Urteil des BSG vom 13.11.2012

BSG: Krankenversicherung, Krankenhaus, Übermittlung der Behandlungsdaten an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) im Wege der Stufenklage, Krankenkasse

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 13.11.2012, B 1 KR 24/11 R
Krankenversicherung - Krankenhaus - Übermittlung der Behandlungsdaten an den
Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) im Wege der Stufenklage - Krankenkasse
- Zurechnung von Prüfanzeigefehlern des MDK - Wirkung des prüfrechtlichen
Beschleunigungsgebots
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4.
Oktober 2011 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
München vom 1. Dezember 2010 zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Der Streitwert wird für alle Instanzen auf 5000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den
beigeladenen Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK).
2 Das beklagte Krankenhaus behandelte den bei der klagenden Krankenkasse (KK)
versicherten H. L. (im Folgenden: Versicherter) vom 23.4. bis 3.5.2007 stationär und nahm
ihn am 4.5.2007 erneut stationär auf. Die Klägerin zahlte an den Beklagten entsprechend
der Schlussrechnung vom 24.5.2007 dafür 3244,17 Euro, behielt sich aber eine
Rückforderung nach Rechnungsprüfung vor und erteilte dem Beigeladenen einen
Prüfauftrag (Schreiben an den Beklagten und den Beigeladenen jeweils vom 5.6.2007). Der
Beigeladene zeigte den Prüfauftrag dem Beklagten an (Schreiben vom 15.6.2007), blieb
jedoch ansonsten untätig. Schließlich teilte der Beklagte der Klägerin mit, die Frist für eine
zeitnahe Prüfung sei verstrichen (Schreiben vom 4.2.2008). Die Klägerin hat Klage auf
Herausgabe der Behandlungsunterlagen vom Beklagten an den Beigeladenen und auf
Zahlung eines unbezifferten Erstattungsbetrags erhoben (3.3.2008). Das SG hat die
Zahlungsklage von der Herausgabeklage getrennt und den Beklagten verurteilt, die
Unterlagen über die stationäre Behandlung des Versicherten vom 23.4. bis 3.5.2007 an den
Beigeladenen herauszugeben (Urteil vom 1.12.2010). Auf die Berufung des Beklagten hat
das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Dem Herausgabeanspruch
stehe eine aus Treu und Glauben abzuleitende Einwendung des Beklagten entgegen. Der
Beigeladene, dessen Verhalten sich die Klägerin zurechnen lassen müsse, habe die
Prüfung der Krankenhausbehandlung nicht mehr zeitnah iS von § 275 Abs 1c S 1 SGB V
durchführen können (Urteil vom 4.10.2011).
3 Die Klägerin rügt mit der Revision die Verletzung des § 275 Abs 1 S 1 Nr 1 und Abs 1c SGB
V und des § 12 Abs 1 SGB V.
4 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. Oktober 2011 aufzuheben und die
Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 1. Dezember
2010 zurückzuweisen.
5 Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
6 Er hält das LSG-Urteil für zutreffend.
7 Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
8 Die zulässige Revision der klagenden KK ist begründet. Der Senat ist nicht an einer
Sachentscheidung gehindert (dazu 1.). Das LSG-Urteil ist aufzuheben und die Berufung
des Beklagten gegen das SG-Urteil zurückzuweisen. Zu Recht hat das SG den Beklagten
verurteilt, die für eine medizinische Begutachtung erforderlichen Unterlagen über den
stationären Aufenthalt des Versicherten vom 23.4. bis 3.5.2007 an den Beigeladenen
herauszugeben (dazu 2.).
9 1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden
Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt.
10 a) Die Klägerin macht zu Recht ihren Anspruch auf Herausgabe der
Behandlungsunterlagen des Versicherten über den stationären Aufenthalt vom 23.4. bis
3.5.2007 an den beigeladenen MDK mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5
SGG gegen das beklagte Krankenhaus geltend (stRspr, zur Anwendung des § 54 Abs 5
SGG im Gleichordnungsverhältnis zwischen KK und Krankenhaus vgl nur BSGE 109, 236
= SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 8 mwN).
11 b) Der Zulässigkeit des im Wege der Stufenklage nach § 202 SGG iVm § 254 ZPO geltend
gemachten Auskunftsanspruchs steht nicht entgegen, dass die Klägerin auf Rückzahlung
gezahlter Vergütung für Leistungen des Beklagten nach § 39 SGB V klagt, ohne zu
wissen, ob überhaupt ein solcher Anspruch besteht. § 254 ZPO bestimmt: Wird mit der
Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf
Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen
verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, so
kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten
werden, bis die Rechnung mitgeteilt, das Vermögensverzeichnis vorgelegt oder die
eidesstattliche Versicherung abgegeben ist. Die Besonderheit der Stufenklage als einer
Sonderform der objektiven Klagehäufung liegt in der Zulassung eines unbestimmten
(Haupt-)Antrags, neben dem die Auskunftsklage lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch)
fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen. Sie ermöglicht die
sofortige Rechtshängigkeit des Hauptantrags trotz seiner fehlenden Bestimmtheit. Das
Unvermögen des Klägers zur bestimmten Angabe der von ihm auf der letzten Stufe seiner
Klage beanspruchten Leistung muss gerade auf den Umständen beruhen, über die er auf
der ersten Stufe Auskunft begehrt (vgl nur BGHZ 189, 79, 81 f; BGH Urteil vom 3.7.2003 -
III ZR 109/02 - NJW 2003, 2748 f; Becker-Eberhard in MünchKommZPO, 3. Aufl 2008, §
254 RdNr 6 f; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2008, Bd 4, § 254 RdNr 2; Greger in
Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 254 RdNr 1). Hauptanwendungsfall des § 254 ZPO ist - wie
auch hier - der Vorbehalt der späteren Bezifferung eines noch unbestimmten
Geldanspruchs (Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2008, Bd 4, § 254 RdNr 3). Die
Stufenklage ist nicht nur zulässig bei Unvermögen des Klägers, die Höhe des dem Grunde
nach bestehenden Geldanspruchs zu beziffern, sondern auch dann, wenn ungewiss ist, ob
überhaupt ein Anspruch besteht, sofern diese Ungewissheit über den Anspruchsgrund
und den Anspruchsinhalt durch dieselben Tatsachen, auf die der Auskunftsanspruch
gerichtet ist, geklärt werden kann (zulässige Stufenklage bei Ungewissheit über das
Bestehen und die Höhe eines geltend gemachten Provisionsanspruchs: BGH Urteil vom
16.6.2010 - VIII ZR 62/09 - NJW-RR 2011, 189; vgl auch Assmann, Das Verfahren der
Stufenklage, 1990, S 9, 33 f; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2008, Bd 4, § 254 RdNr 2).
Wenn die Auskunft hingegen nicht dem Zwecke der Bestimmbarkeit des
Leistungsanspruchs dient, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als
solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung
verschaffen soll, ist die Stufenklage unzulässig (so zum Auskunftsanspruch nach § 84a
AMG: BGHZ 189, 79, 82; s ferner BGH Urteil vom 2.3.2000 - III ZR 65/99 - NJW 2000,
1645, 1646). Hier zielt das Auskunftsbegehren der Klägerin darauf, die medizinischen
Voraussetzungen des von dem Beklagten in Rechnung gestellten Vergütungsanspruchs
zu überprüfen, aus denen sich unmittelbar Folgerungen für dessen Höhe und -
spiegelbildlich dazu - für das Vorliegen und die Höhe des Erstattungsanspruchs der
Klägerin ergeben.
12 c) Die von der Klägerin im Wege der Stufenklage neben dem unbezifferten öffentlich-
rechtlichen Erstattungsanspruch erhobene, auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen
an den Beigeladenen gerichtete Leistungsklage ist zulässig, obwohl die Klägerin weder
von dem Beklagten noch überhaupt eine kaufmännische Rechnungslegung begehrt, um
ihre auf Erstattung bereits gezahlter Vergütung gerichtete Hauptklage beziffern zu können.
Die Klage auf Rechnungslegung iS des § 254 ZPO erfasst Informationsansprüche
jeglicher Art (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 254 RdNr 6; Roth in Stein/Jonas,
ZPO, 22. Aufl 2008, Bd 4, § 254 RdNr 11). Die Klage ist überall da gegeben, wo auf
Erfüllung der durch Gesetz oder Vertrag begründeten Verpflichtung geklagt wird, die
benötigte Auskunft über den Anspruch des Klägers gegen den Beklagten begründenden
Tatsachen in sachdienlicher Weise zu erteilen (so schon RGZ 53, 252, 254 f). Hierzu zählt
auch ein von der KK klageweise geltend gemachter Anspruch auf Herausgabe von
Behandlungsunterlagen. Dieser Anspruch dient der Prüfung der ordnungsgemäßen
Abrechnung des Krankenhauses. Das Krankenhaus hat ihn wegen § 275 Abs 1 Nr 1, §
276 Abs 2 SGB V gegenüber dem MDK zu erfüllen (näher dazu unter II.2.a). Dieser
Auskunftsanspruch ist zulässiger Gegenstand einer Klage auf Rechnungslegung iS des §
254 ZPO (zu einem gleichgelagerten Sachverhalt vgl BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276
Nr 1, RdNr 12; s ferner BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 34; BSG SozR
5550 § 13 Nr 1 S 2; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 56
RdNr 5).
13 d) Der Senat ist schließlich nicht an einer Entscheidung in der Sache dadurch gehindert,
dass das SG mit Beschluss vom 1.12.2010 die auf Herausgabe der
Behandlungsunterlagen an den Beigeladenen gerichtete Auskunftsklage von der den
Hauptanspruch betreffenden Klage abgetrennt und mit Urteil vom selben Tage nur über
den Herausgabeanspruch entschieden hat. Bei einer Stufenklage stehen
Rechnungslegungs- und Zahlungsanspruch, obwohl es sich prozessual um
selbstständige Streitgegenstände handelt (BGH Urteil vom 5.5.1994 - III ZR 98/93 - NJW
1994, 2895; BGHZ 76, 9, 12), als Entscheidungsverbund in einem untrennbaren
Zusammenhang (BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 12; vgl auch Assmann,
Das Verfahren der Stufenklage, 1990, S 24: Stufenklage als "sukzessive Klagehäufung").
Über den Rechnungslegungsanspruch hat das Gericht grundsätzlich (zu den Ausnahmen
vgl Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2008, Bd 4, § 254 RdNr 22 mwN) vorab durch
Teilurteil (§ 202 SGG iVm § 301 Abs 1 ZPO) zu entscheiden (BGH Urteil vom 28.11.2001 -
VIII ZR 37/01 - NJW 2002, 1042, 1044; BGH Urteil vom 21.2.1991 - III ZR 169/88 - NJW
1991, 1893; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2008, Bd 4, § 254 RdNr 21; Greger in
Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 254 RdNr 7). Wäre eine Trennung der Streitgegenstände hier
möglich, wie dies vom SG fälschlich angenommen wurde, müsste es sich um eine
kumulative Klagehäufung handeln, die aber voraussetzt, dass die Ansprüche voneinander
unabhängig sind. Die unbezifferte und von der Klägerin noch nicht bezifferbare
Leistungsklage ist hingegen nur deswegen zulässig, weil sie im Verbund mit dem
Rechnungslegungsanspruch erhoben worden ist (zum Erfordernis eines bezifferten
Antrags bei Leistungsklagen nach § 54 Abs 5 SGG vgl BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39
Nr 2, RdNr 6; BSGE 83, 254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1 S 10 f). Die
verfahrensfehlerhafte Abtrennung der Klage auf Rechnungslegung führt jedoch nicht zu
deren Unzulässigkeit, da die Klägerin diese Klage auch isoliert hätte erheben können. Die
Stufenklage begünstigt die Klägerin lediglich insoweit, als die auf Zahlung gerichtete
Klage sofort rechtshängig wird. Hingegen ist das SG aufgrund seines Verfahrensfehlers
gehindert, über die Zahlungsklage trotz eines fehlenden bezifferten Klageantrags zu
entscheiden. Dies bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Vertiefung (zur
Kostenentscheidung s unter 3.).
14 2. Die Klage auf Übermittlung der den Versicherten betreffenden Behandlungsdaten an
den Beigeladenen ist begründet. Der Anspruch der Klägerin auf Herausgabe der
Behandlungsunterlagen an den Beigeladenen ist entstanden (dazu a). Der Anspruch ist
auch nicht erloschen. Anspruchsvernichtende Einwendungen bestehen nicht (dazu b).
15 a) Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Herausgabe der den Versicherten
betreffenden Unterlagen über die stationäre Behandlung vom 23.4. bis 3.5.2007 an den
Beigeladenen ergibt sich aus § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V (idF durch Art 3 Nr 7 Buchst
b Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Sozialgesetzbuchs über den Schutz der
Sozialdaten sowie zur Änderung anderer Vorschriften
Sozialgesetzbuchs - 2. SGBÄndG> vom 13.6.1994, BGBl I 1229; vgl BSGE 102, 181 =
SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 35; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 16 RdNr 20; BSGE 98,
142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 14 ff). Der Gesetzgeber schuf mit § 276 Abs 2 S 1
Halbs 2 SGB V eine unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten geeignete
Rechtsgrundlage zur direkten Übermittlung von Daten der Leistungserbringer an den
MDK, um eine zügige Bearbeitung von Prüfungen nach § 275 SGB V zu gewährleisten
(vgl BT-Drucks 12/5187 S 32). Die Vorschrift berechtigt nur die KKn dazu, dies von den
Leistungserbringern verlangen zu können. Sie weist dem MDK keine
"Verfahrensherrschaft" zu.
16 Der Anwendungsbereich dieses Herausgabeanspruchs ist eröffnet. Weder geht es um
eine Überprüfung der Abrechnungsvoraussetzungen und der vorgenommenen
Abrechnung auf der Grundlage der an die KK zu übermittelnden Abrechnungsdaten des
Krankenhauses (§ 301 SGB V; s hierzu zB BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15,
RdNr 31, dort auch zur Unmaßgeblichkeit der früheren Substantiierungsanforderungen
seit der Entscheidung des Großen Senats, und RdNr 39; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3
KR 14/11 R - Juris RdNr 19, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24
vorgesehen; Kurzbericht gemäß maßgeblichem Landesvertrag nach § 112 SGB V) noch
ist eine Stichprobenprüfung nach § 17c KHG (eingefügt durch Art 2 Nr 5 Gesetz zur
Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser
vom 23.4.2002, BGBl I 1412) betroffen. Vielmehr will die
Klägerin erreichen (sog dritte Stufe der Sachverhaltserhebung, vgl dazu BSG Urteil vom
16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - Juris RdNr 18 ff mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und
SozR 4-2500 § 109 Nr 24 vorgesehen), dass der Beklagte verurteilt wird, dem
Beigeladenen alle weiteren Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die er zur
Beantwortung der Prüfanfrage der Klägerin benötigt.
17 § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V verpflichtet den Leistungserbringer dann, wenn die KK
nach § 275 Abs 1 bis 3 SGB V eine gutachtliche Stellungnahme oder Prüfung durch den
MDK veranlasst hat, Sozialdaten auf Anforderung des MDK unmittelbar an diesen zu
übermitteln, soweit dies für die gutachtliche Stellungnahme und Prüfung erforderlich ist.
Maßgeblich ist im Falle der Klägerin § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V (idF durch Art 1 Nr 6b FPG
vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 275 Abs 1c S 1 und 2 SGB V (idF durch Art 1 Nr 185
Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG> vom 26.3.2007, BGBl I 2007, 378). Mit dem 3.
Senat des BSG leitet der erkennende 1. Senat des BSG aus § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB
V her, dass die KK für die im Gesetz genannten Zwecke vom Krankenhaus die
Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den MDK beanspruchen kann (vgl BSGE
102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 35; BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1
RdNr 17; zu Parallelbereichen vgl Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 1987, S 127 ff mwN; zu
dem im Zivilrecht auf der Grundlage des § 242 BGB richterrechtlich entwickelten
"erweiterten" Auskunftsanspruch vgl RGZ 108, 1, 7, seither dort stRspr, vgl nur BGH Urteil
vom 6.2.2007 - X ZR 117/04 - NJW 2007, 1806, 1807 mwN; s ferner Winkler von
Mohrenfels, Abgeleitete Informationsleistungspflichten im deutschen Zivilrecht, 1986, S 33
ff; Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, 2010, S 56 f).
18 Die Voraussetzungen des § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V sind erfüllt. Die Klägerin
beauftragte als KK den beigeladenen MDK, gemäß § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V und § 275
Abs 1c S 1 und 2 SGB V eine gutachtliche Stellungnahme zur ordnungsgemäßen
Abrechnung der Krankenhausbehandlung des Versicherten durch den Beklagten
abzugeben. Nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V sind die KKn in den gesetzlich bestimmten
Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach
dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, ua bei Auffälligkeiten zur Prüfung der
ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen.
Es bestehen Auffälligkeiten, die die KK zur Einleitung einer Abrechnungsprüfung unter
Anforderung einer gutachtlichen Stellungnahme des MDK berechtigen und verpflichten,
wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung
vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der KK
verwertbare Informationen (vgl zu Letzterem Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 14/12 R -
RdNr 33 und 35, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) Fragen nach der -
insbesondere sachlich-rechnerischen - Richtigkeit der Abrechnung und/oder nach der
Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die KK aus sich heraus ohne
weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK nicht
beantworten kann (vgl zB BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 36:
Entlassung aus stationärer Behandlung an einem Montagvormittag bei Vergütung nach
BPflVO). Liegt keine Auffälligkeit im dargelegten Rechtssinne vor, kann der MDK bei
einem solchen, auf bloß vermeintliche Auffälligkeiten gestützten Auftrag die KK hierauf
verweisen. Das Krankenhaus darf die Herausgabe von dennoch angeforderten weiteren
Behandlungsunterlagen, die über das für die Abrechnung Erforderliche (vgl hierzu BSG
Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 14/12 R - RdNr 29 und 31, zur Veröffentlichung in SozR
vorgesehen) hinausgehen, an den MDK unter Hinweis auf das Fehlen von Auffälligkeiten
verweigern. Auch insoweit unterscheiden sich Auffälligkeits- von Stichprobenprüfungen (§
17c Abs 2 KHG). Stichprobenprüfungen können dementsprechend auch keinen Anspruch
auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c SGB V auslösen (vgl BSGE
106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13).
19 Das Krankenhaus hat dagegen kein Recht, die Mitteilung angeforderter Informationen an
den MDK zu verweigern, soweit es seinen eigenen Informationspflichten im Rahmen der
Abrechnung noch nicht nachgekommen ist (vgl zur Erfüllung der Informationspflichten als
Beteiligtenvortrag in einem Berufungsverfahren BSG Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 14/12
R - RdNr 31 f, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
20 In Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V ordnet § 275 Abs 1c S 1 SGB
V an, dass eine Prüfung nach Abs 1 Nr 1 zeitnah durchzuführen ist. Dieses wird in Abs 1c
S 2 dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der
Abrechnung bei der KK einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen ist
(vgl BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - Juris RdNr 11, zur Veröffentlichung in
BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24 vorgesehen; BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275
Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 10; zur Auslegung dieser Norm vgl
auch Urteil des erkennenden Senats vom 13.11.2012 - B 1 KR 10/12 R - RdNr 9, zur
Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
21 Es bestanden bei der Abrechnung des Beklagten "Auffälligkeiten", die eine unzutreffende
Abrechnung sowohl unter dem Gesichtspunkt der Unwirtschaftlichkeit als auch unter dem
der sachlich-rechnerischen Unrichtigkeit als eine Möglichkeit erscheinen lassen. Nach
den unangegriffenen und daher den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163
SGG) begab sich nämlich der Versicherte am Tag nach seiner Entlassung bereits wieder
in die stationäre Behandlung des Beklagten. Die Möglichkeit einer Zusammenfassung der
Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale nach § 2
Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2007
(Fallpauschalenvereinbarung 2007 - FPV 2007) kommt hier ernsthaft in Betracht. Nicht
auszuschließen ist auch, dass der Beklagte den Versicherten - medizinisch kontraindiziert
- zu früh aus der stationären Behandlung entlassen hat.
22 Die Klägerin erteilte auch innerhalb der sechswöchigen Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c
S 2 SGB V (vgl dazu BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 12/11 R - Juris RdNr 16, zur
Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 275 Nr 5 vorgesehen; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3
KR 14/11 R - Juris RdNr 17, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24
vorgesehen; SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 15; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr
15, RdNr 37; SozR 4-2500 § 109 Nr 16 RdNr 16) dem Beigeladenen den Prüfauftrag
(Eingang der Rechnung des Beklagten bei der Klägerin am 29.5.2007, Prüfauftrag erteilt
mit Schreiben der Klägerin vom 5.6.2007).
23 b) Die Einwendungen des Beklagten gegen den Herausgabeanspruch greifen nicht durch.
24 Die Klägerin muss sich zwar das Verhalten des Beigeladenen im Rahmen der Anzeige
der Erteilung von Prüfaufträgen nach § 275 Abs 1 bis 3 SGB V zurechnen lassen (dazu
aa). Die Klägerin hat aber weder das kompensatorische (dazu bb) noch das prüfrechtliche
Beschleunigungsgebot (dazu cc) verletzt. Auch ist der Auskunftsanspruch weder verwirkt
(dazu dd) noch einer sonstigen Einwendung ausgesetzt (dazu ee). Der Beklagte kann
nicht der Klägerin entgegenhalten, dass jedenfalls wegen Ablaufs von vier Jahren seit
Zugang der Rechnung ein Prüfverfahren ausgeschlossen sei (dazu ff). Es greift schließlich
keine vertragliche Ausschlussfrist ein (dazu gg).
25 aa) Grundsätzlich kann ein Krankenhaus eine durch den MDK verursachte Versäumung
der Frist des § 275 Abs 1c S 2 SGB V der KK entgegenhalten. Zeigt der MDK die
Einleitung der Prüfung dem Krankenhaus nicht oder nicht rechtzeitig nach § 275 Abs 1c S
2 SGB V an, bewirkt dies - nachgelagert - ein sich auch auf das Gerichtsverfahren
erstreckendes Beweisverwertungsverbot (vgl BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R -
Juris RdNr 30, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24 vorgesehen).
Der erkennende 1. Senat des BSG geht in Übereinstimmung mit dem 3. Senat des BSG
von einem solchen Verbot sowie auch davon aus, dass das Beweisverwertungsverbot auf
Verfahren der Abrechnungsprüfung zwecks Minderung des abgerechneten Betrags nach §
275 Abs 1c SGB V beschränkt ist, bei denen der MDK Sozialdaten gemäß § 276 Abs 2 S
1 Halbs 2 SGB V benötigt. Über das Verwertungsverbot hinaus steht - vorgelagert - eine
Verletzung der Informationspflicht des MDK über die Einleitung der Prüfung schon einem
Anspruch der KK aus § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V auf Übermittlung der den
Versicherten betreffenden Behandlungsdaten an den MDK entgegen, wenn es hierzu
kommt. Insoweit muss sich die Klägerin das Verhalten des Beigeladenen hinsichtlich der
Prüfanzeige im Rahmen der Erteilung von den genannten Abrechnungsprüfaufträgen nach
§ 275 SGB V zurechnen lassen. Die Zurechnung des Handelns des MDK in diesem
Rechtsverhältnis mit Wirkung gegenüber den KKn ergibt sich nicht aus der analogen
Anwendung zivilrechtlicher Zurechnungstatbestände, sondern unmittelbar aus § 275 SGB
V. Hiernach sind die KKn gehalten, das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) durch
die entsprechende Vergabe von Prüfaufträgen an den MDK durchzusetzen. Auch würde
ansonsten der Regelungszweck des § 275 Abs 1c SGB V unterlaufen werden.
Krankenhäuser können sich danach gegenüber KKn auf das Unterlassen oder die
Verspätung der Prüfanzeige als rechtserhebliche Mängel des Prüfverfahrens nach § 275
Abs 1 Nr 1 und Abs 1c SGB V berufen, obwohl sie der Sphäre des MDK zuzurechnen sind
(vgl ebenso BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - Juris RdNr 29, zur
Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24 vorgesehen, unter ausdrücklicher
Aufgabe von BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 17-18).
26 Der Beklagte kann sich hier nicht darauf berufen, der Beigeladene habe ihn nicht
rechtzeitig informiert. Der Beigeladene setzte nämlich den Beklagten im vorliegenden
Falle alsbald nach Eingang des Prüfauftrags von diesem in Kenntnis (Prüfauftrag vom
5.6.2007, Information des Beklagten durch den Beigeladenen mit Schreiben vom
15.6.2007).
27 bb) Kein Einwand erwächst dem Beklagten aus einem vermeintlichen Verstoß gegen das
"kompensatorische Beschleunigungsgebot". Dieses Gebot, zügig zu verfahren, beruht auf
dem Regelungskomplex der gesetzlichen Zahlungspflichten, die mit der
Vorleistungspflicht der Krankenhäuser korrespondieren. Zu Recht betont die
Rechtsprechung des 3. Senats des BSG, dass aus den gesetzlichen Vorgaben der
Vorleistungspflicht der Krankenhäuser ein gesetzlicher Beschleunigungsauftrag
hinsichtlich der Vergütung erwächst. Diese Pflicht zur Beschleunigung findet ihren
Niederschlag in den Regelungen über Abschlagszahlungen, angemessene monatliche
Teilzahlungen und Verzugszinsen bei verspäteter Zahlung (vgl § 8 Abs 7 S 2 und S 3, §
11 Abs 1 S 3 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG); BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR
14/11 R - Juris RdNr 13 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24
vorgesehen). Die genannten Regelungen dürfen nicht dadurch unterlaufen werden, dass
die KKn Abschlagszahlungen mit dem bloßen Argument verweigern, es sei nicht
auszuschließen, dass eine - noch nicht abgeschlossene - Prüfung künftig ergeben könnte,
die erbrachte Leistung sei nicht erforderlich gewesen. Eine unzulässige Rechtsausübung
wäre es auch, wenn KKn unter Verstoß gegen ein vertraglich vereinbartes
Prüfungsverfahren routinemäßig und pauschal die Begleichung von
Krankenhausrechnungen verweigerten, weil angebliche Erfahrungswerte zur
erforderlichen Verweildauer überschritten wären (vgl BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112
Nr 2, sog "Berliner Fälle"; zustimmend ebenso BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr
15, RdNr 42).
28 Sinn und Zweck der die Vorleistungen zunächst kompensierenden Abschlagszahlungen
stehen einem Vorgehen der KKn entgegen, den Krankenhäusern - ohne Rechtfertigung
durch ein konkretes Prüfergebnis - solche Zahlungen zu verweigern. Trotz erfolgter
Zahlung bleiben die KKn bei Erklärung des erforderlichen Vorbehalts indes berechtigt,
wenn ihnen die Prüfergebnisse vorliegen, die Abschlagszahlungen ohne Änderung der
ursprünglichen Verteilung der objektiven Beweislast zurückzufordern. Die
Abschlagszahlungen unter Vorbehalt verschaffen dem Krankenhaus keinerlei
beweisrechtlichen Vorteil hinsichtlich der Notwendigkeit der erbrachten Leistung und der
Richtigkeit der Abrechnung.
29 Ein Verstoß gegen das "kompensatorische Beschleunigungsgebot" besteht nicht. Der
Beschleunigungsauftrag aufgrund der genannten Regelungen über Abschlags- und
Teilzahlungen begründet hier schon deshalb keine Einwendungen des Beklagten gegen
den Herausgabeanspruch, weil die Klägerin pflichtgemäß die Schlussrechnung des
Beklagten vom 24.5.2007 - für sie rechtswahrend unter dem Vorbehalt medizinischer
Überprüfung - beglich.
30 cc) Der Beklagte kann auch keinen Einwand aus einem angeblichen Verstoß des
Beigeladenen gegen das "prüfrechtliche Beschleunigungsgebot" der Vorgaben des § 275
Abs 1c SGB V für sich ableiten, obwohl der Beigeladene bis zum 4.2.2008 (Datum des
Schreibens des Beklagten, dass der Überprüfungsanspruch verfristet sei) noch keine
Prüfung der Abrechnung anhand der Krankenhausunterlagen vorgenommen hatte. § 275
Abs 1c SGB V konkretisiert seit 1.4.2007 die allgemeinen Anforderungen von Treu und
Glauben, nach denen Krankenhaus und KKn angesichts ihrer auf Dauer angelegten
Rechtsbeziehung gehalten sind, so zügig zu kooperieren, dass es nicht zu treuwidrigen
Verzögerungen kommt. Die Bestimmung regelt abschließend die sozialrechtlichen
Sanktionen bei Verstößen. Das entspricht dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck der
Regelung unter Berücksichtigung des Regelungssystems. Wie oben dargelegt ordnet §
275 Abs 1c S 1 SGB V in Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V an,
dass eine Prüfung nach Abs 1 Nr 1 "zeitnah" durchzuführen ist. Dieses wird in Abs 1c S 2
dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der
Abrechnung bei der KK einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen ist
(vgl BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - Juris RdNr 11, zur Veröffentlichung in
BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24 vorgesehen; BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275
Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 10). Die Regelung schneidet den KKn -
über das unter aa) umrissene Auskunfts- und Beweisverwertungsverbot hinaus - keine
weiteren Rechte ab, mit Hilfe des MDK Abrechnungen von Krankenhäusern zu
überprüfen.
31 Das Vorgehen der KKn nach § 275 SGB V hat seinen Ursprung darin, dass es zu den
elementaren Aufgaben einer KK gehört, auf die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots
(§ 2 Abs 1 S 1, § 4 Abs 3, § 12 Abs 1 SGB V) Acht zu geben, welches uneingeschränkt
auch im Bereich des Leistungserbringungsrechts gilt (§ 70 Abs 1 SGB V; vgl auch BSG
SozR 4-2500 § 275 Nr 4). Der Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung,
die Pflicht der KK zu ihrer Bewilligung sowie die Pflicht des Krankenhausträgers zu ihrer
Bewirkung hängen von der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots ab.
32 Das Wirtschaftlichkeitsgebot verknüpft die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung,
ihre Vergütung und die Kontrolle des Vorliegens ihrer Voraussetzungen durch KKn und
MDK untrennbar miteinander. Dieser enge Zusammenhang stellt keine auf die
Krankenhausversorgung beschränkte Besonderheit dar, vielmehr findet sich Ähnliches
auch zB bei den Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen nach §§ 106, 106a SGB
V im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung (zur Verklammerung vertragsärztlicher
Wirtschaftlichkeitsprüfungen mit den Leistungsansprüchen der Versicherten vgl zB BSG
Urteil vom 6.5.2009 - B 6 KA 3/08 R - USK 2009-14 = Juris RdNr 16 ff; BSG SozR 4-2500
§ 106 Nr 21 RdNr 16 ff). Auch § 275 Abs 1 SGB V basiert in diesem Sinne auf der
gesetzlichen Pflicht einerseits der KKn, nur solche Leistungen zu bewilligen, und
andererseits der Krankenhäuser, nur solche Leistungen zu bewirken, die ausreichend,
zweckmäßig und wirtschaftlich sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Ein Anspruch auf Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V setzt
deshalb ua voraus, dass die Behandlung notwendig bzw erforderlich war (vgl dazu und zu
den sich daraus ergebenden Anforderungen näher nur: BSG - Großer Senat - BSGE 99,
111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 15 ff, 27 ff). § 275 Abs 1 SGB V verpflichtet die KKn,
eben diese Voraussetzungen zu überprüfen und hierzu ggf den MDK einzuschalten (vgl
zum Ganzen BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 19; ebenso 3. Senat des
BSG: Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 12/11 R - Juris RdNr 10, zur Veröffentlichung in SozR
4-2500 § 275 Nr 5 vorgesehen; Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - Juris RdNr 23, zur
Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24 vorgesehen).
Rechtssystematisch zielt in diesem Zusammenhang § 275 Abs 1c S 3 SGB V nur auf die
Einschränkung von solchen Prüfungen ab, die KKn ohne berechtigten Anlass, ggf gar
durch "missbräuchliche" Prüfungsbegehren eingeleitet haben (vgl BSGE 106, 214 = SozR
4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 21). Wortlaut, Regelungssystem und Zweck des § 275 Abs 1c
SGB V lassen sich auch nicht - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - durch Hinweise
auf die Gesetzesmaterialien überspielen. Die Gesetzesmaterialien sprechen im Übrigen
im Kern auf der Grundlage der in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen erkennbar
nur die typischen unbefriedigend verlaufenen ("Bürokratie verursachenden") Verfahren an
und machen sie zum Regelungsgegenstand des § 275 Abs 1c SGB V, in denen es aus
der Initiative der KKn heraus zu einer übermäßig starken, "streufeuerartigen", stark
zeitversetzten und/oder verzögernden Inanspruchnahme der Prüfmöglichkeit gekommen
war (zum Bedeutungsgehalt vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 24).
33 Die Regelung des § 275 Abs 1c SGB V begründet keine gesetzliche Ausschlussregelung
jenseits der sechswöchigen Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c S 2 SGB V. Namentlich aus
§ 275 Abs 1c S 1 SGB V und dem dort geregelten Erfordernis der zeitnahen Prüfung kann
eine Ausschlussfrist nicht abgeleitet werden.
34 Soweit der Beklagte darauf verweist, dass das Krankenhaus nach § 8 Abs 7 S 2 KHEntgG
vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung über eine zeitnahe Vergütung ab dem achten
Tag des Krankenhausaufenthalts eine angemessene Abschlagszahlung verlangen kann,
dass in Umsetzung des § 11 Abs 1 S 3 KHEntgG zur Festlegung zeitnaher
Zahlungszeiträume zwei bis drei Wochen festgelegt werden und dass nach § 17c KHG in
Verbindung mit den jeweiligen Vereinbarungen eine Stichprobenprüfung binnen acht
Wochen beendet sein muss, folgt daraus nichts für die Auslegung des § 275 Abs 1c S 1
SGB V. Die beiden zuerst genannten Vorschriften stehen in einem völlig anderen, mit dem
des § 275 Abs 1c SGB V nicht vergleichbaren Regelungskontext. Auch § 17c KHG ist
keine tragfähige Grundlage für die Begründung einer auf § 275 Abs 1c S 1 SGB V
gestützten Ausschlussfrist. Obwohl es dem Gesetzgeber gerade darum ging, mit § 275
Abs 1c S 1 SGB V auf eine zeitnahe Einzelfallprüfung hinzuwirken und dies für sämtliche
Schritte der Einleitung durch die KK und der Durchführung der Prüfung durch den MDK
gelten soll (vgl BT-Drucks 16/3100 S 171), hat er - im Gegensatz zu § 275 Abs 1c S 2 SGB
V (vgl BT-Drucks 16/3100 S 171) - von der Formulierung einer Ausschlussfrist abgesehen.
Wenn im Gegensatz dazu § 2 Abs 10 der Gemeinsamen Empfehlung zum Prüfverfahren
nach § 17c KHG vorsieht, dass der MDK die Stichprobenprüfung innerhalb einer Frist von
acht Wochen mit einem Prüfbericht abzuschließen hat, folgt daraus gerade nichts für § 275
Abs 1c S 1 SGB V, wie auch das LSG zutreffend erkannt hat.
35 Der Beklagte kann für sich nichts daraus herleiten, dass der 6. Senat des BSG für das
Vertragsarztrecht seit dem Urteil vom 16.6.1993 (BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr
19) in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass die vertragsärztliche
Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht der Verjährung unterliegt, aber der die
Wirtschaftlichkeitsprüfung abschließende Bescheid über Honorarkürzungen dem
Vertragsarzt spätestens vier Jahre nach der vorläufigen Honorarabrechnung
bekanntgegeben werden muss (zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 18 f, 28 f, 31;
s ferner Clemens in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106 RdNr 186, 244). Die
Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung des Prüfverfahrens ergibt sich hier bereits aus
dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit (Art 20 Abs 3 GG); greifen die
Verjährungsvorschriften nicht ein, so muss der Gefahr eines "ewigen Prüfverfahrens" auf
andere Weise begegnet werden. Daher hat es das BSG als sachgerecht angesehen, die
in den Büchern des SGB für die Verjährung einheitlich festgesetzte Frist von vier Jahren
im Sinne einer zeitlichen Höchstgrenze als Ausschlussfrist auch auf das Verfahren zur
endgültigen Festsetzung der vertragsärztlichen Honorare zu übertragen (BSG SozR 4-
2500 § 106 Nr 28 RdNr 28; BSGE 72, 271, 277 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 112). Das
BSG begründet die Notwendigkeit einer Ausschlussfrist unter analoger Anwendung der
Verjährungsfrist des § 45 SGB I auf die richterrechtlich geschaffene Ausschlussfrist
wesentlich mit dem fehlenden Anspruchscharakter des Rechts des Prüfungsausschusses,
den Honoraranspruch endgültig und entsprechend dem Prüfergebnis anders als im
Honorarbescheid festzusetzen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 19; BSGE 72, 271,
273 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 107). Diese Überlegungen treffen auf das
Leistungserbringungsverhältnis zwischen Krankenhaus und KK nicht zu. Im hier
bestehenden Gleichordnungsverhältnis (vgl unter II. 1. a) kann kein am
Leistungserbringungsverhältnis Beteiligter und keine Behörde die Vergütung für die
stationären Krankenhausleistungen zu irgendeinem (späteren) Zeitpunkt endgültig
festsetzen. Denn im Gegensatz zu dem vorläufigen Charakter des begünstigenden
Honorarbescheids, dessen Vorläufigkeit der Vertragsarzt nicht selbst beseitigen kann,
haben die Krankenhäuser im Gleichordnungsverhältnis die Möglichkeit, bei Nicht- oder
Teilzahlung der abgerechneten Vergütung auf Leistung der (Rest-)Vergütung zu klagen
(zu bundesrechtlich zulässigen Einbehalten von geforderten Vergütungen vgl BSG SozR
4-2500 § 109 Nr 16 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 3 RdNr 6). Auch fehlt es nicht
bei typischen Problemlagen in Verfahren nach den §§ 275, 276 SGB V, wie die
vorliegende Stufenklage zeigt, an dem Prüfverfahren zugeordneten Ansprüchen, die der
Verjährung unterliegen.
36 (dd) Die abschließende, abgestufte Regelungskonzeption des § 275 Abs 1c SGB V,
lediglich die kurze Frist des Satzes 2 zu sanktionieren, bei im Anschluss an gezielte
Abrechnungsprüfungen (zu dieser Grundvoraussetzung auch bei Vorliegen einer
Rechnung vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13) nicht erfolgten
Abrechnungskürzungen zu einer pauschalen Aufwandspauschale zu gelangen (vgl § 275
Abs 1c S 3 SGB V) und nach erfolgter rechtskonformer Einleitung der Prüfung die
Verjährungsfrist als Zeitgrenze eingreifen zu lassen, eröffnet keinen Raum für die
Krankenhäuser, sich etwa wegen zögerlicher Prüfbearbeitung des MDK auf Verwirkung zu
berufen.
37 Zudem passt das Rechtsinstitut der Verwirkung als ergänzende Regelung innerhalb der
kurzen vierjährigen Verjährungsfrist nicht. Es ist als Ausprägung des Grundsatzes von
Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere
für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt. Die Verwirkung
setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die
Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere
besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in
Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach
Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche, die
Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete
infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf
vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde
(Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das
Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen
Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch
die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde
(stRspr; vgl BSGE 109, 22 = SozR 4-2400 § 7 Nr 14, RdNr 36; BSG SozR 4-2400 § 24 Nr
5 RdNr 31; BSG SozR 4-2600 § 243 Nr 4 RdNr 36; BSG SozR 4-4200 § 37 Nr 1 RdNr 17;
BSG SozR 3-2400 § 4 Nr 5 S 13; BSG Urteil vom 30.7.1997 - 5 RJ 64/95 - Juris RdNr 27;
BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 S 17 f; BSG Urteil vom 1.4.1993 - 1 RK 16/92
- FEVS 44, 478, 483 = Juris RdNr 23; BSG SozR 2200 § 520 Nr 3 S 7; BSG Urteil vom
29.7.1982 - 10 RAr 11/81 - Juris RdNr 15; BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11
S 15; BSG Urteil vom 25.1.1972 - 9 RV 238/71 - Juris RdNr 17; vgl auch Hauck,
Vertrauensschutz in der Rechtsprechung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, in
Brand/Lembke (Hrsg), Der CGZP-Beschluss des Bundesarbeitsgerichts, 2012, S 147 ff,
167 f).
38 Hat der MDK die Prüfung nach § 275 Abs 1c SGB V angezeigt, ohne sodann zügig in eine
Prüfung einzutreten, fehlt es bereits an einem Verwirkungsverhalten. Allein der Zeitablauf
stellt ein solches Verwirkungsverhalten noch nicht dar. Denn die Verwirkung unterscheidet
sich von der Verjährung dadurch, dass der bloße Zeitablauf nicht genügt, um die
Ausübung des Rechts als unzulässig anzusehen (s ferner ergänzend zu den bereits oben
genannten Entscheidungen BSGE 51, 260, 262 = SozR 2200 § 730 Nr 2 S 4; BSG Urteil
vom 30.10.1969 - 8 RV 53/68 - USK 6983 S 345 = Juris RdNr 23; BSGE 38, 187, 194 =
SozR 2200 § 664 Nr 1 S 9; BSGE 34, 211, 214 = SozR Nr 14 zu § 242 BGB; BSGE 7, 199,
201; vgl auch BGH NJW 2011, 445, 446).
39 Nichtstun, also Unterlassen, kann ein schutzwürdiges Vertrauen ausnahmsweise
allenfalls dann begründen und zur Verwirkung des Rechts führen, wenn der Schuldner
dieses als bewusst und planmäßig erachten darf (vgl BSG Urteil vom 19.6.1980 - 7 RAr
14/79 - USK 80292 S 1312 = Juris RdNr 32; BSGE 47, 194, 197 = SozR 2200 § 1399 Nr
11 S 17; BSGE 45, 38, 48 = SozR 4100 § 40 Nr 17 S 55). Davon ist bei Unterlassen von
Prüfmaßnahmen des MDK innerhalb der kurzen, vierjährigen Verjährungsfrist bei von der
KK als "Herrin" des Prüfverfahrens erteiltem Prüfauftrag nicht auszugehen.
40 ee) Der Verweis auf Treu und Glauben begründet auch im Übrigen keine tragfähige
Einwendung. Tragende Sachargumente, die in Verbindung mit der Prüfungsdauer Basis
für den Vorwurf von Treuwidrigkeit sein könnten, ergeben sich weder aus den den
Krankenhäusern durch die Prüfung entstehenden Kosten (1) noch aus einer etwaigen
Beweisverschlechterung (2) noch aus zu bilanzierenden Rückstellungen der
Krankenhäuser (3).
41 (1) Führt die Prüfung des MDK bei Vorliegen einer Krankenhausrechnung aufgrund eines
hierauf gerichteten gezielten Prüfauftrags der KK zu keiner Minderung der Rechnung,
haben ausnahmsweise die KKn die Kosten des Aufwandes der Krankenhäuser in
pauschalierter Form zu tragen (§ 275 Abs 1c S 3 SGB V; vgl näher BSGE 106, 214 =
SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13 ff). Die Erfüllung gesetzlicher Prüfpflichten mit Hilfe der
dazu bereichsspezifisch vorgesehenen Verfahren und Prüfsysteme kann grundsätzlich
keine einseitigen Zahlungsansprüche eines Krankenhauses zu Lasten einer KK auslösen,
seien sie auch in das Gewand einer Aufwandspauschale gekleidet. Die für Prüfverfahren
entstehenden Kosten sind vielmehr grundsätzlich Teil der Kosten der Leistungserbringung
selbst, dh schon in die Vergütung für die erbrachten Leistungen mit "eingepreist" und
können daher nur ausnahmsweise - unter eng umrissenen Voraussetzungen - den KKn
zusätzlich und allein auferlegt werden (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3,
RdNr 19). Ist eine Rechnung überhöht und stellt dies der MDK fest, versteht es sich vor
diesem Hintergrund von selbst, dass die Krankenhäuser den ihnen im Rahmen der MDK-
Prüfung entstehenden zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu tragen haben, den sie durch
unzutreffende Abrechnungen letztlich selbst verursacht haben. Dies gilt umso mehr, als
die dem MDK dabei entstehenden Kosten auch im Erfolgsfall von der Gemeinschaft der
Beitragszahler zur gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen sind (vgl § 281 SGB V;
BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 19).
42 (2) Sinn der Prüfungsanzeigepflicht des § 275 Abs 1c S 2 SGB V gegenüber den
Krankenhäusern ist es insbesondere, ihnen die Vorbereitung der Prüfung zu erleichtern
und eine eigene zeitnahe Prüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer
Behandlungsdokumentation zu ermöglichen. Die Krankenhäuser erfahren aus der
Anzeige des Prüfauftrags, welche Rechnungen aus der Sicht der KKn auffällig sind, und
können im Rahmen ihrer ohnehin bestehenden Dokumentationspflichten dafür Sorge
tragen, dass die Behandlungsunterlagen gesichert und im Falle einer unzureichenden
Dokumentation zeitnah ergänzt werden. Auf ein frisches Erinnerungsvermögen der
behandelnden Ärzte kommt es dann nicht mehr an. Insoweit ist den Interessen der
Krankenhäuser bereits durch die kurze Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c S 2 SGB V
hinreichend Rechnung getragen.
43 (3) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist Voraussetzung für die Bildung einer
Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten das Bestehen einer dem Betrage nach
ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung
einer Verbindlichkeit dem Grunde nach - deren Höhe zudem ungewiss sein kann - und
ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Zudem ist
erforderlich, dass der Schuldner ernsthaft mit der Inanspruchnahme rechnen muss. Auch
für Verpflichtungen, die sich aus öffentlichem Recht ergeben (Geld- oder
Sachleistungsverpflichtungen), können Rückstellungen gebildet werden. Dies setzt
allerdings voraus, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist
(vgl zum Ganzen BFHE 206, 25, 27 mwN; s ferner BFH Urteil vom 6.6.2012 - I R 99/10 -
DStR 2012, 1790, 1791). Wann dies im Zusammenhang mit MDK-Abrechnungsprüfungen
im Einzelnen der Fall ist, ist - soweit ersichtlich - bislang nicht Gegenstand einer BFH-
Entscheidung gewesen (zur Rückstellung bei Prüfverfahren nach § 106 SGB V siehe FG
Bremen Urteil vom 8.2.2012 - 1 K 32/10 (5) - KrV 2012, 159 ff m abl Anm Schroeder-
Printzen). Gleichwohl kann aus dieser ständigen BFH-Rechtsprechung abgeleitet werden,
dass in den Fällen, in denen KKn die Abrechnung zunächst in vollem Umfang begleichen
und wegen Auffälligkeiten ein Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V einleiten, sich
die Bildung von Rückstellungen nach § 5 Abs 1 S 1 EStG iVm § 249 Abs 1 S 1 HGB
richtet. Sie ist danach nicht zulässig, wenn ein sorgfältiger und gewissenhafter Kaufmann,
der wie die Krankenhäuser unmittelbar Zugang zu medizinischem Sachverstand hat und
zu diesem Zeitpunkt über alle abrechnungsrelevanten medizinischen Informationen
verfügt, bei gewissenhafter Prüfung davon ausgehen darf, dass eine Minderung der
Vergütung ernstlich nicht in Betracht kommt. Ist hingegen nach diesem Maßstab mit einer
Minderung der Vergütung ernstlich zu rechnen, ist aus dem Verhalten der KKn, das zu
solchen Rückstellungen Anlass gibt, gerade keine Treuwidrigkeit abzuleiten.
44 ff) Der Beklagte kann eine angebliche Säumigkeit des Beigeladenen dem Anspruch der
Klägerin auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen an den Beigeladenen auch nicht
unter dem Gesichtspunkt der Verjährung der Erstattungsforderung entgegenhalten. Die
Klägerin hat nämlich vor Eintritt der Verjährung Klage erhoben. Die Erhebung der
Stufenklage hemmt den Eintritt der Verjährung des Rechnungslegungs- und des
Erstattungsanspruchs (§ 45 Abs 2 SGB I analog iVm § 204 Abs 1 Nr 1 BGB; zur
Rechtshängigkeit des unbezifferten Erstattungsanspruch vgl oben II.1.b).
45 gg) Die Regelung des § 275 Abs 1c SGB V bildet schließlich auch keine Rechtsgrundlage
für eine vertragliche Ausschlussfrist. Wie der erkennende Senat am selben Tage
entschieden hat, kann durch einen Vertrag nach § 112 SGB V weder das
Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) noch das dieses konkretisierende Prüf- und
Beanstandungsrecht der KKn nach §§ 275, 276 SGB V eingeschränkt werden (vgl BSG
Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 27/11 R - RdNr 35 ff und 42 f, zur Veröffentlichung in
BSGE und SozR vorgesehen). Die Folge ist ua, dass diesbezüglich weder ein öffentlich-
rechtlicher Erstattungsanspruch einer KK noch ein ihm vorgelagerter Auskunftsanspruch
einer vertraglichen Ausschlussfrist unterworfen werden kann. Die "Vereinbarung für den
Vereinbarungs-/Pflegezeitraum 2007 nach § 11 Abs. 1 KHEntgG und § 17 Abs. 1 BPflV"
zwischen der AOK Bayern, des VdAK Bayern/AEV Bayern und dem BKK-Landesverband
Bayern e.V. einerseits und dem Beklagten andererseits in ihrem insoweit einschlägigen §
15 (Zahlungs- und andere Abrechnungsbestimmungen) sieht in Einklang mit dieser
Rechtsprechung keine einschlägige Ausschlussfrist vor.
46 3. Die Kostenentscheidung bleibt wegen der Einheit der Kostenentscheidung dem
Schlussurteil vorbehalten (vgl Brandenburgisches OLG Beschluss vom 9.11.2005 - 10 WF
185/05 - FamRZ 2007, 161, 162; OLG Karlsruhe Beschluss vom 18.3.2002 - 2 WF 34/02 -
FamRZ 2003, 943, 944; OLG Frankfurt am Main Urteil vom 25.3.1998 - 23 U 80/97 - NJW-
RR 1998, 1536; Herget in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 91 Rz 13 "Stufenklage"; Bork in
Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2004 Bd 2, § 91 RdNr 7 und § 92 RdNr 1; Winkler von
Mohrenfels, Abgeleitete Informationsleistungspflichten im deutschen Zivilrecht, 1986, S
192; Assmann, Das Verfahren der Stufenklage, 1990, S 125 f; Rixecker, MDR 1985, 633;
Siegel, Die Kostenfrage der Stufenklage, 2009, S 116 f; aA Hartmann in
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl 2012, § 254 RdNr 20). Insoweit ist
es unerheblich, dass das SG verfahrensfehlerhaft Auskunfts- und Erstattungsklage
getrennt hat. Für die Zwecke des Kostenrechts müssen das SG und gegebenenfalls die
Rechtsmittelinstanz den Entscheidungsverbund der Stufenklage mit der Folge weiter
beachten, dass auch über die Kosten der Auskunftsklage bei der Kostenentscheidung im
Verfahren über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Klägerin, das noch
beim SG anhängig ist, in der Weise zu entscheiden ist, dass das Urteil über die
Auskunftsklage als Teilurteil im Kostenerstattungsverfahren zu behandeln ist.
47 4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2,
§ 52 Abs 2, § 44 GKG. Die Festsetzung des Streitwerts für alle Instanzen folgt aus § 63
Abs 3 GKG. Der Streitwert des Auskunftsanspruchs richtet sich nach dem zu schätzenden
Erstattungsanspruch der Klägerin. Denn der Streitwert des Auskunftsanspruchs kann nicht
höher sein als der eventuelle Erstattungsanspruch (ausführlich zum höheren Anspruch iS
von § 44 GKG: Siegel, Die Kostenfrage der Stufenklage, 2009, S 74 ff). Der Senat hat den
Regelstreitwert von 5000 Euro zugrunde gelegt, weil der Rechnungsbetrag von 3244,17
Euro mit Blick auf die weitere, in ihren Einzelheiten nicht bekannte
Krankenhausbehandlung des Versicherten nach dem 3.5.2007 keine zwingende
Obergrenze für einen möglichen, in seinem Umfang unbekannten Erstattungsanspruch der
Klägerin darstellt, die Klägerin den Anspruch auch nicht auf einen bestimmten Betrag
begrenzt hat und Anhaltspunkte für eine Schätzung nicht vorliegen.