Stabilität und Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung
sicherzustellen. In der Gesetzesbegründung zu § 95b Abs 2 SGB V (vgl Begr des
Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 95 zu <§ 95b>) werden als Grund für den
zeitweisen Ausschluss des Arztes von der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung
dessen sich in der Beteiligung an einem Kollektivverzicht manifestierende Illoyalität sowie
die Gefahr einer erneuten Systemstörung durch diesen genannt, mithin zwei ausschließlich
personenbezogene Gesichtspunkte.
89 Außer Zweifel steht, dass die vom Gesetzgeber gesehene Gefahr, dass ein erneut
zugelassener Kollektivverzichtler "alsbald wieder den Versuch unternimmt, das System …
auszuhöhlen" ( Begr des Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 95 zu § 95b Abs
1) , keinerlei Bezug zu dessen früherem Vertragsarztsitz hat. Nichts anderes gilt für den
Gesichtspunkt der Illoyalität. Gäbe es die Wiederzulassungssperre nicht, wäre die durch den
Kollektivverzicht manifestierte Pflichtverletzung (§ 95b Abs 1 SGB V) im Rahmen des
Zulassungsverfahrens zu prüfen . Die für eine Zulassung erforderliche Eignung des Arztes
ist nicht gegeben, wenn ihm wegen gröblicher Pflichtverletzung die Zulassung entzogen
wurde bzw - im Falle eines vorherigen Verzichts - zu entziehen gewesen wäre. Dass ein
Kollektivverzicht die Anforderungen an eine gröbliche Pflichtverletzung erfüllt, steht nach den
Ausführungen in der Gesetzesbegründung außer Zweifel. Eine "reguläre"
Zulassungsentziehung gilt aber unstrittig für den Geltungsbereich des SGB V. Mithin wäre
schwerlich begründbar, warum gerade die weitergehende Konsequenz nach § 95b Abs 2
SGB V lediglich örtlich begrenzte Folgen nach sich ziehen sollte.
90 Eine örtlich, dh allein auf den Ort der bisherigen Niederlassung begrenzte
Wiederzulassungssperre wäre allein dann sinnvoll, wenn die Zulassungssperre - wie dies
das LSG angenommen hat - gerade auch dem Schutz des nach Übergang des
Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen aufgebauten alternativen
Versorgungssystems zu dienen bestimmt wäre. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich
jedoch nicht, dass die den Kollektivverzicht betreffenden Regelungen - insbesondere die
Wiederzulassungssperre - neben der Verhinderung einer Störung des Versorgungssystems
durch einen Kollektivverzicht zugleich auch der Absicherung eines alternativen
Versorgungssystems dienen sollen. In der Gesetzesbegründung (vgl Begr der
Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 95 zu § 95b Abs 2) wird vorrangig der
Sanktionscharakter der Regelung betont und ergänzend angeführt, dass bei einer
vorzeitigen Wiederzulassung eine Wiederholungsgefahr bestünde. In Bezug auf den
Abschluss von Verträgen mit Neubehandlern werden die Krankenkassen lediglich
berechtigt, besondere Vergütungsanreize zu setzen (aaO, S 83 zu § 72a), ohne dass
erkennbar wird, dass der Gesetzgeber das "alternative Versorgungssystem" zusätzlich
einem besonderen Schutz unterwerfen wollte.
91 Hiernach war es rechtswidrig, dass Kieferorthopäden, die sich - wie die Klägerin zu 1. - an
der kollektiven Verzichtsaktion niedersächsischer Kieferorthopäden des Jahres 2004
beteiligt haben, im Planungsbereich Cuxhaven vor Ablauf der sechsjährigen Sperrfrist erneut
zugelassen worden sind. Darauf, dass der Sicherstellungsauftrag für diesen
Planungsbereich zum Zeitpunkt dieser Wiederzulassungen schon wieder auf die Klägerin zu
2. übergegangen war, kommt es nicht an.
92 c) Die Konsequenz, dass kein Arzt, der sich im Sinne des § 95b Abs 1 SGB V pflichtwidrig
verhalten hat, vor Ablauf von sechs Jahren wieder zur vertragsärztlichen Versorgung
zugelassen werden kann, soweit als Folge der von ihm mitgetragenen Ausstiegsaktion die
Aufsichtsbehörde eine Feststellung nach § 72a Abs 1 SGB V getroffen hat, gilt für alle
Formen einer Beteiligung an der vertragsärztlichen Versorgung. Erfasst werden neben der
eigentlichen Zulassung auch alle weiteren Formen der Teilnahme im Sinne des § 95 Abs 1
Satz 1 SGB V, ebenso die übrigen Arten einer (jedenfalls mittelbaren) Beteiligung.
93 Ausgeschlossen ist in erster Linie eine Zulassung iS des § 95 Abs 3 SGB V, und zwar nicht
nur in dem (Fach-)Gebiet, für das der (Zahn-)Arzt zuvor zugelassen war, sondern in jedem
nach der Qualifikation des Arztes in Frage kommenden Bereich ärztlicher Tätigkeit. Das
bedeutet etwa, dass die zuvor als Fachzahnärztin für Kieferorthopädie zugelassene Klägerin
zu 1. auch keine Zulassung als Allgemeinzahnärztin erhalten könnte. Ebenso wenig könnte
ein auf seine Zulassung verzichtender zahnärztlicher Oralchirurg (bei Erfüllung der übrigen
Zulassungsvoraussetzungen) eine Zulassung als ärztlicher Mund-Kiefer- und
Gesichtschirurg erlangen.
94 Da die Zulassungssperre die Krankenkassen von der Verpflichtung entbinden soll, mit
Ärzten, die im Sinne des § 95b Abs 1 SGB V pflichtwidrig gehandelt haben,
zusammenarbeiten zu müssen, sind auch alle übrigen Formen ihrer Beteiligung an der
vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen. Diese Ärzte können für die Dauer der Sperre
weder unmittelbar noch mittelbar von den Krankenkassen vergütet werden. Ausgeschlossen
ist es daher auch, diese Ärzte im Wege einer Ermächtigung wieder an der vertragsärztlichen
Versorgung zu beteiligen.
95 Sie dürfen ebenfalls nicht als Entlastungsassistenten iS des § 32 Abs 2 Satz 2 Zahnärzte-ZV
in vertragsärztlichen Praxen tätig werden, weil es ihnen an der auch hierfür erforderlichen
Eignung fehlt. Es wäre zudem widersprüchlich, wenn die KZÄV die Krankenkassen über
Genehmigungen zur Tätigkeit als Entlastungsassistent faktisch zu einer Kooperation mit
Ärzten zwingen könnte, mit denen diese nach § 72a Abs 2 Satz 3 SGB V keine Verträge zur
Sicherstellung der auf sie übergegangenen Versorgung schließen dürfen. Die Vorschrift des
§ 85 Abs 4b Satz 4 SGB V über die Berechnung degressionsfreier Beträge bei der
Beschäftigung von Entlastungsassistenten zeigt, dass deren Einsatz in
vertragszahnärztlichen Praxen nicht nur die KZÄV, sondern auch die Krankenkassen betrifft.
Entsprechendes gilt für Weiterbildungs- und Vorbereitungsassistenten nach § 3 Abs 3 bzw
Abs 2b Zahnärzte-ZV.
96 Im Übrigen werden durch den Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen
auch die Befugnisse der K(Z)ÄVen eingeschränkt. So dürfen sie zB in der Zeit, in der sie nur
im Sinne des § 72a Abs 2 SGB V nachrangig an der Sicherstellung der Versorgung
mitwirken, in den betroffenen Planungsbereichen ohne Zustimmung der Krankenkassen
keine Genehmigungen zur Beschäftigung von Entlastungsassistenten nach § 32 Abs 2
Zahnärzte-ZV erteilen. Das Erfordernis der Zustimmung der Krankenkassen folgt daraus,
dass eine solche Beschäftigung auch bei (Zahn-)Ärzten, die sich nicht an einem
Kollektivverzicht beteiligt haben, die Sicherstellung der Versorgung berührt, an der die
Krankenkassen während der Wirksamkeit der Feststellung der Aufsichtsbehörde nach § 72a
Abs 1 SGB V in vollem Umfang beteiligt sind.
97 Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer
entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die
Klägerin zu 2. trägt die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 iVm §
159 Satz 1 VwGO) . Eine Erstattung der Kosten der Klägerin zu 1. ist nicht veranlasst, da
diese im weiteren Verlauf des Rechtsmittelverfahrens dem Hauptantrag der Klägerin zu 2.
beigetreten ist (s hierzu Urteil des Senats vom 6.5.2009, B 6 KA 2/08 R, juris RdNr 25) ,
ebenso wenig eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen, da diese keine Anträge gestellt
haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, jeweils RdNr
16) .