Urteil des BSG vom 30.05.2006

BSG: abgabepflicht, unfallversicherung, ermessen, unternehmen, behörde, zukunft, veröffentlichung, leistungserbringer, geldleistung, verwaltungsakt

Bundessozialgericht
Beschluss vom 30.05.2006
Sozialgericht Karlsruhe S 5 KR 3875/04
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 11 KR 4373/05
Bundessozialgericht B 3 KR 7/06 B
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Beteiligten haben im Ausgangsverfahren über die Abgabepflicht der Klägerin zur Künstlersozialversicherung
gestritten. Die gegen die Feststellung der Abgabepflicht gerichtete Klage ist vom Sozialgericht abgewiesen worden
(Urteil vom 12. September 2005); das Landessozialgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung mit Urteil vom 14.
Februar 2006 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die Klägerin hat zunächst Beschwerde gegen die
Nichtzulassung der Revision eingelegt, diese aber unter dem 24. April 2006 zurückgenommen.
Gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 und § 52 Abs 1
Gerichtskostengesetz (GKG) idF des Art 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I 718)
hat das Prozessgericht den Streitwert von Amts wegen durch Beschluss festzusetzen, weil es sich vorliegend um ein
Verfahren handelt, das nach dem 1. Januar 2002 rechtshängig geworden ist und in dem weder die Klägerin noch die
Beklagte zu dem in § 183 SGG genannten kostenmäßig privilegierten Personenkreis gehören. Das Rechtsmittel ist
nach dem 1. Juli 2004 eingelegt worden. Dabei ist der Streitwert gemäß § 1 Nr 4 iVm § 52 Abs 1 GKG nach der sich
aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen, soweit in § 52
Abs 2 bis 7 GKG und weiteren Vorschriften des GKG nichts anderes bestimmt ist. Die Wertfestsetzung nach
Ermessen ist hier eröffnet, weil es für Streitigkeiten über die Abgabepflicht zur Künstlersozialversicherung keine im
GKG festgelegten pauschalen Streitwerte gibt und es insbesondere nicht um eine bezifferte Geldleistung oder einen
hierauf gerichteten Verwaltungsakt geht (§ 52 Abs 3 GKG). Der Streitwert darf dabei einen Betrag von 2.500.000 EUR
nicht überschreiten (§ 52 Abs 4 GKG) und ist auf 5.000 EUR (Auffangstreitwert) festzusetzen, wenn der Sach- und
Streitstand für eine abweichende Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet (§ 52 Ab 2
GKG).
Zur Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses eines Klägers bzw einer Klägerin an der erstrebten Entscheidung und
ihren Auswirkungen hat der für vertragsärztliche, vertragszahnarztrechtliche und vertragspsychotherapeutische
Zulassungsangelegenheiten zuständige 6. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in allen nach dem 1. Januar 2002
rechtshängig gewordenen Zulassungsverfahren das Einkommen von drei Jahren zu Grunde gelegt und zur
Begründung insbesondere auf die Regelung des § 42 Abs 3 GKG verwiesen, wonach beim Streit um wiederkehrende
Leistungen aus einen öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis und um andere wiederkehrende Leistungen
(auch) vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen für den
Streitwert maßgebend sei (vgl Beschluss vom 1. September 2005 - B 6 KA 41/04 R -, SozR 4-1920 § 52 Nr 1). Im
Anschluss hieran hat der erkennende 3. Senat seine frühere Rechtsprechung im Interesse der Einheitlichkeit der
gerichtlichen Wertfestsetzung modifiziert und geht nun für Zulassungsstreitigkeiten aus dem Bereich der
Krankenhäuser, der Rehabilitationseinrichtungen und der nichtärztlichen Leistungserbringer ebenfalls davon aus, dass
als Streitwert der dreifache Jahresbetrag des Einkommens maßgebend ist (vgl Beschluss vom 10. November 2005 -
B 3 KR 36/05 B -, SozR 4-1920 § 52 Nr 2). Dabei gilt die Dreijahresfrist allerdings nur für solche Verfahren, in denen
die Zulassung für mindestens drei Jahre streitig ist. Bezieht sich der Anspruch auf einen Zeitraum von weniger als
drei Jahren, ist ein entsprechender Abschlag vorzunehmen (so bereits BSG SozR 3-1930 § 8 Nr 4). Der für
Streitigkeiten aus der gesetzlichen Unfallversicherung zuständige 2. Senat des BSG hat sich dieser Rechtsprechung
des 6. und 3. Senats dem Grunde nach angeschlossen und bei einem Streit um die Zuständigkeit eines bestimmten
Unfallversicherungsträgers den dreifachen Jahresbeitrag des Unfallversicherungsträgers, gegen dessen Zuständigkeit
das klagende Unternehmen sich wendet, zu Grunde gelegt, mindestens aber den vierfachen Auffangstreitwert
(Beschluss vom 28. Februar 2006 - B 2 U 31/05 R -, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Die Festlegung
eines Mindeststreitwertes neben dem dreifachen Jahresbeitrag rechtfertige sich aus der Überlegung, dass die alleinige
Orientierung an dem aktuellen Dreijahresbeitrag der langfristigen Bedeutung der sich in der Regel nicht ändernden
Zuständigkeit eines Unfallversicherungsträgers für ein Unternehmen nicht gerecht werde (BSG aaO, Umdruck S 5).
Diese Grundsätze der Wertfestsetzung sind in Fällen der vorliegenden Art entsprechend anzuwenden, in denen es um
die Abgabepflicht in der Künstlersozialversicherung dem Grunde nach geht. Hier ist ebenfalls die Entscheidung einer
Behörde streitbefangen, die als Grundlagenbescheid Rechtswirkungen für die Zukunft entfaltet und maßgeblich für die
nachfolgenden jährlichen Abrechnungsbescheide ist. Allerdings kommt es nicht - wie bei den Zulassungsstreitigkeiten
- auf das jeweilige Einkommen der Klägerin in dem Dreijahreszeitraum an, denn angestrebter wirtschaftlicher Erfolg ist
nur die Vermeidung der jeweils noch festzusetzenden Künstlersozialabgabe. Diese beträgt im vorliegenden Fall
ausweislich der Schätzung im Abrechnungsbescheid der Beklagten vom 14. Juni 2004 für die Jahre 2001 bis 2003
rund 10.000 EUR; dieser Betrag ist als maßgeblicher Streitwert für das abgeschlossene Verfahren über die
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision festzusetzen. Der Senat sieht - anders als für den Bereich der
Unfallversicherung - keine Veranlassung, zusätzlich einen bestimmten Mindeststreitwert, etwa den drei- oder
vierfachen Auffangstreitwert, als Untergrenze für die Wertbe-rechnung zu Grunde zu legen, weil es in der
Künstlersozialversicherung häufiger zu Veränderungen im Tätigkeitsbild eines Unternehmens kommt, die
Auswirkungen auf die Abgabenpflicht haben können, und deshalb keine Beständigkeit der Beitragslast wie in der
Unfallversicherung anzunehmen ist.